Lobbyregister Deutschland

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Das am 25. März 2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundesregierung (Lobbyregistergesetz) tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.

Das Lobbyregister löst am 1. März 2022 die bis dato von der Bundestagsverwaltung geführte Öffentliche Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter (Verbändeliste[1]) ab. [2]

Auch das Lobbyregister wird von der Bundestagsverwaltung elektronisch geführt.

Inhalt des Gesetzes

Das Gesetz sieht die Einrichtung eines öffentlichen Lobbyregisters vor.

Anders als für die Verbändeliste ist die Eintragung in das Register für Interessenvertreter:innen verpflichtend, wenn diese Kontakt zu den Mitgliedern des Bundestages oder der Bundesregierung aufnehmen oder diesen in Auftrag geben, um Einfluss auf deren Willensbildung oder Entscheidungsprozesse zu nehmen. [3]

Persönlicher Anwendungsbereich

Gemäß § 1 des Lobbyregistergesetzes (LobbyRG) gilt der Anwendungsbereich des Gesetzes organschaftlich für die Bundesregierung und für den Bundestag, hierbei untergliedert in alle Entitäten, namentlich die Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen. Auf exekutiver Seite wird das Gesetz angewendet von den Spitzen der Bundesregierung, den Ministerien und den (Parlamentarischen) Staatssekretär:innen bis hin zu den (Unter-)Abteilungsleitungen.

Definitionen

Interessenvertretung
Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes ist eine Interessenvertretung jede Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages oder zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Bundesregierung.

Akteur:innen
Interessenvertreter:innen sind gemäß § 1 Abs. 4 LobbyRG alle natürlichen oder juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen Organisationen, auch in Form von Netzwerken, Plattformen oder anderen Formen kollektiver Tätigkeiten, die Interessenvertretung nach § 1 Abs. 3 selbst betreiben oder in Auftrag geben.

Verhaltenskodex

Verankert ist im Lobbyregistergesetz in § 5 LobbyRG zudem, dass die Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung nur auf Basis von Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität erfolgen kann.

Verankert ist dies in einem Verhaltenskodex für Interessenvertreter:innen im Rahmen des Lobbygesetzes welcher ab dem 1. Januar 2022 Anwendung findet.[4]

Vorgelegt haben diesen der Bundestag, gemeinsam mit der Bundesregierung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft.

Im Verhaltenskodex wird etwa die Offenlegungspflicht der Interessenvertreter:in hinsichtlich seiner Eintragung und seinem Auftraggeber gegenüber Mitgliedern der Bundesregierung oder dem Bundestag festgehalten, an die sie sich wendet (Nr. 2), ebenso die Pflicht, vertrauliche Informationen, die die Interessenvertreter:in erhält, nur in zulässiger und in der jeweils vereinbarten Weise zu verwenden (Nr. 5).

Ausgestaltung der Eintragungspflicht

Eintragungspflicht
Akteur:innen, die nach der Definition des § 1 Abs. 4 als Interessenvertreter:innen zu bewerten sind, sind gemäß § 2 Abs.1 verpflichtet, sich in das öffentliche Lobbyregister einzutragen, sofern:

  • die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird,
  • die Lobbytätigkeit auf Dauer angelegt ist,
  • die Vertretung geschäftsmäßig für einen Dritten erfolgt,
  • innerhalb der letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden.

Ausnahmen
Liegt eine der genannten vier Voraussetzungen vor, ist die Eintragung unverzüglich vorzunehmen, sofern nicht ein Tatbestand des Ausnahmenkataloges des § 2 Abs. 2 vorliegt.

Darunter fallen etwa:

  • natürliche Personen, die mit ihrer Eingabe ausschließlich persönliche Interessen formulieren, unabhängig davon, ob es sich zugleich um unternehmerische oder sonstige Interessen handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1) ,
  • Anliegen von ausschließlich lokalem Charakter vorgebracht werde, soweit nicht mehr als zwei Wahlkreise unmittelbar betroffen sind (Abs. 2 Nr. 2),
  • ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehmen (Abs. 2 Nr. 6),
  • als Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverband (Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes) Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nehmen (Abs. 2 Nr. 6)
  • Rechtsberatung für einen Dritten oder sich selbst, einschließlich der Erstattung wissenschaftlicher Gutachten oder an die Allgemeinheit gerichteter Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen erbringen, sowie Tätigkeiten, die nicht auf Erlass, Änderung oder Unterlassung einer rechtlichen Regelung durch den Deutschen Bundestag oder die Bundesregierung gerichtet sind, erbringen (Abs. 2 Nr. 8)
  • als Einrichtungen zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit (politische Stiftungen tätig werden, soweit der jeweilige Haushaltsgesetzgeber Globalzuschüsse zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben gewährt (Abs. 2 Nr. 10)
  • als Kirche, andere Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig werden (Abs. 2 Nr. 12)
  • über keine dauerhafte Vertretung in Deutschland verfügen und sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, humanitäre Belange oder Fragen der Nachhaltigkeit einsetzen und ihr Wirken primär auf andere Länder oder Weltregionen ausrichten (Abs. 2 Nr. 16).

Gleichermaßen bestehen Ausnahmen zur Eintragungspflicht für die Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung (Abs. 3). Unter anderen gelten die genannten Ausnahmen gegenüber dem Bundestag entsprechend auch für die Interessenvertretung gegenüber dem Bundesregierung.

Umfang der Eintragungspflicht

Einzutragen sind stets:

  • Identität des Interessenvertreters
  • Interessen-, Vorhaben und Tätigkeitsbereich (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 – 3 LobbyRG)

Sofern die Interessenvertretung im Auftrag eines Dritten geschieht, zusätzlich:

  • Angaben über Identität der Auftraggeberin
  • personelle Aufstellung der Interessenvertretung in Stufen
  • Höhe der finanziellen Mittel, die im Bereich der Interessenvertretung aufgewendet werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 – 6 LobbyRG).

Sofern keine handelsrechtlichen Offenlegungspflichten[5] bestehen, müssen juristische Personen zudem Jahresabschlüsse oder Rechenschaftsberichte vorlegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 8) - dies kann bei (nicht-)rechtsfähigen Stiftungen der Fall sein, wenn sie kein Gewerbe betreiben[6].

Aktualisierungen

Die Angaben im Lobbyregister sind jährlich zu aktualisieren. Wird angezeigt, dass die Tätigkeit einer Interessenvertreter:in nicht mehr unter den Anwendungsbereich des § 1 fällt, beziehungsweise kommt die Akteur:in der Aktualisierungspflicht nicht nach, so wird der vorhandene Eintrag in eine gesonderte Liste inaktiver Vertretungen verschoben. Diese Daten werden nach 36 Monaten vollständig gelöscht (§ 3 Abs. 4). Die unterlassene Aktualisierung des Eintrags kann auch Auswirkung auf den Zugang des Akteurs zum Bundestag haben (§ 6 Abs. 1 LobbyRG).

Sanktionen

Verstöße gegen Eintragungspflichten
Fehlende, unrichtige, unvollständige oder nicht rechtzeitig erfolgte Einträge im Register stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden können.

Sollte die Eintragung durch einen Akteur verweigert werden, wird diese Verweigerung dokumentiert und als solche im Lobbyregister vermerkt. Zudem erfolgt eine Ausweisung der die Angaben verweigernden Interessenvertretung auf eine gesonderte List (§ 3 Abs. 2).

Die mindestens jährliche Aktualisierung der Einträge durch die Interessenvertreter:innen wird mit elektronischen Benachrichtigungen verfolgt; wird innerhalb von drei Wochen nach der Benachrichtigung der Eintrag nicht aktualisiert, so wird die Eintragung als „nicht aktualisiert“ gekennzeichnet (§ 4 Abs. 4).
Wird der Eintrag innerhalb von sechs Monaten nicht aktualisiert, so wird die Eintragung nach elektronischer Benachrichtigung in die Liste der inaktiven Interessenvertreter:innen (§ 3 Abs. 4, s.o.) verschoben.

Verstöße gegen Verhaltenskodex
Feststellungen über Verstöße gegen den Verhaltenskodex werden im Lobbyregister veröffentlicht.
Verstöße können zudem Folgen haben für:

  • Erteilung von Zugangsberechtigungen zum Deutschen Bundestag,
  • Beteiligung an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse,
  • Beteiligung von Verbänden und Fachkreisen an Entwürfen von Gesetzesvorlagen der Bundesministerien (§ 6 Abs. 2).

Die Vernachlässigung der Eintragepflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die vom Direktor des Bundestages mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann (§ 7 Abs. 4 LobbyRG i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OwiG).

Bundestagsvorbehalt
Gemäß § 6 Abs. 1 LobbyRG kann sich der Deutsche Bundestag vorbehalten, nur denjenigen Interessenvertreter:innen Zugang zum Bundestag zu gewähren, die im Lobbyregister eingetragen sind, deren Eintrag nicht als „nicht aktualisiert“ markiert ist oder keinen festgestellten Verstoß gegen den Verhaltenskodex darstellt.

Kritik

Das Lobbyregister schafft zwar mehr Transparenz, ist aber dennoch ein Kompromiss und entspricht nicht den strengen Forderungen von Transparenzorganisationen und anderen.

Das Lobbyregister schafft zwar mehr Transparenz, ist aber dennoch ein Kompromiss und entspricht nicht den strengeren Forderungen von Transparenzorganisationen und anderen.

  • Lobbyregister schafft eine rein formale Transparenz
    • die praktische und konkrete lobbyistische Beeinflussung von Gesetzesvorhaben durch Interessenvertreter:innen ist weiterhin nicht nachvollziehbar
    • es fehlt der exekutive-/ bzw. der lobbyistische Fußabdruck
      • Die Ampelparteien (SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen Fußabdruck solchen verständigt[7]


  • Registrierungspflicht reicht in ministeriellen Sphäre nicht weit genug
    • macht auf Ebene der Unterabteilungsleiter halt und bezieht die Fachebene nicht ein


  • keine Angabe erforderlich, worauf Lobbyarbeit der Akteur:in genau zielt
    • Auf EU-Ebene und auch in andere Staaten der Welt sind die Lobbyregister an dieser Stelle besser aufgestellt[8]


  • großer Ausnahmenkatalog für Registrierungspflicht
    • Kirchen und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sind ausgeschlossen.
      • Begründet werden diese Ausnahmen mit dem besonderen grundrechtlichen Schutz, den die Kirchen und die Tarifparteien besitzen (Art 4 Abs. 2 i.V.m. Art 137 WRV und Art. 9 Abs. 3 GG). Fraglich ist aber, ob dieser Schutzbereich hier überhaupt berührt ist.[9]


  • unbestimmte Rechtsbegriffe
    • „regelmäßig“, „auf Dauer angelegt“ oder „geschäftsmäßig“ in § 2 LobbyRG


  • Finanzangaben nicht abschließend
    • Registrierte müssen allein angeben, wie hoch die Aufwendungen für Lobbyarbeit insgesamt sind, nicht jedoch, wie groß der Umfang einzelnen benannten Lobbyauftrag
    • Finanzangaben können verweigert werden


  • pauschale Sanktionen von bis zu 20 000 bzw. 50.000 Euro treffen die Akteure unterschiedlich hart
    • denkbar wäre hier die Sanktion an die Größe bzw. an den Umsatz des Akteurs zu koppeln[10]

Vor Einführung des Lobbyregisters: Verbändeliste

Vor der Einführung des Lobbyregisters im Januar 2022 konnten sich Verbände unter Angabe von Namen, Anschrift, Vorstand, Interessenbereich und Mitgliederzahl freiwillig in eine Öffentliche Liste der beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertretern[11] eintragen.

Von 1972 bis Januar 2022 führte der Deutsche Bundestag eine Öffentliche Liste der beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter in die sich Verbände - als klassischen Form der Interessenvertretung - eintragen und damit ein Mindestmaß an Visibilität und Transparenz herstellen konnten.

Im Dezember 2021 wurden 2238 Verbände und Vereine in der geführt.

Kritik an der Verbändeliste:

  • Eintragung war freiwillig
  • Eintragung war nur für einen Teil der Lobbyakteure überhaupt möglich
  • Angaben zu oberflächlich und ohne wirkliche Aussagekraft
    • keine Angaben zu finanziellen Hintergründen und Auftraggebern von Lobby-Dienstleistern
    • keine Angaben zu welchen Themen, Gesetzen oder Prozessen Lobbyarbeit in welchem Umfang stattfindet
  • Eintragung brachte keine Vorteile
    • Reglung der Geschäftsordnung des Bundestages (Anlage 2) die vorsieht, dass nur Vertreter registrierter Verbände als Sachverständige zu formalen Anhörungen in den Bundestag geladen werden dürfen, wurde durch Auslegungsentscheidung des Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 18. Oktober 1979[12] außer Kraft gesetzt.
  • Hausausweise für den Bundestag konnten vor 2016 auch von unregistrierten Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien erhalten werden, indem sie sich direkt an eine der Fraktionen im Bundestag wandten
    • Praxis wurde Anfang 2016 nach Klagen von abgeordnetenwatch.de und Tagesspiegel durch den Ältestenrat des Bundestags gestoppt. Im Zuge der Neuregelung wurde auch die maximale Zahl der Hausausweise für in der Liste aufgeführte Verbände von fünf auf zwei reduziert[13]

Hintergrund zur Einführung des Lobbyregister

"Das Lobbyregister soll dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik und die Legitimität der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in Parlament und Regierung zu stärken. Ziel ist es, mehr Transparenz bezüglich des Einflusses von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf diesen Prozess zu schaffen"[14], so die Einführung auf der Internetseite des Bundestages.

langer Kampf

Der Kampf um ein Lobbyregister wird von Transparenzorganisationen wie LobbyControl schon lange geführt. Obwohl SPD sich seit langem für die Einführung eines Lobbyregisters ausgesprochen und die Union sich während der Sondierungen 2019 für die Jamaika-Koalition erstmals offen hierfür gezeigt hatte, wurde am letzten Tag der Verhandlungen die Einführung eine verbindlichen Lobbyregisters aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU doch gestrichen: „Das ist ein schwarzer Tag für Transparenz und Demokratie in Deutschland“ – schrieb LobbyControl auf seiner Website.[15]

Langsamer Erkenntnisgewinn

Aus der Unionsfraktion meldeten sich langsam stimmen, die ebenfalls ein Lobbyregister und mehr Transparenz forderten, darunter CDU-Rechtsexperte Patrick Sensburg[16], später auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Union und Berichterstatter in der Sache Patrick Schnieder[17].

Gleichzeitig bildete sich 2019 ein ungewöhnliches Bündnis: die Allianz für Lobbytransparenz, die aus dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) und dem deutschen Zweig von Transparency International bestand, sowie dem Bund der deutschen Industrie (BDI), dem Verband der Familienunternehmen sowie dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).[18]

Skandal Amthor

Der Skandal um Amthor[19] brachte den Stein dann endgültig ins Rollen und auch die CDU/CSU musste endlich einsehen, dass klare und strenge Transparenzregeln zwingend erforderlich sind, um maßloser Interessenvertretung einen Riegel vorzuschieben und das Ansehen des Bundestages und seiner Abgeordneten vor weiterer Beschädigung zu schützen.

Jedoch lagen die Vorstellungen der Koalitionspartner Union und SPD noch immer weit auseinander. Während die Union darauf beharrte, dass die Registrierung der Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag ausreichend sei, sprach sich die SPD dafür aus, dass das Register auch für Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung gelten sollte, und dass dies auch gesetzlich geregelt werden sollte. Die CDU/CSU wollte letztlich nur eine Veränderung der Geschäftsordnung (als reines internes Recht des Bundestages (Binnenrecht) ohne Außenwirkung), auf deren Grundlage das 1972 eingeführte Verbändeverzeichnis fußte.[20]

Am 8. September 2020, nachdem Anfang August ein Entwurf an die Öffentlichkeit sickerte, der wegen seiner Mangelhaftigkeit und seinem Rückstand gegenüber den von internationalen Gremien wie der OECD formulierten Kriterien umfangreiche Kritik einheimste, stimmten die Koalitionäre dann einem ersten Entwurf offiziell zu. Das Lobbyregister sollte danach auf gesetzlicher Grundlage fußen und Akteur:innen sollten ihre Auftraggeber:innen angeben müssen. Nicht jedoch sollte auch die Interessenvertretung gegenüber der Bundesergierung, sondern allein gegenüber dem Bundestag erfasst sein.[21]

Olaf-Scholz als zufälliger Treiber

Einen Tag, nachdem der Gesetzesentwurf offiziell vorgestellt wurde, sagte der damalige Vize-Kanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) während einer Befragung im Bundestag zum Cum-Ex-Skandal, er persönlich glaube, „dass das, was wir im Bereich der Regelungen zum Lobbyregister für Abgeordnete vornehmen, selbstverständlich in entsprechender Form für Regierungen auch gelten soll.“[22]
Diese Aussage, die auch der Haltung der Regierungschefin Angela Merkel zuwiderlief[23] nötigte die CDU/CSU dazu, ihre Position, die Transparenzregeln nur gegenüber dem Bundestag gelten zu lassen, aufzugeben: Nur einen Tag später wandte sich die Unionsfraktion mir der Mitteilung an die Presse: „Wir schaffen ein Lobbyregister für Bundestag und Bundesregierung“[24]

Streit um die "Bundesregierung"

Unklar war aber weiterhin, wer sich hinter dem Begriff „Bundesregierung“ genau verbergen sollte. SPD und lobbykritische Organisationen pochten darauf, dass nicht nur die Bundeskanzlerin und ihr Kabinett, also die Minister:innen, damit gemeint sein sollten, sondern dass auch die Lobbyarbeit gegenüber den Ministerien mitsamt allen Fachabteilungen und Referaten registrierungspflichtig sein müssten; die Union wollte neben den Minister:innen allenfalls die Staatssekretär:innen einbeziehen. Am Ende eines Streits zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Innenministerium<refLambrecht und Seehofer uneins über Lobbyregister, Süddeutsche.de vom 29.10.2020, abgerufen am 13.12.2021.</ref> fiel der Kompromiss: Die Ministerien werden bis zur Ebene der Unterabteilungsleiter:innen (zwei Ebenen unterhalb der Staatssekretär:innen) in die Registrierungspflicht einbezogen.

Exekutiver Fußabdruck

Neben anderen Themen war der brisanteste Streit zwischen den Koalitionsfraktionen die Frage nach der Einführung einer legislativen Fußspur (bei der GroKo „exekutiver Fußabdruck“ genannt): die SPD wollten diesen als Teil des Lobbyregistergesetzes beschließen, die Unionsfraktion, Kanzleramt und Innenministerium lehnten dies ab.

Maskenaffäre

Immer wieder schwelte Streit und immer wieder titelten Schlagzeilen die Tageszeitungen, die ein mögliches Aus der Verhandlungen über das Register in Frage stellten.[25] Doch wieder wirkte ein Skandal wie ein Katalysator: die Maskenaffäre[26] [27], die im Februar 2021 publik wurde. Am 2. März, eine Woche nach Beginn des Maskenskandals, verkündete die Tagesschau: „Union und SPD einigen sich auf Lobbyregister.“[28]

Statistik

Weiterführende Informationen

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Aktuelle Fassung der Öffentlichen Liste der beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertretern, Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestags, Stand: 13.12.2021, abgerufen am 06.12.2021.
  2. Lobbyregister, Zusammenfassung durch die Bundestagsverwaltung, Bundestag.de, abgerufen am 06.12.2021.
  3. Lobbyregister, Zusammenfassung durch die Bundestagsverwaltung, Bundestag.de, abgerufen am 06.12.2021.
  4. Verhaltenskodex für Interessenvertreter:innen im Rahmen des Lobbyregistergesetzes, Beschluss der Bundesregierung vom 16. Juni 2021, Beschluss des Deutschen Bundestages vom 24. Juni 2021, Anzuwenden ab dem 1. Januar 2022, abgerufen am 6.12.2021
  5. Offenlegungspflichten Bundesjustizamt, abgerufen am 09.12.2021
  6. Kurzinformation, Offenlegungspflichten bei gemeinnützigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst, 23.20.2017, abgerufen am 9.12.2021
  7. Koalitionsvertrag Mehr Fortschritt wagen Bundesregierung.de, abgerufen am 13.12.2021.
  8. Das Lobbyregister kommt - unsere Auswertung, LobbyControl, vom 25.03.2021, abgerufen am 9.12.2021.
  9. vgl. Sachverständiger Albrecht von der Hagen im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Protokoll der 40. Sitzung in Geschäftsordnungsangelenheiten vom 1. Oktober 2019, S. 9, abgerufen am 12.12.2021; Sachverständiger Hartmut Bäumer im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Protokoll der 40. Sitzung in Geschäftsordnungsangelenheiten vom 1. Oktober 2019, S. 7, aufgerufen am 12.12.2021.
  10. Sachverständiger Albrecht von der Hagen im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Protokoll der 40. Sitzung in Geschätsordnungsangelenheiten vom 1. Oktober 2019, S. 9, abgerufen am 12.12.2021.
  11. Aktuelle Fassung der Öffentlichen Liste der beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertretern, Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestags, Stand: 13.12.2021, abgerufen am 06.12.2021
  12. Antwort des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf eine Anfrage von LobbyControl vom 12. Mai 2011
  13. Überraschende Wendung: Gar keine Bundestags-Ausweise mehr für Unternehmen? LobbyControl-Blog vom 15.02.2016, abgerufen am 15.12.2021.
  14. Lobbyregister Bundestag.de, abgerufen am 12.12.2021.
  15. LobbyControl, Lobbyreport 2021 - Beispiellose Skandale - strengere Lobbyregeln: Eine Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot, LobbyControl, S. 10
  16. CDU will nun doch ein Lobbyregister Wirtschaftswoche.de vom 23.11.2018, abgerufen am 13.12.2021
  17. Sie wollen ihr schlechtes Image loswerden, Tagesspiegel.de vom 27.06.2019, aufgerufen am 13.12.2021.
  18. Allianz für Lobbytransparenz, transparency.de, abgerufen am 13.12.2021.
  19. Philipp Amthor abgeordnetenwatch.de, abgerufen am 13.12.2021.
  20. LobbyControl, Lobbyreport 2021 - Beispiellose Skandale - strengere Lobbyregeln: Eine Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot, LobbyControl,S. 12.
  21. LobbyControl, Lobbyreport 2021 - Beispiellose Skandale - strengere Lobbyregeln: Eine Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot, LobbyControl, S. 10 ff.
  22. Plenarprotokoll 19/172 vom 09.09.2020 Bundestag, abgerufen am 13.12.2021.
  23. Pressekonferenz der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 28 August 2020 Bundesregierung, S. 25 f., abgerufen am 13.12.2021.
  24. Lobbyregister nun auch für Bundesregierung, Handelsblatt.de vom 10.09.2020, abgerufen am 13.12.2021.
  25. Streit um mehr Transparenz - Lobbyregister droht zu scheitern, Deutschlandfunk vom 10.02.2021, abgerufen am 13.12.2021.
  26. LobbyControl, Lobbyreport 2021 - Beispiellose Skandale - strengere Lobbyregeln: Eine Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot, S. 55 ff.
  27. Die undurchsichtigen Unternehmensbeteiligungen der Abgeordneten Abgeordnetenwatch.de vom 10.03.2021, abgerufen am 13.12.2021.
  28. Union und SPD einigen sich auf Lobbyregister Tagesschau.de vom 02.03.2021, abgerufen am 13.12.2021.

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