Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten in Deutschland

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Überblick

Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten in der 19. Legislaturperiode (2017 - 2021) Nebeneinkünfte von insgesamt geschätzt etwa 53 Millionen Euro erwirtschaftet. Hinzuverdient haben dabei vor allem Parlamentarier aus der Union und der FDP. Nebentätigkeiten und speziell, die erwirtschafteten Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind regelmäßig Teil des öffentlichen und politischen Diskurses über die Unabhängigkeit von Abgeordneten.
Mehrere spektakuläre Fälle haben nach Änderungen 2005 und 2013 im Jahr 2021 zu einer neuerlichen Verschärfung der Abgeordnetenregelungen geführt.

Aktuelle Regelungen (seit 2022) Der Deutsche Bundestag hat am 8. Oktober das Abgeordnetengesetz in Abschnitt zehn und elf des Gesetzes verändert und erweitert. Regelungen, die schon zuvor in der Geschäftsordnung des Bundestages enthalten waren, wurden mit der Neuerung in Teilen verschärft und auf gesetzliche Grundlage gehoben.

Inhalt der geltenden Regelungen

Unabhängigkeit des Mandats (§ 44a AbgG)

  • Für die Ausübung des Mandats darf die Parlamentarier:in keine andere als die für diese Tätigkeit vorgesehene Entlohnung erhalten (§ 44a AbgG), dh.:
    • Verbot entgeltlicher Lobbytätigkeit gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung durch Bundestagsabgeordnete
    • Verbot von Beratungstätigkeiten sowie von bezahlten Vorträgen, sofern sie in einem Bezug zum Mandat stehen
    • Verbot von missbräuchlichem Hinweis auf Mitgliedshaft im Bundestag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten
    • hiernach unzulässigerweise entgegengenommene Zuwendungen oder Vermögensvorteile oder ihr Gegenwert werden dem Bundeshaushalt zugeführt. Die Beendigung der Mitgliedschaft im Bundestag berührt diesen Anspruch nicht

Anzeigepflichten

Anzeigepflichten über berufliche und sonstige vermögensrelevante Betätigungen, § 45 Abs. 1 und 2 AbgG

  • aus der Zeit vor der Mitgliedschaft im Parlament sind anzuzeigen:
    • der zuletzt ausgeübte Beruf und ein etwaiges Rückkehrrecht
    • Tätigkeiten in Gremium eines Unternehmens oder Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts (Beirat, Vorstand, Aufsichtsrat, o.ä.)
  • während der Mitgliedschaft im Parlament:
    • entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat (zB. Vortrags- und Beratungstätigkeit)
    • Mitgliedschaften in Unternehmen
    • Mitgliedschaften in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes
    • Mitgliedschaften in Vereinen, Verbänden sowie Stiftungen (wenn sie nicht von ausschließlich lokaler Bedeutung sind)
    • Vereinbarungen mit dem Inhalt, dass das Mitglied des Bundestages während der Mitgliedschaft oder nach dem Ausscheiden bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugewendet werden sollen
    • Beteiligungen an Firmen ab fünf Prozent und bei Beteiligung an Beteiligungsfirmen, wenn diese ihrerseits fünf Prozent halten
      • anzugeben sind hier auch die jeweilige Höhe der Einkünfte aus der Beteiligung
    • ebenfalls anzeigepflichtig sind Optionen auf Gesellschaftsanteile und vergleichbare Finanzinstrumente

→ hier sind jeweils die Höhe der Einkünfte zu benennen, wenn sie im Monat den Betrag von 1 000 € oder im Kalenderjahr 3 000 € übersteigen

Rechtsanwält:innen, § 46 AbgG

Ab einem Honorar von 1 000 € sind Anwält:innen verpflichtet, ihre Tätigkeiten beim Bundestagspräsidenten anzuzeigen.
Gemäß § 45 Abs. 4 AbgG müssen Abgeordnete, die neben ihrem Bundestagsmandat etwa als Berater:in oder Anwält:in Kund:innen oder Mandant:innen betreuen, zumindest die Branche angeben, aus der die Kund:innen stammen und können sich nicht mehr generell auf das Zeugnisverweigerungsrecht oder die vertragliche Verschwiegenheitspflicht berufen. Ausgenommen ist der Fall, dass die Abgeordnete geltend macht, die Branchenangabe würde die Vertragspartei identifizieren.

Interessenverknüpfung, § 49 AbgG

Abgeordnete müssen in Ausschüssen einen Interessenkonflikt anzeigen, wenn sie sich zu Themen äußern, mit denen sie sich auch entgeltlich befassen. Interessenkonflikte müssen von Berichterstatter:innen vor einer Wortmeldung zum Thema konkret (und nicht nur generell) offengelegt werden und werden im Ausschussbericht veröffentlicht.

Spenden, § 48 AbgG

  • Anzeigepflicht über geldwerte Zuwendungen aller Art (Spenden), die im Rahmen eines ehrenamtlichen politischen Engagements oder einer Sachunterstützung für die politische Tätigkeit des Mandatsträgers zur Verfügung gestellt wird
    • Anzuzeigen ab Größe von 1 000 € im Kalenderjahr
    • Zu veröffentlichen, soweit die einzelne Spende im Kalenderjahr die Höhe von 3 000 € übersteigt oder bei mehreren vom selben Spender, die Spenden gemeinsam den Wert von 3 000 € im Kalenderjahr übersteigen
  • Gastgeschenke in Bezug auf das Mandat sind ab einem Sachwert von 200 € dem Präsidenten des Bundestags auszuhändigen

Nicht einigen konnte man sich etwa auf die Auskunftspflicht über den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeiten, welche die SPD forderte, oder die Änderung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung nicht nur im Strafmaß, sondern auch in der Veränderung des Tatbestandes, der ihn realitätsnäher machen würde (denn aktuell ist der Tatbestand derart, dass kaum ein Korruptionsfall von diesem erfasst wird), den SPD, Linke und Grüne forderten, gegen den sich aber wiederum die Union sperrte.

Sanktionen

  • Bestehen von Anhaltspunkten für Pflichtverletzung, kann der Bundestagspräsident gemäß § 51 Abs. 1 AbgG:
    • Auskunft vom Betroffenen und
    • Stellungnahme durch Fraktionsvorsitzenden der Fraktion, der Betroffener angehört, verlangen
  • Bei der Feststellung eines fahrlässigen Verstoßes gegen die Verhaltenspflichten, § 51 Abs. 2 AbgG:
    • Ermahnung des Betroffenen
    • Ansonsten:
      • Anzeige des Verstoßes beim Bundestagspräsidium und dem Fraktionsvorsitzenden
        Das Präsidium stellt nach einer Anhörung des Betroffenen fest, ob ein Pflichtverstoß vorliegt
        Die Feststellung eines Pflichtverstoßes wird als Drucksache veröffentlicht
  • Nach erneuter Anhörung Festsetzung eines Ordnungsgeld (§ 51 Abs. 4 AbgG), bei:
    • Nichtanzeige von anzeigepflichtigen Tätigkeiten, Einkünften oder Unternehmensbeteiligungen
    • verstoß gegen die Pflichten aus dem Unabhängigen Mandat nach § 44a Absatz 2 bis 4 AbgG (s.o.)
    • Verstoß gegen die Regeln der Mitarbeiterbeschäftigung nach § 12 Absatz 3a Satz 1 AbgG

→ Die Höhe des Ordnungsgeldes bemisst sich nach der Schwere des Einzelfalles und nach dem Grad des Verschuldens. → Es kann bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festgesetzt werden.

Neu ist damit, dass ein Ordnungsgeld nicht mehr nur bei einer Verletzung der Transparenzpflichten verhängt werden kann und Umstände zusätzlich auch erfasst wird, wenn sich der Abgeordnete nicht an das Verbot bezahlter Lobbyarbeit hält oder regelwidrig Vortragshonorare kassiert; auch der Missbrauch der Mitgliedschaft im Bundestag zu geschäftlichen Zwecken kann eine solche Strafe nach sich ziehen. Zudem sind Einnahmen, die aus untersagten Tätigkeiten stammen, künftig an den Bundestag abzuführen. Damit werden die Sanktionen deutlich verschärft.

Kritik

Lobbytätigkeiten neben dem Mandat

Während die vergütete Lobbyarbeit von Parlamentarier:innen nunmehr gesetzlich verboten ist, gilt dies nicht auch ehrenamtliche Tätigkeiten in diesem Bereich. Als ehrenamtlich werden Tätigkeiten definiert, für die Aufwandsentschädigung bis zu einem Zehntel der Abgeordnetenentschädigungen gewährt werden (§ 44a Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 AbgG). Allerdings können auch durch ehrenamtliche Lobbyarbeit problematische Interessenkonstellationen entstehen, insbesondere wenn Abgeordnete ehrenamtliche Leitungsfunktionen in Verbänden oder Organisationen übernehmen und damit qua Funktion deren Interessen verpflichtet sind.<ref>[Konsequenzen aus Unions-Skandalen: Deutlich strengere Regeln für Abgeordnete - Weitere Schritte nötig, LobbyControl-Blog vom 03.05.2021, aufgerufen am 13.12.2021.Referenzfehler: Das öffnende <ref>-Tag ist beschädigt oder hat einen ungültigen Namen

Spenden an Abgeordnete

Das Gesetz sieht in § 48 AbgG vor, dass Geldspenden an Abgeordnete vollständig verboten werden. Weiter möglich bleiben jedoch Sachspenden und geldwerte Zuwendungen, die künftig bereits ab einem Gegenwert von 1 000 € dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden müssen und ab 3 000 € veröffentlicht werden. Dies kann etwa Reise- und Übernachtungskostenübernahme bedeuten zu Reiseeinladungen, die von Lobbyist:innen ausgesprochen werden. Hier wäre wegen möglicher Interessenskonflikte eine weitere Absenkung der Veröffentlichungsschwelle wünschenswert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Leistungen ab 1 000 € zwar an den Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen, diese aber erst bei einer Summe von 3 000 € veröffentlicht werden.

Veröffentlichung auf Euro und Cent

Die Angaben der Abgeordneten über ihre Nebenverdienste müssen gemäß § 35 Abs. 3 AbgG auf Euro und Cent genau veröffentlicht werden, womit gewährleistet wird, dass auch sehr hohe Einkünfte sichtbar werden. Zudem müssen Einkünfte nun bereits ab 3.000 € pro Jahr veröffentlicht werden.
Eine Schwelle von 1 000 € pro Monat bleibt allerdings bestehen, die von der Meldepflicht nicht erfasst wird. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, dass Einkünfte von bis zu 12 000 € im Jahr nicht veröffentlicht werden, wenn sie monatlich eingehen. Der Abstand zu den 3 000 € pro Jahr für unregelmäßige Einkünfte ist dadurch hoch.<ref>Konsequenzen aus Unions-Skandalen: Deutlich strengere Regeln für Abgeordnete - Weitere Schritte nötig, LobbyControl-Blog vom 03.05.2021, aufgerufen am 13.12.2021.Referenzfehler: Das öffnende <ref>-Tag ist beschädigt oder hat einen ungültigen Namen

Anzeigepflicht für Anfertigung von Gutachten und für publizistische und Vortragstätigkeiten

Die Anzeigepflicht für die Anfertigung von Gutachten und für publizistische und Vortragstätigkeiten von Abgeordneten entfällt, wenn die Höhe der jeweils vereinbarten Einkünfte den Betrag von 1 000 € im Monat oder, wenn dies nicht der Fall ist, von 3 000 € im Kalenderjahr nicht übersteigt.
Sie entfällt ferner für die Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Parlamentarische:r Staatssekretär:in, als Staatsminister:in, als Beauftragte:r oder KoordinatorIn der Bundesregierung oder für parlamentarische Ämter und Funktionen (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 a.E.).

Herkunft der Nebeneinkünfte

Gemäß § 45 Abs. 4 AbgG gilt grundsätzlich die Pflicht zur Angabe darüber, aus welcher Branche die Kund:innen und Mandant:innen stammen. Eine generelle Berufung auf ein ein vertragliches oder gesetzliches Schweigerecht ist nicht zulässig. Ausgenommen ist der Fall, dass die Abgeordnete geltend macht, die Branchenangabe würde die Vertragspartei identifizieren.
Sinnvoll wäre gewesen - gerade in Anbetracht der Skandale der letzten Zeit – allein das gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht zu schützen und hier einzubeziehen, nicht aber auch eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht. Zumindest gegenüber der Verwaltung sollte benannt werden, wer tatsächlich die Vertragspartner sind. So könnte das Verbot lobbybezogener Beratung deutlich besser überprüft und durchgesetzt werden.<ref>Konsequenzen aus Unions-Skandalen: Deutlich strengere Regeln für Abgeordnete - Weitere Schritte nötig, LobbyControl-Blog vom 03.05.2021, aufgerufen am 13.12.2021.Referenzfehler: Das öffnende <ref>-Tag ist beschädigt oder hat einen ungültigen Namen

Interessenkonflikte

Trotz der neuen Regelungen aus dem Jahr 2021 sind Interessenkonflikte auch zukünftig nicht ausgeschlossen. Bereits in ihrem Bericht von 2014 bemängelte die [Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO)] den Umgang mit Interessenkonflikten im Bundestag.
Interessenkonflikte sind gemäß § 49 AbgG in Ausschusssitzungen (konkret) anzuzeigen, bei Berichterstatter:innen werden diese auch im Ausschussprotokoll vermerkt.
Jedoch folgen hieraus keine Konsequenzen beim Vorliegen schwerwiegender Interessenkonflikte. Erforderlich wäre hier eine klarere Fassung des Gesetzes hinsichtlich der Definition von Interessenskonflikten und eine Benennung von Konsequenzen, wenn keine Lösung des Konfliktes eingeleitet wird. Auch dazu hatte GRECO in ihrem Bericht bereits im Jahr 2014 aufgerufen.
Jenseits der reinen Benennung von Interessenkonflikten sollte der Bundestag hier eine Befangenheitsregel entwickeln, nach der sich Abgeordnete mit gravierenden Interessenkonflikten aus bestimmten Prozessen heraushalten müssen, sofern der Konflikt nicht anderweitig gelöst werden kann. In Österreich beispielsweise kann der aus dem Parlament heraus gewählte Unvereinbarkeitsausschuss über die Zulässigkeit der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit entscheiden.
Dabei kann es nicht die Lösung sein, Abgeordnete pauschal von Beratungen oder Abstimmungen auszuschließen, allein weil sie etwa durch ihren Beruf von einem Gesetz oder einer Entscheidung selbst indirekt betroffen sind. Aber für herausragende Positionen, etwa für Berichterstatter:innen, sollte es strengere Regeln geben: So sollte es beispielsweise nicht möglich sein, Berichterstatter:in in einem Vergabeverfahren zu sein, wenn die Betroffene zugleich mit einem der beteiligten Unternehmen direkt verbunden ist und Nebeneinkünfte von dort bezieht.<ref>Konsequenzen aus Unions-Skandalen: Deutlich strengere Regeln für Abgeordnete - Weitere Schritte nötig, LobbyControl-Blog vom 03.05.2021, aufgerufen am 13.12.2021.Referenzfehler: Das öffnende <ref>-Tag ist beschädigt oder hat einen ungültigen Namen


Hintergrund der Regelungen

Einigung Groko+ Die wichtigsten Neuerungen des Abgeordnetengesetzes

Verbot von entgeltlicher Lobbytätigkeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung durchBundestagsabgeordnete Verbt von Beratungstätigkeiten sowie von bezahlten Vorträgen, sofern sie in einem Bezug zum Mandat stehen Nebeneinkünfte müssen auf Euro und Cent angegeben werden. Die Schwelle der Angabepflicht wurde bei jährlichen Einkünften von 10.000 Euro auf 3.000 Euro gesenkt Anzeigepflichtig sind Beteiligungen an Firmen ab fünf Prozent anstatt wie bisher an 25 Prozent. Ebenfalls anzeigepflichtig sind Optionen auf Anteile Abgeordnete müssen in Ausschüssen einen Interessenkonflikt anzeigen, wenn sie sich zu Themen äußern, mit dem sie sich auch entgeltlich befassen. Interessenkonflikte von Berichterstatter:innen werden zudem im Ausschussbericht veröffentlicht Verbot von Geldspenden an Abgeordnete Erhöhung des Strafmaßes für Abgeordentenbestechung Nicht einigen konnte man sich aber etwa auf die Auskunftspflicht über den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeiten, welche die SPD forderte, oder die Änderung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung nicht nur im Strafmaß, sondern auch in der Veränderung des Tatbestandes, der ihn realitätsnäher machen würde (denn aktuell ist der Tatbestand derart, dass kaum ein Korruptionsfall von diesem erfasst wird), den SPD, Linke und Grüne forderten, gegen den sich aber wiederum die Union sperrte.

Als GO-BT Anlage, vor dem 11. Juni 2021

Die Geschäftsordnung des Bundestages, welche bis 2021 Transparenzregeln für Abgeordnete des Bundestages in ihrer Anlage 1 trug, ist allein Binnenrecht des Bundestages, das heißt eine untergesetzliche Rechtsnorm, die keine Wirkung über den Bundestag hinaus hat. Erst die Verlagerung auf gesetzliche Grundlage, indem die Regeln nämlich seit 2021 Teil des Abgeordnetengesetzes sind, gibt ihr Außenwirkung und damit eine allgemeine Verbindlichkeit für die Abgeordneten des Bundestages.

Fälle Amthor und Strenz (plus Maskenskandal?) Der GRECO-Bericht führte dazu, dass 2020 im Bundestag über eine Anpassung der Verhaltensregeln verhandelt wurde. Eine wesentliche Änderung lag darin, dass die Annahme unzulässiger Zahlungen nun auch bestraft werden konnten, wogegen zuvor allein die Möglichkeit bestand, ein Ordnungsgeld in dem Fall zu verhängen, dass der Abgeordnete auch gegen die Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten und Einkünften verstoßen hatte.

  • Diese Sanktionslücke wurde im besonderen am Fall Karin Strenz (CDU) deutlich, gegen die die Staatsanwaltschaft bis zu ihrem Tod im Frühjahr 2021 wegen Korruptionsverdachts ermittelte. Seit 2017 war bekannt, dass sie über die Firma des CSU-Abgeordneten Eduard Lintner Geld von der autokratischen Regierung Aserbaidschans erhalten und als Abgeordnete sich für deren Interessen eingesetzt hatte. Im Europarat erhielt sie, wie auch Lintner, lebenslanges Hausverbot, wogegen die Bundestagsverwaltung allein ein Ordnungsgeld in Höhe von 20 000 Euro verhängte: weil sie ihre Einkünfte nicht beim Bundestagspräsidenten angemeldet hatte.7
  • Auch der Skandal um Philipp Amthor und der Aktienoptionen, die er von dem US-Unternehmen Augustus-Intelligence erhalten hatte, weil er sich bei Bundeswirtschaftsministerium für dieses eingesetzt hatte8, rückten die Mängel des Abgeordnetenrechts erneut in den Fokus, denn die zu diesem Zeitpunkt geltenden Regeln sahen keine Meldepflicht für Aktienoptionen vor.
  • Der Maskenskandal um mehrere Unions-Abgeordnete9, der Anfang 2021 aufgedeckt wurde, bildete die Zäsur, hinter der auch die CDU/CSU nicht mehr zurücktreten konnte. Gemeinsam mit Bekanntwerden neuer Verstrickungen von Unions-Abgeordneten in die „Aserbaidschan-Connection“ erkannte auch die CDU/CSU, dass die Wähler:innen ihr Vertrauen in die Selbstdisziplin der Union verloren – worauf zumindest die einbrechenden Umfragewerte hindeuteten.10
    • Kubicki
    • Änderungen 2013

Reform 2013

  • Steinbrücks Vorträge
  • Unter dem Druck der öffentlichen Debatte über die umfangreichen Vortragshonorare des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wurden die vormaligen drei Stufen auf zehn erhöht und entschieden, dass auch bei Vorträgen die Herkunft des Honorars veröffentlicht werden muss.
  • Doch weiterhin blieben die Abgeordnetenregelungen derart lückenhaft, dass die Europarats-Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) Deutschland 2015 in ihrer Evaluierung für den mangelhaften Regelkatalog kritisierte und ermahnte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um „eine wirksame Kontrolle und Durchsetzung der derzeitigen und künftigen Anzeigepflichten, Regeln zu Interessenkonflikten und anderen Verhaltensregeln für Abgeordnete zu gewährleisten.“11

Änderungen 2005

  • 3.1. Reformen im Jahr 2005 - Klage einiger Abgeordneter (Merz und wer noch?
  • Darüber, ob und wenn ja, in welchem Umfang Transparenzregeln für Nebentätigkeiten von Abgeordneten erforderlich sind, wird schon länger lebhaft gestritten. Eine Skandalserie im Jahr 200512 bewirkte, dass die rot-grüne Koalition im selben Jahr die Regeln für die Abgeordneten neu fasste. Diese Reform sah erstmals vor, dass die Höhe der Nebeneinkünfte in drei groben Stufen angegeben werden musste. Einigen Parlamentarier:innen ging das zu weit, sodass sie ein Organstreitverfahren beim Bundesverfassungsgericht anstrengten.
  • Das Gericht wies die Klage als unbegründet zurück und wies darauf hin, dass das freie Mandat des Abgeordneten (Art 38 Abs 1 GG) nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringe. Zu diesen gehöre, dass der Abgeordnete „in einer Weise und in einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleisten.“13Dies erfordere in einem modernen wie komplexen Staat wie dem deutschen, dass der Abgeordnete sich vollständig dieser Tätigkeit widmet. Dass dies eine Nebentätigkeit für den Abgeordneten in der Regel unmöglich macht, rechtfertige es, dass der Lebensunterhalt des Abgeordneten aus Steuermitteln finanziert wird.
  • Die finanzielle Unabhängigkeit des Abgeordneten, die in Art 48 Abs. 3 GG vorausgesetzt wird, solle auch seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sichern, damit der Abgeordnete frei und weisungsunabhängig die Vertretung des gesamten Wahlvolkes wahrnehmen kann. „Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden.“14 Das Volk habe aber „Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.“15
  • Mit der Gesetzesreform wurde erstmalig deutlich, wie viel die Abgeordneten neben ihrer Mandatstätigkeit verdienten und wem gegenüber dadurch möglicherweise besondere Verpflichtungen bestanden.


Aktuelle Fälle

  • Röring
  • Hennrich: Michael Hennrich (CDU), Landesvorsitzender von Haus & Grund Württemberg (ehrenamtlich, monatlich, Einkünfte Stufe 1), Rechtsanwalt (Mandant 1, Stufe 3), Mitglied des Aufsichtsrat der Süddeutschen Krankenversicherung (jährlich, Stufe 3), Mitglied des Aufsichtsrats der Süddeutschen Lebensversicherung, Mitglied des Beirats des DUK Versorgungswerks
  • Ramsauer: Peter Ramsauer (CSU), ehem. Bundesverkehrsminister, ist an der Ramsauer Talmühle beteiligt. Weiterhin ist er Präsident der deutsch-arabischen Handelskammer Ghorfa (monatlich, Einkünfte der Stufe 2), Strategieberater (4 Mandanten der Stufen 2, 3, 4), Beratung von Deutschland baut! (Stufen 2 bzw. 3), Mitglied des Verwaltungsrats der Aebi Schmidt Holding AG (Stufe 5), Mitglied des Expertenrats der Kekst CNC - Communications & Network Consulting AG (Stufe 3), Vorsitzender des Aufsichtsrats Max Streicher GmbH & Co. KG aA (Stufe 5)
  • Hermann-Otto Solms FDP), Mitglied des Beirats der Deutschen Vermögensberatung AG (jährlich, Einkünfte Stufe 4), Vorsitzender des Aufsichtsrats der Piper AG, Mitglied des Parlamentarischen Beirats des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater, Vorsitzender des Stiftungsrates der Deutsche Stiftung Eigentum
  • Merz im Wirtschaftsrat: 2016-03/2020 Aufsichtsratschef bei BlackRock Deutschland
  • Stiftung Marktwirtschaft, Mitglied des "Politischen Beirats" der (von 2004 - 2013 tätigen) "Kommission Steuergesetzbuch"
  • United Europe, Mitglied des Vorstands
  • Gründer der Friedrich und Charlotte Merz Stiftung für Bildung und Ausbildung (gemeinsam mit seiner Frau Charlotte)
  • Aufsichtsrat: Flughafen Köln/Bonn GmbH, Vorsitzender (Mandat endete im Dezember 2020); WEPA Industrieholding SE, Vorsitzender
  • Verwaltungsrat: HSCB Trinkhaus & Burkhardt, Vorsitzender; Stadler Rail AG, Mitglied (Mandat endete im März 2020)
  • Seit 02/2014 Senior Counsel bei Mayer Brown LLP


  • Gysi: Gregor Gysi (Linke), Rechtsanwalt bei Venedey, Dr. Gysi, Höfler Rechtsanwälte in Partnerschaft. Beratung von ver.di (Einkünfte Stufe 1). Weitere Einkünfte werden aus publizistischer Tätigkeit, einer Vielzahl von Vorträgen und Anwaltstätigkeit erzielt. Einzelheiten sind hier abrufbar.


Statistik

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