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Lobbyregister Kanada

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Lobbyregulierung per Gesetz gibt es in Kanada bereits seit 1989. Damals verpflichtete der Lobbyist Registration Act Interessenvertreter erstmals dazu, sich zu registrieren und Informationen über ihre Auftraggeber und die Ziele ihrer Arbeit offenzulegen. 1997 führte Kanada erstmals einen verbindlichen Verhaltenskodex für Lobbyisten (Code of Conduct) ein. Der gesamte Regelkomplex wurde mehrmals reformiert, wobei der Anwendungsbereich erweitert, Definitionen präzisiert und Regeln verschärft wurden.[1]

Gesetzliche Grundlage

2008 trat der Lobbying Act[2] in Kraft, der 2012 umfassend evaluiert wurde und bis heute gültig ist. Die derzeit gültige Form des Verhaltenskodex trat 2015 in Kraft.[3]

Aufsichtführende Behörde ist das unabhängige „Büro des Kommissars für Lobbying“ (Office of the Commissioner of Lobbying).[4]

Definitionen und Anwendungsbereich

Lobbying ist definiert als

  • bezahlte Tätigkeit in Form einer
  • direkten (schriftlichen oder mündlichen) oder indirekten (Grassroots-)Kommunikation an die Adresse eines öffentlichen Funktionsträgers über
    • Legislativvorschläge, Gesetzentwürfe, Entschließungen, Verordnungen;
    • Politiken oder Programme (policies or programs);
    • die Gewährung von Zuschüssen, Beiträgen oder anderen finanziellen Leistungen; oder
    • die Vergabe öffentlicher Aufträge (gilt nur für beratende Lobbyisten)
  • oder in Form der Organisation eines Treffens zwischen einem öffentlichen Funktionsträger und einer beliebigen anderen Person (gilt nur für beratende Lobbyisten).

Grundsätzlich ist Lobbyarbeit gegenüber jeglichen öffentlichen Funktionsträgern registrierungspflichtig – egal, ob diese der Regierung angehören, ein parlamentarisches Mandat ausüben oder in der Bundesverwaltung tätig sind. Angehörige von Militär und Polizei gehören ebenfalls dazu.

Das Gesetz unterscheidet zwei Arten von Lobbyisten:

  1. Beratende Lobbyisten (consultant lobbyists), die im Namen von Kunden kommunizieren
  2. In-house Lobbyisten, die für die Unternehmen oder Organisationen kommunizieren, bei denen sie selbst beschäftigt sind.

In-house Lobbyisten müssen sich erst bei Überschreiten eines zeitlichen Schwellenwerts registrieren. Dieser beträgt 20 % der Arbeitszeit eines Vollzeit-Beschäftigten. Das heißt: Sobald ein Unternehmen oder eine Organisation mehr als rund 8 Wochenstunden für Lobbyarbeit aufwendet, muss eine Registrierung erfolgen. Verantwortlich für die Registrierung ist die jeweils höchstbezahlte Person innerhalb des Unternehmens oder der Organisation, ungeachtet ihrer formalen Position.[5]

Ausnahmen

Ausdrücklich ausgenommen von der Registrierungspflicht sind

  • mündliche oder schriftliche Eingaben an parlamentarische Ausschüsse oder Verfahren, die öffentlich bekannt sind.
  • Austausch über die Durchsetzung, Auslegung oder Anwendung eines Gesetzes oder einer Vorschrift durch den verantwortlichen Inhaber eines öffentlichen Amtes.
  • das bloße Ersuchen um Informationen.

Ausgenommen sind zudem folgende Personenkreise, sofern sie im Rahmen ihrer jeweiligen Funktion handeln:

  • Mitglieder der Provinz-Legislativen und deren Mitarbeiter;
  • Angestellte der Provinzregierungen;
  • Mitglieder von Gemeinderäten un deren Personal sowie Gemeindebedienstete;
  • Mitglieder der Aborigine-Regierungen, -Räte und deren Mitarbeiter;
  • diplomatische Vertreter sowie Mitarbeiter der Vereinten Nationen oder anderer internationaler Organisationen, denen diplomatische Privilegien und Immunitäten gewährt wurden.
  • ehrenamtlich tätige Personen
  • Privatpersonen.

Offenzulegende Daten

Registrierte Interessenvertreter müssen angeben

  • für wen sie arbeiten
  • mit welchen öffentlichen Funktionsträgern sie in Kontakt getreten sind und wann (Tagesdatum)
  • um welche Themen und konkreten Projekte es dabei geht (Nennung des Politikbereichs sowie des konkreten Anliegens, z. B. „Änderung des Telekommunikationsgesetzes in § 19“).
  • ob sie selbst öffentliche Funktionen innehatten, welche und bis wann
  • Daten zum Lobbybudget oder zu Finanzierungsquellen müssen nicht offengelegt werden.

Sofern Lobbyaktivitäten stattfinden oder sich registerpflichtige Stammdaten ändern, muss jeder Lobbyakteur dies binnen Monatsfrist melden. Falls ein registrierter Lobbyakteur fünf Monate lang nicht aktiv war, muss im 6. Monat eine entsprechende Statusmeldung erfolgen.[6]

Verhaltensregeln

Der Lobbying Act enthält neben den Registrierungspflichten weitere Verhaltensvorschriften wie das Verbot der Zahlung und Annahme von Erfolgshonoraren (§ 10). Der Lobby-Kommissar wurde zudem im Lobbying Act ermächtigt, weitergehende allgemeine Verhaltensregeln für Lobbyisten zu formulieren. Dies geschah 2015. Dem seither geltenden Verhaltenskodex[7] liegen vier Prinzipien zugrunde:

  • Respekt für die demokratischen Institutionen
  • Integrität und Aufrichtigkeit im Umgang mit Funktionsträgern
  • Offene und freimütige Kommunikation über Lobbyaktivitäten
  • Beachtung höchster professioneller und ethischer Standards, insbesondere den Code of Conduct, des Lobbying Act und damit zusammenhängender Regulierungen

An konkreten Regeln legt der Kodex u.a. fest:

  • Pflicht zur Transparenz über Identität der Auftraggeber, Intention und Ziele der Lobbyaktivitäten
  • Pflicht zur korrekten, faktengetreuen Information; Unterlassen jeder Irreführung
  • Pflicht zur Unterrichtung von Kunden und von angestellten Lobbyisten über die gesetzlichen Verpflichtungen der Interessenvertreter
  • Verbot, von Amtsträgern erhaltene Informationen zu anderen als den dafür vorgesehenen Zwecken zu verwenden
  • Verbot der Nutzung oder Veröffentlichung von Informationen, über die ein Interessenvertreter offiziell nicht verfügen dürfte
  • Verbot jeder Handlung und jedes Vorschlags, der einen Amtsträger in einen Interessenkonflikt bringen oder auch nur zum Anschein eines solchen führen könnte

Karenzzeit für öffentliche Funktionsträger

Für öffentliche Funktionsträger gelten ebenfalls Verhaltensregeln, die im Umgang mit Lobbyisten zu beachten sind. Dazu gehört insbesondere die Einhaltung einer fünfjährigen Karenzzeit, die zwischen der Ausübung des öffentlichen Amts und der Aufnahme einer bezahlten Lobbytätigkeit liegen muss. Diese Regelung gilt jedoch nicht für alle öffentlichen Funktionsträger, sondern nur für die im Lobbygesetz eigens aufgelisteten DPOH (Designated Public Office Holders). Dazu gehörender Premierminister, die Minister:innen und ihre Mitarbeiter:innen, Staatssekretär:innen, die Angehörigen der beiden Parlamentskammern (Senate und House of Commons), leitende Militärs, der Generalstaatsanwalt und weitere Spitzenfunktionäre. Der Kommissar für Lobbying kann unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von der Karenzzeit gewähren.[8]

Ziel der Verhaltenskodizes ist letztlich, das öffentliche Vertrauen in die Integrität der politischen Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Zur Begründung heißt es, dieses Vertrauen sei für eine freie, demokratische Gesellschaft von vitaler Bedeutung.[9]

Aufsicht und Kontrolle

Die Behörde prüft jeden Monat eine Stichprobe von 5 % der eingereichten Berichte (50 bis 70 Berichte). Sie fordert dann die in den Berichten als lobbyierte Personen benannten DPOH auf, die Korrektheit und Vollständigkeit der Berichte zu bestätigen. Falls sich dabei eine Diskrepanz ergibt, hat der berichterstattende Lobbyakteur bis zu 30 Tage Zeit, um Korrekturen oder klärende Stellungnahmen einzureichen.[10]

Im Rahmen formeller Untersuchungen hat die Behörde das Recht, Personen vorzuladen, die Herausgabe von Dokumenten sowie Aussagen unter Eid zu verlangen.[11] Die Untersuchungen werden vertraulich geführt. Zum Abschluss wird ein Bericht (mit Namensnennung) veröffentlicht, in dem das genaue Vorgehen bei der Untersuchung nachvollziehbar gemacht wird.

Neben diesen Untersuchungsberichten (Investigation Reports) veröffentlicht die Behörde regelmäßig Jahresberichte (Annual Reports) über die Nutzung des Registers, ihre Aktivitäten und den Grad der Erreichung von Zielvorgaben (zB erreichte Compliance). Zudem veröffentlicht die Behörde ihre eigenen Projektplanungen und Finanzpläne sowie die Berichte über interne und externe Audits und Evaluationen.[12]

Sanktionen

Verstöße gegen die Berichtspflicht oder die Verhaltensregeln können mit einer Geldstrafe von bis zu 200.000 kanadischen Dollar (ca. 130.000 Euro) oder bis zu 2 Jahren Gefängnis geahndet werden. Bei besonders schweren Verstößen kann auch beides verhängt werden.

Zudem kann auch ein zeitlich befristetes Verbot von Lobbyarbeit verhängt werden. Die Verbotsfrist beträgt maximal zwei Jahre. Bereits verhängte Verbote werden namentlich mit Begründung im Internet veröffentlicht. Die bisher höchste Strafe von 50.000 Dollar Geldstrafe plus einjährigem Lobbyverbot wurde gegen Bruce Carson verhängt, der von 2006 bis 2008 Berater des damaligen Regierungschefs Stephen Harper war und anschließend trotz der für ihn geltenden 5jährigen „Abkühlphase“ mehrfach als Lobbyist tätig wurde.[13]

Im Sanktionsfall informiert die Behörde beide parlamentarische Kammern sowie die Öffentlichkeit.

Statistik

Im August 2020 waren 3.943 Lobbyisten registriert. Im Berichtsjahr 2018-2019 wurde das Lobbyregister 844.149 mal konsultiert. Der kanadische Staat wendete in diesem Zeitraum 22 Vollzeit-Stellen und rund 3,4 Millionen kanadische Dollar für die Lobbyregulierung auf Bundesebene auf.[14]

  1. Kurzübersicht der Geschichte kanadischer Lobbyregierung, https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/the-lobbying-act/
  2. Lobbying Act, https://laws.justice.gc.ca/eng/acts/L-12.4/
  3. Code of Conduct, https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/the-lobbyists-code-of-conduct/lobbyists-code-of-conduct/
  4. Office of the Commissioner of Lobbying, https://lobbycanada.gc.ca/en/
  5. Kurzübersicht der Definitionen und Regeln: https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/lobbying-at-the-federal-level-at-a-glance/
  6. https://laws-lois.justice.gc.ca/eng/regulations/SOR-2008-116/index.html
  7. Code of Conduct, https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/the-lobbyists-code-of-conduct/lobbyists-code-of-conduct/
  8. 5-year post-employment prohibition on lobbying, https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/the-lobbying-act/5-year-post-employment-prohibition-on-lobbying/
  9. Lobbyists Code of Conduct, https://lobbycanada.gc.ca/en/rules/the-lobbyists-code-of-conduct/lobbyists-code-of-conduct/
  10. Verification of monthly communication reports, https://lobbycanada.gc.ca/en/registration-and-compliance/verification-of-monthly-communication-reports/
  11. About Investigations, https://lobbycanada.gc.ca/en/investigations/about-investigations/
  12. Office of the Commissioner of Lobbying, Reports and Publications, https://lobbycanada.gc.ca/en/reports-and-publications/
  13. Office of the Commissioner of Lobbying, Prohibition on Lobbying for Lobbyists Convicted of an Offence, https://lobbycanada.gc.ca/en/investigations/prohibition-on-lobbying-for-lobbyists-convicted-of-an-offence/
  14. Office of the Commissioner of Lobbying, Annual Report 2019-20, https://lobbycanada.gc.ca/en/reports-and-publications/annual-report-2019-20/

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