Lobbyregister EU

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Version vom 16. Oktober 2014, 08:58 Uhr von Deniz (Diskussion | Beiträge) (Transparenzregister)

Das Europäische Parlament führt seit 1996 eine Liste der beim Parlament akkreditierten Interessensvertreter. Daneben führte die EU-Kommission im Juni 2008 im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative (ETI) das freiwillige Register der Interessenvertreter ein. Im Juni 2011 wurde schließlich ein gemeinsames Register der EU-Kommission und des EU-Parlaments unter dem Titel Transparenzregister eingeführt.[1] Das Transparenzregister ersetzt das vorherige Register der EU-Kommission und die Liste des EU-Parlaments. Eintragungen in das Tranparenzregister bleiben zunächst auf freiwilliger Basis. Für den Rat der Europäischen Union gibt es bisher kein entsprechendes Register, allerdings hat dieser den Vorschlag unterstützt. [2] Ein verpflichtendes, umfassendes und robustes Lobbyregister für die Institutionen der Europäischen Union (EU) gibt es derzeit nicht.

Hintergrund Lobbyregister in der EU

Den ersten Schritt in Richtung Transparenz beim Lobbyismus machte 1996 das EU-Parlament mit der Einführung eines so genannten Lobbyregisters sowie eines Verhaltenskodex für Lobbyisten. Das Register, das eigentlich eher eine Liste war, war seit 2003 öffentlich auf der Webseite des Parlaments abrufbar. Darin konnten sich Lobbyisten freiwillig registrieren, um einen vereinfachten Zugang zum Parlament zu erhalten.[3] Die bei der Akkreditierung anzugebenden Daten beschränkten sich jedoch auf den Namen der/des LobbyistIn und den der beauftragenden Organisation. Ersichtlich wurde daher nicht, mit welchen Abgeordneten oder Parlamentsmitarbeitenden Gespräche geführt wurden, mit welchem Ziel Lobbyarbeit betrieben wurde oder welche finanziellen Ressourcen zu diesem Zweck eingesetzt wurden. Bei LobbyistInnen, die nicht für einen Verband oder ein Unternehmen direkt arbeiteten, sondern für eine Lobby-Agentur, blieb auf diese Weise der Kunde der Agentur, d.h. der eigentliche Auftraggeber, ebenfalls unsichtbar. Nach Stand vom Mai 2011 waren 3.912 LobbyistInnen beim EU-Parlament akkreditiert, die für 1.762 Auftraggeber arbeiteten.

Seit 2008 führte die EU-Kommission ein freiwilliges Lobbyregister. Es enthielt zwar mehr Angaben als die Liste des EU-Parlaments, dafür fehlten hier wiederum die Namen der für die jeweiligen Lobby-Akteure arbeitenden LobbyistInnen. Eingetragen hatten sich nach Stand vom Mai 2011 3.937 Lobby-Organisationen. Problematisch an diesem Register war jedoch, dass bei weitem nicht alle in Brüssel Lobbyarbeit betreibenden Unternehmen, Agenturen, Verbände und Organisationen in dem Register vertreten waren. Mehrere der größten deutschen Konzerne, wie z.B. die Deutsche Bank und die Metro AG tauchten nicht auf, obwohl sie in Brüssel Lobbybüros unterhalten.[4]

Ein weiterer Schwachpunkt des Registers war die fehlende systematische und unabhängige Überprüfung der von den Lobby-Akteuren gemachten Angaben, z.B. zu Lobbyaufwendungen, sowie nicht ausreichende Sanktionsmöglichkeiten zur Ahndung von Verstößen gegen die Verhaltensregeln.[5]

Im November 2010 einigten sich EU-Kommission und EU-Parlament nach zweijähriger Verhandlungsdauer auf ein gemeinsames Lobbyregister unter dem offiziellen Titel "Transparenzregister". Dieses Transparenzregister wurde am 23. Juni 2011 eingeführt.

Im Juli 2014 kündigte der neue EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Rahmen seiner politischen Programmrichtlinien für die kommende Amtszeit an, ein verpflichtendes und öffentlich zugängliches Lobbyregister für alle EU-Institutionen realisieren zu wollen.[6] Lobbycontrol fordert mit Nachdruck dazu auf Juncker zur Umsetzung seiner lobbykritischen Agenda zu verpflichten.[7] Frans Timmermans, der als Kommissar für bessere Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen, der Rechtsstaatlichkeit und und Charta der Grundrechte für dieses Thema zuständig sein wird, äußerte sich in der Anhörung vor dem EP entsprechend.[8]

Transparenzregister

Das Transparenzregister fasst die bisher getrennten Lobbyregister von EU-Kommission und Parlament zusammen. Ein Vorteil gegenüber dem früheren Register der Interessenvertreter ist, dass die Registrierung der Lobbyakteure Voraussetzung für den Erhalt dauerhafter ZugaPopular Timmermans signals mandatory register of lobbyistsngspässe zum EU-Parlament ist. Dies ist immerhin ein Anreiz, sich auch tatsächlich einzutragen. Des Weiteren ist positiv, dass nun wesentlich mehr Daten über Auftraggeber, Lobbybudget und Lobbyziele öffentlich gemacht werden müssen. Für EU-Bürger gibt es damit nun eine zentrale Anlaufstelle für Informationen über Lobbyaktivitäten in der EU. Nach letztem Stand vom April 2014 waren 4.294 LobbyistInnen mit Zugang zum Europäischen Parlament akkreditiert, die für 6.502 Lobby-Organisationen arbeiten, in das Transparenzregister eingetragen. Darunter finden sich u.a. 1.969 Wirtschaftsverbände, 917 Unternehmen, 1.669 Nicht-Regierungsorganisationen sowie 473 Thinktanks.[9]

Tabelle: Statistik des Transparenzregisters

Kategorien und Unterkategorien der Interessengruppen Anzahl der Organisationen
I – Beratungsfirmen/Anwaltskanzleien/selbständige Berater 845
Beratungsfirmen 524
Anwaltskanzleien 82
Selbständige Berater 239
II – In-House-Lobbyisten, Gewerbe- und Berufsverbände 3.384
Unternehmen und Unternehmensgruppen 946
Gewerbe-, Wirtschafts- und Berufsverbände 2.069
Gewerkschaften 141
Andere ähnliche Organisationen 228
III – Nichtregierungsorganisationen 1.778
Nichtregierungsorganisationen, Plattformen und Netzwerke o. ä. 1.778
IV – Denkfabriken, Forschungs- und Hochschuleinrichtungen 489
Denkfabriken und Forschungseinrichtungen 348
Hochschuleinrichtungen 141
V – Organisationen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften vertreten 43
Organisationen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften vertreten 43
IV – Organisationen, die lokale, regionale und kommunale Behörden, andere öffentliche oder gemischte Einrichtungen vertreten 323
Lokale, regionale und kommunale Behörden (subnationale Ebene) 143
Andere öffentliche oder gemischte Einrichtungen 180
Gesamtzahl am 18.09.14 6.892

Quelle: [10]

Implementierung

Für die Implementierung und die Kontrolle des Registers wurde ein gemeinsames Register-Sekretariat von Parlament und Kommission eingerichtet. Die Kompetenz für die Ausstellung von Lobby-Pässen für das EU-Parlament bleibt weiterhin beim EU-Parlament.

In einer Übergangszeit von 12 Monaten haben die in den beiden bisherigen Listen registrierten Organisationen die Möglichkeit, sich in das neue Register einzutragen. Zwei Jahre nach der Einführung des Registers soll es eine Evaluation durch Parlament und Kommission geben.

Finanzielle Angaben

Wie im bisherigen Register der EU-Kommission müssen bei einer Eintragung ins Register Angaben über Lobbyaufwendungen abhängig vom Umsatz des Beratungsunternehmens gemacht werden. Beratungsunternehmen, Anwaltskanzleien und selbstständige Berater müssen ihren durch Lobbytätigkeiten erzielten Umsatz nach folgendem Muster offenlegen:

Umsatz in Euro Stufengröße in Euro
0–499 999 50 000
500 000–1 000 000 100 000
>1 000 000 250 000

Verbände und Unternehmen, die in-house-LobbyistInnen beschäftigen, müssen ihre Lobbyausgaben schätzen. Nichtregierungsorganisationen, Think Tanks und Forschungsinstitute sowie Organisationen, die Kirchen und religiöse Gemeinschaften vertreten, müssen ihr Gesamtbudget gemeinsam mit einer Aufschlüsselung ihrer Hauptfinanzierungsquellen angeben.

Sanktionsmöglichkeiten

Tabelle der Maßnahmen, die im Falle der Nichteinhaltung des Verhaltenskodex für Lobbyisten zur Verfügung stehen

Art der Nichteinhaltung Maßnahme Erwähnung der Maßnahme im Register Entzug des Zugangsausweises zum EP
Fahrlässige Nichteinhaltung, die sofort korrigiert wird Schriftliche Benachrichtigung mit Bestätigung der Tatsachen und ihrer Korrektur Nein Nein
Absichtliche Nichteinhaltung des Kodex, die eine Verhaltensänderung oder Korrektur von Angaben im Register innerhalb einer festgesetzten Frist erfordert Zeitweilige Aussetzung bis zu sechs Monaten oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die geforderte Korrekturmaßnahme binnen der festgesetzten Frist erfolgt Ja, während der Zeit der Aussetzung Nein
Anhaltende Nichteinhaltung des Kodex
  • keine Verhaltensänderung
  • keine Korrektur von Angaben binnen der festgesetzten Frist
Streichung aus dem Register für ein Jahr Ja Ja
Schwere, absichtliche Nichteinhaltung des Kodex Streichung aus dem Register für zwei Jahre Ja Ja

Kritik am neuen Register

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist der weiterhin freiwillige Charakter des Registers. Eine Registrierung ist nur erforderlich um Zugang zum Europäischen Parlament zu erhalten. Eine allgemein verpflichtende Registrierung wäre ein großer Schritt vorwärts zur effektiven Kontrolle von Lobbyaktivitäten. Das Parlament machte bereits deutlich, dass es diesen Punkt in der Evaluationsphase einbringen möchte. Der EU-Abgeordnete Matthias Groote (SPD) berichtete, dass die Mehrheit des EU-Parlaments sich für ein verpflichtendes Register ausgesprochen hätte, der Vorschlag aber am Widerstand der EU-Kommission scheiterte.

Eines der Hauptargumente der EU-Kommission für das freiwillige Register war bislang, dass eine gesetzliche Grundlage für ein verpflichtendes Register in der EU-Verträgen fehlen würde, bzw. Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten erfordern würde. Ein neues Rechtsgutachten von Markus Krajewski, Professor für Rechtskunde an der Erlangen-Nürnberg Universität, schlussfolgert jedoch, dass Artikel 298 (2) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine rechtliche Grundlage für eine verpflichtende Transparenz von Lobbyisten bietet. [11]

Die Einführung eines verpflichtendes Lobbyregisters durch eine EU-Rechtsverordnung könnte demnach aufgrund der gesetzlichen Grundlage über das normale legislative Vorgehen erfolgen. Ein neuer Bericht von ALTER-EU, „Rescue the Register“ [12], zeigt deutlich, dass ein verpflichtendes Register längst überfällig ist. In dem gegenwärtigen Modell können Firmen, die mit den Regeln des Registers nicht übereinstimmen, ihre Angaben jederzeit zurückziehen. Das freiwillige Register gibt somit nicht nur höchst unrealistische Einblicke in Lobbyaktivitäten, sondern vermittelt der Öffentlichkeit darüber hinaus ein falsches Verständnis der Regulierungen.

Nach Angaben von ALTER-EU sind 27% der Firmen mit Lobbybüros in Brüssel nicht im Register eingetragen, zusammen mit 24% der Lobby-Beratungsagenturen und einem wesentlichen Anteil von NGOs. Obwohl die Europäische Kommission weiterhin die ansteigende Zahl der Einträge lobt, sagen diese allein wenig über Lobbyaktivitäten in Brüssel aus: Finanzielle Angaben im Register bleiben äußerst fragwürdig. Zum Beispiel sind laut Register die drei Unternehmen mit den höchsten EU-Lobbyausgaben eine mittelständische französische Versicherungsfirma, ein kleiner Hersteller von Strohpappe und ein Produzent von Bio-Babykleidung. Während diese seltsam hohen Einträge wahrscheinlich auf Fehlern beruhen, liegt zugleich die Vermutung nahe, dass große Akteure wie FoodDrinkEurope und Ebay zu geringe Lobbyausgaben angeben. Zudem fehlen mehr als 100 bedeutende Firmen noch immer im Register, darunter darunter Goldman Sachs, Rio Tinto, Amazon und Belfius.

Kritik bekommt auch der Rat der Europäischen Union zu hören, der sich nicht am Transparenzregister beteiligt und sich aus den Verhandlungen heraus hielt. Der Rat der Europäischen Union als wichtigstes legislatives Organ der EU neben dem EU-Parlament führt derzeit keinerlei Form von Lobbyregister. Lobbyisten versuchen die Ratsentscheidungen zwar bereits über die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zu beeinflussen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Rat als Institution in Brüssel, insbesondere der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER, frz. für Comité des représentants permanents) ebenfalls Adressat von Lobbyaktivitäten der Brüsseler Lobby-Akteure ist. Durch die Nichtbeteiligung des Rats am neuen Transparenzregister bleibt die Einflussnahme auf nationale Regierungsbeamte weiter im Schatten verborgen.[13] Nach der Einführung des Transparenzregisters am 23. Juni 2011 stellte der Rat zum ersten Mal die Möglichkeit in Aussicht, sich in Zukunft doch dem Register anzuschließen.

Weiter wird kritisiert, dass die erforderlichen Angaben über Lobbyaufwendungen nicht vom Umsatz abhängig gemacht werden sollen, sondern für alle Lobbygruppen gleich sein sollten.[14]

Weiterführende Informationen


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Website des Europäischen Parlaments, abgerufen am 15.9.2014
  2. Transparenzregister, abgerufen am 18.9.2014
  3. EU-Lobbyismus im Blickpunkt EP Dossier vom 24. Juni 2008, abgerufen am 22. Juni 2011
  4. Verhaltenskodex für Interessenvertreter (Lobbyisten) der EU-Kommission, abgerufen am 30. April 2014
  5. Beschwerdeformular der EU-Kommission, abgerufen am 30. April 2014
  6. name="Juncker Guidelines"
  7. Anhörung im EU-Parlament: Juncker muss an verpflichtendem Lobbyregister festhalten, lobbycontrol.de, abgerufen am 06.08.2014
  8. Timmermanns signalisiert ein verpflichtendes Register, Euractiv, Meldung vom 8. Oktober 2014, zuletzt abgerufen 1m 8.10.2014
  9. Statistiken des Transparenzregisters, abgerufen am 03.04.2014.
  10. Transparenzregister, abgerufen am 18.09.2014.
  11. Rechtsgutachten Markus Krajewski, abgerufen am 21. Juni 2013
  12. ALTER-EU: Rescue the Register, abgerufen am 21. Juni 2013
  13. Euractiv: Transparenzregister: Neue Regeln für EU-Lobbyisten, abgerufen am 16. Juni 2011
  14. Die Grünen - Europäische Freie Allainz: Transparenzregister, abgerufen am 16. Juni 2011

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