Lobbyismus

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Das Wort Lobbyismus kommt von Lobby – dem alten englischen Ausdruck für die Vorhalle des Parlaments. Dass Interessengruppen ihre Anliegen zu Gehör bringen und ihre Wünsche und Bedenken in die politische Entscheidungsfindung einbringen, ist ein legitimer Bestandteil von Demokratie.

Problematisch wird Lobbyismus dann, wenn nicht transparent ist, wer Politik mit welchen Mitteln und Methoden beeinflusst. Denn nur transparente Politik ist durch Öffentlichkeit und Medien kontrollierbar.

Zu einer Gefahr für die Demokratie kann Lobbyismus werden, wenn Akteure mit mehr finanziellen Mitteln deswegen auch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben. So können eklatante Machtungleichgewichte entstehen. Strukturell benachteiligt sind dann etwa Umwelt-, Klima- oder Verbraucherschutzinteressen gegenüber Profitinteressen aus Industrie und Wirtschaft.

Ausführung dazu: Lobbyismus höhlt die Demokratie aus: Zehn Thesen

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Definition: Was ist Lobbyismus?

Lobbyismus ist der Versuch, politische Entscheidungen gezielt zu beeinflussen. Dabei werden spezifische Interessen vertreten. Interessenvertretung ist zunächst legitimer Bestandteil von Demokratie.

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Ein enges Verständnis von Lobbyismus beschreibt nur die direkte und zumeist abseits der Öffentlichkeit stattfindende Beeinflussung politischer Entscheidungsträger:innen. In den letzten Jahren gewinnt eine weitere Dimension von Lobbyismus an Bedeutung: die indirekte Einflussnahme auf die Politik über die Beeinflussung der Öffentlichkeit.

An wen richtet sich Lobbyismus?

Lobbyismus richtet sich an eine Vielzahl von politischen Akteuren:

Zentral ist zunächst die direkte Beeinflussung von Regierung und Parlament. Dabei werden institutionalisierte Wege der Interessenvertretung genutzt, etwa Anhörungen in Ministerien oder Bundestagsausschüssen. Ministerien fordern auch häufig explizit zur Stellungnahme (z.B. zu Referentenentwürfen) auf.

Neben diesen institutionalisierten Wegen sind aber informelle Wege der Beeinflussung entscheidend. Abgeordnete, deren Mitarbeiter:innen, Amtsträger:innen in Ministerien sowie die unteren Ebenen des Regierungsapparates werden von Lobbyist:innen adressiert. Dabei geht es zunächst um den Aufbau eines vertrauensvollen Kontaktverhältnisses. Wer diese guten Kontakte hat, findet Gehör und kann erfolgreich Überzeugungsarbeit leisten.

Parlamente werden gefüllt von Abgeordneten, die in ihrer überwältigenden Mehrheit Parteien angehören. Die Spitzen dieser Parteien entscheiden (ggf. unter Einbeziehung der Parteibasis) über Regierungskoalitionen und bilden das wichtige informelle Gremium des Koalitionsausschusses. Deswegen sind auch Parteien Adressaten von Lobbyismus. Besonders relevant ist dabei die Frage, wie sich Parteien finanzieren, denn Interessengruppen dürfen in Deutschland an Parteien Geld spenden und tun dies auch. (Siehe: Parteienfinanzierung)

Im Sinne des indirekten Lobbyismus ist die gesamte Öffentlichkeit Adressat. Wer über genügend Ressourcen verfügt, kann gezielt Teilöffentlichkeiten beeinflussen: den vorpolitischen Raum, wissenschaftliche Diskurse, mediale Debatten, Social Media oder sogar Schulen (Lobbyismus an Schulen).

Wer macht Lobbyismus?

Es gibt eine große Zahl unterschiedlicher Lobbyakteure:

  • Verbände sind Zusammenschlüsse von Unternehmen oder anderen Organisationen zum Zweck der Interessenvertretung.
  • Unternehmen sind einerseits in Verbänden zum Zweck der Interessenvertretung organisiert, beeinflussen aber auch selbst direkt oder indirekt die Politik.
  • Lobbyagenturen (z.B. EUTOP) sind professionelle Dienstleister, die über gute Kontakte und Kenntnisse politischer Entscheidungsprozesse verfügen und diese ihren Kunden gegen Bezahlung zur Verfügung stellen.
  • Public Affairs-Agenturen beeinflussen für ihre Auftraggeber:innen nicht nur direkt die Politik, sondern auch im Sinne des indirekten Lobbyismus (oder auch: deep lobbying) die Öffentlichkeit.
  • Think Tanks bieten Räume für politische Debatten und gleichzeitig die Gelegenheit für beteiligte Akteure, diese Debatten zu beeinflussen oder zu strukturieren. Think Tanks können von Interessengruppen getragen oder (teil-)finanziert werden, womit ihre Unabhängigkeit in Frage steht. Das ist problematisch, denn der Begriff "Think Tank" verweist zunächst nicht auf Lobbyismus. Somit kann es Lobbyakteuren gelingen, mittels Think Tanks Einfluss auf politische Debatten zu nehmen, ohne dabei selbst prominent als Lobbyakteur in Erscheinung zu treten. Ein Beispiel ist das Netzwerk von Denkfabriken, dass durch die großen Tech-Konzerne finanziert wird. (Siehe LobbyControl-Studie zu Einflussstrategien der Tech-Konzerne).
  • Bei Stiftungen ist das Problem ähnlich gelagert wie bei Think Tanks, wenn mit scheinbarer Neutralität oder auch gemeinnütziger Organisationsform verdeckt wird, dass Profitinteressen vertreten werden. (z.B. Stiftung Familienunternehmen)
  • Auch Anwaltskanzleien treten (eher in jüngerer Vergangenheit) zum Teil explizit als Lobbyakteure auf.
  • Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind nicht nur Tarifpartner, sondern auch Lobbyakteure.
  • Auch zivilgesellschaftliche Organisationen, etwa NGOs, versuchen, politische Entscheidungen zu beeinflussen und treten dabei für spezifische Interessen wie beispielsweise besseren Umwelt- oder Klimaschutz ein. Sie unterscheiden sich von den meisten anderen Lobbyakteuren, denn sie sind gemeinwohl- und nicht profitorientiert.

Wie Lobbyist:innen arbeiten

Gut gepflegte persönliche Kontakte sind ein wichtiger Bestandteil von Lobbyarbeit. Mindestens ebenso bedeutend ist die gründliche Beobachtung politischer Prozesse, die Grundlage jeder Einflussnahme. Um rechtzeitig eingreifen zu können, ist es wichtig zu wissen, welche Themen in nächster Zeit auf der politischen Tagesordnung stehen werden. Daher gilt es, etwa Parteitagsdebatten intensiv auszuwerten, die (zukünftigen) Schlüsselpersonen zu identifizieren oder frühzeitig in den Besitz politischer Thesenpapiere zu gelangen. Ziel ist es, Probleme zu identifizieren und auszuräumen, bevor sie überhaupt auftauchen. Lobbyismus bedeutet nicht nur, die eigenen Interessen in sich anbahnenden Gesetzen oder Verordnungen unterzubringen, sondern auch ungeliebte Gesetzesvorschläge von vornherein zu verhindern. So informieren Unternehmen die Politik häufig im Vorfeld über möglicherweise strittige Pläne oder Investitionsentscheidungen, um politische „Querschüsse“ gegen das Unternehmen zu vermeiden.

Gute Informationen, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle eingebracht, helfen, sich als Ansprechpartner zu profilieren, um auch in den zukünftigen Prozess eingebunden zu werden. Positionspapiere und Stellungnahmen werden aufgefordert (zur Vorbereitung von Anhörungen) oder unaufgefordert bei Abgeordneten oder Ministerien eingereicht. Knapp und präzise gefasst, liefern sie den zeitknappen Politiker:innen Argumente und Positionen. Um Ideen direkt in den Bundestag einzuspeisen, nutzen Lobbyist:innen gerne die Zusammenarbeit mit Oppositionsparteien. Diese können im Parlament Anfragen an die Bundesregierung stellen. Interessenvertreter:innen, die nahestehende Abgeordnete oder deren Mitarbeiter:innen für ihre Sache gewinnen, können oft selbst die Fragen entwerfen, die dann unter dem Namen des Abgeordneten ins Parlament getragen werden.

Mit ihrer Arbeit stehen Lobbyist:innen nur ungern im Rampenlicht. Damit bleibt oft unklar, wer wessen Interessen vertritt. Die Bürger:innen können nicht nachvollziehen, wie mit Lobbyismus die Politik beeinflusst wird und wer mit welchen Mitteln oft gegen das Gemeinwohl arbeitet.

Irreführender Lobbyismus und Greenwashing

Wenn der Verband der Chemischen Industrie eine Stellungnahme abgibt, ist allen klar, dass es hier um die Wahrung der Interessen der Chemieindustrie geht. Immer wieder werden jedoch Kampagnen von Agenturen oder Organisationen durchgeführt, ohne dass für die Öffentlichkeit ersichtlich ist, wer – finanziell und mit welchen Interessen – dahinter steckt. Auch das „Greenwashing“ des eigenen Images dient nicht der Information, sondern der Irreführung der Öffentlichkeit.

Interessenkonflikte

Abgeordnete können neben ihrem Mandat weiteren Tätigkeiten nachgehen. Das wird zu einem Problem, wenn unklar ist, in wessen Namen sie im Bundestag arbeiten und sprechen – im Namen ihrer Wählerinnen und Wähler oder im Interesse ihrer Nebenjob-Arbeitgeber.

Auf verschiedenen Wegen haben insbesondere finanzstarke Interessengruppen besonderen Zugang zur Arena der politischen Entscheidungsfindung. Politiker:innen, die von ihrem politischen Amt in eine Lobbytätigkeit wechseln, nehmen die Kontakte zu ihren Ex-Kolleg:innen in der Politik und ihr Insider-Wissen mit in ihren neuen Job.

Viele Kommissionen, in denen politische Entscheidungen unter Mitwirkung von externen „Expert:innen“ vorbereitet werden, sind oft in einer Weise besetzt, die wirtschaftliche und profitorientierte Interessenvertreter:innen bevorzugt.

Ungleiche Ressourcen und Zugängen

In Fällen von Korruption oder eindeutig manipulativen Methoden wird schnell und aus allen politischen Lagern deutliche Kritik laut. Auch Forderungen nach mehr Transparenz sind schnell formuliert – werden dann aber selten oder nur unzureichend umgesetzt. Umfassende Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse und der Arbeit der Lobbyist:innen wäre ein wichtiger Schritt, um Einflussnahme sichtbar zu machen und die Irreführung der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger:innen zu erschweren.

Zugleich kann sich die Kritik des heutigen Lobbyismus nicht nur auf die Werkzeugkiste der Lobbyist:innen beschränken und sich in der Forderung nach mehr Transparenz erschöpfen. Sie muss auch aufgreifen, dass unterschiedliche gesellschaftliche Interessen ungleiche Ressourcen und ungleiche Zugänge zu Politik und Medien haben. Ebenso, dass sich die Strukturen staatlicher Politik verändern und vielfach informeller und elitärer werden. Angesichts dieser Entwicklungen ist das viel beschworene Ideal einer pluralistischen Interessenaushandlung, bei der am Ende das beste Argument zählt, ein realitätsfernes Zerrbild.

Mehr Transparenz kann deshalb nur ein erster Schritt sein. Ein zweiter Ansatz wären Schranken für besonders problematische Lobby-Instrumente und Phänomene wie fliegende Seitenwechsel von Politikern, die besonders finanzstarken Interessengruppen nutzen. Darüber hinaus braucht Demokratie die breite Teilhabe vieler Bürger:innen als Gegengewicht zu einseitiger Einflussnahme und Lobbyismus.

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