Infrastrukturgesellschaft Verkehr

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Die Bundesregierung plant in Abstimmung mit den Bundesländern die Gründung einer privatrechtlichen Infrastrukturgesellschaft für Finanzierung, Bau und Betrieb von Bundesfernstraßen mit dem Fokus auf Bundesautobahnen. In einer Pressemitteilung vom 14. Oktober 2016 zur „Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 14. Oktober in Berlin - Beschluss“ wird das Projekt vage wie folgt beschrieben:

Reform der Bundesauftragsverwaltung mit Fokus auf Bundesautobahnen und Übernahme in die Bundesverwaltung (übrige Bundesfernstraßen opt out). Es soll eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr eingesetzt und das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dazu entsprechende Ermächtigungen in Art. 90 GG. Eckpunkte für die Ausgestaltung sind festzulegen (u.a. Zeitplan, Regelungen in der Übergangsphase, Übergang von Personal-, Pensions- und Sachmitteln). Dabei sollen die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort beachtet werden. Die Personalvertretungen werden eingebunden.[1]

Laut dem inzwischen vorliegenden Referenten-Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes (Referenten-Entwurf) wird die Gesellschaft keine Anstalt öffentlichen Rechts sein, sondern eine Gesellschaft privaten Rechts, wobei offen bleibt, ob das Eigentum an der Gesellschaft eindeutig öffentlich zugeordnet bleibt.[2] Nach Informationen des Spiegel sieht das Projekt die Option vor, bis zu 49,9 % der Gesellschaft an private Investoren - insbesondere aus der Banken- und Versicherungsbranche - zu veräußern.[3] Finanzinstiute wie Allianz und AXA versprächen Milliardeninvestitionen in das Autobahnnetz und erwarteten im Gegenzug stabile Renditen, die letztlich die Nutzer der Infrastruktur bezahlen müssen. In Frankreich, wo 2006 große Teile der Autobahnen auf Private übertragen wurden, liegen die Renditen der Konzessionäre bei 20 bis 24 Prozent.[4]

Gegen die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und anderen CDU-Politikern geforderte Beteiligung privater Inverstoren wendet sich die SPD. "Die Pläne von Herrn Schäuble werden in dieser Form nicht Realität werden, da er dafür keine Mehrheit im Bundestag hat", sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. [5] Es gehe um bessere Steuerung bei den Investitionen des Bundes in die Infrastruktur und nicht um das Verscherbeln der Bundesstraßen an private Investoren.[6] Die neue Gesellschaft werde es nur zusammen mit der Privatisierungsbremse im Grundgesetz geben. Im Referentenentwurf der Bundesregierung heißt es hierzu: „Der Bund ist Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich.“[7] Entscheidend ist jedoch nicht das zivilrechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum: Der Eigentümer kann einem Dritten (zum Beispiel der künftigen Autobahn-AG bzw. Autobahn-GmbH) die Nutzungsrechte übertragen und die Anteile an der betreffenden Gesellschaft an Private verkaufen.[8] So könnten die rein rechtlich im Eigentum des Bundes verbleibenden Autobahnen faktisch privatisiert werden. Ein Kurzgutachten im Auftrag des baden-württembergischen Verkehsministeriums kommt zu dem Schluss, dass eine sukzessive Privatisierung des Autobahnverkehrs nur durch ein klares Verbot im Grundgesetz verhindert werden könne.[9]

Am 8. Dezember 2016 soll die Reform ins Kabinett eingebracht werden.

Kritik

Laura Valentukeviciute von Gemeingut in BürgerInnenhand vermutet, dass die Zentralisierung direkt in die Privatisierung des Autobahnbaus führe.[10] Private Investoren könnten sich beteiligen, entweder direkt oder in einzelnen Autobahnprojekten. Beides werde richtig teuer, zudem die demokratische Kontrolle verloren gehe. Nach Auffassung des haushaltspolitischen Sprechers der Grünen, Sven-Christian Kindler, will Schäuble Banken und Versicherungen ein Milliardengeschenk machen.[11]

Kritiker

Attac Deutschland, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), Naturfreunde Deutschland, Verband der Straßenwärter (VdStra), Wassertisch Berlin, Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) und Ver.di zur haben sich zur Plattform gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft zusammengeschlossen, die unter www.keine-fernstrassengesellschaft.de über ihre Aktivitäten informiert.

Weiterführende Informationen

Rechtliches Kurzgutachten zur geplanten Änderung des Art. 90 GG erstellt im Auftrag des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg


Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung, bundesregierung.de, abgerufen am 11.11.2016
  2. Die Maut, ein Leckerli für Investoren, sueddeutsche.de vom 18.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  3. Bundesregierung will Autobahnen privatisieren, spiegel.de vom 12.11.2016, abgerufen am 12.11.2016
  4. Länder stemmen sich gegen Autobahn-Privatisierung, spiegel.de vom 16.11.2016, abgerufen am 21.11.2016
  5. Koalition streitet um Privatisierung von Autobahnen, zeit.de vom 12.11.2016, abgerufen am 12.11.2016
  6. Länder akzeptieren Bundesfernstraßengesellschaft, dvz.de 14.10.2016, abgerufen am 11.11.2016
  7. Deutschlands Autobahnen werden nicht verkauft, faz.net vom 15.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  8. Die Maut, ein Leckerli für Investoren, sueddeutsche.de vom 18.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  9. Länder stemmen sich gegen Autobahn-Privatiserung, spiegel.de vom 16.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  10. Pressemitteilung: Bund will Länder zur Autobahnprivatisierung drängen, keine fernstrassengesellschaft.de 12.10.2016, abgerufen am 11.11.2016
  11. Bundesregierung will Autobahnen privatisieren, spiegel.de vom 12.11.2016, abgerufen am 12.11.2016

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