Schilderüberwachungsverein

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Der Schilderüberwachungsverein e.V. (SÜV) wurde im Februar 2014 gegründet und ist nach eigenen Angaben ein Verein „mit dem Zweck, die Verkehrssicherheit in Deutschland durch die qualitative Verbesserung der Verkehrsschilder zu erhöhen“. Unter anderem aufgrund von personellen Verbindungen mit der Werbeagentur Die Crew AG und inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Industrieverband Straßenausstattung (IVSt), der den SÜV auch finanziell unterstützt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Verein um ein Fall von Astroturfing handelt – einer künstlichen Nachahmung von Bürgerinitiativen im Auftrag von Unternehmen.

Schilderüberwachungsverein e.V. (SÜV)
Rechtsform eingetragener Verein beim Amtsgericht Stuttgart
Tätigkeitsbereich Überprüfung der funktionalen Qualität des deutschen Verkehrszeichenbestandes
Gründungsdatum 28.01.2014
Hauptsitz Stuttgart
Lobbybüro
Lobbybüro EU
Webadresse schilderueberwachungsverein.de


Kurzdarstellung

Laut Satzung handelt es sich beim SÜV um einen ehrenamtlichen Verein. Er präsentiert sich als neutrale, gemeinnützige Initiative engagierter Bürger, denen die Verkehrssicherheit am Herzen liegt. Selbsternanntes Ziel des SÜV ist es „schlecht erkennbare Verkehrsschilder aufzuspüren, (...) die Öffentlichkeit auf diese hinzuweisen und die Erneuerung der Schilder zu forcieren“[1]. Veraltete Verkehrsschilder seien vor allem bei Dunkelheit und angesichts der wachsenden Zahl älterer Menschen eine Gefährdung für die Verkehrsteilnehmer. Laut SÜV sind ein Viertel der 25 Millionen Schilder in Deutschland nicht mehr ausreichend gut erkennbar. Ein Verkehrschild müsse spätestens nach 14 Jahren ausgetauscht werden[2].

Bisherige Aktionen

  • 2015: Die zweite „Schilder-Check-Tour 2015“ findet in weiteren deutschen Städten statt
  • Dezember-Januar 2014: Gewinnspielaktion um „das schlechteste Schild Deutschlands“ in Zusammenarbeit mit dem Industrieverband Straßenausstattung IVSt. und seiner Kampagne „Sicherheit ist sichtbar“; auf Basis der Schilder-App sollen Nutzer Bilder von alten Schildern hochladen.
  • März 2014: Schilderüberwachungs-App geht online; mithilfe der App sollen Nutzer alte Schilder fotografieren und auf die Facebook-Seite oder Website des SÜV hochladen können.
  • März –Mai 2014: „Schilder-Check-Tour“ mit Video-Blog; es wurden in zwölf deutschen Städten Verkehrsschilder überprüft und in einem Ranking bewertet; die Ergebnisse wurden auf der Website des SÜV veröffentlicht; die Städte reagierten teilweise mit Kritik an der unwissenschaftlichen Methodik, die Begutachtung und Auswahl der Schilder sei willkürlich erfolgt [3].

Organisationsstruktur und Personal

Dem Vorstand des SÜV gehören Dino Borsellino und Michael Frank als Stellvertreter an. Weitere Mitglieder sind Sybille Wolff (Sprecherin), Vladimir Novikov, Philipp Everts, Andreas Sasdi, Timo Denz und Manuel Wenner. Seit Gründung des Vereins wurden keine weiteren Mitglieder aufgommen.

Michael Frank, stellvertretender Vorsitzender des SÜV ist gleichzeitig im Vorstand und Inhaber der Stuttgarter Werbe- und Kommunikationsagentur „Die Crew AG“. Er gilt in der Branche als Experte für Onlinewerbung. Bis Frühjahr 2014 war er Geschäftsführer der B2B-Agentur „Exit-Industry“, die dieselbe Anschrift hatte wie der SÜV. Zudem wird Exit-Industry auf der Webseite des Filmproduktionsunternehmens Maveo als Auftraggeber für den Imagefilm des SÜV angegeben.

Michael Frank bestätigte auf Anfrage von LobbyControl, dass er und Dino Borsellino aus der Medienbranche kommen und daher die Kommunikationsmaßnahmen für den SÜV weitgehend über die Agentur realisiert werden. Der Marketing- und Vertriebsexperte Dino Borsellino, Vorsitzender des SÜV, ist Geschäftsleiter der Die Crew AG. Zuvor war er als Teilhaber und Berater für Exit-Industry tätig.

Drei weitere Mitglieder des SÜV sind ebenfalls in der Agentur beschäftigt. Sybille Wolff wird auf der Webseite der Agentur als PR-Managerin vorgestellt, Vladimir Novikov arbeitet bei der Crew AG als Art Director, und Philipp Everts war als Verwaltungskraft für das Unternehmen tätig[4]. SÜV-Mitglied Manuel Wenner ist Webdesigner und Inhaber der Firma „fortyone“, die sich für die Entwicklung der SÜV-App verantwortlich zeichnet. Gleichzeitig ist „fortyone“ ein offizieller Partner der „Die Crew AG“. Insgesamt weisen also sechs der acht SÜV-Mitglieder einen starken Bezug zu der Werbeagentur auf, deren Strukturen und Möglichkeiten offensichtlich auch dem SÜV zugute kommen.

Laut Amtsgericht Stuttgart fand auch die Gründungssitzung des SÜV in den Räumlichkeiten von der Die Crew AG statt.

Finanzen

Woher der SÜV seine Gelder bezieht ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Auf der Website sind keine Angaben über die Höhe der Mitgliedsbeiträge oder Spendenaufrufe zu finden. Es ist unklar, wie das moderne Design der Website, der von Maveo produzierte Imagefilm oder die Entwicklung der Schilder-App finanziert wurde.

Im Impressum der SÜV-Website zeichnet sich der Industrieverband Straßenausstattung (IVSt) lediglich für inhaltliche Unterstützung in Form von technischen Informationen und Bildmaterial verantwortlich. Auf Anfrage erklärt jedoch Gregor Becker, der Leiter Fachabteilung Verkehrszeichen des IVSt, dass der SÜV auch finanziell vom IVSt unterstützt werde - „Der Vereinszweck ist ganz in unserem Sinne“, begründete Becker die Finanzierung gegenüber dem Magazin Cicero[5].

Einzelne Aktionen wie das Gewinnspiel Ende 2014 liefen dagegen mit offizieller finanzieller Unterstützung des IVSt.

Einfluss

In den deutschen Medien stieß der SÜV auf große Resonanz. Die Mitglieder werden als „Schildwutbürger“ (Spiegel online[6]) und „Schilder-Bürger“ (Autobild[7]) bezeichnet und zahlreiche Berichte loben die Initiative, präsentieren die Ergebnisse und rufen die Bürger zur Mithilfe via Schilder-App auf. Es berichteten u.a. Bild.de[8], das ZDF, Auto-Motor und -Sport[9], das Tagblatt[10] und die FAZ[11]. Insbesondere das Ergebnis der Schilder-Check-Tour 2014 wurde medial verbreitet .

Der SÜV regt auf seiner Website eine Regulierung des Verkehrsschilderbestandes ähnlich dem Vorbild Frankreich und Schweden an[12]. Die verantwortlichen Behörden in diesen Ländern seien verpflichtet, die Mindestrückstrahlwerte von installierten Schildern regelmäßig zu messen. In Frankreich würden installierte Schilder auch turnusgemäß alle acht bzw. zwölf Jahre ausgetauscht. Bisher kam es noch nicht zu entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben auf Bundes- oder Landesebene. Inwieweit die Kampagnen des SÜV auf Landes- oder kommunaler Ebene tatsächlich zu einer stärkeren Auswechslung alter Verkehrsschilder geführt haben, ist unbekannt.

Kritik

Der SÜV veröffentlichtet auf seiner Website Texte und Bilder, die eine unübersehbare Ähnlichkeit zu einer Kampagne des Industrieverbandes der Straßenausstatter aufweisen. In weiten Teilen wurden die Inhalte aus der „Sicherheit ist Sichtbar“-Kampagne[13] des IVSt von 2012 übernommen. Die Argumentation folgt bei beiden Kampagnen dem gleichen Muster: Der wachsende Anteil älterer Mitbürger bei Autofahrern und die damit verbundene nachlassende Sehkraft steigere den Bedarf einer korrekten und leistungsfähigen Beschilderung. Die Reflexion von Schildern lasse durch äußere Umstände wie UV-Strahlung und die Witterung nach. Da 40% aller Unfälle bei Nacht passieren, seien Autofahrer aber besonders auf gut reflektierende Schilder angewiesen. Eine technische Beschreibung, was gute und was schlechte Schilder sind wird sogleich mitgeliefert. Dies seien laut SÜV diejenigen mit „retroreflektierender Folie“, die die notwendige „lichttechnische Wirkung“ erzielt. Die Rückstrahlung wird durch „Einbindung oder Einkapslung von Mikroglasperlen oder Mikroprismen“ erzeugt. Der Wortlaut der Beschreibungen ist bei beiden Organisationen identisch. Hinzu kommt, dass drei Unternehmen die solche „retroreflektierenden Folien“ herstellen (3M Deutschland, Avery Dennison Materials und Nippon Carbride Industries) Mitglied im IVSt e.V. sind. Auf Nachfrage von LobbyControl erklärte Michael Frank, stellvertretender Vorsitzender des Vereins, dass die Zusammenarbeit über einen gemeinsamen Kontakt zustande gekommen sei.

Für die Zusammenarbeit mit dem SÜV ist im IVSt die Fachabteilung Verkehrszeichen zuständig, in der sich Unternehmen organisieren, die Schilder bzw. die dazu notwendigen Materialien herstellen. Dieser Zusammenschluss von Unternehmen finanziert mit dem SÜV einen Verein, der die Erneuerung von schlecht sichtbaren Verkehrszeichen forcieren will. Für die Erneuerung der Schilder sind wiederum diejenigen Unternehmen zuständig, die im IVSt organisiert sind. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass die Aktionen und Kampagnen des SÜV ein erheblich größeres Medienecho erzeugt haben, als die „Sichtbar ist sicher“-Kampagne des IVSt.

Auf Nachfrage von LobbyControl erklärten sowohl Michael Frank, als auch Gregor Becker, dass es sich bei der Gründung des SÜV nicht um einen Auftrag des IVSt e.V. gehandelt habe. Demnach sei der Verein auch nicht von der Agentur „Die Crew AG“ gegründet worden. Auf die Frage, ob der SÜV ein Lobby-Projekt der Schilderindustrie sei, teilte Michael Frank mit: „Das sehen wir nicht als unsere Aufgabe“. Der SÜV sei auf den IVSt zugegangen und nicht andersherum.

Nach Einschätzungen von LobbyControl handelt es sich bei dem Schilderüberwachsungsverein um einen Fall von Astroturfing. Zu dieser Einschätzung führen folgende Gründe:

  • Finanzierung durch den IVSt
  • inhaltliche Übereinstimmung von Texten und Bildern mit Web-Auftritten des IVSt
  • personelle Vernetzung mit der Werbeagentur Die Crew AG
  • weitere für einen ehrenamtlichen Verein untypischen Merkmale (keine Mitglieder- und Spendenaufrufe, hohe Investitionen)
  • Die Zielsetzung des SÜV mündet in höheren Aufträgen für die im IVSt organisierten Unternehmen

LobbyControl nimmt an, dass es sich beim SÜV um eine künstliche Nachahmung einer Bürgerinitiative im Auftrag von Unternehmen des IVSt handelt. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch das Magazin Cicero: „Hinter einem ehrenamtlichen Verein, der sich für die Verbesserung von Straßenschildern engagiert, steht unter anderem ein Lobbyverband der Schilderindustrie. Der hat seine eigenen Interessen.“[14]. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt das NDR-Medienmagazin Zapp [15].

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Einzelnachweise

  1. Uralt-Schilder sollen verschwinden Kölner Stadtanzeiger vom 02.09.2014, abgerufen am 22.07.2015
  2. SÜV - „Alte Schilder – schlechte Schilder“ SÜV-Website, abgerufen am 22.07.2015
  3. Verein kritisiert schmutzige Schilder RP Online vom 12.04.214, abgerufen am 22.07.2015
  4. Die Crew AG - Personal abgerufen am 22.07.2015
  5. Verkehrssicherheit mit Gschmäckle Cicero.de vom 26.09.2014, abgerufen am 22.07.2015
  6. Initiative für Verkehrssicherheit: Die Schildwutbürger Spiegel.de vom 29.07.2014, abgerufen am 22.07.2015
  7. Wächter für saubere Verkehrsschilder Autobild.de vom 29.07.2014, abgerufen am 22.07.2015
  8. Schafft diese Schmuddel-Schilder endlich APP! Bild.de vom 11.11.2014, abgerufen am 22.07.2015
  9. SÜV gegen schlechte Schilder Auto-Motor und -Sport, abgerufen am 22.07.2015
  10. Schilderüberwachungsverein stellt den Stuttgarter Verkehrstafeln ein gutes Zeugnis aus Tagblatt.de vom 31.07.2014, abgerufen am 22.07.2015
  11. Verein macht sich für saubere Straßenschilder stark faz.de vom 30.07.2014, abgerufen am 22.07.2015
  12. SÜV - „Gesetze und Normen“ SÜV-Website, abgerufen am 22.07.2015
  13. Sicherheit ist Sichtbar – Alterungsprozesse sicherheit-ist-sichtbar.de, abgerufen am 22.07.2015
  14. Verkehrssicherheit mit Gschmäckle Cicero.de vom 26.09.2014, abgerufen am 22.07.2015
  15. Durchgezappt - „Vereinsmeier der Woche“(ab Minute 3.00) ndr.de vom 13.08.2014, abgerufen am 22.07.2015

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