Outsourcing von Gesetzen an Kanzleien und Wirtschaftsprüfer

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Mit dem Outsourcing von Gesetzen ist gemeint, dass externe Berater und besonders Anwaltskanzleien im Auftrag von Bundesregierung oder auch Bundestag Gesetzesentwürfe schreiben. Problematisch sind insbesondere mögliche Interessenkonflikte der Externen und deren fehlende Neutralität, z.B. wenn die Kanzleien zugleich auch für Unternehmen aus der betroffenen Branche arbeiten. Die Erarbeitung von Gesetzen ist eine zentrale hoheitliche Aufgabe, die nicht von interessengeleitete Unternehmen ausgeführt werden sollte. Diese sollte alleine demokratisch legitimierten Institutionen vorbehalten bleiben.

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Kritik

LobbyControl hält Outsourcing von Gesetzen für hoch problematisch. Gesetze müssen von den Ministerien oder dem Parlament selbst entworfen werden. Problematisch sind insbesondere mögliche Interessenkonflikte der Externen und deren fehlende Neutralität, z.B. wenn die Kanzleien zugleich auch für Unternehmen aus der betroffenen Branche arbeiten. Die Erarbeitung von Gesetzen ist eine zentrale hoheitliche Aufgabe, die nicht von interessengeleiteten Unternehmen ausgeführt werden sollte. Diese sollte allein demokratisch legitimierten Institutionen vorbehalten bleiben.

Der Bundesrechnungshof schrieb 2011 in einem Bericht an den Haushaltsausschuss, es sei "nicht ohne weiteres nachvollziehbar", warum Bundesministerien "Kernaufgaben" auf externe Berater übertrugen. Über das Risiko, dass Lobbyisten Einfluss nehmen könnten, dächten die Auftraggeber wohl kaum nach. Es habe kaum Überlegungen zu möglichen Interessenkonflikten oder der Gefahr der Beeinflussung gegeben. Außerdem seien die Aufträge für die Berater mit Stundensätzen zwischen 260 und 500 Euro nicht ausgeschrieben worden. Hinzu kämen Spesen, für die im Beratervertrag aber oft eine Obergrenze fehle. Die Begründung vieler Ministerien, der Beratungsbedarf bei der Arbeit an Gesetzesentwürfen sei dringend und es gebe zu wenig Sachverstand im eigenen Haus, lassen die Rechungsprüfer nicht gelten: "Dass einige Normsetzungsverfahren immer noch nicht abgeschlossen sind, macht deutlich, dass das Argument Dringlichkeit nicht durchweg sachgerecht war."[1]

Entwicklung

Das Outsourcing von Gesetzen begann in größerem Umfang ab 2000 unter Rot-Grün und wurde von der Großen Koalition ab 2005 noch einmal ausgeweitet. Im Zeitraum von 2000 bis 2009 haben Externe an 60 Gesetzes- und Verordnungsentwürfen mitgewirkt. Im Zeitraum von 1990 bis 1999 war nur ein einziges Gesetzesverfahren betroffen. Allein im Jahr 2009 waren Externe an 16 Gesetzen beteiligt, darunter große Wirtschaftskanzleien wie Freshfields, Linklaters, White &Case oder Hengeler Müller.[2]

Aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion geht hervor, in welchem Ministerium Externe an wie vielen Gesetze mitgewirkt haben.[2] Besonders oft war dies im Bundesministerium für Umwelt der Fall, gefolgt vom Verkehrsministerium und dem Innenministerium. Die Honorare werden ebenfalls aufgelistet. Insgesamt wendeten die Ministerien demnach von 2000 bis 2009 über 6 Millionen Euro für die Mithilfe an Gesetzen durch externe Berater auf. Allerdings sind die Zahlen unvollständig: Nicht öffentlich zugänglich ist, welche Honorare das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium in dem Zeitraum für das Mitwirken an ihren Gesetzen zahlten.

Nicht immer klar ersichtlich ist zudem, welchen Anteil die beauftragten Organisationen am endgültigen Gesetz hatten. Ob eine ergänzende Beratung stattfand oder das komplette Gesetz entworfen wurde, bleibt häufig nur vage angeführt. So hat beispielsweise die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer am Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008 und dessen Ergänzung im Februar 2009 und Juli 2009 mitgewirkt. Wie stark das endgültige Gesetz aber letztlich davon beeinflusst wurde bleibt im Unklaren.

In den letzten Jahren ging das Gesetzesoutsourcing zurück. Unter der schwarz-gelben Bundesregierung (2009–2013) wurden zwölf Gesetzes- und Verordnungsentwürfe der Bundesregierung und der obersten Bundesbehörden unter Mithilfe von Externen.

Klarstellung in den „Leitsätzen der externen Finanzkontrolle“

Der Präsident des Bundesrechungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat Erkenntnisse mit einer gewissen Allgemeingültigkeit für das Verwaltungshandeln in Form von „Leitsätzen der externen Finanzkontrolle“ aufbereiten lassen, um „typische Fehler“ im Bereich der Bundesverwaltung zu vermeiden.[3] Laut "Leitsatz 01/04 Einsatz externer Berater - Grundsatz vom 15. Dezember 2014" dürfen Kernaufgaben wegen der besonderen Risiken für die Verwaltungsintegrität grundsätzlich nicht auf externe Berater übertragen werden. Beispielsweise habe die Verwaltung jeglichen Anschein zu vermeiden, externe Berater könnten Einfluss auf die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nehmen; es sei daher nicht zulässig, externe Berater mit dem eigenständigen Formulieren von Regelungsentwürfen, dem federführenden Bearbeiten von Stellungnahmen oder von Vorlagen für die Leitung der Bundesministerien zu beauftragen. Darüber hinaus sollten externe Berater auch nicht für verantwortliche Projektsteuerungs- und Kontrollaufgaben in Anspruch genommen werden.[4]

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