Die Affäre um John Dalli

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Version vom 16. Dezember 2012, 21:53 Uhr von UlrichMueller (Diskussion | Beiträge) (Kontakte Zammit-ESTOC 2011)

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Am 16. Oktober trat der EU-Gesundheitskommissar John Dalli aus Malta zurück bzw. wurde von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso entlassen. OLAF, die Antibetrugsbehörde der EU, hatte an dem Tag Ergebnisse einer Untersuchung gegen Dalli vorgelegt. Im Mai 2012 hatte der schwedische Tabak- und Streichholzkonzern, Swedish Match, den Vorwurf erhoben, dass ein maltesischer Unternehmer, angeblich im Namen von Dalli an die Tabakgesellschaft Swedish Match herangetreten sei – und Geld gefordert hatte. Im Gegenzug habe der Unternehmer in Aussicht gestellt, die derzeit laufende Verschärfung der Tabakrichtlinie im Sinne von Swedish Match beeinflussen zu können. Zu den Produkten des schwedischen Unternehmens zählt ein rauchfreies Tabakprodukt namens Snus, das in Schweden vertrieben, aber nicht in andere EU-Länder exportiert werden darf. Die Antibetrugsbehörde der EU konnte zwar keine direkte Beteiligung des EU-Kommissars nachweisen - Dalli soll aber von dem Angebot gewusst haben. Dalli bestreitet die Vorwürfe und behauptete, es handele sich um eine Falle der Tabaklobby.[1]

Die Tabakproduktrichtlinie ist eines der umstritttensten Projekte der Kommission. In der Debatte waren Vorschläge, die der Tabaklobby ernsthaft schaden würden. Insbesondere Plain Packaging, also das Versehen von Zigarettenpackungen mit Wahrnhinweisen und Abschreckenden Bildern, sollte verstärkt werden.[1]

Die Beteiligten

  • John Dalli (ehemaliger Gesundheitskommissar der EU)
  • Silvio Zammit (maltesischer Geschäftsmann und angeblicher Mittelsmann zwischen Dalli und Swedish Match)
  • Gayle Kimberley, maltesische Anwältin und Lobbyistin für Swedish Match
  • Swedish Match: Snus-Produzent; zur Vermarktung besteht ein Joint Venture mit Philipp Morris
  • European Smokeless Tobacco Council (ESTOC); Lobbyverband für Rauchfreie Tabakprodukte wie Snus und Kaubatak. Swedish Match stellt den Präsidenten.[2]
  • Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) mit dem Leiter Giovanni Kessler
  • EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso und seine Generalsekretärin Catherine Day

Ablauf der vermeindlichen Bestechung

  • Die Facebook-Pinnwand von Zammit zeigt an, dass er im Oktober 2011 in Schweden war. Die Statusmeldung wurde anschließend von Ms Delfosse geliked. Ms Delfosse ist Mitarbeiterin beim European Smokeless Tobacco Council[ESTOC]. Die Onlineaktivitäten zeigen den ersten bekannten Kontakt zwischen den beiden.[3] Nach Angaben von Swedish Match traf Zammit am 21. Oktober in Stockholm Inge Delfosse und einen Mitarbeiter von Swedish Match; die Initiative sei von Zammit ausgegangen.[4] Laut Angaben der maltesischen Polizei gab es 2011 insgesamt 18 E-Mails oder Anrufe von Zammit an Inge Delfosse.[5]
  • Am 10. Februar trafen sich Dalli, Zammit und eine maltesische Rechtsanwältin. Angeblich habe Dalli das Treffen OLAF gegenüber zunächst verschwiegen und erst später bekannt gegeben, dass es doch in seinem privaten Büro zu einem Treffen kam. Die Aussagen von Zammit wiegen dabei schwer. Mit dem Verweiß auf Notizen die sich Zammit scheinbar während des Treffens mit Dalli machte, gab er an, Dalli habe die Aufhebung des Verbots von Snus befürwortet. Gleichzeitig sei Dalli bewusst gewesen, dass dies sein politischen Ende bedeuten würde und wollte daher entschädigt werden. Eine ähnliche Version gibt auch Hildingsson, Lobbyist von Swedish Match, an. Demnach habe Zammit von Swedish Match 60. Millionen Euro gefordert um das Exportverbot der Tabakrichtline für Snus aufzuheben.[6]
  • Am 13. Februar trifft sich Zammit mit dem, Lobbyisten von Swdish Match in seinem Restaurant in Sliema auf Malta.[7]
  • Am 21.2 lehnt Swedish Match nach eigener Aussage das Bestechungsangebot ab und informiert die schwedische Regierung.
  • 8. März: Zammit nimmt Kontakt zu Inge Delfosse von ESTOC auf und bietet ein ganzes Maßnahmenpaket an, u.a. "preparation and drawing up of presentation to put forward to relevant high-level Commission representatives" und "lobbying efforts and setting up of high-level meetings". Dabei bietet er an, dass diese Dienste über eine andere Agentur abgerechnet werden können.[8]
  • Am 13. März 2012 trifft Dalli Inge Delfosse von ESTOC bei einer öffentlichen Anhörung bezüglich der umstrittenen Tabakrichtlinie.[6]
  • Am 16. März 2012 fragt Inge Delfosse Zammit in einer E-Mail, ob er ein Treffen mit Dalli organisieren könne und was das kosten würde. [9][8]
  • 29. März: Anruf von Zammit bei ESTOC. Darin forderte er angeblich 10 Mio. Euro für ein Treffen von Dalli und dem Boss von ESTOC (angeblich mit einer Garantie, die Regeln für Snus zu ändern). Nach Informationen der maltesischen Polizei wurde das Gespräch von Inge Delfosse (ESTOC) auf ihrem iPhone aufgezeichnet.[5]
  • Im Mai 2012 reichte Swedish Match eine Beschwerde gegen Dalli bei der EU-Kommission ein. Das Schreiben geht am 21. Mai bei der Generalsekretärin ein und wurde von ihr am 24. Mai zur Prüfung an OLAF weitergeleitet.[10]


Stellungnahme von Dalli

Einen Tag nach Dallis Rücktritt gab der Gesundheitskommissar an, von Barosso aus dem Amt gedrängt worden zu sein. Dalli weist die Vorwürfe der Bestechung zurück und verwieß mehrfach darauf, dass es nie zu einer Geldtransaktion zwischen ihm und Swedish Match gekommen ist.[11]

Auffälligkeiten und offene Fragen

Laut Informationen die dem Spiegel vorliegen, bremsten enge Mitarbeiter Barroso's die Tabakproduktrichtlinie von Dalli aus.[12] Catherine Day, Generalsekretärin der EU-Kommission und seit sieben Jahren Barossos engste Vertraute, informierte sich mehrfach über den Entwicklungsstand der Richtlinie und übte Kritik an den Plänen Dallis. Am 25. Juli sendete Day einen Schreiben an die Chefin der Generaldirektion Sanco und erklärte ihre Bedenken, und stellte Forderungen gegenüber den Kernpunkten der Richtlinie.[12] Giovanni Kessler, Chef der Antibetrugsbehörde OLAF, hatte laut Spiegel ebenfalls Bedenken gegen eine Verschärfung der Auflagen für Tabakkonzerne. Dabei spielte Olaf eine aktive Rolle im Rücktritt Dallis. Schließlich diente der Bericht von Olaf als Grundlage für Dallis Entlassung. Der Bericht beinhaltete jedoch „keine klaren Beweise“ so der Chef von Olaf. Die Umstände sprächen allerdings gegen Dalli, so Kessler weiter.[12] Der Olaf-Bericht wurde allerdings nie veröffentlicht. Weder Dalli noch die Öffentlichkeit bekamen die offizielle Begründung dessen Entlassung zu sehen.

Darüber hinaus stehen die EU-Institutionen in direkter Verbindung zu Tabakkonzernen. Olaf profitiert beispielsweise durch Informationen der Tabakindustrie im Kampf gegen Zigarettenschmuggel. Laut Spiegel werde die Behörde auch mit Geld von Tabakkonzernen unterstützt. Zwischen der EU-Kommission und den Tabakherstellern British American Tobacco und Phillip Morris bestehen ebenfalls Verträge welche die Akteure zu „gegenseitige[n] Verpflichtungen verknüpfen.“[12]

Weitere Informationen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Korruption oder Komplott?, www.mz-web.de vom 11.11.12 abgerufen am 06.12.12
  2. ESTOC structure, Estoc-Webseite, abgerufen am 16.12.2012
  3. Dalli had two meetings with tobacco lobbyists,www.timesofmalta.com abgerufen vom 18.10.12 am 06.12.12
  4. Dokument von Swedish Match: Chronology: Swedish snus, the revision of the Tobacco Products Directive and the resignation of Commissioner Dalli.
  5. 5,0 5,1 Lobbyist described Zammit as ‘gateway to John Dalli’, Malta Today vom 12.12.12, abgerufen am 16.12.2012
  6. 6,0 6,1 Swedish Match vice president: Zammit made offer to our maltese consultant, www.maltatoday.com vom 24 Oktober 2012 abgerufen am 04.12.12
  7. European tobacco-related payment probe widens, www.online.wsj vom 16.10.2012 abgerufen am 06.12.2012
  8. 8,0 8,1 Email Correspondence Offers Murky Picture on Dalli's Resignation, Wall Street Journal Online vom 25.10.2012, zuletzt abgerufen am 16.12.2012
  9. Email shows smokeless tobacco lobby asked Zammit to set up meeting with Dalli, www.maltatoday.com vom 17. Oktober 2012 abgerufen am
  10. Replies to the Questionnaire from the Committee on Budgetary Control of the European Parliament concerning the resignation of the former Commissioner John Dalli, gemeinsame Stellungnahme von EU-Kommission und OLAF vom 30.11.2012, Dokumentennummer: Ares(2012)1426620 - 30/11/2012
  11. EU-Gesundheitskommissar Dalli erklärt überraschend Rücktritt , www.faz.de vom 16.10.2012 abgerufen am 06.12.2012
  12. 12,0 12,1 12,2 12,3 [Blauer Dunst], SPIEGEL Ausgabe Nr.48 vom 26.11.12

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