Theo Waigel
Theodor „Theo“ Waigel (* 22. April 1939 in Oberrohr) war von 1989 bis 1998 Bundesminister der Finanzen und von 1988 bis 1999 CSU-Vorsitzender. Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt war und ist er für zahlreiche Unternehmen tätig. Auf Vorschlag der Bundesregierung war Waigel von 2016 bis 2022 Mitglied des neuen Karenzzeit-Gremiums, das Seitenwechsel von Spitzenpolitikern in die Wirtschaft zu prüfen hat.
Als Finanzminister war Waigel maßgeblich an Entscheidungen beteiligt, die die Euro-Einführung betreffen, unter anderem am Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU.[1]
Nach der Abwahl der Regierung Kohl 1998 war er noch bis 2002 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Zeitgleich nahm er bereits 1999 gleich mehrere Nebentätigkeiten auf: als Rechtsanwalt in der internationalen Wirtschaftskanzlei GSK Grassner, Stockmann & Kollegen, eine „beratende Tätigkeit“ für die Union-Großspenderin Deutsche Vermögensberatung AG sowie eine weitere, mit einem sechsstelligen Jahresbetrag honorierte Beratungstätigkeit für den Medienunternehmer Leo Kirch[2]. Von 2000 bis in die Gegenwart hat Waigel zudem Beirats-, Aufsichtsrats-, und Vorstandsposten sowie weitere Tätigkeiten für zahlreiche Unternehmen ausgeübt oder übt sie derzeit noch aus.[3]
Im Juli 2016 wurde bekannt, dass Waigel in das neu zu schaffende "Beratergremium für Minister-Wechsel in die Wirtschaft" berufen werden soll. Das Gremium soll in Folge des Karenzzeit-Gesetzes über den Wechsel von Mitgliedern der Bundesregierung in Lobby-Jobs wachen. Waigels eigener „fliegender“ Wechsel aus dem Ministeramt in Tätigkeiten für gleich mehrere Unternehmen wäre, würde er heute stattfinden, potentiell ein von diesem Gremium zu prüfender Fall.[4]
Inhaltsverzeichnis
Politische Karriere
- 2016-2022 Mitglied des Karenzzeit-Gremiums[5]
- 1972-2002: Mitglied des Deutschen Bundestags
- 1988-1999: Vorsitzender der CSU
- 1989-1998: Bundesfinanzminister
- seit 2009: Ehrenvorsitzender der CSU[6]
Amigo-Affäre
Als Bundesfinanzminister war Waigel Anfang der 1990er in die so genannte Amigo-Affäre verwickelt. Der Korruptionsskandal führte zum Rücktritt des bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl. Waigel hatte den bayrischen Flugzeughersteller Burkhart Grob bei einem Geschäft mit dem Bundesforschungsministerium massiv unterstützt.[7]
Nach einem persönlichen Treffen mit Grob im Frühjahr 1991 beauftragte Waigel seinen Unterabteilungsleiter Lothar Weichsel, sich im Forschungsministerium für Grobs Anliegen zu verwenden.[8] Seitens des Forschungsministeriums wurde das Projekt als "politisches Risiko" bezeichnet und vermerkt, es sei "sehr kurzfristig und unter aktiver Beteiligung des Bundesfinanzministers" ermöglicht worden.[9]
Neben persönlichen Zuwendungen für Streibl hatte Grob über seine in Waigels Nachbarwahlkreis ansässige Firmengruppe der bayerischen CSU 1990 insgesamt 105 000 Mark gespendet.[7] Waigel gestand, sich für das Grob-Projekt eingesetzt zu haben, betonte aber, dass weder er persönlich, noch sein Wahlkreis oder die CSU-Landesleitung von der Spende profitiert habe.[9]
Verbindungen und Netzwerke
Während seiner Zeit als Abgeordneter war Waigel ab 1999 als Rechtsanwalt bei GSK Grassner, Stockmann & Kollegen tätig. GSK ist eine international tätige Wirtschaftskanzlei mit Sitz in München mit Schwerpunkten im Bereich Banken- und Finanzwesen sowie öffentliche Hand und öffentliche Unternehmen.[10] Seit Januar 2016 ist Waigel Partner in der Rechtsanwaltskanzlei seines Sohns Christian Waigel.[11] Waigel war und ist darüber hinaus als Vorstands-, Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied für folgende Unternehmen aktiv:
- Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG), beratende Tätigkeit seit 1999 in verschiedenen Funktionen, etwa bis 2002 als Mitglied des Beirats und ab 2003 als Mitglied des Aufsichtsrats; seit 2014 ist er Vorsitzender des DVAG-Beirats.[12] Das DVAG-Firmengeflecht gehört zu den größten Parteispendern in Deutschland, insbesondere der Unionsparteien;
- AachenMünchener, seit 2004 Mitglied des Aufsichtsrats;[13]
- AachenMünchener Lebensversicherung AG, mind. seit 2000 Mitglied des Aufsichtsrats;[14]
- EnBW Energie Baden-Württemberg AG, von 2000[15] bis 2010[16] Mitglied des Beirats;
- Bayrische Gewerbebau AG, seit 2007 Mitglied des Aufsichtsrats und zweiter Vorsitzender;[17]
- NSM Löwen Entertainment GmbH, seit 2004 Vorsitzender des Aufsichtsrats.[18]
Nach Angaben des Wirtschafts-Informationsdienstes Bloomberg hatte oder hat Waigel zudem Vorstands-, Aufsichtsrats- oder Beiratsposten in folgenden Unternehmen inne: AGCO Fendt GmbH, LexisNexis Deutschland GmbH, Sairgroup AG, UniCredit S.p.A., Eli Lilly and Company, Generali Vienna Holding AG, Accor SA, IVG Immobilien AG, Emerson Electric, BT GmbH & Co oHG.[3]
Als Berater für die ehemalige Firma des Medienunternehmers Leo Kirch erhielt Waigel 600.000 Mark pro Jahr.[2][19]
Für den an der Übernahme der Bankgesellschaft Berlin interessierten Private-Equity-Investor Texas Pacific Group betätigte sich Waigel als "'Türöffner' für die Politik"[20].
Im Rahmen des Korruptionsskandals von Siemens war Waigel von 2008 bis 2012 im Auftrag der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC und des US-amerikanischen Justizministeriums als Compliance-Monitor aktiv. Sein Tagessatz betrug dabei 5000 Euro, nach Angaben des Siemens-Chefs Peter Löscher verdiente Waigel so insgesamt eine halbe Million Euro.[21]
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ Der dumme Pakt, FAZ.net, 29.05.2013, abgerufen am 5.8.2016
- ↑ 2,0 2,1 Kirchs Rentenkasse, Der Spiegel, 14.04.2003, zuletzt aufgerufen am 29.7.2016
- ↑ 3,0 3,1 Profil von Theodor Waigel im Bloomberg Dossier über EnBW Energie Baden-Wuerttemberg AG, bloomberg.com, abgerufen am 4.08.2016
- ↑ Karenzzeit-Gremium: Seitenwechsler Waigel soll Seitenwechsel prüfen www.lobbycontrol.de vom 31.08.2016, abgerufen am 08.6.2022
- ↑ Neues Team prüft Seitenwechsel www.lobbycontrol.de vom 12.04.2022, abgerufen am 08.06.2022
- ↑ Zur Person: Theo Waigel, Internetseite der CSU, zuletzt aufgerufen am 29.7.2016
- ↑ 7,0 7,1 Treuer Freund aus Germany, Der Spiegel vom 25.01.1993, abgerufen am 10.08.2016
- ↑ Die „Amigo“-Affäre, ZEIT vom 12.02.1993, abgerufen am 10.08.2016
- ↑ 9,0 9,1 Der Minister war zu Diensten, Der Spiegel vom 01.02.1993, abgerufen am 10.08.2016
- ↑ Kurzportrait, Internetseite von GSK, abgerufen am 05.08.2016
- ↑ Familiensache: Münchner GSK-Team macht sich selbstständig, juve.de am 15.01.2016, abgerufen am 04.08.2016
- ↑ Wechsel im Gremium der DVAG: Theo Waigel übernimmt Vorsitz des Beitrats, Pressemeldung der DVAG, 1. April 2014, zuletzt aufgerufen am 2.8.2016
- ↑ AachenMünchener Geschäftsbericht 2004, zuletzt abgerufen am 3.8.2016
- ↑ AachenMünchener Geschäftsbericht 2000, zuletzt abgerufen am 3.8.2016
- ↑ EnBW Annual Report 2000, zuletzt aufgerufen am 2.8.2016
- ↑ EnBW Annual Report 2009, zuletzt aufgerufen am 2.8.2016
- ↑ Bayrische Gewerbebau Geschäftsbericht 2007, zuletzt abgerufen am 3.8.2016
- ↑ Theo Waigel geht zu NSM-Löwen Entertainment, Webseite Börse Express, 6. Dezember 2004, zuletzt aufgerufen am 2.8.2016
- ↑ Tillack, Hans-Martin (2009): Die korrupte Republik. Über die einträgliche Kungelei von Politik, Bürokratie und Wirtschaft. Hamburg: Hoffmann und Campe. S. 76.
- ↑ Listige Texaner rollen deutsche Firmen auf, FAZ.net am 17.07.2005, zuletzt abgerufen am 2.8.2016
- ↑ Waigel verdiente bei Siemens eine halbe Million Euro, Handelsblatt vom 23.01.2013, abgerufen am 04.08.2016