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Sigmar Gabriel

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Sigmar Hartmut Gabriel (* 12. September 1959 in Goslar) ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD) und heute als Berater und Lobbyist tätig. Nach seiner langjährigen politischen Laufbahn, die ihn von der Kommunalebene bis zum Bundesminister führte, stellt Gabriel heute sein politisches Know-How, seine Bekanntheit und seine Netzwerke in den Dienst diverser Akteure aus Industrie und Bankwesen, aber auch von politischen Strategiebüros und Denkfabriken.

Bereits in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister haben seine Entscheidungen, wie etwa im Fall der gegen das Kartellamt durchgesetzten Edeka-Tengelmann Fusion, für Kontroversen gesorgt. Auch in seiner Zeit als Bundesumweltminister galt er als so wirtschaftsnah, das Umweltexperten wie Wolfhart Dürrschmidt und Abgeordnete, wie Marco Bülow „den Anfang vom Ende einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik in Deutschland mit dem Amtseintritt von Sigmar Gabriel als Bundesumweltminister 2005“ datieren. [1]

Auch heute scheut der Minister a.D. nicht davor privaten Akteuren privilegiertes Gehör in Regierungskreisen zu verschaffen. In den letzten Jahren stand er deswegen immer wieder in der Kritik: Ob aufgrund seiner zahlreichen, gut honorierten Beratertätigkeiten, wie etwa für die Tönnies Holding, welche in der Corona-Pandemie wegen schlechter Arbeitsbedingungen in ihren Schweinemastbetrieben kritisiert wurde[2] ; wegen seines nach Karriereende kurzfristigen Seitenwechsels zur Deutschen Bank[3] ; oder aufgrund seiner Auftritte bei intransparenten Abendessen gemeinsam mit Mandatsträgern und Vertretern der Rüstungs- und Automobilindustrie. [4]

Sowohl seine Karriere als Politiker als auch die Zeit danach stehen exemplarisch für die Unverzichtbarkeit von Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen und die Notwendigkeit strengerer Karenzzeiten für aus dem Amt geschiedene Politiker*innen.


Karriere

Politische Laufbahn

  • seit 2019 Vorsitzender der Atlantik-Brücke [5] und Mitglied der Trilateralen Kommission[6] sowie des European Council on Foreign Relations.[7]
  • 2017-2018 Bundesminister des Auswärtigen
  • 2013-2017 Bundesminister für Wirtschaft und Energie
  • 2009-2017 SPD Bundesvorsitzender
  • 2005-2009 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
  • 2003-2005 Stellvertretender Vorsitzender der SPD Niedersachsen, sowie Amt des Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs der SPD
  • 1999-2003 Ministerpräsident Niedersachsen
  • 1977-1999 Kommunal- und Landespolitik Niedersachsen
  • 1976-1987 Jugendfunktionär bei den Falken

Akademischer und Beruflicher Werdegang

  • 06/2018-03/2020 Publizistische Tätigkeit für die Holtzbrinck-Verlagsgruppe [8]
  • 1989 Schloss er sein Referendariat mit dem zweiten Staatsexamen ab
  • 1987 Abschluss mit dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien
  • 1982-1987 Studium der Fächer Germanistik, Politik und Soziologie an der Georg-August-Universität Göttingen
  • 1979-1981 Soldat auf Zeit (letzter Dienstgrad Obergefreiter) in einer Radareinheit der Luftwaffe
  • 1979 Abitur ,Ratsgymnasium Goslar
  • 1976 Mittlere Reife, Realschule Hoher Weg Goslar

Tätigkeiten für die Wirtschaft

  • seit 04/2022 Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel Europe [9]
  • seit 02/2022 Geopolitischer Berater bei der Brunswick Group [10]
  • seit 05/2020 Mitglied des Integritätsausschusses im Aufsichtsrat der Deutschen Bank [11] & Mitglied des Aufsichtsrats von Siemens Energy [12]
  • 02/2020-05/2020 Berater für die Tönnies Holding [13]
  • seit 2019 „Senior Advisor" beim Politikberatungsunternehmen Eurasia Group [14]
  • seit 05/2019 Schirmherr des Arbeitgebersiegels "TOP JOB" vom Zentrum für Arbeitgeberattraktivität (Zeag GmbH) [15]
  • seit 03/2019 Mitglied im Beirat vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte [16]
  • seit 2018 Gesellschafter des 2Berliner Beratungsunternehmens VIB – International Strategy Group [17]
  • 2003-2004 Geschäftsführer und Gesellschafter der Communication, Network, Service GbR (CoNeS), welche die Volkswagen AG zur europäischen Industriepolitik beriet. Zu dieser Zeit war Gabriel Fraktionsvorsitzender der SPD im Niedersächsischen Landtag[18]

Mitgliedschaften

  • seit März 2020 Mitglied im Präsidialrat der Björn Steiger Stiftung[19]
  • seit Mai 2018 Mitglied des Kuratoriums der International Crisis Group [20]


Kontroversen während der politischer Laufbahn

Landespolitik

VW - Affäre

2003, als Gabriel Fraktionsvorsitzender der SPD Niedersachsen war, hielt er Beteiligungen an dem Beratungsunternehmen Communication, Network, Service GbR (CoNeS). An der CoNeS war Gabriel zunächst mit 75 Prozent und später mit 25 Prozent beteiligt.[21] Offiziell beriet Gabriel für CoNes die Volkswagen AG zwischen Herbst 2003 und Ende 2004 in Fragen der europäischen Industriepolitik. CoNes soll dafür zwischen 130 000 - 150 000 Euro kassiert haben. [22] Laut einem Bericht der Welt wies das Betriebsergebnis 2004 für Gabriel einen Gewinnanteil aus der Beteiligung in Höhe von rund 27 000 Euro aus.[23] Ende September 2004 beendete er das Engagement bei CoNes und beteuerte keinen Cent aus dem Unternehmen erhalten zu haben.[24] Eine Klage mit den Vorwürfen des Meineids sowie Verstoß gegen die Geschäftsordnung des niedersächsischen Landtags, die zwei Jahre später gegen Gabriel aufgrund dieser Tätigkeit erhoben wurde, scheiterte jedoch an mangelnder Beweislage. [25] Dennoch deuteten einige Medienberichte sowie geleakte Dokumente aus dem Verfahren daraufhin, dass es sich bei dem Auftrag nur um einen Vorwand gehandelt habe, der dazu gedient hätte Gabriels direkte Tätigkeit für den VW-Vorstand zu verschleiern. So stellte der ehemalige niedersächsische Landtagspräsident Gansäuer die Frage zu der Affäre: „Warum vergibt ein Weltkonzern einen hochdotierten Auftrag mit der Thematik ,Europäische Industriepolitik an eine 2-Mann-Firma, die Gabriel gehört?“ [26]

Wirtschaftsministerzeit:

CETA-Kontroverse um private Schiedsgerichte

Im November 2004, im Rahmen der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Canada (CETA) geriet Gabriel, derzeit Wirtschaftsminister, in die Kritik, da er das Abkommen inklusive des sogenannten Investorenschutzes durch private Schiedsgerichte verabschieden wollte. Dieser wurde aber zuvor in einem Positionspapier Gabriels Partei, der SPD, noch kritisiert. [27] Auch Gabriel selbst hatte zuvor proklamiert, das man Sondergerichte man nicht zwischen "entwickelten Rechtsstaaten" brauche.[28] Ein im Mai 2016 öffentlich gewordenes, inoffizielles Arbeitsdokument bezeugt jedoch erneut, dass das Wirtschaftsministerium durchweg an privaten Schiedsgerichten festhalten und sogar deren Ausbau wollte. Dies wurde von der Zeit als „Trickserei“ kritisiert, da die öffentlichen Aussagen des Ministeriums nicht mit der internen Strategie übereinstimmten. Pinzler, die Autorin des Artikels stellt die Entscheidungen zur Förderung privater Schiedsgerichte auch mit der Lobbyarbeit großer Industrieverbände, wie z.B. Business Europe in Verbindung.[29]

Edeka-Tengelmann Fusion

Im Fall Edeka-Tengelmann hatte Gabriel einen zuvor vom Kartellamt untersagten Verkauf von 450 Tengelmann Filialen an die Edeka per Ministererlaubnis genehmigt und wurde dafür vom Kartellamt sowie Edeka-Konkurrenten scharf kritisiert. Insbesondere REWE kritisierte damals das Vorgehen, da auch sie ein Angebot vorgelegt hatten, jedoch nicht berücksichtigt wurden und vom Minister keinen Gesprächstermin erhielten. [30] Der Eigner von Tengelmann Karl-Erivan Haub hingegen hatte sich bereits frühzeitig und vehement für einen Termin bei Gabriel eingesetzt. Am 1. Dezember 2015 traf sich Gabriel nacheinander mit den Chefs von Edeka und Tengelmann– jedoch ohne Protokoll. Dieser Umstand wurde derzeit als äußert merkwürdig wahrgenommen, da in allen anderen Fällen der Ministeriumsarbeit das dokumentarische Protokollieren gang und gäbe gewesen sei.[31]

Dies führte dazu, dass 2016 das Oberlandesgericht Düsseldorf nach Klagen der Wettbewerber Norma, Markant und Rewe die Ministererlaubnis wieder aufhob – ihre Unrechtmäßigkeit wurde damit begründet, dass Gabriel „geheime Gespräche“ geführt habe und somit eine „gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten“ unterlassen habe. [32] Erst durch das Einschreiten des umstrittenen Alt-Kanzlers Gerhard Schröder konnte ein Interessenausgleich geschaffen und somit die Klage gegen Gabriel fallen gelassen werden. Die umstrittene, offiziell als unrechtmäßige erklärte Ministererlaubnis wurde somit zuletzt doch bestandskräftig. [33]

Einknicken vor der Kohle-Lobby

2015 geriet der Wirtschaftsminister Gabriel erneut in die Kritik für seine Entscheidung die Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke abzumildern. Laut dieser Entscheidung sollten Kohlekraftwerke nur 16 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2020 einsparen, deutlich weniger als die zuvor geforderten 22 Millionen. Nachdem ein ambitionierter Aufschlag des Wirtschaftsministeriums von Vertretern der Kohleindustrie, sowie führenden CDU Politikern heftig kritisiert wurde „knickt[e] [Sigmar Gabriel] vor der ganz großen Koalition der Braunkohlefreunde ein [dies sei] ein bitteres Armutszeugnis für die Energiepolitik der großen Koalition“, kommentierte Oliver Krischer von den Grünen. [34]

Kritische Nähe zur Gas-Industrie

Eine Anfrage der Linken im Bundestag (Dezember 2017) hat ergeben, dass Wirtschaftsminister Gabriel sich im Zeitraum 2015-2017 insgesamt 16 mal mit Vertretern der Gasindustrie getroffen hatte. Deutlich öfter als andere Regierungsvertreter und wie Berichte der Welt zeigen: „anders als beispielsweise die Kanzlerin häufig mit Managern der Nord Stream AG oder dem Putin-Vertrauten und Chef des russischen Gas-Riesen Gazprom, Alexej Miller“ [35] Konkret traf Gabriel als Bundeswirtschaftsminister sechs Mal auf den Gazprom-Chef Alexej Miller, sieben Mal auf Matthias Warnig, den Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, und einmal auf Gerhard Schröder.[36] Bei einem Gespräch Gabriels mit Miller am 29. Oktober 2015 in Moskau war auch Putin anwesend, der sich für dieses Treffen außergewöhnlich viel Zeit genommen habe. Zwischen Warnig und Gabriel sind drei weitere Treffen für dessen Zeit als Außenminister dokumentiert. [37] Zumeist soll es bei diesen Treffen um Nord Stream 2 und die Erweiterung der Pipeline gegangen sein. Das Projekt, welches heute aufgrund des russischen Angriffes auf die Ukraine gestoppt wurde, stand bereits 2014 aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland unter heftiger Kritik. Heute räumt Gabriel in der Strategie Fehler ein und beteuert, dass man früher Energiezulieferverträge diversifizieren hätte müssen, um eine Abhängigkeit von russischem Gas zu vermeiden. [38]

Diese Abhängigkeit hat Gabriel jedoch selbst - unter anderem mit der Absegnung eines folgenschweren Deals - besiegelt: 2015 übernahm Gazprom einhundert-prozentige Kontrolle über die deutschen Gasspeicher des Versorgers Wintershall, der damals zum Konzern BASF gehörte, im Tausch für Rechte an sibirischen Gasfeldern. [39] Auch dieser Asset-Tausch wurde aufgrund der Krim-Krise vorerst auf Eis gelegt. Doch bereits ein Jahr nach der Krim-Annexion drohte Russlands Energieminister Alexander Nowak damit, Gas-Lieferungen an Deutschland zu reduzieren, sollten ‚russische Forderungen‘ nicht erfüllt werden. Nur 2 Monate später wurde das zuvor auf Eis gelegte Tauschgeschäft wieder aufgetaut, jedoch mit dem Verweis, dass es möglicherweise einer neuen Prüfung hinsichtlich der "öffentlichen Ordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" bedürfe. Eine persönliche Mail an Minister Gabriel des BASF Vorstandschefs Kurt Bock mit dem Verweis, dass da die EU auf eine erneute Prüfung verzichte, jedoch auch Deutschland darauf verzichten könne, räumte jedoch auch diese Zweifel aus. Gabriel leistete diesem Vorschlag Folge und vermerkte handschriftlich "Ich unterstütze den Antrag". Die Genehmigung wurde auf dem kurzen Dienstweg beschlossen und an Bock per persönlichem Brief übermittelt. Darüber hinaus erteilte Gabriel für den Deal eine Bürgschaft in Milliardenhöhe. [40]

Dies ist mehr als verwunderlich, beachtet man, dass dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt bereits Gutachten vorgelegen haben, deren Prognosen zeigten, dass die Übergabe der Kontrolle dieser Versorgungsstrukturen an Gazprom diesen „Tür und Tor öffnet, das Land lahm zu legen“ Laut Correctiv ist bis heute nicht transparent welche Konzernteile dabei Teil des Tauschgeschäfts waren. Das Bundeswirtschaftsministerium würde Monate brauchen, um Anfragen nach dem Geschäft betreffenden Unterlagen zu bearbeiten – wichtige Dokumente bleiben bis heute unter Verschluss unter dem Verweis, dass vorerst Gazproms Interessen abgefragt werden müssten. [41]

Siemens-Alstom

2014 hatte sich Gabriel in seiner Rolle als Wirtschaftsminister für einen Teilverkauf von Alstom an Siemens stark gemacht.[42] Obwohl dieser Deal seinerzeit nicht zustande kam, ist Gabriels Engagement in der Sache aus heutiger Sicht interessant, denn Gabriel sitzt nach seinem Ausscheiden aus der Politik nun im Verwaltungsrat des Unternehmens. Kritiker bemängeln dabei, dass Gabriels Unterstützung für den Siemens-Konzern bei der Vergabe des Postens eine Rolle gespielt haben könnte. Ob bei dem beschriebenen Fusionsdeal, oder etwa als der Konzern den größten Auftrag in seiner Geschichte mit der Lieferung von Kraftwerkstechnik nach Ägypten ergatterte und sich anschließend ausdrücklich bei Gabriel dafür bedankte - die guten Beziehungen zwischen Gabriel und Siemens-Chef Joe Kaeser rühren sicher auch aus dessen deutlicher Unterstützung des Konzerns während seiner Ministertätigkeit.LobbyControl konstatierte derzeit, dass es gelte „den Anschein zu vermeiden, dass sich Siemens bei Gabriel dankbar zeige "[der Ex-Minister sollte] zumindest eine 18-monatige Karenzzeit einhalten“.[43]


Lobbytätigkeiten nach Politikausstieg

Deutsche Bank

Gabriel gehört seit 2019 dem Integritätsausschuss des Aufsichtsrates der Deutschen Bank an. Seine Rolle dabei ist es zu überwachen, ob der der Vorstand sich an alle geltenden Gesetze sowie bankinterne Regeln hält (in Paragraf 111 "Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats" des Aktiengesetzes heißt es: "Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen"). Die deutsche Bank steht seit Jahren in der Kritik für ihre z.T. riskanten und unsauberen Geschäftspraktiken und hat in diesem Kontext seit 2012 in Europa und in den USA weit mehr als zehn Milliarden Euro an Schadenersatz und Strafen zahlen müssen. [44]

Entgegen der klar definierten Rolle des Ex-Ministers im Aufsichtsrat, habe dieser laut der Süddeutschen Zeitung jedoch ein „falsches Amtsverständnis“ zu Tage gelegt. Denn Gabriel habe laut Recherchen des Medienhauses im Kanzleramt dafür geworben, die sogenannte europaweite Bankenabgabe befristet auszusetzen, um die deutsche Wirtschaft weiter mit Krediten versorgen zu können. Dabei habe er ein Schreiben an Kanzlerin Merkel wie folgt begonnen: "Liebe Frau Bundeskanzlerin, herzlichen Dank für das Telefonat heute morgen. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich froh, dass Sie gerade 'an Deck' sind." Zudem lag dem schreiben eine Argumentationshilfe der deutschen Bank bei, zu dem Gabriel schrieb „Ich finde die Idee verantwortbar und hilfreich" [45] Nach Auffassung von SZ-Autorin Meike Schreiber belege dieses Vorgehen eindeutig die Lobbytätigkeit des Ex-Ministers für den Konzern, ein Agieren für das er nicht offiziell angestellt wurde. Das verkaufen von Netzwerken und Einfluss durch ausgeschiedene Politiker*innen sei ohnehin kritisch zu betrachten, würde dieses jedoch zudem unter falschen Vorsätzen getan, müsse noch genauer hingeschaut werden, meint die Autorin. [46] Gabriel erhält jährlich 166.000 Euro als Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank.[47]

Tönnies

Für die Tönnies Holding, Deutschlands größtem Schlachtbetrieb für Schweine, war Gabriel von März bis Ende Mai 2020 als Berater tätig. Der Konzern hat seine marktführende Stellung auch deshalb, da er sein Schweinefleisch im großen Stil nach China exportiert, wo aufgrund der kulinarischen Kultur weit mehr Teile des Tiers verkauft und insgesamt höhere Preise erzielt werden können. Exportlizenzen sind entsprechend begehrt, ihre Beschaffung aufwändig. Der Außenminister a.D. Gabriel wurde vom Unternehmen angestellt um seine Kontakte, insbesondere die aus dem chinesischem Raum zur Verfügung zu stellen. [48] Auch im Falle eines möglichen Ausbruch der afrikanischen Schweinepest hätte er zwischen deutschen Ministerien und chinesischen Behörden vermitteln sollen. Dafür erhielt Gabriel 10.000 Euro monatlich, zuzüglich eines vierstelligen Honorars je Reisetag. [49] Zu der Summe sagte er: "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr."[50] Christina Deckwirth vom Verein Lobbycontrol überraschte die Höhe des Gehalts nicht: "Ist man in bestimmten Kreisen angekommen, will man auch nicht mehr absteigen", erklärt Deckwirth im Gespräch mit t-online.de. Dort, wo sich der ehemalige Vizekanzler bewege, sei ein Honorar von 10.000 Euro möglicherweise tatsächlich nicht viel. Unproblematisch sei es dennoch nicht, schließlich gäbe es „viele andere Möglichkeiten, nach der politischen Karriere aktiv zu werden.“[51]

Kritisch ist Gabriels Tätigkeit auch unter dem Aspekt, dass er schon zuvor in seiner Funktion als Wirtschaftsminister mit Tönnies zu tun hatte. Im Jahr 2015 hatte Gabriel die Arbeitsbedingungen in der Fleischverarbeitungsindustrie noch als „Schande für Deutschland“ bezeichnet. Infolgedessen wurde Gabriel persönlich von Clemens Tönnies durch den Firmenstandort in Rheda-Wiedenbrück geführt. Anschließend wurde von einer gesetzlichen Regulierung abgesehen, lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung von Tönnies und einigen weiteren Unternehmen der Fleischindustrie kam zustande. Diese wurde parteiübergreifend als wirkungslos bezeichnet. Die F.A.Z berichtete in diesem Kontext über ein Schreiben des Firmenmiteigentümers Robert Tönnies, in dem er vor einem „Imageschaden“ für das Unternehmen warnt, da Gabriels Beratervertrag als „nachträgliche Belohnung“ für den Minister aufgefasst werden könnte.[52] Gabriel beendete seinen Vertrag mit Tönnies Ende Mai 2020 mit der Begründung er müsse sich einer komplizierten Operation unterziehen und könne deshalb die Tätigkeit nicht fortführen.[53] Zu diesem Zeitpunkt stand die Fleischindustrie auch bereits wegen Corona-Ausbrüchen in der Kritik, andere Beraterverträge kündigte Gabriel nicht.

Weitere Aktivitäten im Anschluss an die politische Karriere Zuletzt hält Gabriel weitere Beraterposten für diverse Unternehmen. So ist er seit März 2019 als direkter Berater des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte tätig und seit 2022 auch für Thyssen Krupp Steel im Aufsichtsrat[54]. Doch auch für Beratungsfirmen wie die Eurasia Group (seit 2019) [55] oder die Brunswick Group (seit 2022) [56], die einen breiten Kundenstamm beraten, ist er als honorierter Berater tätig. Hinzu kommen zudem ehrenamtliche Mitgliedschaften, wie als Vorsitzender der Atlantik Brücke, einem Verein zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen [57] oder auch einer Mitgliedschaft im Kuratorium der International Crisis Group, einer auf Krisenbewältigung spezialisierten Brüsseler Denkfabrik. [58]



Zitate

Kurz nach seinem Ausscheiden als Außenminister und Vizekanzler im März 2018 hatte er gegenüber "Bild am Sonntag" erklärt[59] :  

"Man soll nicht an Türen klopfen, hinter denen man selbst mal gesessen hat."

Weiterführende Informationen


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Götze & Joerres (2020): Die Klimaschutzlobby, EAN 978-3-492-31502-9, Götze & Joerres (2020): Die Klimaschmutzlobby S.151
  2. Sozialdemokrat Gabriel beriet Fleischmogul Tönnies, daserste.ndr.de, abgerufen am 12.07.2022
  3. Gabriel fehlt das Fingerspitzengefühl, www.sueddeutsche.de, abgerufen am 12.07.2022
  4. Die Lobbyaktivitäten des Sigmar Gabriel, www.abgeordnetenwatch.de, abgerufen am 12.07.2022
  5. Vorstandsmitglieder www.atlantik-bruecke.org, abgerufen am 13.09.2022
  6. Trilateral Commission Membership List. http://trilateral.org, abgerufen am 13.09.2022
  7. ECFR Council Membership. ecfr.eu, abgerufen am 13.09.2022
  8. Wechsel zu Holtzbrinck: Sigmar Gabriel wird Journalist faz.net, vom 27.06.2018, abgerufen am 13.09.2022
  9. Gabriel wird neuer Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel Europe. faz.net, vom 7. April 2022, abgerufen am 13.09.2022
  10. [https://www.politik-kommunikation.de/personalwechsel/gabriel-beraet-fuer-brunswick/ Gabriel berät für Brunswick. politik-kommunikation.de, vom 14. Februar 2022, abgerufen am 13.09.2022
  11. Sigmar Gabriel wird Aufsichtsrat der Deutschen Bank. In: sueddeutsche.de, 24. Januar 2020, abgerufen am 13.09.2022
  12. Siemens Energy Aufsichtsratsmitglieder. In: 'www.siemens-energy.com, abgerufen am 13.09.2022
  13. Sigmar Gabriels Beratertätigkeit bei Tönnies entsetzt SPD. In: spiegel.de. 2. Juli 2020, abgerufen am 13.09.2022
  14. Sigmar Gabriel nimmt Job bei US-Beratungsunternehmen an. In: zeit.de, 12. November 2019, abgerufen am 13.09.2022
  15. Sigmar Gabriel wird Schirmherr des Arbeitgebersiegels "Top Job" topjob.de, vom 06.05.2019, abgerufen am 13.09.2022
  16. Ex-Minister Gabriel hat neuen Nebenjob. In: spiegel.de, 27. März 2019, abgerufen am 13.09.2022
  17. Faymann und Sigmar Gabriel starten gemeinsame Firma. In: kurier.at. 7. November 2018, abgerufen am 13.09.2022
  18. VW Affäre - Strafanzeige gegen Minister Gabriel In: welt.de 24.11.2005, abgerufen am 13.09.2022
  19. Gabriel: Engagement für Björn Steiger Stiftung. In: welt.de. 13. März 2020, abgerufen am 13.09.2022
  20. Gabriel übernimmt Posten in Denkfabrik für Krisenbewältigung. In: wiwo.de, 25. Mai 2018. abgerufen am 13.09.2022
  21. VW Affäre - Strafanzeige gegen Minister Gabriel In: welt.de 24.11.2005, abgerufen am 13.09.2022
  22. Gabriel räumt Fehler ein In: nwzonline.de 09.02.2005, abgerufen am 13.09.2022
  23. VW Affäre - Strafanzeige gegen Minister Gabriel In: welt.de 24.11.2005, abgerufen am 13.09.2022
  24. Auch Sigmar Gabriel stand geschäftlich in Beziehung zu VW In: spiegel.de 03.02.2005, abgerufen am 13.09.2022
  25. VW Affäre - Strafanzeige gegen Minister Gabriel In: welt.de 24.11.2005, abgerufen am 13.09.2022
  26. Gabriel wollte mehr In: focus.de 27.03.2016, abgerufen am 13.09.2022
  27. Ceta-Abkommen: Gabriel kanzelt Freihandelskritiker ab. In: Spiegel Online 27. November 2014, abgerufen am 13.09.2022
  28. Bundesregierung trickst bei Schiedgerichten In: Zeit Online 18.05.2016, abgerufen am 13.09.2022
  29. Also doch Sonderrechte In: Zeit Online 25.05.2016, abgerufen am 13.09.2022
  30. Kommentar: Minister mussten schon für weniger gehen. In: tagesschau.de. 12. Juli 2016, abgerufen am 13.09.2022
  31. Gabriel und die Merkwürdigkeiten In: tagesschau.de. 15.07.2016, abgerufen am 13.09.2022
  32. Ministererlaubnis für Kaiser’s-Tengelmann-Übernahme gestoppt. In: tagesschau.de. 12.07.2016, abgerufen am 13.09.2022
  33. Schröder bekommt Kaiser’s-Schlichtung hin. In: www.n-tv.de 31.10.2016, abgerufen am 13.09.2022
  34. Gabriel kommt Kohle-Lobby entgegen. In: www.fr.de' 18.05.2015, abgerufen am 13.09.2022
  35. Die Fehler des Sigmar Gabriel In: www.welt.de' 20.04.2022, abgerufen am 13.09.2022
  36. Lobbyismus und Drehtür-Effekt beim Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream dserver.bundestag.de vom 15.12.17, abgerufen am 13.09.2022
  37. Wenn der Gasmann zweimal klingelt zeit.de vom 10.02.22, abgerufen am 13.09.2022
  38. Sigmar Gabriel räumt Fehler bei Nord Stream 2 ein br.de vom 19.04.22, abgerufen am 13.09.2022
  39. BASF Tochter Wintershall und Gazprom besiegeln Deal mit Signalwirkung handelsblatt.de vom 06.09.2015, abgerufen am 13.09.2022
  40. Wintershall Dea: Ein deutsches Gasunternehmen als Agent Putins? wdr.de vom 28.07.22, abgerufen am 13.09.2022
  41. Bundesregierung stützte Übergabe der deutschen Gasspeicher an Gazprom mit 1,8 Milliarden Euro correctiv.org vom 30.06.2022, abgerufen am 13.09.2022
  42. Viel Kritik an Sigmar Gabriels Wirtschaftsjob rundschau-online.de vom 17.05.2018, abgerufen am 13.09.2022
  43. Gabriels streitbarer Seitenwechsel welt.de vom 16.05.2018, abgerufen am 13.09.2022
  44. Gabriel fehlt das Fingerspitzengefühl sueddeutsche.de vom 27.01.2020, abgerufen am 14.09.2022
  45. Sigmar Gabriel lobbyierte bei Merkel für die Deutsche Bank abgeordnetenwatch.de vom 07.09.2021, abgerufen am 14.09.2022
  46. Falsches Amtsverständnis sueddeutsche.de vom 09.09.2021, abgerufen am 14.09.2022
  47. Sigmar Gabriel lobbyierte bei Merkel für die Deutsche Bank abgeordnetenwatch.de vom 07.09.2021, abgerufen am 14.09.2022
  48. Die Kunst des Ausschlachtens faz.net vom 02.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  49. Sozialdemokrat Gabriel beriet Fleischmogul Tönnies daserste.ndr.de vom 02.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  50. Gabriels Geschäfte spiegel.de vom 02.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  51. Deshalb verdienen Politiker in der Wirtschaft so viel Geld t-online.de vom 03.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  52. Die Kunst des Ausschlachtens faz.net vom 02.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  53. Gabriels Geschäfte spiegel.de vom 02.07.2020, abgerufen am 14.09.2022
  54. Gabriel wird neuer Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel Europe. faz.net, vom 7. April 2022, abgerufen am 13.09.2022
  55. Sigmar Gabriel nimmt Job bei US-Beratungsunternehmen an. In: zeit.de, 12. November 2019, abgerufen am 13.09.2022
  56. Gabriel berät für Brunswick. politik-kommunikation.de, vom 14. Februar 2022, abgerufen am 13.09.2022
  57. Vorstandsmitglieder www.atlantik-bruecke.org, abgerufen am 13.09.2022
  58. Gabriel übernimmt Posten in Denkfabrik für Krisenbewältigung. In: wiwo.de, 25. Mai 2018. abgerufen am 13.09.2022
  59. Gabriel will nicht Lobbyist werden faz.net vom 19.03.2018, abgerufen am 14.09.2022


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