Lobbyregister Frankreich
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Das französische Lobbyregister wurde zum Jahresbeginn 2017 eingeführt.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Grundlage
Die gesetzliche Grundlage des Lobbyregisters ist das Gesetz bezüglich der Transparenz, des Kampfs gegen Korruption und für die Modernisierung des Wirtschaftslebens.[1] Es wird meist „Loi Sapin 2“ genannt, nach dem damaligen französischen Wirtschafts- und Finanzminister Michel Sapin, unter dessen Ägide es entstand.
Zuvor bestand bereits ein freiwilliges, auf Anreize setzendes Register bei den beiden Kammern des Parlaments (Assemblée und Sénat)[2], das an einen Verhaltenskodex im Rahmen der parlamentarischen Geschäftsordnungen[3] gekoppelt war. Dieses freiwillige Register war seit 2013 auch im Internet abrufbar. Mit der Einrichtung des umfassenden, verpflichtenden Lobbyregisters durch das Sapin-Gesetz wurde dieser unverbindliche Vorläufer eingestellt.[4]
Registerführende Stelle
Das Lobbyregister wird geführt von der unabhängigen „Hohen Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens“.[5] Sie ist außerdem zuständig für die Offenlegung des Vermögens und der privaten wirtschaftlichen Interessen öffentlicher Funktionsträger:innen.
Die HATVP stellt auf ihrer Internetseite umfangreiches Informationsmaterial für verschiedene Nutzergruppen zur Verfügung und führt Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen durch.[6] Die Hotline der HATVP bekam laut eigenen Angaben im Jahr 2019 1.666 Anrufe, die die Lobbyregulierung betrafen.
Das Lobbyregister (AGORA) ermöglicht gezielte Suchen nach Interessenvertretern und Auftraggebern sowie eine automatisierte Auswertung von Daten.
Die HATVP hat ein verbindliches Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht gegenüber Interessenvertretern, das sie notfalls auch im Rahmen von Durchsuchungen der Geschäftsräume geltend machen kann.
2019 führte die HATVP 166 schriftliche Kontrollverfahren im Bereich Lobbyismus durch. Darunter 78 Kontrollen von nicht registrierten Personen, 51 formelle Überprüfungen von abgegebenen Erklärungen, 36 vertiefte Prüfungen und 1 Verfahren wegen Pflichtverletzung.
Anwendungsbereich
Gegenstand der Regelung ist das Lobbying gegenüber
- den Mitgliedern der Regierung (Premierminister:in, Minister:innen, Staatssekretär:innen mit den jeweils zugeordneten Ministerien, Behörden, Kabinetten und Mitarbeitenden),
- den Mitarbeiter:innen des Präsidenten (nicht aber gegenüber diesem selbst),
- dem nationalen Parlament (Mitglieder des Senats und der Nationalversammlung, ihre Mitarbeiter sowie die Mitarbeiter der Kammerpräsidenten, der Fraktionen und der Parlamentsverwaltung),
- einer Reihe von unabhängigen staatlichen Aufsichts- und Regulierungsbehörden,
- sowie jeder anderen Person, die durch Kabinettsbeschluss mit ihrer Aufgabe betraut wurde.
Das Gesetz und die zugehörigen Ausführungsbestimmungen sehen vor, dass ab 2021 auch Lobbyarbeit gegenüber weiteren Behörden und lokalen Entscheidungsträgern registerpflichtig wird. Dazu gehören die regionalen Exekutiv- und Legislativinstitutionen (Conseils régionaux et départementaux) sowie Bürgermeister:innen von Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern und ihren Stellvertreter:innen in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern.
Definition "Lobbying"
Lobbying ist definiert als Kommunikation mit öffentlichen Funktionsträgern, die darauf abzielt, öffentliche Entscheidungen zu beeinflussen. Öffentliche Entscheidungen (décisions publics) umfassen neben Gesetzen und Verordnungen auch öffentliche Aufträge, Konzessionen, Immobiliengeschäfte, die Tätigkeit öffentlicher Unternehmen u.v.m.
In den Ausführungsbestimmungen zum Gesetz wird die Lobbying-Definition darauf verengt, dass die Kommunikationsbeziehung von Interessenvertreter:innen ausgehen muss, um als Lobbyarbeit zu gelten. Diese Einschränkung wird von Transparency International France kritisiert, da insbesondere große, mit Politik und Verwaltung bereits gut vernetzte Lobbyakteure in der Regel gar nicht eigeninitiativ tätig sein müssten, um Lobbykontakte zu etablieren bzw. zu pflegen.
Umfang der Offenlegung
Registrierungspflichtig sind Einzelpersonen und Organisationen (personnes physiques et morales), die Lobbyarbeit betreiben.
Sie müssen folgende Angaben machen:
- Angaben zur (natürlichen oder juristischen) Person (Lobbyist);
- Themenbereich der Interessenvertretung (zB „Datenschutz, E-Commerce, Urheberrecht“);
- Maßnahmen der Lobbyarbeit (zB „parlamentarischer Abend“ mit Thema + Zielgruppe);
- Ausgaben pro Jahr für diese Maßnahmen (aggregierte Angabe im Rahmen eines Stufenmodells, nicht nach Auftraggeber oder Projekt aufgeschlüsselt);
- Anzahl der für Lobbying Beschäftigten (nicht Vollzeit-Äquivalente);
- Namen und Funktion der mit Lobbyaufgaben betrauten Personen;
- Jahresumsatz (bei juristischen Personen);
- mit dem Lobbyisten verbundene Organisationen (zB Verbände);
- Identität Dritter, für die Lobbying ausgeübt wird.
Am 22. Juli 2020 waren 2090 Lobbyisten mit insgesamt 23.278 Aktivitäten registriert.
Schwellenwerte und Ausnahmen
Registrierungspflichtig werden Lobbyisten erst bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte, die die Lobbyarbeit als „Haupttätigkeit“ oder „wiederkehrende Tätigkeit“ qualifizieren. Eine "Haupttätigkeit" liegt vor, sobald eine (natürliche oder juristische) Person auf Lobbyarbeit mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit verwendet, eine "wiederkehrende Tätigkeit", wenn sie innerhalb von 6 Monaten mehr als 10 Lobby-Kontakte hatte.
Nicht als Lobbyisten i. S. des Gesetzes gelten:
- gewählte Mandatsträger im Rahmen der Mandatsausübung,
- politische Parteien,
- die Beamtengewerkschaft und die privatwirtschaftlichen Tarifpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände), soweit sie im Rahmen der im französischen Arbeitsrecht (code du travail) definierten Verhandlungen agieren,
- religiöse Vereinigungen, soweit es ihre Beziehungen zu den mit Religionsangelegenheiten betrauten Regierungsstellen betrifft.
Verhaltensregeln
Lobbyisten verpflichten sich mit der Registrierung, sich an folgende Ge- und Verbote zu halten:
- Offenlegung ihrer Identität, ihrer Auftraggeber und der Interessen, die sie vertreten;
- Verbot, Geschenke oder Vorteile von bedeutendem Wert anzubieten;
- Verbot, öffentliche Funktionsträger zur Verletzung ihrer Pflichten zu verleiten;
- Verbot, auf betrügerische Weise Informationen oder Entscheidungen zu erhalten;
- Verbot von Täuschungsmanövern oder der Verbreitung von Falschinformationen;
- Verbot von Veranstaltungen, bei denen öffentlichen Funktionsträgern Vergütung gewährt wird;
- Verbot der kommerziellen Werbung mit Informationen, die durch Lobbying erhalten wurden;
- Verbot, Kopien staatlicher Dokumente zu verkaufen oder staatliche Briefköpfe oder Logos zu verwenden.
Das Lobbyregister-Gesetz enthält keine spezifischen Verhaltens- oder Dokumentationspflichten für öffentliche Funktionsträger im Umgang mit Lobbyisten. Davon unabhängig sind in Frankreich alle Amts- und Mandatsträger sowie Spitzenbeamte verpflichtet, ihre Vermögenswerte und sonstigen finanziellen Interessen (Nebentätigkeiten, Funktionen, Mandate, Teilhaberschaften) offenzulegen. Auch die Aufnahme einer Tätigkeit im Privatsektor oder Unternehmensgründung muss gemeldet und behördlich genehmigt werden.
Sanktionen
Die HATVP kann gegen die Registrierungs- oder Offenlegungspflichten verstoßende Interessenvertreter verwarnen und diese Verwarnung öffentlich machen. Sie kann auch Funktionsträger vor Interessenvertretern warnen, die die Regeln verletzt haben (nicht öffentlich).
Nach Artikel 18-9 wird der Verstoß gegen die Registrierungs- und Informationspflichten gegenüber der HATVP mit bis zu 15.000 Euro Geldstrafe und einem Jahr Gefängnis bestraft.
In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes wurde mit denselben Strafen belegt, wer innerhalb von drei Jahren wiederholt und trotz Ermahnung durch die HATVP gegen den Verhaltenskodex verstieß. Dieser Passus wurde auf Initiative von konservativen Abgeordneten und Senatoren bereits im Dezember 2016, einen Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes, vom französischen Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt.[7] Da die Parlamentskammern sich weiterhin selbst Verhaltensregeln geben können, sah das Gericht in der Strafvorschrift einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Die weiteren Einwände der Kläger gegen die Bestimmungen zum Lobbyregister wies das Gericht jedoch ab. Es bestätigte dabei u.a., dass die Offenlegungsvorschriften keinen unzulässigen Eingriff in Geschäftsgeheimnisse bedeuten.
Bewertung
Transparency International France hat das französische Lobbyregister gut zwei Jahre nach seiner Einführung evaluiert.[8] Die Organisation anerkennt dabei großen Fortschritt bei der Herstellung von Transparenz, sieht aber in mehreren Punkten Verbesserungsbedarf:
Erstens sollte das Register auch Informationen darüber enthalten, mit welchen Funktionsträgern Interessenvertreter Kontakt hatten (zumindest eine Transparenz über persönliche Treffen sollte hergestellt werden).
Zweitens sollte die Aussagekraft der Daten verbessert werden:
- durch einen vierteljährlichen statt jährlichen Melde-Turnus,
- durch die Aufschlüsselung der globalen Budgetangaben auf einzelne Projekte oder Auftraggeber,
- durch die Absenkung der Schwellenwerte, die eine Registerpflicht auslösen, sowie
- durch die Verpflichtung zur Angabe des konkreten Gesetzes oder sonstigen Vorhabens, auf welches die Lobbyarbeit im Einzelfall zielt.
Einzelnachweise
- ↑ LOI n° 2016-1691 du 9 décembre 2016 relative à la transparence, à la lutte contre la corruption et à la modernisation de la vie économique (1),vom 10.06.2016, abgerufen am 24.08.2020
- ↑ = Représentants d'intérêts à l'Assemblée nationale, Assemblée nationale, abgerufen am 24.08.2020 =
- ↑ = Les représentants d'intérêts au Sénat, senat.fr, abgerufen am 24.08.2020 =
- ↑ Haute Autorité pour la transparence de la vie publique, abgerufen am 24.08.2020
- ↑ Haute Autorité pour la transparence de la vie publique, abgerufen am 24.08.2020
- ↑ == Rapport d'activité 2019, HATVP von 2019, abgerufen am 24.08.2020 ==
- ↑ Décision n° 2016-741 DC du 8 décembre 2016, Conseil Constitutionnel, abgerufen am 24.08.2020
- ↑ Pour un meilleur encadrement du Lobbying, Transparency International France aus 2019, aufgerufen am 19.08.2020