Vattenfall

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Vattenfall GmbH
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Rechtsform GmbH
Tätigkeitsbereich Energieversorger
Gründungsdatum 2002
Hauptsitz Hildegard-Knef-Platz 2, 10829 Berlin
Lobbybüro
Lobbybüro EU Rue de la Loi 223, 1040 Bruxelles, Belgien
Webadresse www.vattenfall.de

Die Vattenfall GmbH ist die deutsche Tochtergesellschaft des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall AB. Dieser gehört zu 100% dem schwedischen Staat. Vattenfall ist nach E.ON, RWE und EnBW das viertgrößte Energieversorgungsunternehmen in Deutschland. Vattenfall stand in der Vergangenheit aufgrund seiner Lobby-Aktivitäten für den Kohleabbau sowie zweier ISDS-Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland in der öffentlichen Kritik.



Lobbyarbeit: Struktur und Strategien

Offizielle Lobbyist:innen und Lobbybudget

Vattenfall gibt im deutschen Lobbyregister an, in 2021 Lobbyausgaben von knapp 1.000.000 Euro aufgewendet zu haben. Zudem beschäftigen sie nach eigenen Angaben 12 Menschen, die ihre Interessenvertretung unmittelbar ausüben.[1] Auf EU-Ebene gibt der schwedische Mutterkonzern Vattenfall AB ein Lobbybudget von 400.000 - 499.999 Euro für 2020 an, sowie sechs Lobbyist:innen mit Zugang zum EU-Parlament. Zwischen dem 12.2014 und 03.2022 fanden laut EU-Lobbyregister 22 Treffen mit EU-Politiker:innen statt, darunter sechs mit Kommissar:innen, zumeist im Bereich Energie, "Climate Action" und European Green Deal. Zu den angegebenen Aktivitäten zählen: Vattenfall Expertenrunden (informelle Diskussionsveranstaltungen); die Organisation anderer kleinerer Veranstaltungen im Zusammenhang mit der europäischen Energiepolitik; Teilnahme von Regulierungs- und Unternehmensexperten als Redner:in an externen Veranstaltungen (z. B. EU Sustainable Energy Week) und Aktivitäten in den sozialen Medien.[2]

Des Weiteren gibt die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) im Lobbyregister an, dass sie auch die Vattenfall Energy Trading GmbH vertreten würde. Die dena hat 40 ausübende Lobbyist:innen und ein Lobbybudget von 350.001 bis 360.000 Euro in 2021. Die dena steht immer wieder in der Kritik, da sie zwar eine bundeseigene Agentur ist, gleichzeitig aber enge Verbindungen zu Unternehmen hat - und diese eben auch vertritt. Aktuell wurde insbesondere die Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität – Wege und Möglichkeiten für Weichenstellungen der 2020er Jahre“ kritisiert, da diese zu 80 % von Unternehmen gesponsort wurde, die von dem in der Studie beschrieben Wandel direkt betroffen sind.[3] Zwei der von dena gelisteten Lobbyist:innen waren vorher im politischen Kontext tätig, Zoe Frisvold arbeitete bei der EU-Kommission und Hennin Eklund war als Trainee bei der EU-Kommission und arbeitete später für Schwedens Auswärtigesamt .

Lobbyarbeit

LobbyPlanet Berlin

Vattenfall ist auch durch seine Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat der CDU eng mit der Politik verflochten.[1] Ein Beispiel für die weitreichenden Einflussmöglichkeiten stellt der direkte Kontakt 2020 zwischen Vattenfall und anderen Steinkohlekraftwerksbetreibern (allesamt Mitglieder des Wirtschaftsrates) und dem damaligen CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmeier bezüglich des Kohleaustiegsgesetzes dar. Der Wirtschaftsrat schrieb einen Brief mit Forderungen und Gesprächsanfrage, worauf zuerst ein Gespräch zwischen dem Rat und dem BMWi-Staatssekretär Andreas Feicht stattfand und anschließend ein Treffen von Vattenfall & Co. mit Peter Altmeier, seinem Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) und Abteilungsleiterin Stephanie von Ahlefeldt im BMWi folgte. Bareiß pflegt enge Verbindungen mit dem Wirtschaftsrat und sowohl er als auch Frau von Ahlefeldt werden für Energiewende-Gegner:innen beschrieben.[4] Das letztendlich beschlossene Kohleausstiegsgesetz kam der Steinkohlebranche laut Kritiker:innen sehr entgegen, was laut ihnen auf erfolgreiche Lobbyarbeit zurück zuführen sei. Es beinhaltete u. a. hohe Entschädigungssummen für das Stilllegen von Kraftwerken, die laut Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid auf Grund von Überkapazitäten sowieso vom Netz hätten genommen werden müssen.[5]


Im Lobbyskandal um Philip Amthor und August Intelligence fand Vattenfall auch Erwähnung. Das Unternehmen hatte einem umstrittenen Brief von Philip Amthor an Peter Altmeier in 2018 ein Schreiben beigelegt, dessen Inhalte bisher nicht näher bekannt sind.[6]


Ulrich Freese war von 2013 bis 2017 Mitglied des Bundestags für die SPD, war Mitglied des Wirtschaftss- und Energieausschusses und saß gleichzeitig in drei Aufsichtsräten von Vattenfall (ebenfalls bis 2017).[7] Aktuell ist er der stellv. Vorsitzende des Aufsichtsrates der Lausitz Energie Bergbau AG. Diese besitzt zusammen mit der Lausitz Energie Kraftwerke AG die Marke LEAG, welche 2016 die Lausitzer Braunkohletagebaue und -kraftwerke von Vattenfall übernahm. Freese war langjähriger IG-BCE-Gewerkschaftsfunktionär und gilt in Berlin als Braunkohle-Lobbyist. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" geht folgender Satz im Koalitionsvertrag von 2013 zwischen CDU/CSU und SPD auf Freese zurück: "Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar."[8] Hier durch stellte der damalige Koalitionsvertrag sicher, dass die Bundesregierung in der Energiepolitik weiterhin auf die Braunkohle setzte.[9] Vattenfall baute damals in der Lausitz/Brandenburg in großem Stil Braunkohle ab. 2013 sprach das Unternehmen von knapp 33.500 Arbeitsplätze, die dort von der Wertschöpfung durch die Braunkohlenindustrie abhängig seien (mehr zu der Berechnung dieser Zahl weiter unten). 2022 hat LEAG 7000 direkte Mitarbeitende.[10]

Für seine Wahlkampfkasse erhielt Freese in 2013 Spenden in Höhe von 86.546 Euro. Zumindest ein Teil der Summe lässt sich laut eines Berichts im "Spiegel" auf damalige Führungskräfte von Vattenfall zurückführen.[11]

Der SPD-Landtagsabgeordnete Sören Kosanke (Brandenburg) hatte in 2010 ein gutbezahltes Gespräch mit Vattenfall und dem Kraftwerkausrüster Hitachi zum Thema Energiestrategien 2020 in Brandenburg. Die Unternehmen zahlten zusammen 9.500 Euro an die Agentur Network Media (NWMD), eine Firma der SPD. Es war eines von zahlreichen, gut gesponsorten Treffen von SPD-Politiker:innen und Unternehmen durch die NWMD zwischen 2010 und 2016. Energieerzeuger nahmen die Gesprächsmöglichkeit durch Sponsoring insgesamt zwölf mal war, besonders häufig E.ON, aber auch RWE und Vattenfall.[12]

Das Bergbauunternehmen Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) fusionierte 2002 mit den Hamburgische Electricitäts-Werken (HEW) unter Federführung des schwedische Konzerns Vattenfall AB zu Vattenfall Mining AG. Aus der LAUBAG wurde die Vattenfall Mining AG. Die LAUBAG hatte einen Lobbyisten im Wirtschaftsministerium.

zur Übersicht Lobbyisten in Ministerien

Auftragsstudien

Vattenfall beauftragte das privatwirtschaftliche Forschungs- und Beratungsinstitut Prognos AG mit zwei Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Braunkohletagebaus in den neuen Bundesländern. Die erste Studie wurde im Dezember 2005 unter dem Titel Energie- und regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland veröffentlicht und kommt zu dem Ergebnis, dass „[c]a. 23.600 Arbeitsplätze […] durch die ostdeutsche Braunkohleindustrie gesichert“ [13] werden. Zu dieser Zahl kommt Prognos, indem zu den direkt in der Braunkohleindustrie beschäftigten Arbeitnehmern auch „indirekte“ Beschäftigte bei Zulieferbetrieben (in sogenannten „Vorleistungssektoren“) gerechnet werden sowie sogenannte „induzierte“ Arbeitsplätze, welche durch Konsumausgaben der ersten beiden Gruppen entstehen. In der im September 2011 unter dem Titel Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland erschienenen Folgestudie heißt es: „Insgesamt hängen in Ostdeutschland rund 33.500 Arbeitsplätze von der Braunkohleindustrie ab.“[14] Vergleicht man die Angaben aus den beiden Prognos-Studien, so ist bei den direkt Beschäftigten einen Anstieg um 9,8% von 10.182 im Jahr 2005 auf 11.179 im Jahr 2011 festzustellen. In den sogenannten Vorleistungssektoren stieg die Zahl der „indirekt“ Beschäftigten angeblich innerhalb von nur sechs Jahren um über 58% (von 10.600 auf 16.790). Die Zahl der induzierten Arbeitsplätze verdoppelte sich sogar fast von 2275 auf 5535, obwohl beide Studien von Konsumausgaben in Höhe von ca. 260 Millionen Euro ausgehen. Auch wenn diese in den Auftragsstudien genannten Zahlen kaum nachvollziehbar sind, werden sie in Publikationen der Braunkohlelobby immer wieder als Argument für die wirtschaftliche Notwendigkeit des Braunkohletagebaus genannt.

Astroturfing

Vattenfall förderte finanziell den Verein Pro Lausitzer Braunkohle.[15] Nach der Abgabe der Braunkohlesparte von Vattenfall an LEAG wird diese von Pro-Lausitz als Partner genannt, was die Partnerschaft beinhaltet ist nicht näher bekannt.[16] Der Verein präsentiert sich als unabhängige Bürgerinitiative, die sich für eine Erweiterung des Tagesbaus stark macht. Fünf von sieben Mitgliedern des Vorstandes weisen allerdings direkte Verbindungen zu LEAG / Vattenfall auf:

  • Marco Bayer - angestellt bei LEAG (früher: Vattenfall)
  • Frank Hürrich - früher angestellt bei Vattenfall, heute ABB Cottbus (arbeitet mit LEAG zusammen)
  • Bernd Pissulla - Betriebsrat Vattenfall (Stand: 2016), Mitglied der IG BCE Bezirksleitung Cottbus,
  • Lars Katzmarek - angestellt bei LEAG (früher: Vattenfall) [17]
  • Alexander Keil - angestellt bei LEAG [18]
  • Sieglinde Hinzer - angestellt bei envia Mitteldeutsche Energie AG (Mehrheitseigentümer ist die E.ON) und IGBCE Bezirksvorstand
  • Wolfgang Rupieper - seit 2015 Antikorruptionsbeauftragter der Stadt Cottbus und Richter im Ruhestand. [19]

Auf Anfrage von LobbyControl äußerte sich Vattenfall nicht dazu, wie viele Gelder in den Verein geflossen sind. Der Verein Pro Lausitzer Braunkohle betreibt eine eigene Geschäftsstelle im Cottbusser Haus der Wirschaft, aus der auch die Kampagne “Meine Stimme fürs Revier” organisiert wurde. Die Aktionen der Kampagne umfassten eine Plakataktion vor der Greenpeace-Zentrale in Hamburg und kostspielige Großkundgebungen im Vorfeld von politischen Sitzungen zum Thema Braunkohle. Auch die Veranstaltung eines "Zuckertütenfests" in einem Vergnügungspark in einem stillgelegten Tagebaugebiet wurde angeblich vom Verein selbst finanziert. Die finanziellen Ressourcen, die hinter solchen Kampagnen stecken, können die zahlreichen Bürgerinitiativen, die sich gegen den Braunkohletagebau aussprechen, bei Weitem nicht auftreiben.

Sponsoring

Vattenfall sponsorte das Bundespräsidialamt 2011 und 2012 mit insgesamt 95.000 Euro. 2011 mit 75.000 Euro ihr Sommerfest und 2012 die Ausrichtung eines Bürgerfestes mit 20.000 Euro. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erhielt zwischen 2013 und 2018 118.000 Euro.[20]

Laut einer Recherche von Abgeordnetenwatch aus 2017 betreibt Vattenfall Parteisponsoring, indem es auf Parteitagen Stände anmietet - seit 2016 nur noch auf kleineren Landesparteitagen. Davor findet man sie auch auf Listen von Sponsoren der Bundesparteitage (bspw. von CDU und SPD). Auf die Nachfrage, um welche Summen es sich handelt(e), verweist Vattenfall auf die Mietkonditionen und Verträge mit den jeweilgen Parteien und das bei diesen nachgefragt werden müsste. Vattenfall gehört zu den Unternehmen, die Spenden- und/oder Sponsoringmaßnahmen nicht freiwillig preisgeben.[21]

Vattenfall trat häufig als Sponsor von Sport- und Kulturveranstaltungen auf. Vor allem auch in der Lausitz, wo Vattenfall mehrere Dörfer wegbaggern ließ, versuchte das Unternehmen mit hohen Sponsoringsummen in Sport und Kultur seinen Ruf aufzubessern. Hier bestand ein besonders breites, von Vattenfall gesponsortes Angebot: Jugendförderung, die Unterstützung mehrerer Sportvereine, große Schulsportveranstaltungen, einen Architekturpreis etc.. Nach dem Verkauf der Lausitzer Braunkohlesparte an LEAG hörte dieses allerdings auf.

In Norddeutschland unterstütze das Unternehmen bis 2022 15 Jahre lang eines der in der Region größten Literaturfestivals mit 500.000 Euro pro Jahr. Bei den "Vattenfall Lesetage" war das Logo des Unternehmens überall gut sichtbar, zuletzt wurde Vattenfall aber scheinbar die Kritik am eigenen, umstrittenen Unternehmen zu groß und sie beendeten das langjährige Sponsoring. [22]

Mitgliedschaften

Die Liste der Mitgliedschaften von Vattenfall auf der eigenen Webseite[23] und auf der des deutschen Lobbyregisters[1] unterscheiden sich sehr.

Vattenfalls Webseite: Lobbyregister:
  • BDEW, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (in German)
  • BWO, Bundesverband der Windparktbetreiber Offshore
  • BVES, Bundesverband Energiespeicher
  • BNE, Bundesverband Neue Energiewirtschaft
  • AGFW, Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V.
  • BDI, Bundesverband der Deutschen Industrie
  • Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
  • Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore e.V.
  • Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V.
  • Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V.
  • Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V.
  • EFET Deutschland - Verband Deutscher Energiehändler e.V.
  • Bundesverband Windenergie e.V.
  • Wirtschaftsrat der CDU e.V.
  • Forum für Zukunftsenergien e.V.
  • VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.v.
  • Deutscher Wasserstoff und Brennstoffzellen Verband e.V
  • ITAD-Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V.
  • ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
  • VGB PowerTech e.V.
  • Verbund der deutschen Verbundwirtschaft e.V. (VdV)
  • VOICE Bundesverband der IT Anwender e.V.
  • BVMW Bundesverband mittelständischer Wirtschaft e.V.
  • Bundesverband Bioenergie e.V.
  • Fachverband Biogas e.V.
  • Kerntechnik Deutschland e.V. (KernD)
  • Bundesverband Geothermie e.V.

PR-Kampagne

Im Vorfeld einer wichtigen Abstimmung im Braunkohleausschuss des Landes Brandenburg am 28. April 2014 startete Vattenfall eine Anzeigenkampagne unter dem Motto "Was wichtig ist". Die verschiedenen Anzeigemotive, in denen Menschen aus der Lausitz für den Braunkohletagebau werben, erschienen erstmals im November 2013 in verschiedenen Lausitzer Zeitungen und auf ca. 160 Großaufstellern in der Region. Vattenfall versuchte mit dieser Kampagne, eine breite Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des Braunkohletagebaus zu überzeugen. Heute findet sich auf Vattenfalls Webseite ihr Plan für den Kohleausstieg und das übegeordnete Ziel, bis 2030 auf Kohle in ihrem Wärmeportfolie zu verzichten und bis 2040 klimaneutral zu sein.[24]

Fallbeispiele und Kritik

ISDS-Klagen gegen Deutschland

Vattenfall verklagte die Bundesrepublik Deutschland bereits zwei Mal vor internationalen Schiedsgerichten im Rahmen von ISDS-Verfahren. Das erste mal klagte Vattenfall im Jahr 2009 als der Hamburger Senat die Wassernutzungsregeln für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg veränderte. Vattenfall dürfe zum Schutz des Ökosystems nur eine bestimmte Menge an Elbwasser zum Kühlen verwenden, abhängig von Temperatur und Sauerstoffgehalt des Flusses. Auf Basis der Europäischen Energiecharte, einem Investitionsschutzabkommen mit ISDS-Klagemöglichkeit für Unternehmen, wurde vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington verhandelt. Zum ersten Mal in der Geschichte musste sich die Bundesregierung wegen „Investitionsbehinderungen“ vor einem Schiedsgericht verteidigen. Die Klage wurde mit einem Kompromiss beigelegt. Hamburg musste seine Umweltauflagen soweit zurückziehen und aufweichen, dass sie anschließend gegen die EU-Naturschutz-Richtlinie verstießen.

Die EU verklagte die Bundesrepublik Deutschland daraufhin vor dem EuGH, Hamburg habe mit der Zurücknahme der Wassernutzungsregeln für das Vattenfall-Kohlekraftwerk die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verletzt. Konkret soll die Wasserentnahme zur Kühlung des Kraftwerks schädlich für seltene Fische sein. Brisant ist, dass die EU-Kommission, die Deutschland verklagt, weil sie den Vergleich mit Vattenfall auf Basis des Investitionsschutzes für unvereinbar mit dem EU-Vertrag hält, sich gleichzeitig auch für die Aufnahme von Investitionsschutz in die geplanten Handelsverträge TTIP und CETA einsetzt.Es ist unklar, inwieweit die Kommission mit dem Fall weiter umgeht - eine Eskalation würde den Protest gegen die Aufnahme von ISDS-Verfahren in die geplanten Freihandelsabkommen forcieren.[25]

Das zweite Mal verklagte Vattenfall 2012 die Bundesrepublik Deutschland nachdem diese bekannt gab, aus der Energieproduktion von Atomkraftwerken aussteigen zu wollen. Vattenfall klagte wegen der Stillegung der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz. Bis März 2015 kostete das Verfahren die Bundesrepublik bereits 4,1 Millionen Euro.[26] 2021 einigten sich die beide Seiten außergerichtlich auf eine Zahlung von 1,425 Milliarden Euro. Das Schiedsgericht beendet deshalb das Schiedsverfahren im November 2021.[27] Die gezahlte Summe wird von einigen Seiten als "auffallend großzügig" und zu hoch beschrieben.[28]

Die Schiedsgerichtbarkeit steht stark in der Kritik.

Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes

Berlin privatisierte sein Stromnetz im Jahr 1997. Seitdem war Vattenfall der Betreiber. 2011 gründete sich der Berliner Energietisch nach dem Vorbild des Berliner Wassertisches mit dem Ziel, die Stromversorgung in Berlin nach demokratischen, ökologischen und sozialen Kriterien zu organisieren. Dem Versorger Vattenfall wurde vorgeworfen, zu sehr auf dem Abbau von Braunkohle zur Energiegewinnung zu verharren. Der Berliner Senat unterstütze den vorgeschlagenen hohen Verkaufspreis des Stromnetzes von bis zu drei Milliarden Euro - der Energietisch rechnete dagegen mit 400 Millionen Euro[29].

Nach einem erfolgreichen Volksbegehren wurde ein Volksentscheid über die Rekommunalisierung auf den 3. November 2013 gesetzt, obwohl eine Zusammenlegung des Volksentscheids mit der Bundestagswahl am 22. September 2013 möglich gewesen wäre. Der Energietisch als Initiator des Volksbegehrens äußerte die Vermutung, der Senat hoffe, dass der Volksentscheid auf diese Weise am Zustimmungsquorum scheitern werde. Genau dies trat auch ein - der Gesetzentwurf scheiterte in der Abstimmung und wurde deshalb nicht angenommen. Es stimmten zwar 83 Prozent der Abstimmungsteilnehmer:innen mit Ja, jedoch wurde das Quorum von 25 Prozent aller Stimmberechtigten mit 24,1 Prozent knapp verfehlt.[30] 2021 kaufte Berlin das Stromnetz dann doch für 2,14 Milliarden Euro[31], nachdem Vattenfall im Oktober 2020 überraschend Verkaufsabsichten bekannt gab.

Kurzdarstellung und Geschichte

In der Berliner Geschäftsstelle von Vattenfall arbeiteten 2011 allein 20 Mitarbeiter in der Lobbyabteilung des Konzerns. Chef der Berliner Lobbyabteilung ist nach wie vor Alexander Jung, der früher das Vorstandsbüro Deutschland leitete.[32]

Struktur, Geschäftsfelder und Finanzen

Die Vattenfall GmbH hat mehrere 100%-ige Tochtergesellschaften:[33]

  • Vattenfall Energy Solutions GmbH
  • Vattenfall Energy Trading GmbH
  • Vattenfall Europe Information Services GmbH
  • Vattenfall Europe New Energy GmbH
  • Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH
  • Vattenfall Europe Sales GmbH
  • Vattenfall Europe Windkraft GmbH
  • Vattenfall Heizkraftwerk Moorburg GmbH
  • Vattenfall Smarter Living GmbH
  • Vattenfall Solar GmbH
  • Vattenfall Wärme Berlin AG
  • Vattenfall Wasserkraft GmbH


2022 sind uns keine (ehemaligen) Politiker:innen im Aufsichtsrat bekannt.


Politiker im Aufsichtsrat der Vattenfall Europe Mining AG 2015
Ulrich Freese (Stellv. Vorsitzender) SPD
  • ab 2017 stellv. Vorsitzende des Aufsichtsrates der Lausitz Energie Bergbau AG
  • 2013-2017 Mitglied des Bundestages
  • bis 2017 Mitglied des Aufsichtsrats Vattenfall GmbH
  • 2003-2013 Stellv. Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
Ehemalige Politiker:innen im Aufsichtsrat 2015
Burkhard Dreher (neutr. MG) SPD 1994 - 1999 Wirtschaftsminister von Brandenburg
Rolf Linkohr SPD
Martina Gregor-Ness SPD 1994 - 2014 Mitglied des Landtages Brandenburg, Umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion
Reinhardt Schultz SPD bis 2009 Mitglied des Bundestages


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Vattenfall GmbH www.lobbyregister.bundestag.de, abgerufen am 31.08.2022.
  2. EU Transperency register ec.europe.eu, abgerufen am 05.09.2022.
  3. Käufliche Forschung ist schlecht fürs Klima! lobbycontrol.de, abgerufen am 05.09.2022.
  4. Lobbyreport 2021 lobbycontrol.de, abgerufen am 31.08.2022.
  5. Weitere Kritik am Wirtschaftsrat der CDU lobbycontrol.de, abgerufen am 31.08.2022.
  6. Wie Philipp Amthor zum Türöffner für Augustus Intelligence wurde abgeordnetenwatch.de, vom 06.05.2021, abgerufen am 05.09.2022.
  7. Biografie Ulrich Freese bundestag.de, abgerufen am 29.08.2022
  8. Im War Room der Demokratie Spiegel Online vom 02.12.2013, abgerufen am 29.08.2022
  9. Wie die Braunkohle-Lobby der SPD am Koalitionsvertrag mitschrieb welt.de vom 12.12.2013, abgerufen am 31.08.2022
  10. LEAG Mitarbeiter, leag.de, abgerufen am 29.08.2022.
  11. Auffällige Spenden im Bundestagswahlkampf des Vattenfall-Aufsichtsrats Ulrich Freese, Spiegel online vom 22.06.2014, abgerufen am 29.08.2022
  12. Wesentliche Ergebnisse der internen Untersuchung abgeordnetenwatch.de, abgerufen am 05.09.2022.
  13. [http://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Prognos_Braunkohle_2005.pdf Bericht: Energie- und regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland], S. 1., Prognos AG 2005, abgerufen am 25.08.2015
  14. Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland, S. 27., Prognos AG 2011, abgerufen am 25.08.2015
  15. DER SPIEGEL 44/2013, abgerufen am 14.05.2014.
  16. Pro-Lausitz Partner pro-lausitz.de, abgerufen am 31.08.2022
  17. Lars Katzmarek linkedin.com, abgerufen am 31.08.2022.
  18. LEAG-Azubis wollen gute Job-Perspektiven in der Heimat leag.de, abgerufen am 31.08.2022.
  19. Wolfgang Rupieper Akademie für Rechtskultur & Rechtspädagogik, abgerufen am 31.08.2022.
  20. Publikationen Sponsoringleistungen www.bmi.bund.de, abgerufen am 31.08.2022.
  21. Parteispenden aus der Wirtschaft abgeordnetenwatch.de ,abgerufen am 31.08.2022.
  22. Wenn Spenden für die Kultur toxisch werden NDR Kultur, abgerufen am 31.08.2022.
  23. Industry associations group.vattenfall.com, abgerufen am 31.08.2022.
  24. Vattenfall Ausstieg Kohleenergie, group.vattenfall.com, abgerufen am 29.08.2022.
  25. Eine Tragödie in fünf Akten die taz vom 27.02.2015, abgerufen am 31.08.2022
  26. Vattenfall-Klage kostet Deutschland schon jetzt Millionen Handelsblatt vom 12.03.2015, abgerufen am 31.08.2022
  27. Case Details icsid.worldbank.org, abgerufen am 31.08.2022.
  28. Atomkonzerne erhalten üppiges Schmerzensgeld aus DER SPIEGEL 27/2021 , abgerufen am 31.08.2022.
  29. Vattenfall verkauft sich zu teuer die taz vom 06.03.2012, abgerufen am 29.08.2022
  30. Energieversorgung: Berliner Strom-Volksentscheid gescheitert Spiegel Online vom 03.11.2013, abgerufen am 24.08.2022
  31. Stromnetz Berlin ist wieder im Eigentum des Landes Berlin, berlin.de, abgerufen am 29.08.2022
  32. Wer lenkt die Lobbyisten? PR-Magazin 07/2011, abgerufen am 24.08.2015
  33. Informationen zu Vattenfalls Beteiligungsgesellschaften group.vattenfall.com, abgerufen am 31.08.2022.
  34. 34,0 34,1 Lebenslauf Dr. Rolf Linkohr Private Webseite, abgerufen am 23.04.2014

Anhänge

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