Hans-Joachim-Martini-Stiftung
Hans-Joachim-Martini-Stiftung | |
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Rechtsform | gemeinnützige und rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts |
Tätigkeitsbereich | Vergabe von Fördergeldern und Preisen in der Erwartung, inhaltlich Einfluss auf die Arbeit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nehmen zu können |
Gründungsdatum | 1987 (1982: Hans-Joachim-Martini-Fonds) |
Hauptsitz | Hannover c/o BGR |
Lobbybüro | |
Lobbybüro EU | |
Webadresse | Nutzung der Webseite der BGR[1] |
Die Hans-Joachim-Martini-Stiftung (frühere Bezeichung: Hans-Joachim-Martini-Fonds) ist von Vertretern der Industrie mit dem Ziel gegründet worden, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) über Preisgelder und die Finanzierung von Studien zu unterstützen. Verschiedene Schriftstücke sowie die inhaltliche Ausrichtung einiger Forschungsarbeiten, die die Stiftung finanziert beziehungsweise mit Geldpreisen belohnt hat, legen den Schluss nahe, dass Stifter mit ihrem finanziellen Einsatz inhaltlich Einfluss auf die Arbeit der BGR nehmen wollten.[2]
Inhaltsverzeichnis
Intransparenz
Die Stiftung hat keine eigene Webseite. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen leitet Anfragen auf die Webseite des BGR weiter[3], auf der Anfang Juli 2016 keine Informationen zur Stiftung abrufbar waren. Bis zu den Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ), auf deren Ergebnissen die Darlegungen in diesem Artikel im Wesentlichen beruhen, gab es kaum öffentlich zugängliche Informationen zur Stiftung. Sie macht auch weiterhin keine Angaben zu der Frage, woher das Geld für die Förderpreise kommt und wer damit bedacht wird.[4] Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes könne man keine Einzelheiten zu Spendern oder Geldempfängern nennen. Für mehr Transparenz aber fehlten leider Geld und Personal. LobbyControl bezeichnete dies als einen Skandal, den die Bundesregierung unverzüglich klären müsse[5]: „Es kann nicht sein, dass eine private Stiftung und ihre Vertreter Einfluss auf die Forschung einer Bundesanstalt nehmen, und ihre Namen und Geldgeber der Öffentlichkeit völlig unbekannt sind!“
Lobbystrategien und Einfluss
Die Hans-Martin-Stiftung ist gegründet worden, um die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die die Bundesministerien und Institutionen der EU berät, indirekt zu finanzieren. Zu den Spendern gehörten Unternehmen, für deren wirtschaftliche Tätigkeit die inhaltliche Ausrichtung der BGR von Bedeutung ist: Bayer, Degussa, die Energiekonzerne Preussag und der Braunkohleförderer Rheinbraun (heute RWE), der Gasförderer Wintershall und das Stahlunternehmen Salzgitter.[6] Das Stiftungskapital ist bis 2016 auf 400 Tsd. Euro angewachsen. Über heutige Geldgeber macht die Stiftung keine Angaben.
Einflussmöglichkeiten durch Verflechtung mit der BGR
Die Stiftung ist eng mit der BGR verflochten. Sie ist unter der Anschrift der BGR gemeldet und nutzt deren Webseite. Die Aufgabe des Geschäftsführers wurde in den vergangenen Jahrzehnten stets von Mitarbeitern des BGR übernommen und Stiftungsvorsitzender ist laut Satzung der Vorsitzende des BGR-Kuratoriums, das die Leitung des BGR in wichtigen Fragen berät.[7] Derzeitiger Stiftungsvorsitzender und BGR-Kuratoriumsvorsitzender ist Martin Bachmann, Vorstandsmitglied der Wintershall Holding und Vorsitzender des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG); derzeitiger Stellvertretender Stiftungsvorsitzender und Mitglied des BGR-Kuratoriums ist der Vorstandsvorsitzende der Ruhrkohle AG und Präsident des Gesamtverbands Steinkohle e.V., Bernd Tönjes.[8] Schatzmeister des Stiftungsrats und Mitglied des BGR-Kuratoriums ist Norbert Kloppenburg, Vorstandsmitglied der KfW-Bankengruppe und Mitglied des Kuratoriums des Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e.V.[9] Weitere Mitglieder sind u.a. der Präsident des BGR und ein ständiger Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums.
Die institutionalisierte Kooperation mit der BGR verschafft der Industrie die Möglichkeit, ihre interessengeleiteten Positionen bei umstrittenen Themen wie dem Fracking leitenden Mitarbeitern der BGR laufend informell nahe zu bringen.
Einflussmöglichkeiten durch finanzielle Unterstützung der BGR
Aus den Mitteln der Stiftung (frühere Bezeichnung: Fonds) wurden „verdiente Mitarbeiter“ über Preisgelder für ihre Arbeit „belohnt“, ausgewählte Studien finanziert sowie Tagungen und größere Anschaffungen (z.B. Computer) gesponsert.[10]
Zu den geförderten Projekten gehört eine umstrittene Studie, die belegen sollte, dass CO2 nicht die Hauptursache für den Klimawandel ist.[11] Das Ergebnis, dass CO2 nur eine untergeordnete Rolle am Treibhausgaseffekt spiele, bezeichnete der Klimaforscher Stefan Rahmsdorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung als „haarstreubend“.[12] Kurze Zeit später veröffentlichte die BGR auf der Basis dieser Studie das Buch "Klimafakten" - bis heute eine Art "Heilige Schrift" all jener, die den Klimawandel oder zumindest den Anteil des Menschen daran bezweifeln.[13] Zum Anwerben neuer Spenden wurde die besagte "Klimastudie" als besonders gelungenes Beispiel für die Arbeit der Stiftung hervorgehoben.
Auch beim Fracking, der unterirdischen Lagerung von CO2 per „CCS“ oder beim Endlagerprojekt Gorleben steht die BGR auf Seiten der Industrie.[14] So wurden auch Studien, die Zweifel am Salzstock Gorleben zerstreuen sollen, gefördert. Den Hans-Joachim-Martini-Preis erhielt ein Wissenschafter, der mit seiner Arbeit den schädlichen Einfluss von Infraschall bei Windrädern zu belegen versuchte.[15] Das Energieunternehmen RWE hat 2011 in der BGR zwei Mitarbeiterstellen in einem Forschungsprojekt finanziert, das Regeln für den Einsatz der CCS-Technologie in Deutschland erarbeiten sollte, an der RWE selbst interessiert war.[16]
In einem Bericht bezeichnete die Innenrevision des Bundeswirtschaftsministeriums 2012 die von der Stiftung vergebenen Preisgelder als unzulässige "Geschenke" und kritisierte, dass ausschließlich BGR-Angestellte zum Kreis der Begünstigten gehörten.[17]
Organisationsstruktur, Personal und Verbindungen
Sitz der Stiftung
Die Stiftung residiert bei der BGR[18]
Geschäftsführer
Der Geschäftsführer ist nicht bekannt (vermutlich handelt es sich um einen Mitarbeiter der BGR)
Stiftungskuratorium
Mitglieder sind u.a.
- Martin Bachmann (Vorsitzender)
- Wintershall Holding GmbH, Mitglied des Vorstands
- Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), Vorsitzender
- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Vorsitzender des Kuratoriums
- Bernd Tönjes (Stellv. Vorsitzender)
- RAG Aktiengesellschaft, Vorsitzender des Vorstands
- Gesamtverband Steinkohle e.V., Vorsitzender (Präsident)
- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Mitglied des Kuratoriums
- Norbert Kloppenburg (Schatzmeister)
- KfW Bankengruppe, Mitglied des Vorstands
- Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e.V., Mitglied des Kuratoriums
- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Mitglied des Kuratoriums
- Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
- ständiger Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, dem die BGR untersteht
(Stand: Juli 2016) Quellen: Einzelnachweise im Abschnitt "Einflussmöglichkeiten durch Verflechtung mit der BGR" und Webseiten der genannten Organisationen
Weiterführende Informationen
Michael Bauchmüller: Umweltstudien: Gutes Geld für steile Thesen
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ Stiftungen A - Z, stiftungen.org, abgerufen am 01.07.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Stiftungen A - Z, stiftungen.org, abgerufen am 01.07.2016
- ↑ Michael Bauchmüller: Umweltstudien: Gutes Geld für steile Thesen, sueddeutsche.de 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Rohstoffbehörde BGR ließ sich von Industrie mitfinanzieren, Webseite Lobbycontrol 01.07.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Michael Bauchmüller: Umweltstudien: Gutes Geld für steile Thesen, sueddeutsche.de 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Mandate und Ehrenämter, kfw.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Michael Bauchmüller: Umweltstudien: Gutes Geld für steile Thesen, sueddeutsche.de 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Extra-Kasse statt Extra-Klasse, tagesschau 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Michael Bauchmüller: Umweltstudien: Gutes Geld für steile Thesen, sueddeutsche.de 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Extra-Kasse statt Extra-Klasse, tagesschau 29.06.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Rohstoffbehörde BGR ließ sich von Industrie mitfinanzieren, Webseite Lobbycontrol 01.07.2016, abgerufen am 09.07.2016
- ↑ Björn Siebke: Gefälligkeitsgutachten zu Gorleben und Fracking?, NDR.de 29.06.2016, ndr.de, abgerufen am 30.06.2016
- ↑ Ausschreibung 2014 für Stipendien der Hans-Joachim-Martini-Stiftung, geonetzwerk.org, abgerufen am 10.07.2016