Zukunft Gas

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Zukunft Gas GmbH
Rechtsform GmbH
Tätigkeitsbereich Lobbyverband der deutschen Gas-Wirtschaft
Gründungsdatum 20.06.2013
Hauptsitz Neustädtische Kirchstraße 8, Berlin
Lobbybüro Berlin
Lobbybüro EU Brüssel
Webadresse gas.info

Zukunft Gas vereint als Lobbyverband über 130 Unternehmen aus der (Erd-)Gas-Wirtschaft. Als Initiative von Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft ist das Hauptanliegen, Erdgas als klimafreundlichsten der fossilen Brennstoffe und daher als notwendige „Brückentechnologie“ in der Energiewende zu inszenieren, um das Geschäft mit dem Gas noch so lange wie möglich am Leben zu halten. Anfang 2021 benannte sich der Verband von Zukunft Erdgas in Zukunft Gas um.

Lobbystrategien und Einfluss

Im Handelsregistereintrag von Zukunft Gas heißt es, gemeinsames Anliegen sei die "gemeinsame Förderung der Erzeugung und der Verbreitung" von Erdgas, wozu insbesondere "Marketing, Sponsoring, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und politische Kommunikation sowie die Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten" zählten.[1] Strategie des Verbandes ist es, das Image von (Erd-)Gas als grün und nachhaltig zu prägen und so im Sinne seiner Mitglieder Einfluss auf die Ausrichtung der Energiewende zu nehmen. Thematisch reicht die Lobbyarbeit von der Energieversorgung über Transportinfrastrukturen zur Unterstützung von Wasserstoff als Energieträger. Aus Sicht von Zukunft Gas soll zur Gewinnung von Wasserstoff noch möglichst lange auf fossiles Gas zurückgegriffen werden.[2] Gas und Gasinfrastrukturen sollen entsprechend erhalten und ausgebaut werden.[3] Zukunft Gas versucht konkret auf Gesetzgebungsvorhaben einzuwirken, wie im Februar 2021 durch einen eigenen Entwurf zum nationalen Brennstoffemissionshandel, der sich gegen strengere Emissionsregeln positioniert.[4] Auf EU-Ebene ist Zukunft Gas Teil der Natural & bio Gas Vehicle Association (NGVA Europe), einem von vielen internationalen Netzwerken, die die Interessen der Gasindustrie in Brüssel vertreten.

Wasserstoff

Die Gaslobby will über das Thema "erneuerbare Gase" noch möglichst lange im Geschäft bleiben. Dabei geht es zum einen darum, die Gasinfrastruktur zu erweitern und die Kosten auf die Verbraucher:innen abzuwälzen. Zum anderen soll Wasserstoff noch möglichst lange auf Basis von Erdgas erzeugt und dann mit Hilfe von Carbon Capture and Storage (CCS) "dekarbonisiert" werden. Für die Gasindustrie könnte Wasserstoff auf diese Weise noch lange einen großen Absatzmarkt bedeuten. Denn der aus erneuerbaren Energien hergestellte, so genannte "grüne Wasserstoff" wird noch lange sehr teuer bleiben und zudem ist seine Herstellung sehr energieaufwendig.[5]

Zukunft Gas formuliert auf der Homepage das Ziel, als deutscher Gasmarkt zum "europäischen Wasserstoff-Drehkreuz" zu werden.[6] Im Juni 2020 forderte Zukunft Gas, damals noch als Zukunft Erdgas, als Teil einer Koalition von Unternehmen und Verbänden, in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Wasserstoffstrategie, die "alle Arten von Wasserstoff" miteinbeziehen sollte, also auch den aus Erdgas gewonnenen.[7] Im Dezember 2020 erreichte ein dringender Brief der deutschen Gas- und Heizungsindustrie Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) über die Rolle von "Wasserstoff im Wärmemarkt": Mitiniitiert von Zukunft Gas und unterzeichnet von Vorstand und Geschäftsführer Timm Kehler.[8]


Gas als Brückentechnologie

Altmaier sagte 2019 zum Abschluss des Dialogprozesses "Gas 2030" in Berlin: "„Der Dialogprozess ‚Gas 2030‘ hat gezeigt, dass Erdgas noch für viele Jahre ein wichtiger Bestandteil unseres Energieversorgungssystems bleiben wird." Zentral standen im Dialogprozess die "industriellen Potenziale" für die Wirtschaft.[9] Auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wurde der Dialogprozess 2018 angestoßen. An dem unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Prozess waren in erster Linie "Expertinnen und Experten aus mehr als einhundert Unternehmen und Branchenverbänden" und Ministerialbürokratie beteiligt[10] Vertreter:innen des Bundesumweltministeriums waren nicht eingeladen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte den einseitigen Beratungsprozess.ref>[20] Nina Katzemich: Wie die Gasindustrie sich als Energie der Zukunft inszeniert, LobbyControl vom 21.12.2020, abgerufen am 10.05.2021</ref>

Kooperationen

Zukunft Gas ist selbst Mitglied der Kampagne "Deutschland macht's effizient." des Bundeswirtschaftsministeriums. Langjährige Verbindungen zur Deutschen Energie-Agentur (dena) und dem Verkehrsministerium werden in der sogenannten Initiative Erdgasmobilität und der LNG-Taskforce deutlich, die 2016 von Zukunft Gas mitgegründet wurde und sich seitdem für die Nutzung von Flüssigerdgas LNG (Liquefied Natural Gas) und zur Steigerung des Anteils von Erdgas am Kraftstoffmix einsetzt.[11]

Gemeinsam mit der Wochenzeitung "Die Zeit" veranstaltet Zukunft Erdgas bzw. Zukunft Gas jahrelang eine Konferenz zu "Energie und Klimaschutz", auf der zuletzt 2018 neben Politiker:innen wie Thomas Bareiß, der bis 2018 als Beauftragter für Energiepolitik der CDU/CSU-Fraktion auch ehrenamtliches Mitglied im Beirat von Zukunft Erdgas war, auch Industrievertreter:innen zusammenkamen.[12]

Fallbeispiele und Kritik

Zukunft Gas arbeitet über den Zugang zu Entscheidungsträger:innen, Studien, Kooperationen und Partnerschaften, über eigene Informationsportale, Veranstaltungen, Konferenzen, Presse- und Kampagnen vorallem in Deutschland, ist aber auch international vernetzt.

Kampagnen

Mit dem CO2-Tag wird vom Verband jährlich der Tag ausgerufen, an dem Deutschland das ihm laut Zukunft Erdgas zustehende CO2-Budget vollständig erschöpft hat. Das Bundesumweltministerium kritisierte die Berechnungsmethode des Verbands als „wackelig“.[13] Während das Ziel der Kampagne ist, CO2-Emissionen zu problematisieren, wird der Ausstoß von Methan, einem anderen klimaschädlichen Treibhausgas, nicht thematisiert. Methan wird unteranderem durch die Verbrennung von Erdgas freigesetzt, das fast komplet aus Methan besteht.[14]

Die sogenannten Raustauschwochen sollen Immobilienbranche und Hausbesitzer:innen dazu animieren, Gasheizungen einzubauen. Zukunft Gas berät dabei u.a. Partnerunternehmen aus der Heizgeräteindustrie zu staatlichen Förderungen.[15]

Der Verband Zukunft Gas verfügt über ein jährliches Budget in Höhe von etwa 10 Mio. Neben der Finanzierung politischer Kampagnenarbeit dient es insbesondere auch für Verbraucher:innen-Kampagnen.

Wissenschaftliche Studien

Um die Akzeptanz für fossile Energieträger in Politik und Gesellschaft möglichst lange aufrechtzuerhalten, gibt der Verband wissenschaftliche Studien in Auftrag, welche die Interessen des Verbandes bestärken sollen. So wirbt die Studie "Klimaneutral wohnen" für das Heizen mit Wasserstoff.

Weiterhin ist auch eine Studie der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH umstritten. Diese sollte den CO2-Fußabdruck von Erdgas für den Zeitraum von 2015 bis 2018 berechnen und wurde von Zukunft Erdgas in Auftrag gebracht. Anders als die Studienergebnisse der EU-Kommission aus dem Jahr 2015, wurden hierbei deutlich niedrigere Werte errechnet.[16]


Geschichte

Der Verband wurde 2013 unter dem Namen "Zukunft Erdgas" gegründet. Er ging aus dem Zusammenschluss der ERDGAS Produkt- und Systemkampagne und der Initiative ERDGAS pro Umwelt (IEU) hervor.[17] Zum Januar 2021 benannte sich der Verband einstimmig in Zukunft Gas um, um vom Image des fossilen Energieträgers Gas weg zu kommen. Mit der Umbenennung bekam der Verband außerdem 4 neue Mitglieder, unter anderem Shell Deutschland.[18]


Organisationsstruktur, Personal und Verbindungen

Vorstandsvorsitzender

  • Timm Kehler

Seit der Gründung 2013 ist Timm Kehler Vorstand und Geschäftsführer. Er ist seit 2020 zudem Präsident der NGVA, der Europäischen Lobbyvertretung der Erdgasindustrie, wo er sich nach eigener Aussage besonders im Hinblick auf die "Überprüfungen der europaweiten CO2-Flottenreglierung" der Europäischen Union einsetzt.[19] Kehler war zuvor lange als Manager der BMW Group und der erdgas mobil GmbH tätig. Er ist außerdem Geschäftsführer von ConCap[20], einer Vermögensverwaltungsgesellschaft.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind hier abrufbar. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Friedbert Pflüger. Mit Friedbert Pflüger hat Zukunft Gas einen Gaslobbyisten an die Spitze des Aufsichtsrates gesetzt, welcher für die Gasindustrie tätig ist und unter anderem auch Beratungstätigkeiten für die Nord Stream 2 AG innehält.

Im 13-köpfigen Aufsichtsrat sitzt nur eine Frau.

Der Beirat von Zukunft Gas ist hier einsehbar. Er besteht aus Vertreter:innen von Verbänden, Instituten, der Industrie, Presse und der Politik.

Beiratsmitglieder u.a.

  • Karsten Möring, Union, Bundestagsabgeordneter, in der 18. Legislaturperiode im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, im Ausschuss für Bau, Wohnen Stadtentwicklung und Kommunen sowie im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, wo er u.a. konkret zu "Gas- und Ölförderung und Geothermie, insbesondere mit Fracking" arbeitet[21]
  • Timon Gremmels, SPD, Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit[22]
  • Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena)
  • Kai Warnecke, Vorsitzender des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs-, und Grundstückseigentümer
  • Friedbert Pflüger, Gaslobbyist (u.a. Nord Stream II)


Mitglieder im Verband (u.a.):

  • BEDW, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, einer der wichtigsten Verbände der Gaswirtschaft in Deutschland
  • Deutsche Shell Holding GmbH
  • Gazprom NGV Europe GmbH
  • Wintershall Dea GmbH
  • zahlreiche regionale Gasversorgungsunternehmen

Alle Mitglieder vom Verband Zukunft Gas finden sich hier.


Weiterführende Informationen

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Einzelnachweise

  1. [1] Handelsregisterauszug Zukunft Gas, abgerufen am 04.05.21
  2. [2] Achim Pollmeier, Lutz Polanz: Grüner Wasserstoff: Schmutziges Gas in neuen Schläuchen? Monitor vom 29.04.2021, abgerufen am 22.05.2021
  3. https://www.gas.info/energietraeger-wasserstoff
  4. [3] BMU: Stellungnahme Zukunft Gas vom 25.02.2021, abgerufen am 08.06.2021
  5. [4] Jürgen Flauger: Stromkonzerne wittern das große Geschäft mit Wasserstoff, Handelsblatt vom 05.07.2020, abgerufen am 22.05.2021
  6. https://www.gas.info/energietraeger-wasserstoff
  7. [5] Brief an Kommissionspräsidentin Von der Leyen vom 24.06.2021, abgerufen am 22.05.2021
  8. [6] Verbändebrief an Bundestminister Altmaier vom 17.12.2020, abgerufen am 22.05.2021
  9. [7] BMWi: Altmaier: „Deutschland soll bei Wasserstofftechnologien Nummer 1 in der Welt werden“ vom 09.10.2019, abgerufen am 10.05.2021
  10. [8] BMWi: Dialogprozess Gas 2030– Erste Bilanz vom Oktober 2019, abgerufen am 07.05.2021
  11. [9] dena , abgerufen am 12.05.2021
  12. [10] Zeit Konferenz: Energie und Klimaschutz vom 21.10.2019, abgerufen am 08.06.2021
  13. [11] SZde: Deutschlands CO2-Budget für 2018 bereits aufgebraucht, dpa, abgerufen am 22.05.2021
  14. [12] DW: Methan: der böse Zwillingsbruder von CO2 vom 04.09.2018, abgerufen am 22.05.2021
  15. [13] Homepage Zukunft Gas: Raustauschwochen
  16. [14] DBI: Carbon Footprint Natural Gas - Abschlussbericht, abgerufen am 21.07.2021
  17. 2021 Businessportal Norwegen: Brancheninitiative Zukunft ERDGAS feiert fünfjähriges Bestehen, 17.07.2018, abgerufen am 23.05.2021
  18. [15] energate.messenger: Aus Zukunft Erdgas wird Zukunft Gas vom 26.11.2020, abgerufen am 22.05.2021
  19. [16] NVGA Board, abgerufen am 22.05.2021
  20. [17] ConCap Homepage, abgerufen am 08.06.2021
  21. [18] Karsten Moering Homepage, abgerufen am 12.05.2021
  22. [19] Bundestag: Abgeordnete, abgerufen am 21.05.2021

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