BITKOM
Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (BITKOM) | |
---|---|
Branche | IT & Kommunikation |
Hauptsitz | Albrechtstraße 10 10117, Berlin |
Lobbybüro Deutschland | |
Lobbybüro EU | |
Webadresse | www.bitkom.org |
BITKOM ist der Digitalverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Er unterhält seit seiner Entstehung gute Beziehungen sowohl zum Bundeswirtschaftsministerium als auch direkt ins Bundeskanzleramt.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Bitkom e.V. ist der Digitalverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Er hat nach eigenen Angaben rund 2200 Mitglieder, darunter neben den führenden Deutschstämmigen Gesellschaften (z.B. SAP S.E. , Deutsche Telekom AG) mehr als 1000 Mittelständler und 500 Start-Ups. Zu den Mitgliedern gehören auch internationale Unternehmen wie Huawei, Google, Facebook bzw. deren deutsche Vertretungen. Auch Unternehmen, für deren Geschäftsmodelle Digitalisierung zunehmend relevant ist, sind Mitglieder. [1][2] Bitkom ist Mitglied im BDI Bundesverband der Deutschen Industrie.[3]
Der Verband unterhält zwei Tochtergesellschaften; (1) die Bitkom Servicegesellschaft für kommerzielle Analysen, Beratung, Schulung und Veranstaltungen, sowie (2) Digital für alle, eine steuerrechtlich gemeinnützige GmbH mit dem Zweck der Erhöhung von „Digitaler Teilhabe“, mithin für die Anwendenden-Kompetenz und die Steigerung der Nutzung digitaler Produkte.[4]
Bitkom benennt im Lobbyregister mehr als 200 Personen, die mit der Lobbyarbeit betraut sind. Kein anderer Akteur gibt eine größere Zahl an. Auch mit den angegeben 4,8 Mio € Ausgaben für die Lobbyarbeit gehört Bitkom zu den TOP 15 Lobbyakteuren in Berlin[5].
Zu den verfolgten Interessen des Unternehmensverbandes zählen z.B. die Stärkung von Verwaltungsdigitalisierung und Open Source, die überwiegend auch im Interesse weiterer Kreise der Gesellschaft sind.Zuallererst setzt sich Bitkom aber für seine überwiegend privatwirtschaftlichen Mitglieder ein, deren Geschäfte und Handlungsspielräume. Vertreten werden Forderungen nach Regulierungsarmut und deren aufwands-, berichts- und haftungsarmer Handhabbarkeit, sowie Kostensenkungen z.B. für Strompreise (Industriekunden).[6] [7] Bitkom setzt sich für die Schaffung von Subventionen für Technologieentwicklung ein, und dafür, dass deren Empfänger stärkeren Einfluss auf deren Verteilung erhalten (s.u.). Auch die Beschränkung von Arbeitnehmerrechten und die Aufweichung von Arbeitsschutzvorschriften (Arbeitszeitregelung) gehören zu den Lobbyismuszielen (s.u.). Im Lobbyregister gibt Bitkom an, sich für rund 90 Vorhabenbereiche zu engagieren. Themen umfassen zum einen Digitalisierung; Internetpolitik; Kommunikations- und Informationstechnik; Massenmedien oder Cybersicherheit, aber auch Öffentlichen Finanzen, Steuern und Abgaben. Bitkom zielt im Interesse seiner Mitglieder auch auf viele Bereich des Gemeinwesens, für die Digitalisierung ganz überwiegend allenfalls ein Instrument ist: Politisches Leben, Aussenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Parteien; Rechtspolitik; Strafrecht u.v.m.[8].
Branchenspezifische Interessenkonflikte zwischen Bitkom und der Gesellschaft bestehen darüber hinaus zum Beispiel an folgenden Stellen:
· Datenverfügbarkeit (für privatwirtschaftliche Zwecke in der digitalisierten Wirtschaft) versus Datensparsamkeit, Privatsphäre und Datensouveränität der nutzenden Personen und Organisationen. Das betrifft praktisch alle digitalen Anwendungen, die während oder nach der Nutzung Daten mit Herstellern oder Dritten austauschen, also fast alle.[9]
· Begrenzung von Herstellerpflichten beim Einsatz von Technologie versus Verbraucherschutz. Das betrifft zum Beispiel den Einsatz von KI im Rahmen des automatisierten Fahrens.
· Sorgfaltspflichten bei Design und Vertrieb von Produkten, insbes. KI. Das betrifft Fragen der Bekämpfung organisierter Kriminalität und staatlicher Sicherheit bzw. (s.u.).
Bitkom veröffentlicht eine Vielzahl von Stellungnahmen innerhalb und außerhalb von Gesetzgebungsverfahren.[10]
Bitkom war z.B. an der Enquete Kommission des Bundestages zu „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ beteiligt. [11]
Themen und Beispiele
EU KI Verordnung - Sorgfaltspflichten und Haftung von Herstellenden, Begrenzung von Regulierung bei Biometrie
Bitkom forderte, dass bereits entwickelte KI von der Regulierung nicht betroffen sein soll. Besonderes Augenmerk galt dem automatisierten Fahren. Bitkom e.V. stellte auch in den Raum, dass die Einstufung als Hochrisiko KI – und die damit verbundene Regulierung - bereits dann wegfallen könne, wenn Hersteller in der „Gebrauchsanweisung“ dessen Nutzung für Hochrisiko Zwecke untersagen.
Für die Klassifizierung als Hochrisiko-KI wurde angeregt, dafür relevante biometrische Merkmale abschliessend aufzuzählen. Das führt leicht dazu, dass die Regulierung der technischen Realität quasi hinterherläuft, da Hersteller auf andere und ggfs. neue biometrische so lange legal nutzen dürfen.[12]..
Industriebestimmtes Europäisches Forschungsrahmenprogramm
„Bitkom fordert eine an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientierte Ausgestaltung des EU-Forschungsrahmenprogramms „FP10“. Für die Ausgestaltung des 10. FP sind aus Sicht von Bitkom eine ausreichende finanzielle Ausstattung in Höhe von 200 Mrd. Euro, die Ausrichtung auf anwendungsorientierte Forschung, die Einbindung der Unternehmen in die Gestaltung der Forschungsausschreibungen sowie eine bürokratiearme Ausgestaltung zentral.“ [13]
Das vorherige 9. Rahmenprogramm hingegen beinhaltete als Zielstellung nicht nur auf marktnahe Unternehmensförderungsinteressen zu fokussieren, sondern zielte im strategischen Planungsprozess vor allem auf digitalen und grünen Wandel, auf die gesamte Innovationskette und auf wissenschaftliche Exzellenz - für globale Herausforderungen unabhängig von Rentabilitätsaspekten. [14] [15]
Einschränkung von Arbeitnehmerrechten – Leistungskontrolle und Überwachung
„Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sollte … reduziert und auf die tatsächliche Nutzung von Daten zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt werden.“
Der § 87 Abs. 1 Nr. 6 regelt hingegen, dass Technik für Überwachung und Leistungskontrolle von Arbeitnehmenden grundsätzlich zustimmungspflichtig durch Arbeitnehmervertretungen ist. [16]
Einschränkung von Arbeitsschutzgesetzen
Hier setzt sich Bitkom für eine Aufweichung der Ruheregeln für Arbeitnehmer:innen ein. Es solle eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit gelten. Die Aufzeichnungspflicht für Arbeitszeiten solle eingeschränkt werden („Vertrauensarbeitszeit“ müsse möglich bleiben).
Weiterführende Informationen
Internet- und IT-spezifisch kompetente zivilgesellschaftliche Akteure, die Widersprüche zwischen Bürgerrechten, gesellschaftlichem Interesse und Herrschafts- bzw. Kapitalverwertungsinteressen von Staat und Branche thematisieren sind zum Beispiel Algorithmwatch, der Chaos Computer Club, D64 https://d-64.org/, Digitalcourage https://digitalcourage.de/ und netzpolitik.org.
[1] Bitkom - Über uns , Verbands-Website, abgerufen am 18.9.2024
[2] Bitkom-Mitgliederliste, abgerufen am 18.9.2024
[3] BDI-Mitglied Bitkom, BDI Verbands-Website, abgerufen am 22.10.2024
[4] Die Bitkom Gruppe , Verbands-Website, abgerufen am 15.10.2024
[5] Lobbyregister des Bundestages, Eintrag Bitkom vom 12.9.2024 , abgerufen am 18.09.2024
[6] S. dazu zum Beispiel das Bitkom Positionspapier zum Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 , Verbands-Website, abgerufen am 22.10.2024
[7] https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R000672/43976, Regelungsvorhaben 129
[8] https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R000672/43976
[9] S. z.B. hier: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Bitkom-zur-Datenstrategie-der-Bundesregierung-1
[10] https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R000672/43976
[11] https://www.bundestag.de/webarchiv/Ausschuesse/ausschuesse19/weitere_gremien/enquete_ki
[12] https://www.lobbyregister.bundestag.de/media/85/f6/303848/Stellungnahme-Gutachten-SG2406130014.pdf
[13]https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R000672/44421?backUrl=%2Fsuche%3Fq%3DBitkom%26pageSize%3D25%26filter%255Bactivelobbyist%255D%255Btrue%255D%3Dtrue%26sort%3DRELEVANCE_DESC; Regelungsvorhaben 27
[14] https://www.horizont-europa.de/de/Politischer-Kontext-und-Neuerungen-in-Horizont-Europa-1716.html
[15] https://www.horizont-europa.de/; Thematisch fokussierte das Programm Horizont Europa hingegen auf fünf Kernmissionen unabhängig von kommerzieller globaler „Wettbewerbsfähigkeit“ privatwirtschaftlicher Akteure: Anpassung an den Klimawandel, Krebs; Gesunde Ozeane und Gewässer, Klimaneutrale intelligente Städte, sowie Bodengesundheit und Ernährung.
[16] https://dejure.org/gesetze/BetrVG/87.html
Nationaler IT-Gipfel
Auf dem jährlich stattfindenden Nationalen IT-Gipfel kommen Vertreter der deutschen IT-Industrie regelmäßig mit SpitzenpolitikerInnen zusammen und diskutieren mit ihnen die politischen Weichenstellungen für die Branche. Der IT-Gipfel wird federführend vom Wirtschaftsministerium organisiert, allerdings in enger Absprache mit der Bitkom. So tritt beispielsweise, wie bereits in den Jahren zuvor, Bitkom-Präsident Thorsten Dirks gemeinsam in einer Veranstaltungsreihe mit Angela Merkel auf. [1] Insgesamt wird der IT-Gipfel jeher von Unternehmensvertretern dominiert, während Vertretern der Zivilgesellschaft kaum ein Platz zur Präsentation ihrer Anliegen eingeräumt wird.
Auch außerhalb des eigentlichen Gipfels arbeiten Bitkom und die Bundesregierung Hand in Hand: Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel leitet Verbandspräsident Thorsten Dirks die Arbeitsgruppe "Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten". Deren Aufgabe ist es, zentrale Handlungsfelder und konkrete wirtschaftliche Projekte auszuarbeiten. [2]
Auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE im September 2016 zu Beziehungen von führenden Telekommunikationsunternehmen zur Bundesregierung, antwortete Letztere zwar mit einer langen Liste von offiziellen Treffen mit VertreterInnen der Bitkom und der Deutschen Telekom.[3] Die Plattform Netzpolitik.org kritisiert, dass es eine große Dunkelziffer an Lobby-Gesprächen gäbe, denn Zusammentreffen der Unternehmer mit PolitikerInnen am Rande von Festen, Veranstaltungen und sonstigen Anlässen würden nicht registriert.[4]
Verein Selbstregulierung und Informationswirtschaft
Um sich in die Diskussion um die europäische Datenschutzrichtlinie einzubringen, gründete Bitkom im Jahr 2011 gemeinsam mit IT-Unternehmen den Verein Selbstregulierung Informationswirtschaft (SRIW). Dieser habe nach eigenen Angaben das Ziel, den Verbraucherschutz unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes zu fördern. Somit soll das „Vertrauen der Nutzer in digitale Produkte und Dienste verbessert und erhalten“ werden.[5] Entgegen dieser Behauptung strebt der Verein jedoch danach, ein Recht auf Selbstregulierung innerhalb der Branche durchzusetzen, um letztlich mehr gesetzlichen Datenschutz verhindern zu können.[6]
Organisationsstruktur und Finanzen
Bitkom vertritt mehr als 2.400 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon 1.600 Direktmitglieder. Sie erzielen mit 700.000 Beschäftigten jährlich Inlandsumsätze von 140 Mrd. € und stehen für Exporte von weiteren 50 Mrd. €. 79% der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, darunter die Telekom AG und Siemens, weitere 9% kommen aus Europa.[7]
Präsidium und Geschäftsführung
- Thorsten Dirks (Präsident Bitkom e.V.): CEO und Vorstandsvorsitzender bei Telefónica Deutschland Holding AG, bis 2014 Vorsitzender der Geschäftsführung der E-Plus Gruppe, die heute Teil von Telefónica Deutschland ist
- Bernhard Rohleder (Hauptgeschäftsführer und Mitgründer Bitkom e.V.): Mitglied des Beirats des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (Divsi), Vertreter der IT-Branche im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI, Mitglied der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages "Internet und digitale Gesellschaft (17. Legislaturperiode)
Kurzdarstellung und Geschichte
BITKOM entstand 1999 durch die Verschmelzung verschiedener Verbände der Informationstechnik zu einer gemeinsamen Interessenorganisation. Diese vereint derzeit mehr als 2.400 Unternehmen der digitalen Wirtschaft in sich, darunter Global Player der IT-Branche wie etwa Google, Microsoft, Siemens und IBM.[10] 2017 erhielt BITKOM den Negativpreis BigBrotherAward von dem Verein Digitalcourage. Laut Digitalcourage e.V. erhielt BITKOM den Preis wegen seiner zu unkritischen Positionierung zu Big Data sowie wegen ihrer Lobbyarbeit entgegen der Datensicherheit.[11]
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ Nationaler IT-Gipfel 2016: Programm, abgerufen am 09.11.2016
- ↑ Arbeitsorganisation IT-Gipfel, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Antwort der Bundesregierung vom 13.09.2016, abgerufen am 09.11.2016
- ↑ Netzpolitik.org/Auflistung Beziehungen, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Der SRIW: Ziele und Aufgaben, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Kritik von Netzpolitik.org am SRIW, abgerufen am 11.11.2016
- ↑ Die Bitkom-Gruppe, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Bitkom Präsidium, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Bitkom Geschäftsführung, abgerufen am 10.11.2016
- ↑ Bitkom/Über-uns, abgerufen am 09.11.2016
- ↑ bigbrotherawards.de Preisträger 2017 BITKOM