Amazon

Amazon.com Inc.
Branche Versandhandel
Hauptsitz Seattle, Washington
Lobbybüro Deutschland Marcel-Breuer-Str. 12, 80807 München
Lobbybüro EU Avenue des Arts 27, 1040 Brüssel
Webadresse www.amazon.com

Amazon ist der weltweit größte Internethändler. Das Unternehmen ist bekannt für seine Steuervermeidungstricks und schlechten Arbeitsbedingungen. Außerdem wird Amazon vorgeworfen, seine überragende Marktstellung zu missbrauchen. In Washington und Brüssel betreibt Amazon intensive Lobbyarbeit. Vor allem bei der Gesetzgebung zum EU-Datenschutz wurde der Konzern aktiv. Um Steuern zu sparen lässt Amazon 75 Prozent seiner Geschäfte außerhalb der USA über Tochterunternehmen in Luxemburg laufen.[1]


Lobbystrategien und Einfluss

Amazon hat eigene Lobbybüros in den für Amazon wichtigen Machtzentren, wie Brüssel und Washington. Amazon ist Mitglied in diversen Verbänden und betreibt dadurch indirekt - in Kooperation mit anderen Unternehmen – Lobbyarbeit. Das Unternehmen ist unter anderem Mitglied bei BITKOM, einem Digitalverband mit guten Beziehungen zum Bundeskanzleramt und dem Bundeswirtschaftsministerium. Auf EU-Ebene ist Amazon zudem Mitglied bei DIGITALEUROPE, dem wichtigsten Verband der globalen IT-Branche in der EU. In den USA beauftragt Amazon Lobbyfirmen, die das Unternehmen bei speziellen Angelegenheiten vertreten.

Lobbyarbeit in Brüssel[2]

Amazon Europe Core SARL gibt im Transparenzregister an, in Brüssel 8 Lobbyist:innen zu beschäftigen. 9 Interessenvertreter:innen haben einen Hausausweis für das Europäische Parlament.

Ein zentraler Ansprechpartner für Amazon war seit 2018 der EU-Kommissar für Binnenmarkt Thierry Breton zu den Verhandlungen zum Digital Service Act (DSA) und zum Digital Markets Act (DMA). Darin plante die EU-Kommission zum einen den Umgang mit Hassnachrichten, Falschinformationen und Betrug auf digitalen Plattformen zu regulieren.

Zum anderen möchte sie Wettbewerbsregeln für marktmächtige Plattformen (sogenannte Gatekeeper) aufstellen. Als so ein Gatekeeper lobbyiert Amazon mit anderen Digitalkonzernen gegen die Entwürfe. Ende 2020 traf Amazon den EU-Kommissar für Binnenmarkt Tierry Breton mit 16 weiteren Spitzenlobbyisten, darunter Twitter, Google, TikTok und Microsoft. Auch mit Kabinettszugehörigen der Kommissions-Präsidentin Von der Leyen traf sich Amazon 2022 zweimal zum Digital Service Act.

Darüber hinaus haben sich Amazon-Lobbyist:innen vermehrt mit Kommisar:innen unterschiedlicher Bereiche getroffen. Solche Treffen gab es zwischen 1/2020 und 5/2023 19 Mal.

Neben eigenen Lobbyist:innen machen vor allem Verbände, in denen Amazon Mitglied ist, Lobbyarbeit für Amazon.

In der Aufschlüsselung der Lobbyausgaben in Brüssel zeigt sich, wie Amazon seine Lobbyarbeit bis 2021 gesteigert hat, 2022 sanken sie laut Amazon wieder leicht.

Jahr Lobbyausgaben in Brüssel (in €)
2022 2,750,000€ - 2,999,999€
2021 3,000,000€ - 3,499,999€
2020 2,750,000€ - 2,999,999€
2019 1,750,000€ - 2,000,000€
2018 1,750,000€ - 2,000,000€
2017 1,750,000€ - 2,000,000€
2016 1,750,000€ - 2,000,000€
2015 1,500,000€ - 1,750,000€
2014 600,000€ - 700,000€

Quelle: LobbyFacts[2]

Amazon Europe Core SARL ist u.a. Mitglied der folgenden Lobbyverbände[3]

Lobbyarbeit in den USA

Neben der eigenen Lobbyarbeit hat Amazon (nur amazon.com) im Jahr 2023 neunzehn weitere externe Unternehmen damit beauftragt, die amerikanische Politik in einer Vielzahl von Bereichen zu beeinflussen. Dazu gehören Themen wie Steuerreformen, Datenschutz oder Internetsicherheit.[4]

Eine Investigativ-Recherche von Reuters (11/2021)[5] zeigte auf, dass Amazon durch die Lobbyarbeit eines Teams aus 250 Mitarbeiter:innen mehr als 3 Dutzend Gesetzesentwürfe zu Datenschutz in 25 Bundesstaaten schwächte oder zunichte machte. Ziel war es, Sprachaufnahmen aus dem Gesetzestexten auszuschließen, sodass der Vertrieb der sprachgesteuerten Assistenz ‚Alexa‘ gewährleistet war. Dadurch konnte Amazon eine große Mengen sensibler Daten seiner US-amerikanischen Kund:innen weiter sammeln. Amazon lies Handelsgruppen, die Amazon selbst finanzierte, als Gegner der Gesetze auftreten. Offiziell nahm der Konzern so nie Stellung zu den Gesetzen, um dem eigenen Image nicht zu schaden.

Zentral für die Erfolge Amazons war Jay Carney, ehemaliger Pressesprecher im Weißen Haus, der die Kampagne leitete. Dafür baute Carney und sein Team eine riesige Datenbank auf, in der Lobbykontakte zu Politiker:innen verwaltet wurden. So konnte genau geschaut werden, welche Politiker:innen wichtig für die Gesetzesgebung waren und welche Lobbyleistungen sie bereits erhalten haben„Amazon launched a “watering the flowers” program to cultivate a “well-tended garden” of VIPs (Very Important Policymakers) through carefully tracked political donations, meetings and Amazon site tours.“[5]

Verbraucherschützer:innen bezeichneten eines der verwässerten Gesetze in Washington als Schweizer Käse. Ein Gesetz, welches die Verbraucher:innen im Schein lässt etwas für deren Datenschutz zu tun, ohne jedoch wirklich wirksam zu sein.

Nach Recherchen des Journalisten Alex MacGillis lobbyierte Amazon gegen die Umsatzsteuer, die das Unternehmen bei einem Großteil der Verkäufe von Drittanbietern noch immer nicht berechnete, gegen die Regulierung von Drohnen, von denen es hoffte, sie zum Ausliefern von Paketen einzusetzen und gegen jede Bemühung, das Unternehmen von den US-Kartellbehörden prüfen zu lassen.[6] Amazon lobbyierte weiterhin, um bei der amerikanischen Post die vergünstigten Zustellpreise zu behalten. Die Lobbytätigkeit betraf auch die Auftragsvergabe der Regierung, weil das Unternehmen hoffte, zentrale Anlaufstation bei allen Anschaffungen des Bundes zu werden.

In den USA kann man anhand der Daten des amerikanischen Lobbyregisters sehen, wie hoch die Zunahme der Lobbyausgaben von Amazon ist. Seit 2012 haben sich die Lobbyausgaben vervielfacht. Die Darstellung des Lobbyregisters in Quartalen zeigt, dass im ersten Quartal 2023 ein Wert von US$ 4,630,000 erreicht wurde.[7]

Jahr Lobbyausgaben in den USA (in US$)
2022 21,38 Millionen
2021 19,32 Milionen
2020 17,86 Millionen
2019 16,14 Millionen
2018 14,19 Millionen
2017 12,84 Millionen
2016 11,02 Millionen
2015 9,07 Millionen
2014 4.74 Millionen
2013 3,45 Millionen
2012 2,50 Millionen

Quelle: opensecrets.com[8]

Lobbyarbeit in Deutschland

Im deutschen Lobbyregister gibt Amazon Deutschland Services GmbH an, (Stand: 02.06.2023):

  • im Jahr 2021 1,18 Mio. bis 1,19 Mio. € für Lobbyarbeit auszugeben und
  • 11 bis 20 Beschäftigte im Bereich der Interessenvertretung zu beschäftigen, wobei 18 namentlich genannt werden (zum Registereintrag).

Regulierungen und Einleitung von Verfahren als Reaktion auf gestiegene Marktmacht

Amazon ist ein stetig wachsender und seine Geschäftsfelder erweiternder Konzern. Die Corona-Krise hat der Expansion einen zusätzlichen Schub gegeben. Nach der Pandemie schwächte der Umsatz wieder etwas ab. 2022 wies Amazon eine Steigerung des weltweiten Umsatzes von 9,4% auf 514 Milliarden Dollar auf, der Nettogewinn sank nach dem Pandemiejahr 2021 (33,4 Mrd. Dollar) auf einen Netto-Verlust von 2,7 Mrd. Dollar.[9] Umsatztreiber waren neben den Cloud-Services (AWS) vor allem das Marktplatz-, Prime- und Werbegeschäft.

In Deutschland lag der Umsatz 2022 bei ca. 31 Mrd. Euro.[9] Beim Online-Handel in Deutschland gehen 2022 auf Amazon 56% der gesamten Umsätze aus dem Onlinehandel zurück.[10] Die wachsende Macht der Digitalkonzerne und ihr Aufstieg zu den größten Lobbyakteuren hat zu Debatten um eine Vielzahl kontroverser Themen geführt: Macht der Internetplattformen als Gatekeeper, die Beeinflussung von Wahlkämpfen und öffentlichen Debatten, der Umgang mit Hassrede und Fake News, die Regulierung von Künstlicher Intelligenz, Digitalsteuern, etc.[11] Die vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie eingesetzte Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 ist der Überzeugung, dass die Bestreitbarkeit von Machtpositionen in der Digitalwirtschaft dauerhaft gewährleistet bleiben, ihre Ausnutzung zur Behinderung von Innovation und Wettbewerb unterbunden sowie eine machtbedingte Erstreckung auf weitere Märkte verhindert werden muss.[12] Insbesondere in den USA, der EU und Deutschland werden Maßnahmen diskutiert und umgesetzt, mit denen die Macht der Konzerne beschränkt und ihre fragwürdigen Geschäftspraktiken unterbunden werden sollen. Die Digitalkonzerne haben deshalb ein starkes Interesse daran, über verstärkte Lobbyausgaben strengere gesetzliche Regelungen zu verhindern. So hat Amazon in den USA die Lobby-Ausgaben 2020 um 9,6 % erhöht.[13] In Brüssel haben sich die Lobbyausgaben von 2019 auf 2020 stark erhöht und pendeln seitdem auf hohem Level.[2]

USA

Das Abgeordnetenhaus im amerikanischen Kongress hat am 11. Juni 2021 fünf Gesetzesentwürfe vorgelegt, die es erleichtern könnten, die Internetkonzerne zu zerschlagen und ihnen den Verkauf bestimmter Produkte zu verbieten.[14] Zugleich sieht sich Amazon kartellrechtlichen Ermittlungen der Federal Trade Commission ausgesetzt. Der Generalstaatsanwalt von New York hat am 25. Mai 2021 Klage gegen Amazon wegen des Missbrauchs seiner überragenden Marktstellung eingereicht.[15] Amazon verbiete unabhängigen Händlern, ihre Waren auf alternativen Plattformen zu günstigeren Preisen anzubieten und verlange eine Gebühr, die bis zu 40 % des Preises betrage.

EU

Mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) will die Europäische Kommission ein besseres Gleichgewicht zwischen Rechten und Verantwortlichkeiten von Nutzern, Plattformen und Behörden herstellen und das Internet sicherer machen.[16] Das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) legt eine Reihe eng definierter objektiver Kriterien für die Einstufung einer großen Online-Plattform als „Gatekeeper“ fest. Diese dürfen gegenüber den von ihnen abhängigen gewerblichen Nutzern und Kunden keine unlauteren Praktiken anwenden, um einen unbilligen Vorteil zu erlangen. Am 24. März 2022 bzw. am 23. April 2022 haben sich EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten auf die endgültige Fassung der genanten Gesetze geeinigt.[17][18]

Deutschland

Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) in Kraft getreten. Der Gesetzgeber will damit vor allem die Marktmacht großer Digitalkonzerne wie Amazon beschränken. Insbesondere der neue § 19a GWB sieht neue, weitreichende Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt gegenüber „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ vor. Im Juli 2022 stufte das Bundeskartellamt Amazon als Unternehmen mit "überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" ein, wogegen der Konzern vor dem Bundesgerichtshof klagt.[19]

LobbyControl setzt sich beim Bundeskartellamt dafür ein, dass es seine neuen Möglichkeiten nutzt, um die Macht von Amazon zu zerschlagen.[20] Diese Forderung basiert auf einem Gutachten von Rechtsanwalt Dr. Kim Manuel Künstner: Amazon entflechten? November 2023, das zu dem Schluss kommt, dass Entflechtungsmaßnahmen nicht nur rechtlich möglich, sondern auch nötig sind, um die Monopolmacht des Konzerns zu begrenzen und Schaden von der Demokratie abzuwenden.

Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung

Insbesondere die global operierenden Digitalkonzerne können ihre Gewinne in Staaten mit niedrigen Steuersätzen verlagern und dadurch ihre Effektivsteuern bis auf nahe Null senken, was den Wettbewerb verzerrt und den finanziellen Gestaltungsspielraum der betroffenen Länder vermindert. Amazon hat in den Jahren 2009-2018 knapp 26,5 Mrd. Dollar Gewinn gemacht, aber nur rund 791 Millionen an Steuern gezahlt.[21][22] 2018 soll Amazon auf einen Gewinn von 11,2 Mrd. Dollar sogar eine Steuergutschrift von 129 Mio. Dollar erhalten haben. Die EU-Kommission hat gegen Amazon ein Verfahren wegen der Gewährung unfairer Steuervorteile über ein Steuerkonstrukt in Luxemburg eingeleitet, über dessen Berechtigung das Gericht der Europäischen Union (EuG) im Mai 2021 entschieden hat.[23] Das Gericht bekräftigte zwar, dass die Kommission derartige Arrangements in Frage stellen dürfe, bemängelte aber, diese habe mit ihrer Methodik nicht nachgewiesen, dass die Steuerlast tatsächlich künstlich verringert worden sei. Der Europaabgeordnete Sven Giengold (Grüne) forderte darauf hin strengere Wettbewerbsregeln, die staatlichen Beihilfen in Form von Steuervergünstigungen enge Grenzen setzen. Vor diesem Hintergrund soll die internationale Unternehmensbesteuerung reformiert werden.

Im Rahmen der OECD haben sich 137 Staaten auf faire Verteilrechte und einen einheitlichen Mindeststeuersatz von mindestens 15 Prozent geeinigt. Am 9./10. Juli 2021 haben die Finanzminister*innen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der G20, das Konzept beschlossen.[24] Die Besteuerungsrechte sollen tendenziell vom Ort der Produktion dahin gelenkt werden, wo die Produkte vermarktet werden. Dazu soll ein Anteil des Gewinns einer Unternehmensgruppe oder Geschäftssparte den Staaten mittels einer Formel zugeteilt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Unternehmen in dem Staat einen Sitz hat. Neben dem Implementierungsplan der internationalen Staatengemeinschaft beabsichtigt auch die Europäische Kommission, den Prozess eng zu begleiten, um eine zeitnahe und einheitliche Umsetzung innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten.

Die Staats- und Regierungschef aus der Gruppe der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 20) billigten am 30. Oktober 2021 in Rom das Konzept, auf das sich zuvor 136 Länder verständigt hatten.[25] Für Länder, die bisher stark vom Steuerwettbewerb profitiert haben, sind gewisse Übergangserleichterungen vorgesehen. Nach einer Pressemitteilung des Europäischen Rats der EU vom 12.12.2022 haben die EU-Mitgliedsstaaten eine grundsätzliche Einigung über die Umsetzung der Mindeststeuerkomponente (die sogenannte zweite Säule) der internationalen Steuerreform der OECD auf europäischer Ebene erzielt.[26] Der Bundesrat hat am 15. 12. 2023 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 10. 11. 2023 verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gewährung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen zuzustimmen.[27]

Kurz nach OECD-Beschluss wurden Befürchtungen der US-Finanzministerin Janet Yellen veröffentlicht, laut denen Amazon von den Regelungen zu Steuerzahlung in den Marktstaaten nicht betroffen sein könnte.[28] Der Konzern sein demnach als ganzes, vor allem wegen seiner Onlinehandelsparte nicht profitabel genug, weise also eine zu geringe Gewinnmarge auf, um unter die Regelung zu fallen. Insidern zufolge könnte es eine Sonderregelung geben, die eben diese Fälle abdeckt, indem sie einzelne Sparten der Unternehmen betrachtet, die sowohl einen Gesamtumsatz von 20 Mio. US-Dollar als auch eine Gewinnmarge von 10% aufweisen. Überlegungen sind auch, die Umsatz-Kennzahl von 20 Mio. auf 10 Mio. US-Dollar zu senken.[29]

Fallbeispiele und Kritik

2022: Millionenschwere Imagekampagne als Beispiel von Deep Lobbying

LobbyControl kritisierte im November 2022 die millionenschwere Imagekampagne von Amazon, mit welcher der Konzern auf die anhaltende Kritik an den schlechten Arbeitsbedingungen in den Versandzentren reagierte. Insgesamt 8,1 Mio. € (Bruttowerbekosten) flossen demnach in Werbung, die 2021 in Zeitungen in Deutschland geschaltet wurden. Diese Ausgaben übersteigen das Budget, das Amazon im deutschen Lobbyregister für direkte Lobbyarbeit angibt, denn die Ausgaben für Imagekampagnen werden hierbei nicht erfasst. [30]

Recherchen von Correctiv ergaben zudem, dass die in der Werbung enthaltenen Botschaften ein „stark verzerrtes Bild der Realität“ vermitteln, denn die tatsächlichen Arbeitsbedingungen würden sich, anders als in den Kampagnen inszeniert, durch „Druck, Kontrolle und extreme Belastung“ kennzeichnen. [31] Mit dem Ziel dieser Kampagnen, langfristig die öffentliche Meinung und die Politik zu beeinflussen und mit einem positiv erzeugtem Image von einem politischen Handlungsbedarf im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen abzulenken, sind diese Kampagnen durchaus Teil der Lobbystrategie des Konzerns, wie LobbyControl kritisiert. Es handelt sich dabei um erweiterte Lobbyarbeit (auch deep lobbying genannt), für die, wie das Beispiel der Imagekampagne von Amazon zeigt, verbesserte Transparenzregeln notwendig sind. [32]

2021: Lobbyismus für die Legalisierung von Cannabis in den USA

Im September 2021 gab Amazon in einer Mitteilung bekannt, dass sich der Konzern mit Lobbyarbeit für eine flächendeckende Legalisierung von Cannabis in den USA einsetzt. Amazon unterstütze dabei vor allem zwei Gesetzesentwürfe, die neben einer Legalisierung auch die Rehabilitation bisher verurteilter Straftäter befürworten. Mit einer flächendeckenden Legalisierung würde sich Amazon als Versandhändler ein weites Vertriebsfeld eröffnen. [33]

Big-Brother-Award 2018

Für den Sprachassistenten Alexa erhielt Amazon im Jahr 2018 den „Big-Brother-Award“ in der Kategorie Verbraucherschutz.[34]

2014-2016: Amazon an deutschen Schulen

Mit dem Schulwettbewerb „Lesen macht Spaß“ hat Amazon, unter dem Vorbehalt der Förderung von Lese- und Schreibkompetenzen, Lobbyarbeit an deutschen Schulen betrieben. Der Wettbewerb fand von Dezember 2014 bis Februar 2015 satt. Dies geschah im Umkreis aller deutschen Logistik- und Kundendienststandorte des Konzerns. Mehr als 200 Grundschulklassen haben an diesem Wettbewerb teilgenommen. Als Siegprämie wurden E-Book-Reader und Gutscheine für das Herunterladen von E-Books spendiert. Aber nicht nur die Gewinner erhielten eine Prämie. Jede teilnehmende Klasse hat einen Amazon-Gutschein im Wert von 50€ erhalten. Durch diesen Schulwettbewerb konnte Amazon unkritische Berichte in den Lokalzeitungen der verschiedenen Städte verbuchen. Viele Bürgermeister der Städte äußerten sich in Zeitungsartikeln durchweg positiv, und die Kritik an dem Konzern bezogen auf schlechte Arbeitsbedingungen und Steuerflucht rückte in den Hintergrund.
Dieser Schulwettbewerb blieb jedoch nicht der einzige. Bereits ein Jahr später, 2016, wurde diese Form des Lobbyismus unter einem neuen Namen bundesweit im Umfeld der Logistikzentren weitergeführt. Mit „Kindle Storyteller Kids“ sollte auch hier wieder die Lese- und Schreibkompetenz der Schüler gefördert werden, indem sie Geschichten schreiben.[35] Das Bundesland Hessen hat darauf reagiert und den Wettbewerb verboten. Diesem Beispiel folgten auch die Schulministerien der Bundesländer in NRW und Baden-Württemberg. Auch Bayern und Rheinland-Pfalz stufen den Wettbewerb als kritisch ein. Lediglich das Schulministerium in Sachsen hält den Wettbewerb für unproblematisch, solange es keine reinen Hinweise auf die kommerzielle Nutzung gibt.[36]

2013: Lobbyschlacht zur EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Von besonderer Bedeutung war die Lobbyarbeit im Jahr 2013. Amazon war einer der treibenden Kräfte in der „Lobbyschlacht“, als über die Gesetzestexte der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verhandelt wurde. Der Konzern hat versucht, Europa-Abgeordnete davon zu überzeugen, hunderte von Änderungsanträgen im Interesse von Amazon einzubringen.[37] Durch das Webportal LobbyPlag[38] hat sich herausgestellt, dass Änderungsanträge und Passagen, die von Amazon eingebracht wurden, teilweise wortwörtlich von den Abgeordneten des Europa Parlaments übernommen wurden. Das zeigt sich zum Beispiel durch die Streichung des Artikel 7 Absatz 4 der DSGVO, die Amazon in ihrem Lobby-Papier eingebracht hat. Durch die Streichung können Unternehmen Daten verarbeiten, die sie durch ihre Überlegenheit erlangt haben. Dadurch gilt eine Einwilligung zur Datenverarbeitung, auch wenn keine Möglichkeit bestand die Zustimmung zu verweigern.[39]

Kurzdarstellung und Geschichte

Amazon wurde 1994 als Online-Buchhandel in Seattle gegründet. Über die Jahre entwickelte sich die Plattform zu einem der führenden e-Commerce Anbieter und weitet seine Marktmacht auch über andere Bereiche aus. Zu den wichtigsten Geschäftsbereichen gehört die Cloudsparte Amazon Web Services, die von Netflix, Facebook und Zoom genutzt wird, sowie der Logistik- und Versanddienst Amazon Logistics. Seit 2016 vertreibt Amazon zudem den Amazon Echo, einen sprachgesteuerten persönlichen Assistenten Alexa, der in den USA der meistverkaufte Sprachassistent ist.

Weiterführende Informationen

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Mit dieser Methode spart Amazon Steuern, deutschlandfunk.de vom 14.05.2021, abgerufen am 05.07.2021
  2. 2,0 2,1 2,2 Lobbyausgaben EU, lobbyfacts.eu vom 26.04.23, abgerufen am 20.05.23
  3. EU Transparenz-Register, ec.europa.eu, abgerufen am 18.05.2023
  4. Lobbythemen von amazon.com, 2023, OpenSecrets, zuletzt aufgerufen am 19.05.2023
  5. 5,0 5,1 Amazon wages secret war on Americans' privacy, documents show, reuters.com vom 19.11.21, abgerufen am 19.05.23
  6. Alex MacGillis: Ausgeliefert - Amerika im Griff von Amazon, Frankfurt am Main 2021, S. 109
  7. Query the Lobbying Disclosure Act database: Amazon, the United States Senate, zuletzt abgerufen am 02.06.2023
  8. Client profile Amazon.com, opensecrets.org, zuletzt abgerufen am 19.05.2023
  9. 9,0 9,1 Amazon steigert Umsatz, aber Gewinn schrumpft, handelsblatt.net vom 03.02.023, abgerufen am 02.06.2023
  10. Über Amazon laufen 56% der deutschen E-Commerce-Umsätze, onlinehändler-news.de vom 04.07.2022, abgerufen am 02.06.2023
  11. Big Tech, big Lobby, lobbycontrol.de vom 23.01.2020, abgerufen am 27.05.2021
  12. Ein neuer Wettbewerb für die Digitalwirtschaft Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 September 2019, bmwi.de, abgerufen am 28.05.2021
  13. Big Tech: Rekordausgaben für Lobbyarbeit in den USA, lobbycontrol.de vom 27.01. 2021, abgerufen am 28.05.2021
  14. Amerika knöpft sich seine Tech-Giganten vor, faz.de vom 12.06.2021, abgerufen am 12.06.2021
  15. Amazon accused of unfair pricing policies by Washington DC, bbc.com vom 25.05.2021, abgerufen am 26.06. 2021
  16. Ein Rahmen für die digitale Wirtschaft, hss.de vom 06.04.2021, abgerufen am 27.05.2021
  17. [https://www.lobbycontrol.de/2022/04/frust-und-freude-einigng-beim-digital-markets-act-dma/ Frust und Freude: Einigung beim Digital Markets Act (DMA), lobbycontrol.de vom 22.04.2022, abgerufen am 19.06.2022
  18. EU-Kommission begrüßt die Einigung auf Regeln für Online-Plattformen, bundesregierung.de vom 25.04.2022, abgerufen am 19.06.2022
  19. Hat Amazon eine „überragende marktübergreifende Bedeutung?“, lto.de vom 28.06.2023
  20. Amazon ist zu mächtig und muss zerschlagen werden, lobbycontrol.de vom 07.11.2023
  21. Biden schießt scharf gegen Amazon, tagesschau.de vom 01.04.2021, abgerufen am 28.05.2021
  22. Mit dieser Methode spart Amazon Steuern, deutschlandfunk.de vom 14.05.2021, abgerufen am 05.07.2021
  23. Rückschlag im Kampf gegen Steuertricks, sueddeutsche.de vom 12.05.2021, abgerufen am 29.05.2021
  24. Reform der internationalen Unternehmenssteuer kommt, bundesfinanzministerium.de vom 10.07.2021, abgerufen am 27.07.2021
  25. G 20 billigen Konzept für globale Mindeststeuer, faz.de vom 30.10.2021, abgerufen am 31.10.2021
  26. Internationale Besteuerung: Rat erzielt Einigung über Mindestbesteuerung der größten Unternehmen, consilium.europa.eu vom 12.12.2022, abgerufen am 18.12.2022
  27. Beschluss des Bundesrates, bundesrat.de, abgerufen am 17.12.2023
  28. Amazon von globaler Mindeststeuer womöglich nur teilweise betroffen, manager-magazin.de, abgerufen am 20.05.2023
  29. Was hinter der globalen Mindeststeuer steckt, deutschlandfunk.de, abgerufen am 20.05.2023
  30. Pressemitteilung. Schlechte Arbeitsbedingungen bei Amazon: Millionenschwere Imagekampagne lobbycontrol.de, vom 30.11.2022, abgerufen am 16.12.2022
  31. Die Maschine Amazon correctiv.org, vom 23.11.2022, abgerufen am 16.12.2022
  32. Schlechte Arbeitsbedingungen: Millionenschwere Imagekampagne von Amazon lobbycontrol.de, vom 30.11.2022, abgerufen am 16.12.2022
  33. Amazon setzt sich für die Legalisierung von Cannabis ein rnd.de, vom 23.09.2021, abgerufen am 20.11.2021
  34. Die BigBrotherAwards 2018, BigBrotherAwards, abgerufen am 03.05.2018
  35. Amazon verstößt gegen Schulgesetz ,LobbyControl, 19. Mai 2016, zuletzt abgerufen am 24.04.2018
  36. Amazon verstößt gegen Schulgesetz ,LobbyControl, 07. Juni 2016, zuletzt abgerufen am 24.04.2018
  37. Amazon: lobbying to weaken data privacy rights, refusing lobby transparancy, Corporate Europe Observatory, zuletzt aufgerufen am 24.04.2018
  38. Comparison of Amendments ans Lobby Propsals, LobbyPlag, zuletzt aufgerufen am 23.04.2018
  39. Bye bye Datenschutz: EU-Parlament kopiert von Amazon, ebay & Co., Netzpolitik vom 10.02.2013, zuletzt aufgerufen am 07.05.2018

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