Gerald Hennenhöfer
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Gerald Hennenhöfer (geb. 1947)[1], gelernter Jurist. Verkörpert wie kaum ein anderer in Deutschland das Prinzip Drehtür. In seiner Person verschmelzen Atomindustrie und Umweltministerium. Hennenhöfer ist seit Dezember 2009 erneut Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium unter Norbert Röttgenund nun Peter Altmaier, ein Posten den er bereits in den 1990er Jahren unter der damaligen Umweltministerin Angela Merkel inne hatte.
Gerald Hennenhöfers Wechsel vom Atomaufseher zum Atomlobbyisten (1998), dann zum Atomberater (2004) und schließlich erneut zum Atomaufseher (2009) sorgten zum Antritt der Regierung Merkel/Westerwelle für viel Wirbel in der Presse.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kommentierte die erneute Berufung Hennenhöfers zum Atomaufseher mit folgenden Worten: „Einen Atom-Lobbyisten, der skrupellos und bewusst alle Risiken ausblendet, an die Spitze der Atomaufsicht zu setzen, ist eine Unverschämtheit. (...) Es darf nicht sein, dass sich die Atomindustrie quasi selbst kontrolliert.“[2]
Seine Rolle beim Zustandekommen der umstrittenen Atom-Vereinbarung zwischen der Regierung Merkel/Westerwelle und dem Energie-Oligopol aus RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall im September 2010 war unbekannt. Im September 2012 wurde nun bestätigt, dass Hennenhöfer ohne das Wissen von Norbert Röttgen an Verhandlungen teilnahm. [3]
Am 13. September 2012 wurde Hennenhöfer vor dem Untersuchungsauschuss "Gorleben" als Zeuge verhört.
Inhaltsverzeichnis
Karriere
- seit 2009 Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit (Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz, nukleare Ver- und Entsorgung) im Bundesumweltministerium. Voraussichtlich bis Ende 2014.[4]
- 2004–2009 Anwalt bei der Kanzlei Redeker, die u.a. zum Atomlager Asse beriet[5]
- 1998–2004 „Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik“ beim Atomkonzern Viag (heute: E.ON)
- 1994-1998 Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium
Wirken
2010: Verhalten bei Panne im AKW Grafenrheinfeld
Im September 2012 bestätigte das Umweltministerium eine weitere sehr fragwürdige Entscheidung Hennehöfers: 2010 wurde im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld in Bayern ein Riss nahe des Druckbehälters festgestellt. Hennenhöfer bestand trotz der drohenden Gefahr auf den Weiterbetrieb. Dieter Majer, Technikexperte und Unterabteilungsleiter, protestierte heftig, da der Weiterbetrieb unverantwortbar sei. Hennenhöfer vertraute aber lieber auf externe Berater, die ihm zum Weiterbetrieb rieten. [6]
1998: Atomkonsens - Verhandlungen für E.ON
Nach dem Regierungswechsel 1998 musste Hennenhöfer seinen Ministeriumsschreibtisch räumen und wechselte zu einem Konzern, den er zuvor beaufsichtigt hatte: dem Energieriesen Viag (heute E.ON). Dort wurde er Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik. Er verhandelte und unterzeichnete für den Konzern den so genannten Atomkonsens mit der rot-grünen Regierung, der begrenzte Restlaufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke festlegte.
Atomlager Asse II
Von 2004 bis 2009 war er bei der Anwaltskanzlei Redecker tätig. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau zählte dort u.a. das Helmholtz-Zentrum München zu seinen Mandanten, das bis 2008 das Skandal-Atomlager Asse II betrieb. Hennenhöfer soll dem Asse-Betreiber zu einer zurückhaltenden Informationsstrategie gegenüber der Öffentlichkeit geraten haben, als dieser wegen Wassereinbrüchen in das Atomlager in die Kritik geriet. Die Frankfurter Rundschau zitierte einen Vermerk aus Hennenhöfers Feder: „Es ist überhaupt nichts davon zu halten, die ,Asse-Begleitgruppe fortlaufend zu unterrichten.“ Die FR schrieb weiter: „Die Gruppe war in der Asse-Region eingerichtet worden, um die Bürger besser über die Gefahren und Pläne zur Asse-Sanierung in Kenntnis zu setzen. Helmholtz hatte sich diverse Pannen geleistet und mangelhaft informiert.“[7]
Atommüll, Biblis, Castor
Die BI Lüchow-Danneberg schrieb über Hennenhöfers Wirken in den 1990er Jahren: „Als Chef der Atomaufsicht ließ er in den 90er Jahren trotz Einsturzgefahr zigtausend Tonnen West-Strahlenmüll in die vormalige DDR-Atommüllkippe Morsleben schaffen. Er verhinderte die von der hessischen Landesregierung bereits beschlossene Stilllegung des Pannen-AKW Biblis per bundesaufsichtlicher Weisung. Informationen über verstrahlte Castor-Behälter ignorierte er und ließ sie weiter rollen.“[8]
Im September 2012 wurden der Grünen Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl bisher unveröffentlichte Akten vorgelegt, die belegen, dass Hennenhöfer bereits 1996 persönlich vom Bundesamt für Strahlenschutz wegen des ostdeutschen Endlagers Morsleben gewarnt wurde. Das Ex-Bergwerk brauche wegen Tropfstellen und "fortschreitender Auflockerung der Salzbarriere umgehend Stabilisierungsmaßnahmen" und müsse "gegen Erdbeben ausgelegt werden". Er wies die Landesregierung Sachsen-Anhalt gegen Widerstand an, dort weiterhin Atommüll einzulagern und sorgte für eine Verlängerung der zunächst bis 2000 befristeten Einlagerung. Morsleben muss heute für 2,2 Milliarden Euro saniert werden. [9]
360-Grad Wechsler
Im Dezember 2009 kehrte Hennenhöfer dann zurück auf den Posten als oberster Atomaufseher im Bundesamt für Strahlenschutz.
Dieser Drehtürmechanismus sorgte für erhebliche Empörung bei Opposition und Umweltbewegung. Die Anti-Atomkraft-Intitiative .ausgestrahlt organisierte eine Unterschriften Kampagne, in der Norbert Röttgen dazu aufgefordert wurde die Personalentscheidung zu revidieren.[10] Erhebliche Bedenken gegen Hennenhöfer wurden unter anderem von der Süddeutschen Zeitung[11], der Frankfurter Rundschau[12], der Tagesschau[13] und der taz[14] dokumentiert.
Rolle im Geheimdeal zur Laufzeitverlängerung
Das Umweltministerium bestätigte nun auch, dass Hennenhöfer am Geheimdeal mit den großen Energiekonzernen zu Laufzeitverlängerung und Gewinnbesteuerung beteiligt war. Davon erfuhr sein Chef, Bundesumweltminister Norbert Röttgem wohl erst später, da er stets darauf bestand, dass das BMU nicht an Gesprächen des Finanzministeriums und der Industrie beteilgt war. Laut einem Bericht der Frankurter Rundschau wurde Hennenhöfer "zur Fachfrage zu erwartender Nachrüstungen in den deutschen Kernkraftwerken" konsultiert. Zusätzlich nahm er an Vorgesprächen von Finanz- und Umweltressort teil. [15]
Zitate
„Die Atomkraftbefürworter beherrschen das gesamte institutionelle Szenarium. Das reicht [...] bis zum Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium. Gerald Hennenhöfer ist ein Spitzenfunktionär der Atomindustrie. Umweltminister Norbert Röttgen hat ihn nach der Bundestagswahl wieder in sein Ministerium geholt. Ein Skandal, den man nicht einmal für einen fiktionalen Politik-Thriller erfinden könnte.“ Der Journalist und Lobbyismus-Experte Thomas Leif in einem Interview mit dem Vorwärts.[16]
Weiterführende Informationen
- Organigramm der Abteilung RS - Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz,
nukleare Ver- und Entsorgung im Bundesumweltministerium.
Einzelnachweise
- ↑ Umweltminister Röttgen holt Atomlobbyisten sueddeutsche.de vom 30.11.2009, abgerufen am 10.09.2010
- ↑ Atomlobby raus aus der Atomaufsicht! Unterschriftenaktion gegen die Ernennung von Hennenhöfer Presseerklärung der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vom 02.12.2009, abgerufen am 10.09.2010
- ↑ Frankfurter Rundschau vom 12.09.2012, abgerufen am 14.09.2012
- ↑ Altmaiers "Ohrfeige" für Asse-Gegner, ndr.de vom 02.11.2012, abgerufen a 05.12.2012
- ↑ Den Bock zum Gärtner gemacht, Frankfurter Rundschau vom 01.12.2009, abgerufen am 10.09.2010
- ↑ Frankfurter Rundschau vom 12.09.2012, abgerufen am 14.09.2012
- ↑ FR-Online, 1.12.2009, "Den Bock zum Gärtner gemacht"
- ↑ Atomlobby raus aus der Atomaufsicht! Unterschriftenaktion gegen die Ernennung von Hennenhöfer Presseerklärung der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vom 02.12.2009, abgerufen am 10.09.2010
- ↑ Frankfurter Rundschau vom 12.09.2012, abgerufen am 14.09.2012
- ↑ Atomlobby raus aus der Atomaufsicht Hintergrundinformation von ausgestrahlt, Dezember 2009, abgerufen an 10.10.2010
- ↑ Umweltminister Röttgen holt Atomlobbyisten sueddeutsche.de vom 30.11.2009, abgerufen am 26.10.2010
- ↑ Den Bock zum Gärtner gemacht fr-online vom 01.12.2009, abgerufen am 26.10.2010
- ↑ Röttgen holt Atomlobbyisten ins Umweltministerium tagesschau.de vom 01.12.2009, abgerufen am 26.10.2010
- ↑ Röttgen bekennt Farbe taz.de vom 02.12.2009, abgerufen am am 26.10.2010
- ↑ Frankfurter Rundschau vom 12.09.2012, abgerufen am 14.09.2012
- ↑ Die Doppelstrategie der Atomkonzerne Vorwärts vom 12.04.2011, abgerufen am 13.04.2011