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Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten in Deutschland

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Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten in der 19. Legislaturperiode (2017 - 2021) Nebeneinkünfte von insgesamt geschätzt etwa 53 Millionen Euro erwirtschaftet. Hinzuverdient haben dabei vor allem Parlamentarier aus der Union und der FDP. Nebentätigkeiten und speziell, die erwirtschafteten Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind regelmäßig Teil des öffentlichen und politischen Diskurses über die Unabhängigkeit von Abgeordneten.
Mehrere spektakuläre Fälle haben nach Änderungen 2005 und 2013 im Jahr 2021 zu einer neuerlichen Verschärfung der Abgeordnetenregelungen geführt.

==Aktuelle Regelungen (seit 2022) Der Deutsche Bundestag hat am 8. Oktober das Abgeordnetengesetz] in Abschnitt zehn und elf des Gesetzes verändert und erweitert. Regelungen, die schon zuvor in der Geschäftsordnung des Bundestages enthalten waren, wurden mit der Neuerung in Teilen verschärft und auf gesetzliche Grundlage gehoben.

Inhalt der geltendenden Regelungen

Unabhängigkeit des Mandats (§ 44a AbgG)

  • Für die Ausübung des Mandats darf die Parlamentarier:in keine andere als für diese Tätigkeit vorgesehene Entlohnung erhalten (§ 44a AbgG)
    • dh.: Verbot entgeltlicher Lobbytätigkeit gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung durch Bundestagsabgeordnete
    • Verbot von Beratungstätigkeiten sowie von bezahlten Vorträgen, sofern sie in einem Bezug zum Mandat stehen


Nebeneinkünfte müssen auf Euro und Cent angegeben werden. Die Schwelle der Angabepflicht wurde bei jährlichen Einkünften von 10.000 Euro auf 3.000 Euro gesenkt

Anzeigepflichtig sind Beteiligungen an Firmen ab fünf Prozent anstatt wie bisher an 25 Prozent. Ebenfalls anzeigepflichtig sind Optionen auf Anteile

Abgeordnete müssen in Ausschüssen einen Interessenkonflikt anzeigen, wenn sie sich zu Themen äußern, mit dem sie sich auch entgeltlich befassen. Interessenkonflikte von Berichterstatter:innen werden zudem im Ausschussbericht veröffentlicht

Verbot von Geldspenden an Abgeordnete

Erhöhung des Strafmaßes für Abgeordentenbestechung

Anzeigepflichten

  • Anzeigepflicht (§ 45 AbgG)
    • aus der Zeit vor der Mitgliedschaft im Parlament sind anzuzeigen
      • die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit und ein etwaiges Rückkehrrecht
      • Tätigkeiten in Gremium eines Unternehmens oder Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts (Beirat, Vorstand, Aufsichtsrat o.ä.)
    • während der Mitgliedschaft im Parlament
      • entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat (zB. Vortrags- und Beratungstätigkeit)
      • Mitgliedschaften in Unternehmen
      • Mitgliedschaften in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes
      • Mitgliedschaften in Vereinen, Verbänden sowie Stiftungen (wenn sie nicht ausschließlich von lokaler Bedeutung sind)

→ hier sind auch jeweils die Höhe der Einkünfte zu benennen, wenn sie im Monat den Betrag von 1 000 € oder im Kalenderjahr 3 000 € übersteigen


  • Vereinbarungen über monetäre Zuwendungen nach Beendigung des Mandats (umfasst auch die Einräumung von Geschäftsanteilen oder vergleichbaren Finanzinstrumenten (§ 45 Abs. 3 AbgG)
  • Höhe der Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen, wenn der An
  • Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn der Anteil mehr als 5 vom Hundert beträgt.
  • Rechtsanwälte sind verpflichtet, Tätigkeiten ab einem Honorar von 1 000 € anzuzeigen (§ 46 AbgG)
  • Spenden (§ 48 AbgG)
    • Anzeigepflicht über geldwerten Zuwendungen aller Art (Spenden), die im Rahmen eines ehrenamtlichen politischen Engagements oder Sachunterstützung des Soenders für die politische Tätigkeit des Mandatsträgers zur Verfügung gestellt wird
      • ab Größe von 1 000 € anzuzeigen
      • bei einzelnen Spenden in der Höhe von 3 000 € oder mehreren vom selben Spender, die gemeinsam Wert von 3 000 € im Kalenderjahr übersteigen, Veröffentlichungspflicht
    • Gastgeschenke in Bezug auf das Mandat ab einem Wert von 200 € sind dem Präsidenten des Bundestags auszuhändigen
  • Interessenverknüpfung (§ 49 AbgG)
    • Interessenverknüfungen, die bei dem Mandatsträger durch eine engeltoiche Beschäftigung mit dem Thema eintritt, ist vor einer Wortmeldung im Ausschuss offenzulegen.
    • Hat der Mandatsträger die Berichterstattung übernommen, hat er die Interessenverknüpfung vor einer Wortmeldung konkret offenzulegen


Nicht einigen konnte man sich aber etwa auf die Auskunftspflicht über den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeiten, welche die SPD forderte, oder die Änderung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung nicht nur im Strafmaß, sondern auch in der Veränderung des Tatbestandes, der ihn realitätsnäher machen würde (denn aktuell ist der Tatbestand derart, dass kaum ein Korruptionsfall von diesem erfasst wird), den SPD, Linke und Grüne forderten, gegen den sich aber wiederum die Union sperrte.

Sanktionen

5 . Sanktionen

Bestehen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung, kann der Bundestagspräsident gemäß § 51 Abs. 1 AbgG Auskunft verlangen und den Betroffenen um Stellungnahme bitten.

Stellt der Präsent fest, dass ein fahrlässiger Verstoß gegen die Verhaltenspflichten vorliegt, so hat er den Betroffenen zu ermahnen. Ansonsten zeigt der Präsident den Verstoß dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden. Das Präsidium stellt nach einer Anhörung des Betroffenen fest, ob ein Pflichtverstoß vorliegt, § 51 Abs. 2 AbgG. Die Feststellung eines Pflichtverstoßes wird als Drucksache veröffentlicht.

Werden anzeigepflichtige Tätigkeiten, Einkünfte oder Unternehmensbeteiligungen nicht angezeigt oder wird gegen die Pflichten aus dem Unabhängigen Mandat nach § 44a Absatz 2 bis 4 oder gegen die Regeln der Mitarbeiterbeschäftigung nach § 12 Absatz 3a Satz 1 verstoßen, kann das Präsidium gemäß § 51 Abs. 4 AbgG nach erneuter Anhörung ein Ordnungsgeld festsetzen. Die Höhe des Ordnungsgeldes bemisst sich nach der Schwere des Einzelfalles und nach dem Grad des Verschuldens. Es kann bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festgesetzt werden.

Neu ist damit, dass ein Ordnungsgeld nicht mehr nur bei einer Verletzung der Transparenzpflichten verhängt werden kann und Umstände erfasst werden, dass sich der Abgeordnete nicht an das Verbot der bezahlten Lobbytätigkeit hält oder regelwidrig Vortragshonorare kassiert; auch der Missbrauch der Mitgliedschaft im Bundestag zu geschäftlichen Zwecken kann eine solche Strafe nach sich ziehen. Zudem sind Einnahmen, die aus untersagten Tätigkeiten stammen, künftig an den Bundestag abzuführen. Damit werden die Sanktionen deutlich verschärft.


  1. + Kritik
  2. 6.1. Lobbytätigkeiten neben dem Mandat:
  3. Positiv ist, dass das Verbot, Lobbytätigkeiten neben dem Mandat wahrzunehmen, nun gesetzlich festgeschrieben ist und dabei auch explizit die Lobbyarbeit gegenüber der Bundesregierung, samt allen Ministerien und nachgeordneten Behörden, untersagt.
  4. Untersagt wird zudem, dass Abgeordnete in Lobbyfragen als „Berater“ Lobbyakteuren Hilfestellung bei deren Lobbyarbeit geben. Die Gesetzesbegründung formuliert hier klar: „Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Mitglieder des Bundestages die Interessenvertretung selbst betreiben oder Dritte beraten, wie diese ihre Interessen vertreten können.“ Eine Ausnahme wird hier auch nicht dadurch erreicht, dass die Gegenleistung für Lobbyarbeit oder Lobby-Beratung erst nach Ausscheiden aus dem Bundestag gewährt werden.
  5. Jedoch sind von dem Verbot nicht ehrenamtliche Tätigkeiten erfasst. Als ehrenamtlich werden Tätigkeiten definiert, für die Aufwandsentschädigung bis zu einem Zehntel der Abgeordnetenentschädigungen gewährt werden (§ 44a Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 AbgG) Allerdings können auch durch ehrenamtliche Lobbyarbeit problematische Interessenkonstellationen entstehen, insbesondere wenn Abgeordnete ehrenamtliche Leitungsfunktionen in Verbänden oder Organisationen übernehmen und damit qua Funktion deren Interessen verpflichtet sind.1
  6. 6.2. Vortragshonorare:
  7. Ein Honorar für Vortragstätigkeit darf in Zukunft nur dann gezahlt werden, wenn diese in keinem „Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit“ des Abgeordneten steht (§ 44a AbgG). Diese Regelung ist sinnvoll, weil auch durch hohe Honorare Interessenkonflikte entstehen können, insbesondere wenn der Geldgeber ein spezifisches Interesse an der politischen Arbeit der/des Abgeordneten hat. Hier kann im Zweifel ein priviligierter Zugang zum Mandatsträger erreicht werden.2
  8. 6.3. Geldspenden an Abgeordnete:
  9. Vor der Neuregelung konnten Abgeordnete für ihre politische Arbeit Geldspenden erhalten. Erst ab 5.000 Euro mussten solche Abgeordneten-Spenden dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden, und erst ab 10.000 Euro unter Angabe der Herkunft veröffentlicht werden.
  10. Das neue Gesetz sieht nun in § 48 AbgG vor, dass Geldspenden an Abgeordnete vollständig verboten werden. Weiter möglich bleiben jedoch Sachspenden und geldwerte Zuwendungen, die künftig bereits ab einem Gegenwert von 1.000 Euro dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden müssen und ab 3.000 Euro veröffentlicht werden. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten, wenn Abgeordnete etwa zu Veranstaltungen eingeladen werden. Da solche Einladungen zu Reisen auch von Lobbyakteuren ausgesprochen werden und zu Interessenkonflikten führen können, wäre eine weitere Absenkung der Veröffentlichungsschwelle wünschenswert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ab 1.000 Euro zwar an den Bundestagspräsidenten gemeldet werden muss, aber erst ab 3.000 Euro veröffentlicht wird.
  11. 6.4. Veröffentlichung auf Euro und Cent:
  12. Die Angaben der Abgeordneten über ihre Nebenverdienste mussten vor der Gesetzesänderung lediglich in zehn Stufen erfolgen, wobei die höchste Stufe (Stufe zehn) nach oben offen war. Einkünfte unter 10.000 Euro/Jahr oder 1.000 Euro/Monat mussten überhaupt nicht vermerkt werden.
  13. Künftig müssen gemäß § 35 Abs. 3 AbgG Einkünfte auf Euro und Cent genau veröffentlicht werden, womit gewährleistet wird, dass auch sehr hohe Einkünfte sichtbar werden. Zudem müssen Einkünfte nun bereits ab 3.000 Euro/Jahr veröffentlicht werden. Die Schwelle von 1.000 Euro/Monat bleibt allerdings bestehen. Diese hätte durchaus ebenfalls abgesenkt werden sollen, auch da auf diese Weise Einkünfte von bis zu 12.000 Euro im Jahr nicht veröffentlicht werden, wenn sie monatlich eingehen. Der Abstand zu den 3.000 Euro/Jahr für unregelmäßige Einkünfte ist dadurch hoch.3

Die Anzeigepflicht für die Erstattung von Gutachten und für publizistische und

Vortragstätigkeiten entfällt, wenn die Höhe der jeweils vereinbarten Einkünfte den Betrag von 1 000

Euro im Monat oder, wenn dies nicht der Fall ist, von 3 000 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Sie

entfällt ferner für die Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Parlamentarischer Staatssekretär, als

Staatsminister, als Beauftragter oder Koordinator der Bundesregierung oder für parlamentarische Ämter

und Funktionen; (§ 45 II Nr. 1)

  1. 6.5. Herkunft der Nebeneinkünfte:
  2. Gemäß § 45 Abs. 4 AbgG müssen Abgeordnete, die freiberuflich etwa als Berater oder Anwalt neben dem Mandat Kund:innen oder Mandant:innen betreuen, zumindest die Branche angeben, aus der die Kund:innen stammen und können sich nicht mehr auf das Zeugnisverweigerungsrecht oder die vertragliche Verschwiegenheitspflicht berufen. Ausgenommen ist der Fall, dass der Abgeordnete geltend macht, die Branchenangabe würde die Vertragspartei identifizieren.
  3. Sinnvoll wäre gewesen – gerade in Anbetracht der Skandale der letzten Zeit – allein das gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht hier einzubeziehen, nicht aber auch eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht. Zumindest gegenüber der Verwaltung sollte benannt werden, wer tatsächlich die Vertragspartner sind. So könnte das Verbot lobbybezogener Beratung deutlich besser überprüft und durchgesetzt werden.4
  4. 6.6. Unternehmensbeteiligungen und Einkünfte daraus:
  5. Deutlich ausgeweitet wird durch § 45 Abs. 3 AbgOG die Transparenz darüber, an welchen Kapital- oder Personengesellschaften Abgeordnete beteiligt sind. Künftig müssen Beteiligungen bereits ab fünf Prozent statt bisher 25 Prozent und dies für alle Arten der Beteiligung, nicht nur für Stimmrechte angegeben werden. Erstreckt wird die Transparenz auch auf die Beteiligungen einer Beteiligungsgesellschaft (soweit diese wiederum mehr als fünf Prozent betragen). Umfassender als bisher müssen auch Einkünfte aus solchen Beteiligungen angezeigt und veröffentlicht werden.
  6. 6.7. Optionen auf Gesellschaftsanteile:
  7. Erhält ein:e Abgeordnete:r für eine Nebentätigkeit keine direkte Entlohnung, sondern Optionen auf die Einräumung von Geschäftsanteilen, muss dies nun ebenfalls gemäß § 45 Abs. 3 AbgG angezeigt und veröffentlicht werden, auch wenn sich der Gegenwert nicht genau beziffern lässt. Dies regeln zu wollen wurde von der CDU bereits nach der Affäre um Phillip Amthor versprochen. Der Prozess zog sich aber hin, sodass die Neuregelung nun mit den weitaus umfassenderen Verschärfungen erfolgte.5
  8. 6.8. Interessenkonflikte:
  9. Trotz der neuen Verbote und der erweiterten Transparenz sind Interessenkonflikte auch zukünftig nicht ausgeschlossen. Bereits in ihrem Bericht von 2014 bemängelte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) den Umgang mit Interessenkonflikten im Bundestag. Bisher lag es an den Abgeordneten selbst, vor Ausschusssitzungen eine Interessenverknüpfung anzumelden – wenn diese nicht aus den bereits getätigten Angaben hervorging. Hier sieht das neue Gesetz in § 49 AbgG nun vor, dass solche Interessenverknüpfungen grundsätzlich vor Ausschussberatungen anzuzeigen sind.
  10. Problematisch ist hier, dass auch in schwerwiegenden Fällen von Interessenkonflikten keinerlei Folgen eintreten. Erforderlich wäre hier, das Gesetz hinsichtlich Interessenkonflikte klarer zu fassen und Konsequenzen aus deren Vorliegen zu formulieren. Auch dazu hatte GRECO in ihrem Bericht aufgerufen.
  11. Jenseits der reinen Benennung von Interessenkonflikten sollte der Bundestag eine Befangenheitsregel entwickeln, nach der sich Abgeordnete mit gravierenden Interessenkonflikten aus bestimmten Prozessen heraushalten müssen, sofern der Konflikt nicht anderweitig gelöst werden kann. In Österreich beispielsweise kann der aus dem Parlament heraus gewählte Unvereinbarkeitsausschuss über die Zulässigkeit der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit entscheiden. Sicherlich kann es keine Lösung sein, Abgeordnete pauschal von Beratungen oder Abstimmungen auszuschließen, wenn sie als Zugehörige einer Teilöffentlichkeit, etwa durch ihren Beruf, von einem Gesetz oder einer Entscheidung selbst indirekt betroffen sind. Aber für herausgehobene Positionen, etwa für Berichterstatter:innen, sollte es strengere Regeln geben. So sollte es beispielsweise nicht möglich sein, Berichterstatter:in in einem Vergabeverfahren zu sein, wenn die oder der Betroffene zugleich mit einem der beteiligten Unternehmen direkt verbunden ist und Nebeneinkünfte von dort bezieht.6
  12. Geschichte der Regelungen
  • 2.1. als GO-BT Anlage, vor dem 11. Juni 2021
  • Die Geschäftsordnung des Bundestages, welche bis 2021 Transparenzregeln für Abgeordnete des Bundestages in ihrer Anlage 1 trug, ist allein Binnenrecht des Bundestages, das heißt eine untergesetzliche Rechtsnorm, die keine Wirkung über den Bundestag hinaus hat. Erst die Verlagerung auf gesetzliche Grundlage, indem die Regeln nämlich seit 2021 Teil des Abgeordnetengesetzes ist, gibt ihr Außenwirkung und damit eine allgemeine Verbindlichkeit für die Abgeordneten des Bundestages.
    • Einigung Groko+ Die wichtigsten Neuerungen des Abgeordnetengesetzes: Verbot von entgeltlicher Lobbytätigkeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung durchBundestagsabgeordnete Verbt von Beratungstätigkeiten sowie von bezahlten Vorträgen, sofern sie in einem Bezug zum Mandat stehen Nebeneinkünfte müssen auf Euro und Cent angegeben werden. Die Schwelle der Angabepflicht wurde bei jährlichen Einkünften von 10.000 Euro auf 3.000 Euro gesenkt Anzeigepflichtig sind Beteiligungen an Firmen ab fünf Prozent anstatt wie bisher an 25 Prozent. Ebenfalls anzeigepflichtig sind Optionen auf Anteile Abgeordnete müssen in Ausschüssen einen Interessenkonflikt anzeigen, wenn sie sich zu Themen äußern, mit dem sie sich auch entgeltlich befassen. Interessenkonflikte von Berichterstatter:innen werden zudem im Ausschussbericht veröffentlicht Verbot von Geldspenden an Abgeordnete Erhöhung des Strafmaßes für Abgeordentenbestechung Nicht einigen konnte man sich aber etwa auf die Auskunftspflicht über den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeiten, welche die SPD forderte, oder die Änderung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung nicht nur im Strafmaß, sondern auch in der Veränderung des Tatbestandes, der ihn realitätsnäher machen würde (denn aktuell ist der Tatbestand derart, dass kaum ein Korruptionsfall von diesem erfasst wird), den SPD, Linke und Grüne forderten, gegen den sich aber wiederum die Union sperrte.
  • Fälle Amthor und Strenz (plus Maskenskandal?) Der GRECO-Bericht führte dazu, dass 2020 im Bundestag über eine Anpassung der Verhaltensregeln verhandelt wurde. Eine wesentliche Änderung lag darin, dass die Annahme unzulässiger Zahlungen nun auch bestraft werden konnten, wogegen zuvor allein die Möglichkeit bestand, ein Ordnungsgeld in dem Fall zu verhängen, dass der Abgeordnete auch gegen die Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten und Einkünften verstoßen hatte.
  • Diese Sanktionslücke wurde im besonderen am Fall Karin Strenz (CDU) deutlich, gegen die die Staatsanwaltschaft bis zu ihrem Tod im Frühjahr 2021 wegen Korruptionsverdachts ermittelte. Seit 2017 war bekannt, dass sie über die Firma des CSU-Abgeordneten Eduard Lintner Geld von der autokratischen Regierung Aserbaidschans erhalten und als Abgeordnete sich für deren Interessen eingesetzt hatte. Im Europarat erhielt sie, wie auch Lintner, lebenslanges Hausverbot, wogegen die Bundestagsverwaltung allein ein Ordnungsgeld in Höhe von 20 000 Euro verhängte: weil sie ihre Einkünfte nicht beim Bundestagspräsidenten angemeldet hatte.7
  • Auch der Skandal um Philipp Amthor und der Aktienoptionen, die er von dem US-Unternehmen Augustus-Intelligence erhalten hatte, weil er sich bei Bundeswirtschaftsministerium für dieses eingesetzt hatte8, rückten die Mängel des Abgeordnetenrechts erneut in den Fokus, denn die zu diesem Zeitpunkt geltenden Regeln sahen keine Meldepflicht für Aktienoptionen vor.
  • Der Maskenskandal um mehrere Unions-Abgeordnete9, der Anfang 2021 aufgedeckt wurde, bildete die Zäsur, hinter der auch die CDU/CSU nicht mehr zurücktreten konnte. Gemeinsam mit Bekanntwerden neuer Verstrickungen von Unions-Abgeordneten in die „Aserbaidschan-Connection“ erkannte auch die CDU/CSU, dass die Wähler:innen ihr Vertrauen in die Selbstdisziplin der Union verloren – worauf zumindest die einbrechenden Umfragewerte hindeuteten.10
    • Kubicki
    • Änderungen 2013
  • Reform 2013
  • Steinbrücks Vorträge
  • Unter dem Druck der öffentlichen Debatte über die umfangreichen Vortragshonorare des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wurden die vormaligen drei Stufen auf zehn erhöht und entschieden, dass auch bei Vorträgen die Herkunft des Honorars veröffentlicht werden muss.
  • Doch weiterhin blieben die Abgeordnetenregelungen derart lückenhaft, dass die Europarats-Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) Deutschland 2015 in ihrer Evaluierung für den mangelhaften Regelkatalog kritisierte und ermahnte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um „eine wirksame Kontrolle und Durchsetzung der derzeitigen und künftigen Anzeigepflichten, Regeln zu Interessenkonflikten und anderen Verhaltensregeln für Abgeordnete zu gewährleisten.“11
    • Änderungen 2005
  • 3.1. Reformen im Jahr 2005 - Klage einiger Abgeordneter (Merz und wer noch?
  • Darüber, ob und wenn ja, in welchem Umfang Transparenzregeln für Nebentätigkeiten von Abgeordneten erforderlich sind, wird schon länger lebhaft gestritten. Eine Skandalserie im Jahr 200512 bewirkte, dass die rot-grüne Koalition im selben Jahr die Regeln für die Abgeordneten neu fasste. Diese Reform sah erstmals vor, dass die Höhe der Nebeneinkünfte in drei groben Stufen angegeben werden musste. Einigen Parlamentarier:innen ging das zu weit, sodass sie ein Organstreitverfahren beim Bundesverfassungsgericht anstrengten.
  • Das Gericht wies die Klage als unbegründet zurück und wies darauf hin, dass das freie Mandat des Abgeordneten (Art 38 Abs 1 GG) nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringe. Zu diesen gehöre, dass der Abgeordnete „in einer Weise und in einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleisten.“13Dies erfordere in einem modernen wie komplexen Staat wie dem deutschen, dass der Abgeordnete sich vollständig dieser Tätigkeit widmet. Dass dies eine Nebentätigkeit für den Abgeordneten in der Regel unmöglich macht, rechtfertige es, dass der Lebensunterhalt des Abgeordneten aus Steuermitteln finanziert wird.
  • Die finanzielle Unabhängigkeit des Abgeordneten, die in Art 48 Abs. 3 GG vorausgesetzt wird, solle auch seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sichern, damit der Abgeordnete frei und weisungsunabhängig die Vertretung des gesamten Wahlvolkes wahrnehmen kann. „Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden.“14 Das Volk habe aber „Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.“15
  • Mit der Gesetzesreform wurde erstmalig deutlich, wie viel die Abgeordneten neben ihrer Mandatstätigkeit verdienten und wem gegenüber dadurch möglicherweise besondere Verpflichtungen bestanden.


  • Aktuelle Fälle?


  • Röring
  • Hennrich: Michael Hennrich (CDU), Landesvorsitzender von Haus & Grund Württemberg (ehrenamtlich, monatlich, Einkünfte Stufe 1), Rechtsanwalt (Mandant 1, Stufe 3), Mitglied des Aufsichtsrat der Süddeutschen Krankenversicherung (jährlich, Stufe 3), Mitglied des Aufsichtsrats der Süddeutschen Lebensversicherung, Mitglied des Beirats des DUK Versorgungswerks
  • Ramsauer: Peter Ramsauer (CSU), ehem. Bundesverkehrsminister, ist an der Ramsauer Talmühle beteiligt. Weiterhin ist er Präsident der deutsch-arabischen Handelskammer Ghorfa (monatlich, Einkünfte der Stufe 2), Strategieberater (4 Mandanten der Stufen 2, 3, 4), Beratung von Deutschland baut! (Stufen 2 bzw. 3), Mitglied des Verwaltungsrats der Aebi Schmidt Holding AG (Stufe 5), Mitglied des Expertenrats der Kekst CNC - Communications & Network Consulting AG (Stufe 3), Vorsitzender des Aufsichtsrats Max Streicher GmbH & Co. KG aA (Stufe 5)
  • Hermann-Otto Solms FDP), Mitglied des Beirats der Deutschen Vermögensberatung AG (jährlich, Einkünfte Stufe 4), Vorsitzender des Aufsichtsrats der Piper AG, Mitglied des Parlamentarischen Beirats des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater, Vorsitzender des Stiftungsrates der Deutsche Stiftung Eigentum
  • Merz im Wirtschaftsrat: 2016-03/2020 Aufsichtsratschef bei BlackRock Deutschland
  • Stiftung Marktwirtschaft, Mitglied des "Politischen Beirats" der (von 2004 - 2013 tätigen) "Kommission Steuergesetzbuch"
  • United Europe, Mitglied des Vorstands
  • Gründer der Friedrich und Charlotte Merz Stiftung für Bildung und Ausbildung (gemeinsam mit seiner Frau Charlotte)
  • Aufsichtsrat: Flughafen Köln/Bonn GmbH, Vorsitzender (Mandat endete im Dezember 2020); WEPA Industrieholding SE, Vorsitzender
  • Verwaltungsrat: HSCB Trinkhaus & Burkhardt, Vorsitzender; Stadler Rail AG, Mitglied (Mandat endete im März 2020)
  • Seit 02/2014 Senior Counsel bei Mayer Brown LLP


  • Gysi: Gregor Gysi (Linke), Rechtsanwalt bei Venedey, Dr. Gysi, Höfler Rechtsanwälte in Partnerschaft. Beratung von ver.di (Einkünfte Stufe 1). Weitere Einkünfte werden aus publizistischer Tätigkeit, einer Vielzahl von Vorträgen und Anwaltstätigkeit erzielt. Einzelheiten sind hier abrufbar.

1https://www.lobbycontrol.de/2021/05/konsequenzen-aus-unions-skandalen-deutlich-strengere-regeln-fuer-abgeordnete/, aufgerufen am 13.12.2021.

2Ebd., aufgerufen am 13.12.2021.

3https://www.lobbycontrol.de/2021/05/konsequenzen-aus-unions-skandalen-deutlich-strengere-regeln-fuer-abgeordnete/, aufgerufen am 13.12.2021.

4Ebd., aufgerufen am 13.12.2021.

5https://www.lobbycontrol.de/2021/05/konsequenzen-aus-unions-skandalen-deutlich-strengere-regeln-fuer-abgeordnete/, aufgerufen am 13.12.2021.

6https://www.lobbycontrol.de/2021/05/konsequenzen-aus-unions-skandalen-deutlich-strengere-regeln-fuer-abgeordnete/, aufgerufen am 13.12.2021.

7Lobbyreport 2021, S. 50.

8https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/lobbyismus/wie-philipp-amthor-zum-tueroeffner-fuer-augustus-intelligence-wurde, aufgerufen am 13.12.2021.

9Ausführlich in Lobbyreport 2021, S. 55 ff.

10Lobbyreport 2021, S. 51.

11GRECO 2014: „Vierte Evaluierungsrunde. Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte“, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/GRECO_4.Runde_Umsetzungsbericht_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=5, aufgerufen am 13.12.2021.

12Zeit-Online, 20.1.2005: „Das alles ohne Gegenleistung“, https://www.zeit.de/2005/04/Vorspann_, aufgerufen am 13.12.2021.

13BVerfGE, Urteil vom 4. Juli 2007, 2 BvE 1/06, Pressemitteilung Nr. 73/2007, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2007/bvg07-073.html, aufgerufen am 7. Dezember 2021.

14BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 04. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 -, Rn. 1-389, Rn. 222, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/07/es20070704_2bve000106.html, aufgerufen am 13.12.2021.

15BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 04. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 -, Rn. 1-389, Rn274, aufgerufen am 13.12.2021. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/07/es20070704_2bve000106.html, aufgerufen am 13.12.2021.

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