Nebeneinkünfte von Abgeordneten

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Bundestagsabgeordnete können unbegrenzt Nebentätigkeiten aufnehmen und Nebeneinkünfte erzielen. Das wirft immer wieder die Frage nach möglichen Interessenkonflikten und der Unabhängigkeit der Abgeordneten auf.

Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung vom Juli 2021 hat etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten in der aktuellen Legislaturperiode Nebeneinkünfte von insgesamt geschätzt etwa 53 Millionen Euro erzielt.[1] Danach gehen 62 Prozent der FDP-Abgeordneten einer Nebentätigkeit nach, bei der Union sind es 43 Prozent, es folgen AfD (32 Prozent), Linke (26 Prozent), SPD (22 Prozent) und die Grünen (21 Prozent).

Siehe auch: Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten in Deutschland

Die Problematik von Nebeneinkünften

Artikel 38 des Grundgesetzes legt fest, dass die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes“, „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ und „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind. Dies ist nicht so aufzufassen, dass Bundestagsabgeordnete einem objektiv bestimmbaren Gemeinwohl ihre eigene Meinung unterzuordnen hätten. Im Gegenteil sollen in der Anschauung des Grundgesetzes Entscheidungen im Sinne eines umfassenden Gemeinwohls gerade dadurch zustande kommen, dass im Bundestag verschiedene Meinungen und Interessen repräsentiert und in Einklang gebracht werden müssen.

Abgeordnete müssen also nicht neutral sein, und ein Eintreten für bestimmte Einzelinteressen ist durchaus legitim. Finanzielle Abhängigkeiten können allerdings das unabhängige Mandat und seine freie Ausübung gefährden. Wie die Richtergruppe Broß in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2007 betont, zielt das Nicht-Gebundensein an Aufträge und Weisungen auch auf die Unabhängigkeit von Interessengruppen, die mit finanziellen oder anderen Anreizen Sonderinteressen durchzusetzen versuchen. Nur unabhängig von solchen (zahlenden) Interessengruppen können Abgeordnete „Vertreter des ganzen Volkes“ sein. Auch eine Berufstätigkeit bietet „vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung“ aus.[2]

Was daher sinnvolle Transparenzregeln schaffen können, ist berufliche und sonstige Verpflichtungen von Abgeordneten neben dem Mandat sowie Einkünfte, die daraus erzielt werden, sichtbar zu werden. Wählerinnen und Wähler sollen sich ein Urteil über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten bilden können.

Siehe zu den geltenden Regeln: [[Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten in Deutschland

Interessenkonflikte

Problematisch an den [[[Entwurf:Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten in Deutschland]]geltenden Regeln] zur Schaffung von Transparenz in Deutschland ist unter anderem, dass im Abgeordnetengesetz in seiner aktuellen Fassung keine Definition davon gegeben ist, was ein Interessenkonflikt nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist, wann ein solcher vorliegt und wie er zu lösen sei. Gemäß § 49 AbgG müssen Abgeordnete in parlamentarischen Ausschüssen einen Interessenkonflikt anzeigen, wenn sie sich zu Themen äußern, mit denen sie sich auch entgeltlich befassen. Interessenkonflikte müssen von Berichterstatter:innen vor einer Wortmeldung zum Thema konkret (und nicht nur generell) offengelegt werden und werden im Ausschussbericht veröffentlicht. Hierbei obliegt die Einordnung einer persönlichen und sachlichen Verstrickung als Interessenskonflikt laut Gesetz aber mangels Definition der Parlamentarier:in selbst.

Befangenheitsregelung

Jenseits der reinen Benennung von Interessenkonflikten ist die Entwicklung einer Befangenheitsregel durch den Bundestag erforderlich. Nach dieser sollten sich Abgeordnete mit gravierenden Interessenkonflikten aus bestimmten Prozessen heraushalten müssen, sofern der Konflikt nicht anderweitig gelöst werden kann.

Dabei kann es nicht die Lösung sein, Abgeordnete pauschal von Beratungen oder Abstimmungen auszuschließen, allein weil sie etwa durch ihren Beruf von einem Gesetz oder einer Entscheidung selbst indirekt betroffen sind. Aber für herausragende Positionen, etwa für Berichterstatter:innen, sollte es strengere Regeln geben: So sollte es beispielsweise nicht möglich sein, Berichterstatter:in in einem Vergabeverfahren zu sein, wenn die Betroffene zugleich mit einem der beteiligten Unternehmen direkt verbunden ist und Nebeneinkünfte von dort bezieht.[3]

Ein Fall von Befangenheit wird in der deutschen Zivilprozessordnung in § 42 Abs. 2 ZPO dann angenommen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Eine solche klare Definition muss auch in das Abgeordnetengesetz integriert werden.

Möglichkeiten der Regelung und Lösung von Interessenskonflikten - und internationale Vorbilder

  • Gremienentscheidung von Fall zu Fall
Denkbar ist, dass etwa in Ausschusssitzungen die Teilnehmer:innen nach der Anzeige eines klar definierten Interessenskonflikts (dessen Nichtanzeige bei Bekanntwerden auch Sanktionen nach sich ziehen muss) im Gremium darüber befinden, ob ein Fall der Befangenheit vorliegt, der dann eine gesetzlich definierte Konsequenz nach sich zieht.
  • Österreich
In Österreich kann der aus dem Parlament heraus gewählte Unvereinbarkeitsausschuss über die Zulässigkeit der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit entscheiden.
  • Großbritannien
  • es herrschen weitreichende Offenlegungspflichten bezüglich allem, was einen Interessenskonflikt erzeugen könnte
  • ein Register über private finanzielle Interessen wird geführt (150 (2) (a) Standing of the House of Commons)
  • ein Commissioner of Standards wird aus der Mitte des Parlaments berufen (150 Standing of the House of Commons)
  • ein Commitee on Standardsüberprüft die durch den Commissioner geführte Liste über private Interessen und entscheidet über Sanktionen, die der Commissioner bei Pflichtverletzungen vorschlägt (146 (1) (a) Standing Order of the House of Commons).
  • Kanada
    • klare Definition von "Vorteil", "Beförderung privater Interessen", "Familienangehörige" (No. 3)
    • dem Code sind Zwecke vorangestellt (no 2)
    • Auflösung des Konflikts zugunsten des öffentlichen Interesses, sofern dessen Vermeidung nicht möglich (2. d)
    • Verzicht auf Vorteile zu verzichten, wenn diese den Eindruck von Beeinträchtigung von Urteilsvermögen und Integrität erwecken können (2. e)
    • Verbot von:
    • Förderung privater Interessen (No. 8)
    • Beeinflussung (No. 9)
    • Nutzung von Insiderwissen (No. 10)
    • Pflicht zur Anzeige des Vorliegens eines Konflikts (No. 12)
    • Verbot zur Teilnahme an Debatten und Abstimmungen zu Themen, an denen er ein privates Interesse hat (No. 13)

Regelungen in den Bundesländern

Am 1. Oktober 2014 hat der Landtag NRW mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU und FDP für eine Offenlegung der Nebeneinkünfte gestimmt.[4] Rheinland-Pfalz führte 2015 eine entsprechende Regelung ein.[5] [6] Im März 2016 bestätigte der Präsident des saarländischen Landtags entsprechende Pläne für sein Bundesland.[7]

Weiterführende Informationen

Auf diesen Webseiten können Sie die Nebeneinkünfte einsehen:

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Nebeneinkünfte der Abgeordneten stark gestiegen, sueddeutsche.de vom 10.07.2021, abgerufen am 13.07.2021
  2. Bundesverfassungsgericht: Klage der Abgeordneten gegen Offenlegung von Einkünften erfolglos, PM 73/2007 vom 04.07.2007, abgerufen am 21.10.2016
  3. Konsequenzen aus Unions-Skandalen: Deutlich strengere Regeln für Abgeordnete - Weitere Schritte nötig, LobbyControl-Blog vom 03.05.2021, aufgerufen am 13.12.2021.
  4. Verpflichtung zu mehr Transparenz: Abgeordnete in NRW legen Nebeneinkünfte offen, Rheinische Post, 1.10.2014, zuletzt abgerufen am 2. Oktober 2014
  5. Landtag macht Nebeneinkünfte von Abgeordneten sichtbar, Die Welt, 15. Juli 2015, zuletzt aufgerufen am 19.10.2016
  6. Übersichtseite Nebentätigkeiten, Website Landtag Rheinland-Pfalz, zuletzt aufgerufen am 19.10.2016
  7. Politiker sollen Einkünfte offenlegen, Saarländischer Rundfunk, 4. März 2016, zuletzt aufgerufen am 19.10.2016
  8. Inside Jobs: When MEPs are lobbyists, Pressemitteilung Transparecy International, 21. März 2016, zuletzt aufgerufen am 23.3.2016
  9. Angaben zu Nebeneinkünften lückenhaft und alt, Märkische Allgemeine Zeitung, 2. März 2016, zuletzt aufgerufen am 13. April 2016

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