Europäische Arzneimittelagentur

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Hauptsitz London
Gründung 1995
Tätigkeitsbereich Arzneimittel
Mitarbeiter ca. 440
Etat
Webadresse www.ema.de

Die Europäische Arzneimittelagentur (engl. European Medicines Agency, EMA) ist eine in London ansässige EU-Agentur, die für die Beurteilung von Arzneimitteln zuständig ist. Sie entscheidet also, ob Arzneimittel für den europäischen Markt sicher und wirkungsvoll genug sind.

Kurzdarstellung und Geschichte

Die Europäische Arzneimittelagentur wurde 1995 gegründet und hat ihren Sitz in London. Die EU-Agentur soll die Gesundheit von Mensch und Tier fördern und schützen, indem sie die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln beurteilt.Agenturen der EU: Europäische Arzneimittel-Agentur, www.europa.eu/agencies, aufgerufen am 12.10.2012 Die EMA prüft Anträge von Unternehmen, die Arzneimittel im Europäischen Wirtschaftsraum (den EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) verkaufen möchten. Erst wenn das Medikament von der EMA für sicher und wirksam befunden, und eine Genehmigung ausgestellt wurde, darf es in Verkehr gebracht werden. Doch auch wenn das Arzneimittel bereits auf dem Markt ist, muss die EMA sich laufend versichern, dass das Produkt allen Standards entspricht und es gegebenenfalls vom Markt nehmen.

Ein weiteres Feld, in dem die EMA tätig ist, ist die Forschung: Die Agentur berät forschende Arzneimittelunternehmen bei der Entwicklung neuer medizinischer Produkte. Außerdem unterstützt sie die EU bei der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, zum Beispiel der WHO, und Drittstaaten.

Organisationsstruktur und Personal

Aktuell ist Andreas Pott der Direktor der EMA. Verwaltungsrat ist für Haushaltsangelegenheiten zuständig

Die wissenschaftliche Bewertung von Arzneimitteln wird von Komitees vorgenommen, die sich aus

Einflussnahme und Lobbystrategien

Welche Ansatzpunkte haben Interessengruppen, um das Verhalten der Institution zu beeinflussen?

Seitenwechsler

Die Europäische Arzneimittelagentur wurde wegen ihren Fällen von Seitenwechslern schon mehrfach mit negative Schlagzeilen konfrontiert. Gerade die Häufigkeit, mit der sie auftreten, kratzt am Ansehen der Agentur. Um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, rügte die EMA ihre Seitenwechsler im Nachhinein und stellte Richtlinien für ihre Mitarbeiter auf, die sie bei der Wahl eines künftigen Arbeitgebers beachten sollen. Gleichzeitig räumte Guido Rasi, seit 2011 Direktor der EMAExecutive Director: Guido Rasi, www.ema.europa.eu, aufgerufen am 10.10.2012, ein, dass die Agentur nur begrenzt über Instrumente verfügt, für die tatsächliche Umsetzung dieser Richtlinien zu sorgen.Job revives %u2018revolving door%u2019 debate, www.ft.com, aufgerufen am 10.10.2012 Gleichzeitig implementierte die EMA noch keine Karenzzeit für ihre Mitarbeiter, die die Gefahr eines allgemeinwohlgefährdenden Interessenkonflikts schon minimieren würde.Block the revolving door: why we need to stop EU officials becoming lobbyists, www.alter-eu.org, aufgerufen am 11.10.2012


Thomas Lönngren: Ehemaliger EMA-Direktor wird Berater der Pharmaindustrie

Thomas Lönngren war zehn Jahre lang, bis zum 31. Dezember 2010, der Direktor der Europäischen Arzneimittelagentur. Direkt im Anschluss, am 1. Januar 2011, wechselte er ins Management von NDA, einer Beratungsagentur für Arzneimittelunternehmen.NDA: Our Management, www.ndareg.com, aufgerufen am 10.10.2012 Lönngren wurde außerdem nicht-geschäftsführender Direktor der australischen Biotech-Firma CBio Limited.Block the revolving door: Why we have to stop EU-offilials becoming lobbyists, www.alter-eu.org, aufgerufen am 11.10.2012

Was diesen Seitenwechsel besonders bedenklich macht ist, dass Lönngren nun für Pharmakonzerne arbeitet, deren Produkte er vorher prüfen und gegebenenfalls vom Europäischen Markt nehmen sollte.Former EMA chief faces job scrutiny, www.ft.com, aufgerufen am 11.10.2012 Die EMA genehmigte den Wechsel und vertraut auf die Integrität ihres ehemaligen Direktors. Nachdem NGOs und einzelne Abgeordnete des Europäischen Parlaments aber scharfe Kritik an der Genehmigung äußerten, formulierte die EMA Restriktionen: Lönngren soll sich beruflich etwa nicht mit EMA-Mitarbeitern treffen oder Dritte bei Gesprächen mit der Agentur vertreten. Ob solche Regeln das Problem vollends lösen, ist kaum vorstellbar: Denn Lönngren nimmt sein Netzwerk und die Kontakte, die er während seiner Zeit als Direktor der EMA erwarb, in seinen neuen Job mit - Restriktionen hin oder her. Außerdem fordert die Agentur von ihren ehemaligen Mitarbeitern keine Karenzzeit einzuhalten, bevor sie als Berater zu Pharmakonzernen wechseln.Activities of former EMA Executive Director Thomas Lönngren, www.ema.europa.eu, aufgerufen am 11.10.2012 Former EMA chief faces job scrutiny, www.ft.com, aufgerufen am 11.10.2012 Doch die Kontakte und das Netzwerk sowohl in den EU-Institutionen als auch in der Pharmaindustrie, welche Lönngren in seiner Zeit bei der EMA aufbaute, nimmt er trotz aller Regulierungen und Bitten Seitens der EMA mit. Viel effektiver wäre es also gewesen eine Karenzzeit zu implementieren oder - noch besser - einen Wechsel eines EMA-Mitarbeitern zu Pharmakonzernen komplett zu unterbinden.

Im Januar 2012 wurde publik, dass Thomas Lönngren sein eigenes Beratungsunternehmen gründete, Pharma Executive Consulting Ltd., noch während er EMA-Direktor war.Ex-head of Europe's drug regulator set up consultancy while still in office, www.alter-eu.org, aufgerufen am 11.10.2012


Vincenzo Salvatore

Der Anwalt Vicenzo Salvatore war von November 2004 bis zum 15. Juni 2012 bei der EMA als Leiter der Rechtsabteilung tätig. Nur eine Woche später trat er seinen Dienst bei Sidley Austin an, einer US-Amerikanischen Anwaltskanzlei, die ihre rund 1700 Anwälte auf 18 Städte über den ganzen Globus verteilt hat.Vincenzo Salvatore, Head of Legal Service at the European Medicines Agency, Joins Sidley Austin as Senior Counsel, www.prnewswire.com, aufgerufen am 10.10.2012 Laut Sidley Austin hat Salvatore in seinem neuen Job die Aufgabe, Life-Science Unternehmen zu beraten, wenn es um EU-Regulationen und gesetzgeberische Prozesse geht.Our People: Vicenzo Salvatore, www.sidley.com, aufgerufen am 09.10.2012

Die EMA war über den Wechsel ihres ehemaligen Mitarbeiters wenig erfreut - nicht zuletzt, da er ihr heftige Kritik und negative Schlagzeilen bescherte. Ein gemischter Ausschuss der EMA befasste sich deshalb mit dem Fall. Der Ausschuss bewilligte den Wechsel zwar, stellte aber Forderungen: Salvatore darf sich weder mit Fällen befassen, die direkt oder indirekt mit der EMA in Verbindung stehen, noch darf er innerhalb der nächsten zwei Jahre in eine Führungsposition eines Pharmakonzerns wechseln.Revolving Door Watch: Vicenzo Salvatore, www.corporateeurope.org, aufgerufen am 10.10.2012

Doch sind es natürlich gerade diese Tätigkeiten, die Vicenzo Salvatore für Sidley Austin interessant macht. George Petrow ist auch für Sidley Austin tätig und preißt seinen neuen Kollegen folgerndermaßen:

Vincenzo is internationally recognized for his deep understanding of the EMA and the complex regulatory and enforcement environment in which the life sciences industry operates. He will be a tremendous asset to our clients, particularly those pharmaceutical and biotech companies that currently do business in Europe or are considering entering that market.Vincenzo Salvatore, Head Of Legal Service At The European Medicines Agency, Joins Sidley Austin As Senior Counsel, www.sidley.com, aufgerufen am 10.10.2012

Und was sagt Vicenzo Salvatore selbst dazu? Er sieht in seinem Wechsel natürlich kein Problem, denn: "there is nothing to stop people working in their field of expertise."Medicines Agency probes conflict of Interest, www.ft.com, aufgerufen am 05.10.2012


Xavier Luria

Ein weiteres Beispiel für einen Seitenwechsler aus den Reihen der EMA-Mitarbeiter ist Xavier Luria. Bei der EMA leitete Luria den Bereich Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln, seit März 2012 ist er nun als Berater unter anderem für Trial Form Support, NDA Partners, Oryzon und Kinesys Consulting UK tätig, allesamt Pharmaunternehmen oder deren Beratunungsdienstleister.Revolving Door Watch: Xavier Luria, www.corporateeurope.org, aufgerufen am 11.10.2012

Schnittstellen

Wo treffen sich Mitarbeiter der Institution mit Lobbyisten und Wirtschaftsvertretern

Fallstudien und Kritik

EMA hält am umstrittenen Krebsmedikament Avastin fest

Avastin wird von dem schweizer Pharmakonzern Roche hergestellt und ist seit 2005 als Mittel gegen Darmkrebs registriert. Im Laufe der Zeit erhielt es jedoch Zulassungen als Mittel gegen weitere Krebsarten, zuletzt auch gegen Brustkrebs. Heute ist es eines der teuersten und zugleich meistverkauften Medikamente im Kampf gegen den Krebs - nicht zuletzt da Roche es nahezu als 'Wundermittel' anpries.Fragwürdige Expertise: Lobbyarbeit für Krebsmedikament? www.wdr.de, aufgerufen am 02.10.2012 Die Brustkrebsbehandlung mit Avastin kostet pro Jahr etwa 20-mal mehr als eine Chemotherapie.Krebsmittel Avastin: Die 100.000-Franken-Therapie www.zeit.de, aufgerufen am 02.10.2012

Während die EMA den Einsatz des Medikaments Avastin im Juni 2011 gegen Brustkrebs erweiterte, entzog ihr US-Amerikanisches Pendant, die Food and Drug Administration, Avastin die Genehmigung als Mittel gegen Brustkrebs ganz. In den USA darf Avastin zwar noch als Mittel gegen andere Krebsarten eingesetzt werden; bei Brustkrebspatientinnen sei aber durch das Medikament kein Nutzen entstanden, der die erheblichen Nebenwirkungen aufwöge. Im Speziellen konnte in der Praxis nicht nachgewiesen werden, dass das Medikament das Leben der Patientinnen verlängern oder zu einer verbesserten Lebensqualität führen kann.

Warum sich jedoch die zuständigen Stellen in den USA und der EU bezüglich Avastin uneins sind, wirft Fragen auf. Und ein Blick auf die Zusammensetzung des EMA-Expertengremiums, das über die Zulassung des Medikaments entschied, deutet auf eine skandalöse Erklärung: Sechs der zehn 'unabhängigen Experten' der EMA stehen in direktem oder indirektem Kontakt zum Hersteller Roche. Prof. Lothar Bergmann zum Beispiel stand und steht in einem Beratungsverhältnis zu Roche - unter anderem für den Wirkstoff Bevacizumab, der auch in Avastin steckt.Public Declaration of Interests and Confidentiality Undertaking of European Medicines, Prof. Lothar Bergmann, www.ema.europa.eu/ema, aufgerufen am 02.10.2012 Er selbst sieht darin kein Problem, seine Entscheidung beruhe auf Fakten. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass jemand einen Pharmahersteller erst bei der Produktion eines Medikaments berät, um es dann im entsprechenden Gremium wieder vom Markt zu nehmen. Und die EMA? Sie versucht einzulenken: Diejenigen Mediziner, die mit Roche in Verbindung stehen, seien nur beschränkt an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum sie überhaupt in dem Gremium saßen. Die Erklärungen sind also recht unbefriedigend.

Unterm Strich bleibt, dass der Konzern einen Weg gefunden hat, sein überteuertes und offenbar unwirksames Medikament auf den Markt zu bringen - und hat damit bisher rund 7 Milliarden %u20AC verdient.

Weiterführende Informationen

Zu Avasin:


Einzelnachweise

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