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Inhaltsverzeichnis
Position im Dieselskandal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kaufprämien statt Bußgelder für die Autoindustrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im September 2015 wurde durch die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) bekannt, dass der Automobilkonzern Volkswagen die Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert hatte. Wie sich später herausstellte, hatten auch andere Hersteller wie Audi oder Daimler an den Abgaswerten geschraubt. Dies führte zu einer flächendeckenden Manipulation, bei der die Autos auf dem Prüfstand zwar „sauber“ waren, auf der Straße aber vielfach mehr Abgase in die Lust bliesen. Bis Mitte 2020 beliefen sich die Strafzahlungen für Volkswagen auf rund 32 Millarden Euro, größtenteils für Strafen in den USA. In Deutschland hingegen versuchte man den Skandal seitens der Bundesregierung und der zuständigen Ministerien und Ämter als ein „Vorkommnis“ abzuwinken. Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) nahm am Abgas-Untersuchungsausschuss teil und sprach in einem Artikel der Zeit von einem „systematischen Wegschauen“ und einem „politischen Skandal“. Durch den Druck der Autoindustrie habe sich ein System etabliert, was Regeln und Grenzwerte faktisch außer Kraft setzen könne. [1]
Rund 430.000 Dieselbesitzer:innen hatten sich im Rahmen der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes (VZBZ) im September 2019 ins Klageregister eingetragen. Diese richteten sich vornehmlich gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Seinem Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) wurde im Dieselskandal gar „persönliche Beihilfe zum Betrug“ vorgeworfen. Denn sowohl das Ministerium als auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), welches Ersterem unterliegt, hätten in „vorwerfbarer Weise die Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber Automobilherstellern, beispielsweise Volkswagen, Audi oder Daimler, unzureichend ausgeübt“, heißt es von den Anwälten der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer.[2] Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatten die Geschädigten genaue Informationen über das Vorgehen der Manipulation einklagen müssen. So wehrten sich das Bundesverkehrsministerium und beispielsweise Volkswagen gegen die Herausgabe von Akten, mit der Begründung, dass es „nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ haben könne und es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen handele (siehe Abschnitt 2.2)[3]
Das KBA verhängte zudem keine Bußgelder für den nachweislichen Einsatz der illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren. Aufgrund der fehlenden Sanktionen für die Autohersteller leitete die EU-Kommission im Jahr 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2018 errechnete, hätte der Staat im Zusammenhang mit dem Dieselskandal Bußgelder in Höhe von 20 Milliarden Euro gegen die Autoindustrie verhängen müssen.[4] Bundesverkehrsminister Scheuer sprach sich gegen „Strafen“ für die Autokonzerne aus, diese seien der Ansicht des Ministers folgend, nicht das richtige Konzept. [5] Stattdessen setzte er sich mehrfahr für Kaufprämien von Autos ein (siehe Abschnitt 3.3). Je nach Hersteller sollten die Betroffenen einen Betrag zwischen 4.000 bis 8.000 Euro für ein neues Auto erhalten, wenn sie ihre alten Fahrzeuge beim Händler abgeben. Auf Anweisung des Verkehrsministeriums erhielten geschädigte Dieselfahrer:innen dann einen Brief vom KBA. Darin enthalten waren alle wichtigen Informationen zu den „attraktiven Tauschangeboten“ sowie die Telefonnummern von Volkswagen, BMW und Mercedes. Aus der Sicht von Scheuer sei dies ein „kundenfreundlicher Service“ des Bundesverkehrsministeriums gewesen.
Aufgrund von rechtswidrigen Absprachen bei der Abgasreinigung verhängte die EU-Kommission im Juli 2021 eine Strafe in Höhe von 875 Mio. Euro gegen die Konzerne Volkswagen und BMW.[6]
Rechtsstreit über die Aufklärung im Dieselskandal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die NGO Transparency International stellte Ende des Jahres 2018 einen Antrag an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), welcher an Verkehrsminister Andreas Scheuer addressiert war. In dem Schreiben beantragt Transparency International gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) die Offenlegung von Informationen zu allen dem Ministerium bekannten Abschalteinrichtungen. Auch unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) forderte die NGO das BMVI auf, alle als zulässig und unzulässig angesehenen Abschalteinrichtungen sowie deren jeweilige Modelle und Hersteller zu benennen. Außerdem soll Auskunft darüber erteilt werden, an welcher Stelle, zu welchem Zeitpunkt und nach welcher Begründung auf Basis der Regelung der EG-Verordnung über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, bei entsprechenden Abschalteinrichtungen, über eine Zulassung entschieden wurde. Weiterhin forderte Transparency International, Informationen zur Höhe der Bußgeldzahlungen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen bereitzustellen und die jeweiligen Dokumente hiervon vorzulegen.[7] Kurze Zeit später lehnt das BMVI den Antrag ab. Das KBA legt zudem einen Widerspruch ein. Statt zur Aufklärung des Dieselskandals beizutragen, folgte ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem BMVI und Transparency International. Für den gerichtlichen Prozess beauftrage das Bundesministerium schon einige Monate später das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG. Mit ständigen Fristverlängerungen verhinderte KPMG die Offenlegung von Informationen.[8]
Im Juli 2021 nimmt die Anwaltskanzlei Partsch und Partner, die Transparency im Verfahren vertreten hat, die Rücknahme der Klage vor. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 4.228 teils geschwärzte Seiten herausgegeben. Angesichts des Aufarbeitungsaufwandes der Unterlagen wäre in absehbarer Zeit jedoch kein brauchbares Ergebnis zu erwarten gewesen. Zudem summierten sich die Kosten für das gerichtliche Verfahren des BMVI auf mindestens 300.000 Euro. Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland e.V. hält das Gerichtsverfahren deshalb nicht weiter für tragbar. Scheuer habe „hunderttausende Euros an Anwaltskosten verschleudert, um berechtigte Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf Auskunft zu unterlaufen.“[9]
Nähe zur Autoindustrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
80 Treffen mit der Autoindustrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Juni 2021 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass sich Andreas Scheuer seit seinem Amtseintritt im März 2018 ganze 80 Mal mit Vertreter:innen der Autoindustrie getroffen hat.[10] Die größten Umweltorganisationen der BUND, Nabu, Greenpeace, WWF und Deutsche Umwelthilfe kamen zusammen auf nur ein einziges Gespräch mit dem Minister. Zudem fand dieses Gespräch lediglich im Rahmen eines Parlamentarischen Abends statt, an dem nicht nur Umweltverbände teilnahmen. Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrspolitik beim BUND, bedauerte, dass Scheuer trotz mehrfacher Bitten um ein Gespräch, nicht reagierte.
Im gleichen Zug teilt das Ministerium mit, dass Scheuer in seiner Amtszeit eine Reihe von persönlichen Telefonaten sowie Video- und Telefonkonferenzen mit Führungskräften aus der Autobranche abgehalten habe. Hierbei tauschte sich der Minister unter anderem mit VW-Chef Herbert Diess, Daimler-Chef Ola Källenius, BMW-Chef Oliver Zipse und Hildegard Müller, der Vorsitzenden des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) aus. Insgesamt kamen Daimler und BMW auf jeweils 29, der VDA auf 25 Treffen. Vertreter des VW-Konzerns nahmen an 21 Gesprächen teil und die beiden VW-Töchter Audi und Porsche kamen zusammen auf 13 Treffen. Darüber hinaus habe es neben Werksöffnungen und Empfängen, an denen der Minister teilnahm, viele Lobbykontakte im kleinsten Kreis gegeben. Von der Opposition wurde Scheuer folglich vorgeworfen, er sei „der Minister der Autolobby“. Für die Vertreter:innen der Autokonzerne sei er Tag und Nacht erreichbar. Umweltverbände ließe er hingegen „eiskalt abblitzen“.
Einseitige Beratungsgespräche: Gremium Nationale Plattform der Mobilität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch im Rahmen des Expertengremiums Nationale Plattform Mobilität (NPM) setzte Scheuer auf eine einseitige Beratung mit den Vertreter:innen der Autoindustrie. Zwar gibt das Bundesverkehrsministerium vor, dass es bei den Arbeitskreisen eine „ausgewogene Mitgliederzusammensetzung“ achte, jedoch stellt sich nach Recherchen vom SWR heraus, dass die Mehrheit der über 200 Mitglieder der NPM, eine direkte oder indirekte Verbindung zur Industrie haben.[11] In dem Gremium sind beispielsweise der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), sowie hochrangige Mangager von Automobilkonzernen, Zulieferer der Autobrancher und Vertreter der Mineralölindustrie, wie zum Beispiel der Wasserstoffverband „H2 Mobility“, vertreten. Von den sieben Mitgliedern des Lenkungskreises und der ARbeitsgruppenleitung des NPM zeichnen sich fünf von ihnen durch langjährige Verbindungen zur Autoindustrie aus.
So leitet beispielsweise der Ex-Manager von Daimler die Arbeitsgruppe „Klima und Verkehr“. Nur drei der 24 Mitglieder in dieser Gruppe kommen direkt aus Umweltverbänden. Dabei hatte Scheuer das Gremium auf den Weg gebracht, um die Bundesregierung bei der Verkehrswende zu beraten und Konzepte für eine klimafreundliche Mobilität zu entwickeln. Die Einhaltung der Klimaziele der Bundesregierung sowie der umweltfreundliche Umbau des kompletten Verkehrssektors ist aber kaum zu erreichen, wenn die Industrie einen so starken Einfluss bei den Gesprächen hat. Das Instrument der Verkehrsvermeidung spiele zum Beispiel in den zu erarbeitenden Konzepten der NPM keine Rolle. Laut Ernst Christoph Stolper vom BUND, einem der wenigen geladenen Umweltvertreter, habe die Autoindustrie schlicht kein Interesse an einer Verkehrsvermeidung bzw. einer Verkehrsverlagerung durch einen Ausbau des Schienennetzes.- ↑ "Der Dieselskandal ist für mich organisiertes Staatsversagen zeit.de, vom 17.09.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ VW-Kläger schreiben Drohbrief an Scheuer spiegel.de, vom 19.08.2019, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Leere Seiten von Minister Scheuer sueddeutsche.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Pressemitteilung: Deutsche Umwelthilfe fordert mindestens 20 Milliarden Euro Bußgelder gegen betrügerische Autohersteller wegen illegaler Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw duh.de, vom 18.07.2018, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Andreas Scheuer und die Autoindustrie daserste.ndr.de, vom 31.05.2018, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ 875 Millionen Euro Strafe für BMW und VW wegen Kartellbildung br.de, vom 08.07.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Brief von Transparency International an Bundesminister Scheuer transparency.de, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Übersicht der Verfahren zum Auskunftsanspruch von Transparency Deutschland zu Abschaltvorrichtungen transparency.de, vom 18.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Dieselskandal: Andreas Scheuer und die Mär von der maximalen Transparenz transparency.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
==Position im Dieselskandal== ===Kaufprämien statt Bußgelder für die Autoindustrie=== Im September 2015 wurde durch die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) bekannt, dass der Automobilkonzern [[Volkswagen]] die Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert hatte. Wie sich später herausstellte, hatten auch andere Hersteller wie [[Audi]] oder [[Daimler]] an den Abgaswerten geschraubt. Dies führte zu einer flächendeckenden Manipulation, bei der die Autos auf dem Prüfstand zwar „sauber“ waren, auf der Straße aber vielfach mehr Abgase in die Lust bliesen. Bis Mitte 2020 beliefen sich die Strafzahlungen für Volkswagen auf rund 32 Millarden Euro, größtenteils für Strafen in den USA. In Deutschland hingegen versuchte man den Skandal seitens der Bundesregierung und der zuständigen Ministerien und Ämter als ein „Vorkommnis“ abzuwinken. Oliver Krischer ([[Bündnis 90/Die Grünen]]) nahm am Abgas-Untersuchungsausschuss teil und sprach in einem Artikel der ''Zeit'' von einem „systematischen Wegschauen“ und einem „politischen Skandal“. Durch den Druck der Autoindustrie habe sich ein System etabliert, was Regeln und Grenzwerte faktisch außer Kraft setzen könne. <ref>[https://www.zeit.de/mobilitaet/2020-09/abgasskandal-dieselskandal-vw-daimler-die-gruenen-oliver-krischer "Der Dieselskandal ist für mich organisiertes Staatsversagen] zeit.de, vom 17.09.2020, abgerufen am 30.08.2021</ref> Rund 430.000 Dieselbesitzer:innen hatten sich im Rahmen der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes (VZBZ) im September 2019 ins Klageregister eingetragen. Diese richteten sich vornehmlich gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Seinem Amtsvorgänger Alexander Dobrindt ([[CSU]]) wurde im Dieselskandal gar „persönliche Beihilfe zum Betrug“ vorgeworfen. Denn sowohl das Ministerium als auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), welches Ersterem unterliegt, hätten in „vorwerfbarer Weise die Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber Automobilherstellern, beispielsweise Volkswagen, Audi oder Daimler, unzureichend ausgeübt“, heißt es von den Anwälten der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer.<ref>[https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vw-dieselskandal-anwaelte-schreiben-warnbrief-an-andreas-scheuer-a-1282590.html VW-Kläger schreiben Drohbrief an Scheuer] spiegel.de, vom 19.08.2019, abgerufen am 30.08.2021</ref> Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatten die Geschädigten genaue Informationen über das Vorgehen der Manipulation einklagen müssen. So wehrten sich das [[Bundesverkehrsministerium]] und beispielsweise [[Volkswagen]] gegen die Herausgabe von Akten, mit der Begründung, dass es „nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ haben könne und es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen handele ''(siehe Abschnitt 2.2)''<ref>[https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dieselskandal-scheuer-verkehrsminister-volkswagen-1.5387055 Leere Seiten von Minister Scheuer] sueddeutsche.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> Das KBA verhängte zudem keine Bußgelder für den nachweislichen Einsatz der illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren. Aufgrund der fehlenden Sanktionen für die Autohersteller leitete die EU-Kommission im Jahr 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2018 errechnete, hätte der Staat im Zusammenhang mit dem Dieselskandal Bußgelder in Höhe von 20 Milliarden Euro gegen die Autoindustrie verhängen müssen.<ref>[https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/duh-fordert-mindestens-20-milliarden-euro-bussgelder-gegen-betruegerische-autohersteller/ Pressemitteilung: Deutsche Umwelthilfe fordert mindestens 20 Milliarden Euro Bußgelder gegen betrügerische Autohersteller wegen illegaler Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw] duh.de, vom 18.07.2018, abgerufen am 30.08.2021</ref> Bundesverkehrsminister Scheuer sprach sich gegen „Strafen“ für die Autokonzerne aus, diese seien der Ansicht des Ministers folgend, nicht das richtige Konzept. <ref>[https://daserste.ndr.de/panorama/Andreas-Scheuer-und-die-Autoindustrie,scheuer140.html Andreas Scheuer und die Autoindustrie] daserste.ndr.de, vom 31.05.2018, abgerufen am 30.08.2021</ref> Stattdessen setzte er sich mehrfahr für Kaufprämien von Autos ein ''(siehe Abschnitt 3.3)''. Je nach Hersteller sollten die Betroffenen einen Betrag zwischen 4.000 bis 8.000 Euro für ein neues Auto erhalten, wenn sie ihre alten Fahrzeuge beim Händler abgeben. Auf Anweisung des Verkehrsministeriums erhielten geschädigte Dieselfahrer:innen dann einen Brief vom KBA. Darin enthalten waren alle wichtigen Informationen zu den „attraktiven Tauschangeboten“ sowie die Telefonnummern von [[Volkswagen]], [[BMW]] und [[Mercedes]]. Aus der Sicht von Scheuer sei dies ein „kundenfreundlicher Service“ des Bundesverkehrsministeriums gewesen. Aufgrund von rechtswidrigen Absprachen bei der Abgasreinigung verhängte die EU-Kommission im Juli 2021 eine Strafe in Höhe von 875 Mio. Euro gegen die Konzerne [[Volkswagen]] und [[BMW]].<ref>[https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/875-millionen-strafe-fuer-bmw-und-vw-wegen-kartellbildung,ScYvdjm 875 Millionen Euro Strafe für BMW und VW wegen Kartellbildung] br.de, vom 08.07.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> ===Rechtsstreit über die Aufklärung im Dieselskandal=== Die NGO Transparency International stellte Ende des Jahres 2018 einen Antrag an das [[Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur]] (BMVI), welcher an Verkehrsminister Andreas Scheuer addressiert war. In dem Schreiben beantragt Transparency International gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) die Offenlegung von Informationen zu allen dem Ministerium bekannten Abschalteinrichtungen. Auch unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) forderte die NGO das BMVI auf, alle als zulässig und unzulässig angesehenen Abschalteinrichtungen sowie deren jeweilige Modelle und Hersteller zu benennen. Außerdem soll Auskunft darüber erteilt werden, an welcher Stelle, zu welchem Zeitpunkt und nach welcher Begründung auf Basis der Regelung der EG-Verordnung über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, bei entsprechenden Abschalteinrichtungen, über eine Zulassung entschieden wurde. Weiterhin forderte Transparency International, Informationen zur Höhe der Bußgeldzahlungen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen bereitzustellen und die jeweiligen Dokumente hiervon vorzulegen.<ref>[https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Aktuelles/2021/BMVI-Verfahren/A_Mueller_Baeumer_Scheuer_Abschalteinrichtungen_18-10-19.pdf Brief von Transparency International an Bundesminister Scheuer] transparency.de, abgerufen am 30.08.2021</ref> Kurze Zeit später lehnt das BMVI den Antrag ab. Das KBA legt zudem einen Widerspruch ein. Statt zur Aufklärung des Dieselskandals beizutragen, folgte ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem BMVI und Transparency International. Für den gerichtlichen Prozess beauftrage das Bundesministerium schon einige Monate später das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen [[KPMG]]. Mit ständigen Fristverlängerungen verhinderte KPMG die Offenlegung von Informationen.<ref>[https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Aktuelles/2021/BMVI-Verfahren/UEbersicht_Verfahren_Transparency-BMVI_Dieselskandal_kor.pdf Übersicht der Verfahren zum Auskunftsanspruch von Transparency Deutschland zu Abschaltvorrichtungen] transparency.de, vom 18.08.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> Im Juli 2021 nimmt die Anwaltskanzlei Partsch und Partner, die Transparency im Verfahren vertreten hat, die Rücknahme der Klage vor. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 4.228 teils geschwärzte Seiten herausgegeben. Angesichts des Aufarbeitungsaufwandes der Unterlagen wäre in absehbarer Zeit jedoch kein brauchbares Ergebnis zu erwarten gewesen. Zudem summierten sich die Kosten für das gerichtliche Verfahren des BMVI auf mindestens 300.000 Euro. Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland e.V. hält das Gerichtsverfahren deshalb nicht weiter für tragbar. Scheuer habe „hunderttausende Euros an Anwaltskosten verschleudert, um berechtigte Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf Auskunft zu unterlaufen.“<ref>[https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/dieselskandal-andreas-scheuer-und-die-maer-von-der-maximalen-transparenz/ Dieselskandal: Andreas Scheuer und die Mär von der maximalen Transparenz] transparency.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> ==Nähe zur Autoindustrie== ===80 Treffen mit der Autoindustrie=== Im Juni 2021 berichtete die ''Süddeutsche Zeitung'', dass sich Andreas Scheuer seit seinem Amtseintritt im März 2018 ganze 80 Mal mit Vertreter:innen der Autoindustrie getroffen hat.<ref>[https://www.sueddeutsche.de/politik/scheuer-verkehrsminister-terminkalender-autoindustrie-1.5335058 80:1 für die Autoindustrie] sueddeutsche.de, vom 28.06.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> Die größten Umweltorganisationen der BUND, Nabu, Greenpeace, WWF und Deutsche Umwelthilfe kamen zusammen auf nur ein einziges Gespräch mit dem Minister. Zudem fand dieses Gespräch lediglich im Rahmen eines Parlamentarischen Abends statt, an dem nicht nur Umweltverbände teilnahmen. Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrspolitik beim BUND, bedauerte, dass Scheuer trotz mehrfacher Bitten um ein Gespräch, nicht reagierte. Im gleichen Zug teilt das Ministerium mit, dass Scheuer in seiner Amtszeit eine Reihe von persönlichen Telefonaten sowie Video- und Telefonkonferenzen mit Führungskräften aus der Autobranche abgehalten habe. Hierbei tauschte sich der Minister unter anderem mit VW-Chef Herbert Diess, Daimler-Chef Ola Källenius, BMW-Chef Oliver Zipse und Hildegard Müller, der Vorsitzenden des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) aus. Insgesamt kamen [[Daimler]] und [[BMW]] auf jeweils 29, der VDA auf 25 Treffen. Vertreter des VW-Konzerns nahmen an 21 Gesprächen teil und die beiden VW-Töchter [[Audi]] und [[Porsche]] kamen zusammen auf 13 Treffen. Darüber hinaus habe es neben Werksöffnungen und Empfängen, an denen der Minister teilnahm, viele Lobbykontakte im kleinsten Kreis gegeben. Von der Opposition wurde Scheuer folglich vorgeworfen, er sei „der Minister der Autolobby“. Für die Vertreter:innen der Autokonzerne sei er Tag und Nacht erreichbar. Umweltverbände ließe er hingegen „eiskalt abblitzen“. ===Einseitige Beratungsgespräche: Gremium Nationale Plattform der Mobilität=== Auch im Rahmen des Expertengremiums [[Nationale Plattform Mobilität]] (NPM) setzte Scheuer auf eine einseitige Beratung mit den Vertreter:innen der Autoindustrie. Zwar gibt das Bundesverkehrsministerium vor, dass es bei den Arbeitskreisen eine „ausgewogene Mitgliederzusammensetzung“ achte, jedoch stellt sich nach Recherchen vom ''SWR'' heraus, dass die Mehrheit der über 200 Mitglieder der NPM, eine direkte oder indirekte Verbindung zur Industrie haben.<ref>[https://www.swr.de/unternehmen/kommunikation/pressemeldungen/daserste-report-mainz-mobilitaet-2021-102.html Möglicher Lobby-Einfluss auf Beratergremium der Bundesregierung] swr.de, vom 20.04.2021, abgerufen am 30.08.2021</ref> In dem Gremium sind beispielsweise der [[Verband der Deutschen Automobilindustrie]] (VDA) und der [[Bundesverband der Deutschen Industrie]] (BDI), sowie hochrangige Mangager von Automobilkonzernen, Zulieferer der Autobrancher und Vertreter der Mineralölindustrie, wie zum Beispiel der Wasserstoffverband „H2 Mobility“, vertreten. Von den sieben Mitgliedern des Lenkungskreises und der ARbeitsgruppenleitung des NPM zeichnen sich fünf von ihnen durch langjährige Verbindungen zur Autoindustrie aus. So leitet beispielsweise der Ex-Manager von [[Daimler]] die Arbeitsgruppe „Klima und Verkehr“. Nur drei der 24 Mitglieder in dieser Gruppe kommen direkt aus Umweltverbänden. Dabei hatte Scheuer das Gremium auf den Weg gebracht, um die Bundesregierung bei der Verkehrswende zu beraten und Konzepte für eine klimafreundliche Mobilität zu entwickeln. Die Einhaltung der Klimaziele der Bundesregierung sowie der umweltfreundliche Umbau des kompletten Verkehrssektors ist aber kaum zu erreichen, wenn die Industrie einen so starken Einfluss bei den Gesprächen hat. Das Instrument der Verkehrsvermeidung spiele zum Beispiel in den zu erarbeitenden Konzepten der NPM keine Rolle. Laut Ernst Christoph Stolper vom BUND, einem der wenigen geladenen Umweltvertreter, habe die Autoindustrie schlicht kein Interesse an einer Verkehrsvermeidung bzw. einer Verkehrsverlagerung durch einen Ausbau des Schienennetzes.
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