Verbändeliste: Unterschied zwischen den Versionen

(Hausausweise-Abschnitt neu)
(Bewertung Hausausweise)

Seit 1972 führt der Deutsche Bundestag eine öffentliche Liste, in die sich Verbände - die klassischen Akteure der Interessenvertretung - eintragen können. Name, Kontaktdaten, Vorstand und Geschäftsführung, Interessenbereich und der Anzahl der Mitglieder werden in der Liste angegeben.

Derzeit sind 2110 Verbände registriert (Stand: April 2011), jedoch ist die Eintragung selbst für Verbände freiwillig und damit nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, Voraussetzung für die Teilnahme an einer Anhörung im Bundestag oder für Hausausweise zum Bundestag. Die Verbändeliste ist kein Lobbyregister.

Kritik Verbändeliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politiker wie Manfred Behrens (CDU/CSU) verweisen in der Diskussion um ein verpflichtendes Lobbyregister in Deutschland gerne auf die Verbändeliste: „Diese öffentliche Liste ist 800 Seiten stark. Wo fehlt es da an Transparenz? Sie können Anschriften in Erfahrung bringen. Sie bekommen Namen von Geschäftsführern geliefert. Sie erhalten sogar Telefonnummern und E-Mail-Adressen.“[1]

Die Verbändeliste erfasst allerdings weder die Lobbybüros der Unternehmen noch Lobby- und PR-Agenturen oder Anwaltskanzleien, die Lobbyarbeit im Auftrag wechselnder Kunden betreiben. Gerade bei diesen wäre es wichtig zu wissen, für wen sie eigentlich arbeiten. Auch Denkfabriken wie die marktliberale Stiftung Marktwirtschaft – deren Finanzierung ebenfalls intransparent ist, sind nicht Teil der Verbändeliste.

Außerdem enthält die Verbändeliste keinerlei Angaben über Budgets oder Geldquellen und die Namen der tätigen Lobbyisten. Diese Angaben wären zentral, um wirklich erkennen zu können, wer hinter einzelnen Verbänden oder von Lobbyagenturen geführten Kampagnen steckt.[2]

Eintragung bringt keine Vorteile[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anders als regelmäßig behauptet, bringt die Eintragung in die Verbändeliste keinen Vorteil. Zwar steht in der Geschäftsordnung des Bundestages, dass nur Vertreter registrierter Verbände als Experten in den Bundestag geladen werden dürfen,[3] diese Regelung wurde jedoch, durch eine Auslegungsentscheidung des Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, vom 18. Oktober 1979[4] außer Kraft gesetzt.

Hausausweise für den Bundestag auch ohne Verbändeliste möglich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Registrierte Verbände können bis zu fünf Hausausweise für den Bundestag beantragen, die ihnen einen freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Bundestages ermöglichen. Unregistrierte Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können diese Hausausweise allerdings ebenfalls bekommen, indem sie sich direkt an eine der Fraktionen im Bundestag wenden – ohne Registrierung oder sonstige Transparenzpflichten. Eine Unterschrift durch den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion reicht aus.

Von den in der Verbändeliste aufgeführten Organisationen verfügten 575 über einen Hausausweise für den Bundestag (Stand 31.12.2014). Den Sonderweg über den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion nutzen hingegen deutlich mehr Organisation, um Zutritt zum Bundestag zu erhalte. Im Verlaufe des Jahr 2013 wurde laut Bundestagsverwaltung 960 Ausweise ausgegeben und für das Jahr 2014 werde die entsprechend Anzahl noch ermittelt. Die Anzahl fällt aber vermutlich ähnlich hoch aus und dürfte bei „circa 1000 Hausausweisen liegen“, so die Antwort auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung.[5] Die Zahlen belegen anschaulich die Defizite der Verbändeliste: fast zwei Drittel der Hausausweise für Lobbyisten werden demnach gar nicht von der Verbändeliste abgedeckt. Insgesamt verfügen nach Auskunft der Bundesverwaltung 2334 Personen über einen Hausausweise der Kategorie „Grün“. Diese Ausweise sind vor allem für Interessenvertreter vorgesehen, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parteien und der parteinahen Stiftungen.

Weiterführende Informationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus[Quelltext bearbeiten]

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Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zitat aus der Bundestagsdebatte vom 7. April 2011, Originalquelle und weitere Details siehe Schwache Lobbyregister Debatte im Bundestag, Lobbycontrol-Blog vom 18. Mai 2011, abgerufen am 6. Juni 2011
  2. Licht in den Lobby-Dschungel Interview mit Ulrich Müller von LobbyControl im Oktober 2008, abgerufen am 6. Juni 2011
  3. Anlage 2 der Geschäftsordnung des deutschen Bundestages bundestag.de, abgerufen am 08.07.11
  4. Antwort des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf eine Anfrage von LobbyControl vom 12. Mai 2011
  5. So schützt der Bundestag Lobbyisten, Süddeutsche Zeitung Online vom 24.1.2015, abgerufen am 3.2.2015
Seit 1972 führt der [[Deutsche Bundestag]] eine [http://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/sachgeb/lobbyliste/lobbylisteaktuell.pdf öffentliche Liste], in die sich Verbände - die klassischen Akteure der Interessenvertretung -
        
        eintragen können. Name, Kontaktdaten, Vorstand und Geschäftsführung, Interessenbereich und
        
        der Anzahl der Mitglieder werden in der Liste angegeben.
        

        Derzeit sind 2110 Verbände registriert (Stand: April 2011), jedoch ist die Eintragung selbst für
        
        Verbände freiwillig und damit nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, Voraussetzung für die
        
        Teilnahme an einer Anhörung im Bundestag oder für Hausausweise zum Bundestag. Die Verbändeliste ist kein [[Lobbyregister]].
        

        == Kritik Verbändeliste ==
        

        Politiker wie [[Manfred Behrens]] (CDU/CSU) verweisen in der Diskussion um ein verpflichtendes
        
        Lobbyregister in Deutschland gerne auf die Verbändeliste: ''„Diese öffentliche Liste ist 800 Seiten
        
        stark. Wo fehlt es da an Transparenz? Sie können Anschriften in Erfahrung bringen. Sie bekommen
        
        Namen von Geschäftsführern geliefert. Sie erhalten sogar Telefonnummern und
        
        E-Mail-Adressen.“''<ref>Zitat aus der Bundestagsdebatte vom 7. April 2011, Originalquelle und
        
        weitere Details siehe [http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2011/05/schwache-lobbyregisterdebatte-im-bundestag/ Schwache Lobbyregister Debatte im Bundestag], Lobbycontrol-Blog vom 18. Mai 2011, abgerufen am 6. Juni 2011</ref>
        

        Die Verbändeliste erfasst allerdings weder die Lobbybüros der Unternehmen noch Lobby- und
        
        PR-Agenturen oder Anwaltskanzleien, die Lobbyarbeit im Auftrag wechselnder Kunden betreiben. Gerade
        
        bei diesen wäre es wichtig zu wissen, für wen sie eigentlich arbeiten. Auch Denkfabriken wie die
        
        marktliberale [[Stiftung Marktwirtschaft]] – deren Finanzierung ebenfalls intransparent ist, sind
        
        nicht Teil der Verbändeliste.
        

        Außerdem enthält die Verbändeliste keinerlei Angaben über Budgets oder Geldquellen und die Namen
        
        der tätigen Lobbyisten. Diese Angaben wären zentral, um wirklich erkennen zu können, wer hinter
        
        einzelnen Verbänden oder von Lobbyagenturen geführten Kampagnen
        
        steckt.<ref>[http://www.linksnet.de/de/artikel/23782 Licht in den Lobby-Dschungel] Interview mit
        
        Ulrich Müller von LobbyControl im Oktober 2008, abgerufen am 6. Juni 2011</ref>
        

        ===Eintragung bringt keine Vorteile===
        
        Anders als regelmäßig behauptet, bringt die Eintragung in die Verbändeliste keinen Vorteil. Zwar steht in der Geschäftsordnung des Bundestages, dass nur Vertreter registrierter Verbände als Experten in den Bundestag geladen werden dürfen,<ref>[http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/go_btg/anlage2.html Anlage 2 der Geschäftsordnung des deutschen Bundestages] bundestag.de, abgerufen am 08.07.11</ref>
        
        diese Regelung wurde jedoch, durch eine Auslegungsentscheidung des Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, vom 18. Oktober 1979<ref>Antwort des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf eine Anfrage von LobbyControl vom 12. Mai 2011</ref> außer Kraft gesetzt.
        

        ===Hausausweise für den Bundestag auch ohne Verbändeliste möglich===
        

        Registrierte Verbände können bis zu fünf Hausausweise für den Bundestag beantragen, die ihnen einen freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Bundestages ermöglichen. Unregistrierte Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können diese Hausausweise allerdings ebenfalls bekommen, indem sie sich direkt an eine der Fraktionen im Bundestag wenden – ohne Registrierung oder sonstige Transparenzpflichten. Eine Unterschrift durch den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion reicht aus. 
        

        Von den in der Verbändeliste aufgeführten Organisationen verfügten 575 über einen Hausausweise für den Bundestag (Stand 31.12.2014). Den Sonderweg über den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion nutzen hingegen deutlich mehr Organisation, um Zutritt zum Bundestag zu erhalte. Im Verlaufe des Jahr 2013 wurde laut Bundestagsverwaltung 960 Ausweise ausgegeben und für das Jahr 2014 werde die entsprechend Anzahl noch ermittelt. Die Anzahl fällt aber vermutlich ähnlich hoch aus und dürfte bei „circa 1000 Hausausweisen liegen“, so die Antwort auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung.<ref> [http://www.sueddeutsche.de/politik/versteckte-einflussnahme-so-schuetzt-der-bundestag-lobbyisten-1.2318713 So schützt der Bundestag Lobbyisten], Süddeutsche Zeitung Online vom 24.1.2015, abgerufen am 3.2.2015</ref> Die Zahlen belegen anschaulich die Defizite der Verbändeliste: fast zwei Drittel der Hausausweise für Lobbyisten werden demnach gar nicht von der Verbändeliste abgedeckt. 
            
            Insgesamt verfügen nach Auskunft der Bundesverwaltung 2334 Personen über einen Hausausweise der Kategorie „Grün“. Diese Ausweise sind vor allem für Interessenvertreter vorgesehen, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parteien und der parteinahen Stiftungen.  
        

        == Weiterführende Informationen ==
        

        * [http://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/sachgeb/lobbyliste/index.html Öffentliche Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter]
        

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        == Einzelnachweise ==
        <references />
        

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Registrierte Verbände können bis zu fünf Hausausweise für den Bundestag beantragen, die ihnen einen freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Bundestages ermöglichen. Unregistrierte Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können diese Hausausweise allerdings ebenfalls bekommen, indem sie sich direkt an eine der Fraktionen im Bundestag wenden – ohne Registrierung oder sonstige Transparenzpflichten. Eine Unterschrift durch den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion reicht aus.  
 
Registrierte Verbände können bis zu fünf Hausausweise für den Bundestag beantragen, die ihnen einen freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Bundestages ermöglichen. Unregistrierte Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können diese Hausausweise allerdings ebenfalls bekommen, indem sie sich direkt an eine der Fraktionen im Bundestag wenden – ohne Registrierung oder sonstige Transparenzpflichten. Eine Unterschrift durch den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion reicht aus.  
   
Von den in der Verbändeliste aufgeführten Organisationen verfügten 575 über einen Hausausweise für den Bundestag (Stand 31.12.2014). Den Sonderweg über den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion nutzen hingegen deutlich mehr Organisation, um Zutritt zum Bundestag zu erhalte. Im Verlaufe des Jahr 2013 wurde laut Bundestagsverwaltung 960 Ausweise ausgegeben und für das Jahr 2014 werde die entsprechend Anzahl noch ermittelt. Die Anzahl fällt aber vermutlich ähnlich hoch aus und dürfte bei „circa 1000 Hausausweisen liegen“, so die Antwort auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung.<ref> [http://www.sueddeutsche.de/politik/versteckte-einflussnahme-so-schuetzt-der-bundestag-lobbyisten-1.2318713 So schützt der Bundestag Lobbyisten], Süddeutsche Zeitung Online vom 24.1.2015, abgerufen am 3.2.2015</ref>  
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Von den in der Verbändeliste aufgeführten Organisationen verfügten 575 über einen Hausausweise für den Bundestag (Stand 31.12.2014). Den Sonderweg über den parlamentarischen Geschäftsführer einer Fraktion nutzen hingegen deutlich mehr Organisation, um Zutritt zum Bundestag zu erhalte. Im Verlaufe des Jahr 2013 wurde laut Bundestagsverwaltung 960 Ausweise ausgegeben und für das Jahr 2014 werde die entsprechend Anzahl noch ermittelt. Die Anzahl fällt aber vermutlich ähnlich hoch aus und dürfte bei „circa 1000 Hausausweisen liegen“, so die Antwort auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung.<ref> [http://www.sueddeutsche.de/politik/versteckte-einflussnahme-so-schuetzt-der-bundestag-lobbyisten-1.2318713 So schützt der Bundestag Lobbyisten], Süddeutsche Zeitung Online vom 24.1.2015, abgerufen am 3.2.2015</ref> Die Zahlen belegen anschaulich die Defizite der Verbändeliste: fast zwei Drittel der Hausausweise für Lobbyisten werden demnach gar nicht von der Verbändeliste abgedeckt.
 
Insgesamt verfügen nach Auskunft der Bundesverwaltung 2334 Personen über einen Hausausweise der Kategorie „Grün“. Diese Ausweise sind vor allem für Interessenvertreter vorgesehen, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parteien und der parteinahen Stiftungen.   
 
Insgesamt verfügen nach Auskunft der Bundesverwaltung 2334 Personen über einen Hausausweise der Kategorie „Grün“. Diese Ausweise sind vor allem für Interessenvertreter vorgesehen, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parteien und der parteinahen Stiftungen.   
   

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