Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse

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Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse e.V.
Rechtsform eingetragener Verein
Tätigkeitsbereich Interessenvertretung der Tabakwirtschaft
Gründungsdatum 2019
Hauptsitz Berlin
Lobbybüro Unter den Linden 42, 10117 Berlin
Lobbybüro EU
Webadresse / bvte.de

Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) ist der Spitzenverband der deutschen Tabakwirtschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Der Verband vertritt und fördert nach eigener Aussage „produktübergreifend die Interessen der gesamten Wertschöpfungskette der Branche für das Rauchen, Dampfen sowie oralen Tabak und Nikotingenuss“.[1] Tatsächlich vertritt der Verband aber primär die konventionelle Tabakindustrie. Große Unternehmen wie British American Tobacco, Reemtsma und JT International, welche zusammen über einen Marktanteil von 49,4% auf dem deutschen Tabakmarkt verfügen (Stand 2021), sind Mitglieder des Verbands.[2] Andere relevante Akteure wie der Marktführer Philip Morris (Marktanteil 37,1%), der Bundesverband der Zigarrenindustrie oder das Bündnis für tabakfreien Genuss (Interessenverband der E-Zigaretten) sind hingegen keine Mitglieder. Die vor der Gründung des BTVE größte Interessenvertretung der Tabakindustrie, der Deutsche Zigarettenverband (DZV) wurde als Mitglied in den den neuen Dachverband aufgenommen. Die beiden Verbände haben die gleiche Geschäftsstelle, einen ähnlichen Vorstand und den gleichen Geschäftsführer. Ihre Interessen können als deckungsgleich eingeschätzt werden.


Lobbystrategien und Einfluss

Die deutsche Tabaklobby verfügt im (europäischen) Vergleich über einen enorm hohen Einfluss und gilt als wenig reguliert. Der regelmäßig erscheinende Tobacco Control Scale, eine unabhängige Bewertung der Tabakkontrolle in europäischen Staaten, bewertete die deutsche Tabakkontrolle als extrem ungenügend und mit Platz 36 von 36 im europäischen Vergleich.[3]Dies weist auf den enormen Einfluss des Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse so wie anderer Tabak-Lobbygruppen auf die deutsche Politik hin.

Gleichsetzung von konventionellen und neuartigen Produkten

Der Verband setzt sich für eine gleichmäßige Besteuerung von konventionellen Produkten und neuartigen Tabakersatzprodukten ein, welche wesentlich weniger schädlich sind. Entgegen dem Namen vertritt der Verband primär die Interessen der konventionellen Tabakindustrie statt jene der wesentlich weniger gesundheitsschädlichen Alternativprodukte. Eine gleiche Besteuerung führt nämlich im Interesse der konventionellen Nikotinindustrie viele Verbraucher zu konventionellen Produkten zurück, da der finanzielle Vorteil für alternative, weniger gesundheitsschädliche Produkte nicht mehr gegeben ist.[4]

Imageverbesserung durch karikative Projekte

Die Tabakkonzerne versuchen verstärkt, durch karitative Projekte ihre "soziale Unternehmensverantwortung" unter Beweis zu stellen. So vergab zum Beispiel die Firma Reemstma von 2007-2018 den Liberty Award, einen Preis für Auslandandskorrespondent/innen, die sich besonders um die Freiheit bemüht haben.[5] Diese und andere Fördermaßnahmen werden in großformatigen Anzeigen in Parteizeitungen präsentiert - obwohl Tabakwerbung seit Anfang 2007 in bundesdeutschen Printmedien verboten ist. Die Parteien ignorieren dieses Verbot jedoch mit der Begründung, bei den Inseraten wie dem Liberty Award handele es sich schließlich nicht um Produktwerbung - wie etwa bei der Reemtsma-Reklame für Gauloises ("Liberté toujours") -, sondern um Imagewerbung für das Unternehmen.[5]Solche indirekten Formen der Parteienfinanzierung sind gängige Praxis der Tabakunternehmer.

Tabaksteuerreform 2022-2026

Am 10. Juni 2021 hat der Bundestag der Reform der Tabaksteuer zugestimmt. Konkret wurde dabei festgelegt, dass E-Zigaretten und Tabakerhitzer von nun an nicht mehr von der Umsatzsteuer, sondern wie konventionelle Tabakprodukte von der Tabaksteuer besteuert werden. Außerdem soll die Tabaksteuer jährlich schrittweise erhöht werden: Um rund 10 bis 15 Cent pro Schachtel und Jahr. [6]

Der BVTE hat erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung genommen. Im Vorhinein sollen sich Tabaklobbyisten mindestens zwölf mal mit hohen Ministeralivertretern des für die Besteuerung zuständigen Finanzministeriums (unter dem damaligen Minister Olaf Scholz) getroffen haben.[7] Im Zentrum der Verhandlungen standen dabei Rolf Bösinger, zuständiger SPD-Staatssekretär für die Tabaksteuer und Jan Mücke, Geschäftsführer des BVTE und als Seitenwechsler ehemaliger FDP-Politiker (siehe Seitenwechsler Jan Mücke).

Problematisch ist außerdem, dass sich die Bundesregierung im Gegensatz zu Vertretern des BVTE und anderen Interessenvertretungen der Tabaklobby überhaupt nicht von Vertretern von Gesundheits-, Ärzte-, Anti-Tabak- oder sonstigen zivilgesellschaftlichen Organisationen beraten lassen hat. Insofern liegt eine einseitige Beeinflussung der Gesetzgebung seitens der Tabakindustrie nahe, vor allem da ein Bündnis von etwa fünfzig Gesundheitsorganisationen und Hilfswerken in ihrer „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ eine drastische Erhöhung der Besteuerung von Tabakprodukten fordern.[8]

Als die Tabakexpertin Laura Graen Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz begehrte, wies das Ministerium ihren Antrag ab. Die Begründung lautete folgendermaßen: „das BMF könnte so in der Wahrnehmung seiner Aufgaben, d. h. insbesondere im Hinblick auf den Dialogprozess mit unterschiedlichsten Externen, stark beeinträchtigt werden“. Dazu verlangte die Behörde von Graen 500 Euro – die maximal zulässige Gebühr für solche Auskünfte [9] Das Global Center for Good Governance in Tobacco Control (GGTC) vermutet dahinter eine Abschreckungsmethode.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „ref“ ohne Namen muss einen Inhalt haben.

Das Bündnis für tabakfreien Genuss, eine Interessenvertretung der Unternehmen für E-Zigaretten-Liquids, hält die steuerliche Gleichsetzung von konventionellen Tabakprodukten und neuartigeren, wesentlich weniger gesundheitsschädlichen Produkten für verfassungswidrig, weil der unterschiedliche Grad an Gesundheitsrisiko nicht berücksichtigt wird [10] Er hat deshalb angekündigt, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen.


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Einzelnachweise

  1. [1], BVTE, abgerufen am 17.02.2022
  2. [2], Unifairtobacco 2021, abgerufen am 17.02.2022
  3. [3], Tobaccoscale 2019, abgerufen am 17.02.2022
  4. [4], Tabaksteuer 22 - was ist neu, abgerufen am 17.02.2022
  5. 5,0 5,1 [5], Reemstma liberty award, aufgerufen am 17.02.2022
  6. [6], Deutscher Bundestag 2021, abgerufen am 17.02.2022
  7. [7]Spiegel 2021, abgerufen am 17.02.2022
  8. [8] Strategie-tabakfrei 2021, abgerufen am 17.02.2022
  9. [9], Spiegel 2021, abgerufen am 17.02.2022
  10. [10], Tabakfreiergenuss, 2021

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