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Einluss auf die Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
- Zuletzt vor 22 Tage von Martin Jähnert bearbeitet
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Unternehmen in Deutschland und in der Europäischen Union müssen Berichte zu den Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf ihr Umfeld verfassen (Nachhaltigkeitsberichterstattung). Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt es auf nationaler wie auf europäischer Ebene Standards, die fortlaufend Ziel der Einflussnahme von Unternehmen und Verbänden sind.
Die Akteure, die bei der Standardsetzung mitwirken, sind teils von Lobbyist:innen dominiert.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Überblick
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene eine Grundlage um die Auswirkung der Aktivitäten eines Unternehmens auf die Umwelt zu verdeutlichen.
Für die deutsche Nachhaltigkeitsberichterstattung ist das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) ein zentraler Akteur. Aufgrund der Finanzierung durch kapitalmarktorientierte Unternehmen gibt es Zweifel an der Unabhängigkeit des DRSC. Ein 2024 veröffentlichtes Gutachten spricht dem DRSC sogar das Mandat für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ab.
Auf europäischer Ebene sind die Akteure des International Sustainability Standards Board (ISSB), die European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG) und die value balancing alliance (vba) relevant.
Das ISSB erarbeitet globale Mindestanforderungen der Nachhaltigkleitsberichterstattung für Unternehmen und wird von Kritiker:innen als blockierend in der Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandardsetzung wahrgenommen.
Die EFRAG berät die Europäische Kommission im Bereich der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung hinsichtlich des öffentlichen Interesses. Außerdem hat die EFRAG die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die Themenbereiche Umwelt, Soziales und Governance beinhalten entwickelt.
Die vba wurde von der EU beauftragt, eine Methode zu entwickeln, die soziale und ökologische Auswirkungen von Geschäftsaktivitäten von Unternehmen in vergleichbaren Finanzdaten widergespiegelt. Die Methodik beinhaltet laut Kritiker:innen weder wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsziele, noch die daraus folgenden Transformationspfade.
Abgeschwächt wird die Standardsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Forderung der Antwerp Declaration durch von der Leyen selber, mit der Begründung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Aufgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Der Sinn von Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es, Transparenz über die nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen eines Unternehmens zu erfahren. Dadurch sollen die Auswirkungen eines Unternehmens auf Mensch und Umwelt verdeutlicht werden. Dies soll vor allem Finanzmarktakteuren eine Grundlage bieten, um nachhaltigere Anlageentscheidungen für ihr Portfolio zu treffen.[1]
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll sowohl die Wirkung des Umfeldes auf das Unternehmen, als auch die Auswirkung des Unternehmens auf das Umfeld umfassen. Unternehmen müssen in Deutschland erst seit 2017 über die sozialen und ökologischen Auswirkungen auf ihr Umfeld berichten. Den Unternehmen drohen Sanktionen, wenn es zu Verstößen gegen die Nachhaltigkeitsberichterstattung kommt.[2]
Nationale Ebene
Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) beschreibt sich selbst als unabhängiger, eingetragener und selbstlos tätiger Verein. Das DRSC setzt Standards auf nationaler Ebene für das Gebiet der Konzernrechnungslegung in Deutschland.[3] Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein Teil der Konzernrechnungslegung.[4]
Zweifel an der Unabhängigkeit des DRSC
Das DRSC ist ein Verein, der von der deutschen Wirtschaft gegründet wurde.[5] Dessen Ziel ist es laut Phillipe Diaz - Mitglied der Sustainability Reporting Technical Expert Group bei EFRAG, „die Interessen der deutschen Wirtschaft im Bereich der Rechnungslegung international zu vertreten“. Somit schreibe die Wirtschaft sich laut Diaz ihre eigenen Standards.[6]
Stand 04. Juli 2023 hat der DRSC 90 Mitglieder aus der Wirtschaft und keinen aus der Zivilgesellschaft oder aus der Wissenschaft. Darunter sind 46 kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen. Dazu zählen zum Beispiel das BASF, die Bayer AG, Siemens AG und die Volkswagen Aktiengesellschaft.[7]
Die Uni Bremen hat diese Abhängigkeit in einem wissenschaftlichen Aufsatz bestätigt. Diese weist darauf hin, dass das DRSC seine Einnahmen zu 94 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen im Jahr 2020 erhielt. Davon sind 57 Prozent von Großkonzernen.[6]
Laut dem Jahresbericht 2022 des DRSC, haben die Mehrheit der Mitglieder des, ´Fachausschusses Nachhaltigkeitsberichterstattung´ keine Expertise zu Umweltthemen.[8] Laut Diaz ist dies der Beleg, dass Umweltstandards nicht sinnvoll kommentiert werden könnten.[6]
Im Auftrag von Naturschutzbund Deutschland und Germanwatch, kam ein Gutachten 2024 zu dem Urteil, dass dem DRSC im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung eine eindeutige Rechtsgrundlage fehle. Das Urteil verdeutlicht laut Germanwatch, dass ein Mandat für die Rechnungslegung nicht automatisch das Mandat für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ergibt. Dazu gehörten, dass keine Empfehlungen zur Anwendung der Vorschriften der Nachhaltigkeitsberichterstattung erlassen werden dürfen, sowie keine Befugnis zur Vertretung der Bundesrepublik in internationalen Standardisierungsgremien. Laut Germanwatch braucht es ein Gremium, in dem Interessenkonflikte vermieden werden und diverse Perspektiven und Kompetenzen abgebildet sind.[9]
Europäische Ebene
Mit Beschließung des European Green Deal sollte die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Ebene mit der Finanzberichterstattung gestellt werden.[6]
Als wichtige Akteure auf europäischer Ebene zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gelten das International Sustainability Standards Board (ISSB), die European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG) und die value balancing alliance (vba).
ISSB
Das International Sustainability Standards Board (ISSB) wurde 2021 von der International Reporting Financial Standards (IFRS)-Stiftung gegründet und mit der Erarbeitung von globalen Mindestanforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen beauftragt.[10]
Die IFRS-Stiftung ist eine privatwirtschaftliche Organisation die Rechnungslegungsstandards für die Finanzberichterstattung entwickelt.[11]
Das ISSB setzt sich aus 15 Personen zusammen, die aus Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft, sowie der Wissenschaft kommen. Diese repräsentieren verschiedene Weltregionen.[12]
Finanziert wird die IFRS-Stiftung durch Unternehmen und durch freiwillige Beiträgen aus Kanada, China, Deutschland und Japan.[13] Zu den Unternehmen gehören Unilever PLC, Pfizer, S&P Global und London Stock Exchange Group.[14]
Kritik erntet das ISSB von Mirova-CEO (globale Vermögensverwaltungsgesellschaft[15]) Philippe Zaouati. Er glaubt, dass das ISSB nur dafür geschaffen wurde die Entwicklung des Aufbaues von internationalen Nachhaltigkeitsstandards zu blockieren. Deswegen beschreibt er das ISSB als Eintagsfliege zur Verlängerung des „business as usual“.[16]
EFRAG
Die European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG) beschreibt sich selbst als 2001 gegründeter Privatverband, der die Europäische Kommission dazu ermutigen will, dem öffentlichem Interesse zu dienen. Das meint die Europäische Kommission sowohl im Bereich der Finanz- als auch bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beraten.[17]
Die EFRAG hat die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entwickelt. Die ESRS beinhalten die Themenbereiche Umwelt, Soziales und Governance.[18] Diese müssen von allen, Unternehmen die dem Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen, eingehalten werden.[19]
Die ESRS seien laut Phillipe Diaz durch Lobbying von konservativen Industriegruppen soweit geschwächt worden, dass diese nicht mehr dem entsprechen, was die EFRAG vorschlug und nun Schlupflöcher für Greenwashing entstanden sind.[20]
Außerdem hat die EFRAG mit der Europäischen Union vereinbart, dass die EFRAG die Europäischen Kommission dabei unterstützt, inwiefern geänderte oder neu ausgestellte IRFS-Rechnungslegungsstandards die Kriterien der IAS-Verordnung (Internationale Rechnungslegungsstandards[21]) für die EU erfüllen.[22]
Finanziert wird die EFRAG durch ihre Mitglieder und durch die Europäische Union.[23]
Zwischen den ISSB-Standards und den ESRS bestehen Unterschiede. Nach ISSB-Standards sollen Unternehmen nur aus finanzieller Sicht Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen. Im Rahmen der ESRS sind Unternehmen zusätzlich aufgefordert, die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten offenzulegen.[24]
Vba
Die value balancing alliance (vba) sagt von sich selbst, dass sie ein von der EU beauftragter Zusammenschluss von Unternehmen ist, der dafür sorgt, dass soziale und ökologische Auswirkungen von Geschäftsaktivitäten von Unternehmen in vergleichbaren Finanzdaten widergespiegelt werden. Dies soll mit Hilfe einer Methodik geschehen.[25]
Kritisiert wird die vba von Germanwatch, vom NABU und dem WWF. Diese Akteure halten den VBA-Ansatz für ungeeignet, um die Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten sinnvoll abzubilden. Dem VBA-Ansatz wird dabei vorgeworfen, keine klare Aussage über die tatsächlichen Auswirkungen von Unternehmen auf Gesellschaft und Umwelt treffen zu können.[26] Der WWF kritisiert, dass die Methodik sich weder auf wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsziele, noch auf daraus folgende Transformationspfade bezieht.[27]
Finanziert wird die vba durch ihre Mitglieder. Mitglieder sind unter anderem Unternehmen wie BASF, Bayer, Deutsche Bank, SAP und Volkswagen Group.[28]
Nachhaltige Abschwächung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Antwerp Declaration
2024 präsentierten über 1000 Unternehmen und Organisationen die Antwerp Declaration
für ein europäisches Industrieabkommen. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem die Bayer AG und BASF.[29]
Eine zentrale Forderung der Antwerp Declaration ist unter anderem die Abschwächung der „übermäßigen Berichterstattung. Daraufhin kündigte Ursula von der Leyen an, weitere Abschwächungen der Standardsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch ein mögliches Omnibus-Gesetz zu ermöglichen.[30]
Ein Omnibus-Gesetz ist ein Gesetz, mit dem gleich mehrere Gesetzesänderungen erlassen werden.[31] Von der Leyen schwächt mit dem Omnibus-Gesetz Berichtspflichten und passt drei Säulen des European Green Deal an. Dazu zählen neben dem EU-Lieferkettengesetz und der Taxonomie-Verordnung auch die Unternehmens- Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Dies steht im „Competitiveness Compass for the EU“.[32]
Einzelnachweise
- Hochspringen ↑ CSR-Richtlinie, Umweltbundesamt, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Nachhaltigkeitsberichterstattung, Haufe.de vom 11.12.2024, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ PROFIL - ÜBERBLICK, Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V., abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Gemeinsam die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland stärken, Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V. vom 08.09.2022, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ PROFIL - ÜBERBLICK, Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V., abgerufen am 13.02.2025
- ↑ Hochspringen nach: 6,0 6,1 6,2 6,3 Corporate Capture in der Standardsetzung - das DRSC als Handlanger von Großkonzernen, Philippe Diaz auf linkedin.com vom 05.07.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen und Verbände, Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V., abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Jahresbericht 2022, Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V., abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Bundesjustizministerium muss Standardsetzung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung neu regeln, Germanwatch vom 17.04.2024, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About the International Sustainability Standards Board, International Reporting Financial Standards, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Standardsetzer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, UmweltBundesamt vom 17.11.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Standardsetzer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Umweltbundesamt vom 17.11.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Who we are, International Reporting Financial Standards, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ The IFRS Foundation Corporate Champions Network, International Reporting Financial Standards, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, Mirova, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ The ISSB is a flash in the pan to prolong business as usual," Mirova CEO laments, Corporate Disclosures vom 22.07.2022, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG), abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Standardsetzer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, UmweltBundesamt vom 17.11.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ European Sustainability Reporting Standards (ESRS), Climate Partner, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ EU-Kommission untergräbt Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, WWF vom 31.07.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Internationale Rechnungslegungsstandards – IAS-Verordnung, EUR-Lex, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG), abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, European Financial Reporting Advisory Group AISBL (EFRAG), abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Standardsetzer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, UmweltBundesamt vom 17.11.2023, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, Value balancing alliance, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Monetarisierungs-Ansatz mit absurden Konsequenzen, Germanwatch vom 19.05.2022, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Value Balancing Alliance: gut gemeint, nicht gut gemacht, WWF vom 19.05.2022, aberufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ About us, Value balancing alliance, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Signatories, The Antwerp Declaration for a European Industrial Deal, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ EU Green Deal | 170 Organisationen kritisieren den Omnibus-Vorschlag, EconGood, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ Artikelgesetz, Deutscher Bundestag, abgerufen am 13.02.2025
- Hochspringen ↑ COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS, EUROPEAN COMMISSION vom 29.01.2025, abgerufen am 13.02.2025