Karenzzeit International

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Karenzzeitregelungen in der Politk sollen den unmittelbaren Wechsel von Politiker:innen in Lobbytätigkeiten oder sonstige Berufe, die einen Interessenskonflikt zu ihrem ehemaligen Amt darstellen, unterbinden und regulieren so das Problem der Seitenwechsel (auch ‚Drehtür-Effekt‘). Forderungen von Lobbycontrol bezüglich der Ausgestaltung von Karenzzeitregelungen finden sich hier. International variieren die Regelungen teilweise erheblich.


EU-Länder

Österreich

In Österreich gibt es immer wieder prominente Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, zuletzt etwa der Wechsel von Sebastian Kurz zu Thiel Capital rund 2 Monate nach seinem Rücktritt als Kanzler.[1] Diese sind nach wie vor erlaubt, da für Bundesminister:innen und Staatssekretär:innen grundsätzlich keine beruflichen Beschränkungen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt gelten. Hiervon ausgenommen sind nur einige bestimmte Ämter wie zum Beispiel solche bei Verwaltungsgerichten oder dem Verfassungsgerichtshof, von denen ehemalige Minister:innen und Staatssekretär:innen gemäß Verfassung für fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt ausgeschlossen sind. [2]

Ehemaligen Regierungsbeamt:innen ist es untersagt in einem Zeitraum von sechs Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt für Organisationen zu arbeiten, die nicht der Kontrolle des Rechnungshofs oder ähnlichen Organen unterliegen, wenn sie in den 12 Monaten vor dem Ausscheiden aus dem Amt „maßgeblichen Einfluss“ auf die Rechtsposition des neuen Arbeitgebers hatten. Dies gilt nur, wenn durch die Beschäftigung eine Beeinträchtigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen zu befürchten ist. Darüber hinaus gelten weitere Ausnahmen. Bei einem Verstoß gegen diese Regelung droht eine Geldstrafe bis zum dreifachen Betrag des letzten Monatsgehalts.[3]


Belgien

Im Verhaltenskodex für Minister:innen ist festgehalten, dass die Pflichten, die mit dem Amt einhergehen, insbesondere im Hinblick auf die Annahme von Posten und Geschenken weiterhin achten müssen. Darüber hinaus gelten keine verpflichtenden Regeln.[4]


Dänemark

Minister:innen müssen finanzielle Details von Vereinbarungen mit zukünftigen Arbeitgebern veröffentlichen. Ein Gesetzentwurf zur Einführung einer Karenzzeitregelung wurde 2016 vom Parlament abgelehnt.[5]


Frankreich

Artikel 432-13 des französischen Strafgesetzbuchs (code penal) untersagt es ehemaligen Mitgliedern der Regierung und Mitarbeitenden von öffentlichen und Regierungsorganisationen drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt privatwirtschaftlich mit inhaltlichem Bezug zu ihrer Tätigkeit im Staatsdienst tätig zu werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Haftstrafe von drei Jahren und eine Geldstrafe von mindestens 200.000€, die auf den doppelten Betrag der Einnahmen durch die verbotene Tätigkeit erhöht werden kann.[6]


Italien

In Italien gilt ein einjähriges Verbot, Tätigkeiten aufzunehmen, die in Verbindung mit persönlichen Regierungstätigkeiten stehen.[7]


Luxemburg

Für Minister:innen gilt zwei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Amt ein Lobbyingverbot. Im gleichen Zeitraum müssen aufgenommene privatwirtschaftliche Tätigkeiten, die nicht schon unmittelbar vor dem Wechsel in die Regierung ausgeübt wurden, bei einem Ethikkomitee angezeigt werden. Gleiches gilt für hochrangige Regierungsbeamten im Zeitraum von einem Jahr. Das Ethikkomitee besteht aus drei ehemaligen hochrangigen Staatsbediensteten. Empfehlungen des Komitees werden nur veröffentlicht, wenn Minister:innen den Empfehlungen nicht folgen. Beamt:innen können nur Auflagen auferlegt werden, nicht die Tätigkeit komplett untersagt werden.[8][9]


Niederlande

In den Niederlanden gilt für ehemalige Minister:innen und Beamt:innen ein zweijähriges Lobbyverbot gegenüber ihres ehemaligen Ressorts. Weiterhin müssen ehemalige Minister:innen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt darauf achten, nicht den „Eindruck unlauteren Verhaltens“ in Bezug auf ihr Amt und denen ihnen dort anvertrauten Informationen zu erwecken. Die Aufnahme von Jobverhandlungen während der Amtszeit muss dem Premierminister angezeigt werden.[10][11]


Polen

Es gilt ein einjähriges Verbot nach Ausscheiden aus dem Amt Tätigkeiten bei Firmen aufzunehmen, zu denen Staatsbedienstete während ihrer Amtszeit Entscheidungen getroffen haben. Ausnahmen hiervon kann eine vom dem:der Premierminister:in einberufene Kommission gewähren.[12]


Spanien

Es gilt ein zweijähriges Verbot, für Organisationen zu arbeiten, die von während der Amtszeit des Regierungsmitglieds getroffenen Entscheidungen betroffen sind. Über ein Verbot von Tätigkeiten entscheidet ein Amt für Interessenskonflikte. Dieses veröffentlicht seine Entscheidungen. Bei Missachtung der Entscheidungen des Amtes können folgende Sanktionen greifen:

  • Verlust von Übergangszahlungen
  • Rückgabe der Einnahmen aus der untersagten Tätigkeit
  • Fünf bis zehn Jahre Verbot ein öffentliches Amt zu bekleiden
  • Veröffentlichung des Fehlverhaltens im Amtsblatt

Darüber hinaus kann das Amt für Interessenskonflikte auf die Sozialversicherungsdaten ehemaliger Regierungsmitglieder zugreifen und, sollte es es Diskrepanzen zu den von den ehemaligen Regierungsmitglieder angezeigten Tätigkeiten feststellen, selbständig tätig werden. Allerdings werden Tätigkeiten und Verstöße äußerst selten untersagt bzw. bestraft.[13]

Für Beamt:innen gelten keine solchen Regeln.[13]


Tschechien

In Tschechien können Minister:innen bis zu einem Jahr nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in neuen Tätigkeiten Auflagen auferlegt werden.[14]

Sonstige Staaten

Australien

In Australien gilt ein 18-monatiges Lobbyingverbot für ehemalige Minister:innen in Angelegenheiten mit denen sie während der letzten 18 Monate ihrer Amtszeit zu tun hatten. Darüber hinaus gilt eine lebenslange Anzeigepflicht von Tätigkeiten für ausländische Organisationen.[15]

Kanada

In Kanada gilt ein fünfjähriges Lobbyingverbot nach Ausscheiden aus dem Amt. Ausnahmen hiervon kann der:die vom Parlament gewählte Commissioner of Lobbying gewähren. [16]

Schweiz

Die Schweiz kennt keine Karenzzeitregelungen für ehemalige Regierungsmitglieder oder Beamt:innen.[17]


USA

siehe Karenzzeit USA

In den USA reichen Karenzzeitregelungen von der Untersagung von Lobbytätigkeiten von einem Jahr nach Ausscheiden aus dem Amt bis hin zu lebenslänglichen Lobbyingverboten in seltenen Fällen. Entscheidend hierbei ist, wie direkt Personen in Entscheidungen rund um das Tätigkeitsfeld ihres neuen Arbeitgebers involviert waren und ob sie Angehörige der Exekutive oder der Legislative sind. Über die gesetzlichen Regelungen hinaus verordnen US-Präsidenten üblicherweise zu Beginn ihrer Amtszeit per Dekret Verhaltenskodexe für ihre Regierungsmitglieder, die in der Regel auch weitere Karenzzeitregelungen beinhalten.[18][19]


Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich gilt ein zweijähriges Lobbyverbot für ehemalige Minister:innen. Darüber hinaus müssen Minister:innen innerhalb von zwei Jahren nach Ausscheiden angestrebte Tätigkeiten beim Advisory Committee on Business Appointments (ACoBA, zu dt.: Beratungskomitee zu geschäftlichen Ernennungen), bestehend aus Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, anzeigen. Dieses berät ehemalige Minister:innen hinsichtlich der Frage, ob durch die angestrebte Tätigkeit Interessenskonflikte oder der Eindruck diese sei eine Belohnung für im Amt getroffene Entscheidungen entstehen können. [20] Allerdings hat das ACoBA weder Möglichkeiten zur Kontrolle, noch zur Sanktionierung, sodass sich nicht immer an Empfehlungen gehalten wird.[21] So wechselten zwischen 2017 und 2023 über 170 ehemalige Regierungsmitglieder und -beamte in Berufe mit Bezug zu ihrer Regierungstätigkeit.[22]


Darüber hinaus wird im Verhaltenskodex für Minister:innen eine dreimonatige Karenzzeit zwischen Ausscheiden aus dem Amt und der Aufnahme einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit „erwartet“.[23]

Die Karenzzeitregelungen für Beamt:innen unterscheiden sich entlang der verschiedenen Ebenen im Staatsdienst. Für die höchste Ebene von Beamt:innen gilt bis zwei Jahre nach dem Ausscheiden eine Anzeigepflicht neuer Tätigkeiten bei der ehemaligen Dienstbehörde. Diese leitet die Information an das ACoBA weiter, das den:die Premierminister:in berät, welche:r schlussendlich entscheidet ob die Aufnahme der Tätigkeit gestattet wird. Untersagungsgründe sind:[24][20]


  • Die mögliche Beeinflussung der Entscheidungen von (noch im Staatsdienst befindlichen) Beamt:innen durch die Aussicht auf die neue Tätigkeit
  • Das mögliche Ausnutzen von Informationen aus dem Staatsdienst bei der neuen Stelle
  • Das Verschaffen eines Vorteils für den neuen Arbeitgeber gegenüber Wettbewerbern auf Grund des Wissens des:der ehemaligen Beamt:in über Regierungsinterna

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Kurz heuert wohl bei Tech-Investor an, tagesschau.de vom 30.12.2021, abgerufen am 09.03.2023
  2. Evaluierungsbericht Österreich, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  3. BDG 1979, ris.bka.gv.at, abgerufen am 09.03.2023
  4. Evaluation Report Belgium, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  5. Evaluation Report Denmark, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  6. Article 432-13 Code pénal, legifrance.gouv.fr, abgerufen am 09.03.2023
  7. Country Profile Italy, europam.eu, abgerufen am 09.03.2023
  8. Arrêté grand-ducal du 14 mars 2022, legilux.public.lu, abgerufen am 09.03.2023
  9. Second Compliance Report, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  10. Evaluation Report Netherlands, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  11. Compliance Report Netherlands, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  12. Evaluation Report Poland, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  13. 13,0 13,1 Evaluation Report Spain, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  14. Country Profile Czechia, europam.eu, abgerufen am 09.03.2023
  15. Code of Conduct for Ministers, pmc.gov.au, abgerufen am 09.03.2023
  16. Restriction on Lobbying Activity, laws-lois.justice.gc.ca, abgerufen am 09.03.2023
  17. Politikfinanzierung & Lobbying, transparency.ch, abgerufen am 09.03.2023
  18. Executive Branch Service and the “Revolving Door in Cabinet Departments, Congressional Research Service vom 07.10.2019, abgerufen am 28.02.2023
  19. Post-Employment "Revolving Door," Laws for Federal Personnel, Congressional Research Service vom 07.01.2014, abgerufen am 28.02.2023
  20. 20,0 20,1 Evaluation Report United Kingdom, GRECO, abgerufen am 09.03.2023
  21. Priti Patel accused of breaching ministerial code for second time, theguardian.com vom 26.07.2019, abgerufen am 09.03.2023
  22. Over 170 ex-ministers and officials take jobs linked to old policy briefs since 2017, theguardian.com vom 24.03.2023, abgerufen am 24.03.2023
  23. Business Appointment Rules for Ministers, gov.uk, abgerufen am 09.03.2023
  24. Business appointment rules for Crown servants, gov.uk, abgerufen am 09.03.2023

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