Ausschuss für Regulierungskontrolle
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=== 2020: Kreislaufwirtschaft und das Right to Repair ===
Als Teil der Bemühungen zur europäischen Kreislaufwirtschaft, brachte die EU-Kommission 2020 einen Vorschlag zu weitreichenden Reparaturmöglichkeiten (Right to Repair, dt.: Anspruch auf Reparatur) vor allem von Elektrogeräten ein. Die Verhandlungen ziehen sich seit 2020, doch früh war ein Konflikt zwischen Verbraucherschutz bzw. Umweltverbänden sowie Industrieverbänden erkennbar. Den Entwurf der EU-Kommission bewertete das RSB negativ. Eine Begründung hierfür ist aufgrund des laufenden Verfahrens noch nicht veröffentlicht (Stand 5/2023). Dies kritisieren einige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und beklagten Intransparenz. Ohne Zugang zu dem Dokument und Begründung des negativen Beschlusses sei die parlamentarische Arbeit zu dem Vorschlag erschwert.<ref>[https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/The-EUs-Commission-Regulatory-Scrutiny-Board_Studie_2023.pdf The EU's Commission Regulatory Scrunity Board] Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.38</ref> Die NGO Right to Repair Europe kritisierte zudem, dass die Verzögerung im Gesetzesprozess wichtige Umweltregulierungen zusätzlich verlangsamen würde.
Das Regulatory Scrunity Board (RSB, dt.: Ausschuss für Regulierungskontrolle) ist ein semi-eigenständiges Beratungsgremium innerhalb der Europäischen Kommission, dem eine wichtige Rolle bei der Überprüfung von Gesetzesinitiativen zukommt.
Das RSB hat dabei zwei zentrale Funktionen: Erstens soll er die Folgeabschätzungen, die Teil der Gesetzesinitiativen sind, auf ihre Qualität prüfen. Zweitens bestehende Gesetze auf ihre „Zweckdienlichkeit“ prüfen. So ist das RSB Teil aller Gesetzesschritte, von der Formulierung bis zur Bewertung. Zu Gesetzesvorhaben mit weitreichenden Auswirkungen formuliert die EU-Kommission Folgeabschätzungen. Das RSB bewertet diese positiv, positiv mit Vorbehalt oder negativ bewerten, bevor die Initiative von der EU-Kommission weiter verfolgt werden kann. [1]
Das RSB steht aufgrund der Priorisierung von ökonomischen Auswirkungen in seiner Bewertung, fehlender Transparenz und mangelnder Rechenschaftspflicht gegenüber Abgeordneten und Bürger:innen in der Kritik.
Besonders deutlich wurde die Macht des Gremiums beim Kommissionsvorschlag zu einem Europäischen Lieferkettengesetz (CSDD). Dort hatte der Ausschuss zwei Negativgutachten ( = de facto-Veto) zu den Folgeabschätzungen vorgelegt und somit den Gesetzgebungsprozess deutlich verzögert.[2]
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Arbeit des RSB
Die 'better regulation agenda'
Als Grundlage der Arbeit des RSB gilt die europäische ‚better regulation agenda‘ (dt.: Agenda zur besseren Rechtsetzung). Diese Agenda wurde 2015 nach Kritik an der Arbeitsweise der EU-Kommission entwickelt.[1]
Sie hat zum Ziel, die Gesetzgebung der EU zu legitimieren, Kosten zu verringern und Gesetze und deren Durchsetzung zu vereinfachen. Zusätzlich sollte das demokratische Defizit der EU zum einen durch die größere Teilhabe der Gesellschaft, zum anderen durch die Einbeziehung externer Expert:innen verringert werden.[3]
Kern der Arbeit des RSB sind die Kriterien der 'better regulation agenda':
- evidenzbasierte Folgeabschätzung
- akkurate Kosten-/Nutzenanalyse
- und Indikatoren zur Messung der Proportionalität eines Gesetzesvorschlages
In den Bewertungen der vorgelegten Berichte analysiert das RSB diese auf Vollständigkeit und Qualität analysieren.
Die Toolbox des RSB
In seiner Arbeit greift das RSB auf eine Toolbox (dt.: Werkzeugkiste) zurück, ein 608-seitiges Dokument, das die Bewertungsgrundlagen beinhaltet. Das Dokument formuliert Auswirkungen auf Ökonomie, Soziales, Umwelt und Menschenrechte. Seit 2021 umfasst es auch die Sustainable Development Goals (dt. Nachhaltigkeitsziele) der UN, auf die sich die EU-Kommission unter der EU-Präsidentin Von der Leyen im Rahmen des Green New Deals verständigte.[4]
Im gleichen Schritt verankerte die Kommissionspräsidentin Von der Leyen das Prinzip von ‚one in, one out‘ in der Toolbox. Dieses Prinzip sieht vor, dass äquivalente Regulierungen gestrichen werden, wenn ein neues Gesetz im gleichen Politikfeld verabschiedet wird. Ziel war es, die Menge an Gesetzen zu reduzieren und die europäische Gesetzgebung dadurch für Bürger:innen und Firmen zu vereinfachen. Die Überprüfung der one-in, one-out Vorschläge wurde dadurch wichtiger Aspekt der Bewertungen des RSB.[5]
Aufbau des RSB
Arbeitsweise
Das RSB trifft sich 2-3 Mal im Monat zu Sitzungen. Es gilt das Prinzip der kollektiven Verantwortlichkeit, wobei eine einfache Mehrheit für eine Entscheidung reicht.[6] Die Treffen des RSB finden im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bis auf die abschließenden Bewertungen, hat das Gremium keine Offenlegungspflicht von besprochenen Inhalten. Die ausgearbeiteten Bewertungen müssen jedoch erst nach Verabschiedung des entsprechenden Vorschlags auf der Seite der EU-Kommission veröffentlicht werden. Auch EU-Abgeordnete haben davor keinen Zugriff auf die Dokumente.[7]
Personal
Dem RSB gehören 9 Mitglieder an:
- ein Vorsitzender - Generaldirektor einer Kommissionsdienststelle
- vier hochrangige Kommissionsbeamt:innen
- vier externe Sachverständige
Alle Mitglieder sind in Vollzeit für das RSB tätig und nehmen keine andere politische Verantwortung wahr. Sie werden nicht gewählt, sondern von der EU-Kommission ernannt. Ihr dreijähriges Mandat kann unter außergewöhnlichen Umständen um höchstens ein Jahr verlängert werden. Immer wieder kommt es vor, dass nicht alle Gremiensitze belegt sind, auch weil die Zugangshürden relativ hoch und umfassend sind.[8] Das RSB soll Expertise aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereichen vereinen, jedoch hat der Großteil seiner Mitglieder einen Bildungshintergrund in Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaften.
- Mitglieder (Stand: Mai 2023)[9]
- Vorsitz: Rytis Martikonis
- James Morrison
- Dorota Denning
- Michael Gremminger
- Philippe Mengal
- Elisabetta Siracusa
Aufgaben des RSB
Folgenabschätzungen
Gesetzesvorschläge der EU-Kommission umfassen einen Entwurf zur Folgeabschätzung der Gesetzesinitiative, welcher dem RSB vorgelegt wird. Das RSB verfasst eine Bewertung des Entwurfes auf Grundlage der Bewertungskriterien der Toolbox. Dies sind vor allem ökonomische, soziale, und Umweltkriterien. Die Bewertung des RSB muss begründet werden, außerdem formuliert es Empfehlungen zum Entwurf.
Die Stellungnahmen des RSB zu Folgenabschätzungen können „positiv“, „positiv mit Vorbehalt“ oder „negativ“ ausfallen.
Damit ein Gesetzesentwurf weiter verfolgt werden kann und der Kommission zur Annahme vorgelegt werden kann, muss das RSB ihn „positiv“ oder „positiv mit Vorbehalt“ bewerten. Fällt die Stellungnahme negativ aus, muss der Entwurf überarbeitet und dem RSB erneut vorgelegt werden.[7]
Nach zwei negativen Stellungnahmen des RSB zu einem Entwurf kommt der Kommissions-Vize-Präsident ins Spiel. Nur der Vizepräsident für interinstitutionelle Beziehungen kann den zweimal negativ bewerteten Entwurf nun weiterleiten. Er legt ihn einer Runde der 28 EU-Kommissionsmitglieder (Kollegium der Kommissionsmitglieder) vor, die entscheiden ob sie den Gesetzesentwurf weiterverfolgen wollen.
In seltenen Fällen, bei kleinen Mängeln kann der Entwurf auch ein drittes Mal vorgelegt werden um dann vom RSB entschieden zu werden.[10]
Evaluierungen
Auch Evaluierungen bestehender Gesetze werden dem RSB vorgelegt. Die Stellungnahmen des RSB zu Evaluierungen können „positiv“ oder „negativ“ ausfallen.
Eine negative Stellungnahme verhindert nicht den Abschluss von Evaluierungen und die Veröffentlichung der entsprechenden Berichte. Diese können dem Ausschuss jedoch auf freiwilliger Basis für eine zweite Stellungnahme vorgelegt werden. Generell wird jedoch von der zuständigen Dienststelle erwartet, dass sie ihre Berichte überarbeitet und dabei die Empfehlungen des RSB berücksichtigt.[7]
Der Ausschuss prüft nicht alle Evaluierungen der Kommission. Jedes Jahr wird je nach Relevanz und politischen Prioritäten der Kommission eine Auswahl wichtiger Evaluierungen getroffen. Eignungsprüfungen werden dem Ausschuss immer zur Stellungnahme vorgelegt.
Alle Folgenabschätzungen und die zugehörigen Stellungnahmen des Ausschusses werden online veröffentlicht, sobald die Kommission den entsprechenden Vorschlag verabschiedet hat. Berichte über Evaluierungen sowie die zugehörigen Stellungnahmen des Ausschusses werden ebenfalls online veröffentlicht.[10]
Fallbeispiele
2021: Europäisches Lieferkettengesetz
Im November 2021 legte die EU-Kommission dem Regulatory Scrunity Board (RSB) Ausarbeitungen des Gesetzesvorhaben zum sogenannten Lieferkettengesetz (Europäisches Vorhaben zur Schaffung verbindlicher unternehmerischer Sorgfaltspflichten in Lieferketten) vor. Dieses hatte zum Ziel, die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten entlang der Lieferkette zu fördern.
Das RSB hatte dem Bericht 'Inside Job' von Corporate Europe Observatory (CEO) zufolge, eine Schlüsselrolle in der Verzögerung und Verwässerung des Vorhabens inne. Zweimal hatte das RSB die Folgenabschätzung des Lieferkettengesetzes durch die Kommission in Frage gestellt und somit ein Fortschreiten des Gesetzgebungsprozesses blockiert.
Die Kritik des RSB galt vor allem formalen Aspekten des Entwurfes. Dieser sei ungenau und unvollständig und die Verhältnismäßigkeit der Instrumente könne nur unzureichend begründet werden.[11] Die abschließenden Berichte des RSB glichen jedoch den Interessen von Industrievertreter:innen, die das Gesetz massiv schwächen wollten. Mehrere NGOs warfen dem RSB daraufhin vor, dass es nicht neutral agiere sondern wirtschaftliche Auswirkungen in den Fokus seiner Bewertungen stelle.[12]
Zusätzlich stellten die Europaabgeordneten Lara Wolters, Heidi Hautala, Manon Aubry und Pascal Durand fest: „Aus den offengelegten Dokumenten geht hervor, dass der Ausschuss einer hartnäckigen und scheinbar koordinierten Lobbyarbeit ausgesetzt war, bei der fadenscheinige Behauptungen aufgestellt wurden, dass Elemente der Folgenabschätzung der Kommission gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verstießen“.[13]
Der Bericht von CEO zeigt zudem auf, dass große Wirtschaftsverbände aktiv versucht hatten, Einfluss auf die Entscheidung des RSB zu nehmen. Beispielsweise geht aus der internen Kommunikation des Dänischen Industrieverbands hervor, dass dieser plante: "Leute in der Kommission zu aktivieren, die auf dem Gebiet der ‚Besseren Rechtssetzung‘ arbeiten" um das Gesetz zu verhindern. Damit wollten die Industrieverbände vor allem höhere Kosten vermeiden.[12]
Laut dem Bericht von Corporate Europe Observatory traf sich darüber hinaus, im November 2020, die damalige RSB-Vorsitzende Veronica Gaffey mit dem französischen Unternehmenslobbyverband AFEP. Der AFEP war zuvor mit der Bitte um ein Treffen zum Lieferketten-Dossier an Gaffey herangetreten. Der E-Mail-Verkehr im Vorhinein deutet jedoch darauf hin, dass Gaffey stattdessen eine „allgemeine Präsentation zur Arbeit des Ausschusses bei den Gesetzgebungsverfahren der EU“ halten werde. Dies entsprach den Regeln des RSB, nach denen es keine Treffen zu spezifischen Gesetzesdossiers geben soll. Dennoch äußerte der AFEP später dem journalistischen Medium Mediapart gegenüber, dass mehrere Teilnehmende während des Meetings das Dossier zur Sprache gebracht hätten. Neben dem AFEP waren auch der Dänische Industrieverband, Lobbyverbände wie #SustainablePublicAffairs und BusinessEurope bemüht, die Entscheidungen des RSB zu beeinflussen.[14]
Nach Auffassung eines weiteren Reports der NGOs Misereor, Brot für die Welt und dem Global Policy Forum bestätige die spätere Reaktion von Wirtschaftsvertreter:innen diesen Verdacht. [15] So lobte die stellvertretende Direktorin des Verbands der Dänischen Industrie, Kim Haggren, im Dezember 2021 die Entscheidung des RSB als Erfolg der eigenen Lobbyarbeit: „Es ist wirklich gut zu sehen, dass die harten Anstrengungen von uns und anderen, [das RSB] über die Regeln zu informieren und sie zu beeinflussen, jetzt offenbar Früchte tragen."
Die Studie von Brigitte Pircher stellt jedoch auch fest, dass eine klare Kausalität nicht feststellbar sein: „Therefore […] it would be hard to assess whether the lobbying contacts impacted the RSB or if their activities reflect the overall policy priorities of the Commission.“[11]
2020: Kreislaufwirtschaft und das Right to Repair
Als Teil der Bemühungen zur europäischen Kreislaufwirtschaft, brachte die EU-Kommission 2020 einen Vorschlag zu weitreichenden Reparaturmöglichkeiten (Right to Repair, dt.: Anspruch auf Reparatur) vor allem von Elektrogeräten ein. Die Verhandlungen ziehen sich seit 2020, doch früh war ein Konflikt zwischen Verbraucherschutz bzw. Umweltverbänden sowie Industrieverbänden erkennbar. Den Entwurf der EU-Kommission bewertete das RSB negativ. Eine Begründung hierfür ist aufgrund des laufenden Verfahrens noch nicht veröffentlicht (Stand 5/2023). Dies kritisieren einige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und beklagten Intransparenz. Ohne Zugang zu dem Dokument und Begründung des negativen Beschlusses sei die parlamentarische Arbeit zu dem Vorschlag erschwert.[16] Die NGO Right to Repair Europe kritisierte zudem, dass die Verzögerung im Gesetzesprozess wichtige Umweltregulierungen zusätzlich verlangsamen würde.
Initiativen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit
2020 brachte die Kommission einen Entwurf ein, der eine gerechtere Bezahlung zwischen den Geschlechtern durch Lohntransparenz fördert. Dieser wurde zweimal negativ vom RSB bewertet. Das RSB kritisierte, dass der Bericht zu wenig Evidenz für Lohndiskriminierung aufzeigte und das ‚gender pay gap‘ als Beweisgrundlage nicht diene. Auch nach der dritten, in seltene Fällen genehmigten Ausarbeitung des Folgeabschätzungsbericht, mahnte das RSB, dass zu wenig Augenmerk auf die Kosten/Nutzen-Analyse gelegt wurde und eine Prognose zur Lohnentwicklung bei Männern und der Profitabilität von Unternehmen fehle. [17]
Auch den Entwurf zur Verhinderung geschlechterbasierter Gewalt wies das RSB 2021 zweimal zurück, weil der Folgenabschätzung Beweis fehle, die Kosten/Nutzen-Analyse nicht ausreiche und die bestehenden Umsetzungsbemühungen der Staaten nicht einbezogen werde.
In beiden Vorschlägen galt Geschlechtergerechtigkeit als zentrale Dimension, die durch die Gesetze gefördert werden sollte. In Folge der mehrfach negativen Bewertungen kam auch Kritik am Aufbau des RSB auf. Mehrere NGOs kritisierten die ungleiche Sitzverteilung des männerdominierten RSB und die fehlende Quotierung nach Geschlecht. Auch zeige sich in den Entwürfen wieder eine Unausgewogenheit, da das RSB erneut ökonomische Interessen vor langfristigen gesellschaftspolitischen Themen priorisiere.
Kritik am RSB
Vetomacht für ein ungewähltes Gremium
Zu jedem Gesetzesentwurf gibt die EU-Kommission eine Folgeabschätzung ab, die das RSB positiv, positiv mit Vorbehalt oder negativ bewerten kann. Bei negativer Bewertung muss der Entwurf nochmal überarbeitet werden. Nach zwei negativen Bewertungen des RSB kann nur ein spezifischer Vizepräsident der EU-Kommission den Entwurf an das Kollegium der Kommissionsmitglieder weitergeben, die über den Entwurf entscheiden. Dies verzögert den Prozess beachtlich.
LobbyControl, AK Wien und Brigitte Pircher sprechen hier von einem de facto Veto, das einem ungewählten Gremium zukommt und für Verzögerungen in der Gesetzgebung sorge. Frank Ey vom AK Wien dazu: „Ein beratendes Gremium darf keine Vetomacht über den Gesetzgeber haben! Mit dem Vetorecht greift das RSB ein, noch bevor der Gesetzgebungsprozess mit dem Rat und EU-Parlament überhaupt anfängt. Das ist völlig undemokratisch.“ Das RSB könne als ein nicht gewähltes Gremium die Gesetzgebung weitreichend gestalten, so LobbyControl.
Etwa 40 % der Gesetzesvorhaben, mit denen sich der RSB zwischen 2016-2022 befasst hat, haben mindestens ein Negativgutachten erhalten (Stand 2022) . Die Autorin der Studie 2023, Brigitte Pircher hinterfragt zudem die Notwendigkeit dieser Veto-Funktion. Auch weil die Gesetzesvorschläge oftmals mit entsprechender Verzögerung trotzdem umgesetzt werden.
Intransparenz
Die Entscheidungen des RSB werden im Geheimen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen. Bis auf die Berichte zu Folgeabschätzungen und Evaluierungen muss das RSB keine Dokumente veröffentlichen. Auch diese müssen erst nach Verabschiedung des entsprechenden Vorschlags auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht werden.
Auch in einem anderen Aspekt hinterfragt die Studie Brigitte Pilchers das RSB. Dem RSB sind vier externe Mitglieder und vier kommisionsinterne Mitglieder zugehörig. Zusätzlich stellt die Kommission auch den Vorsitz des RSB. So ist das RSB zum einen von der EU-Kommission abhängig als auch gefährdet zu sehr in Richtung von Kommissionsinhalten zu tendieren.
Zudem existieren keine Kontrollinstanzen, die die Mitglieder und ihr Handeln überprüfen und im Falle von Fehlverhalten zur Verantwortung ziehen können. Anders als gewählte Abgeordnete hat das RSB keine Rechenschaftspflicht für seine Entscheidungen inne, da sie nicht die Wählerinteressen der EU-Länder vertreten.
Bei den bekannten 23 Treffen der Vorsitzenden des RSB handelt es sich in 90% um Treffen mit Vertreter:innen, die die better regulation agenda unterstützen. Damit wird der RSB der Verpflichtung zur Neutralität nicht gerecht.
Fragwürdige Bewertungskriterien
Bevor die 2021 Nachhaltigkeitsaspekte in der better regulation agenda festgehalten wurde, umfasste die Toolbox doppelt so viele ökonomische Auswirkungen wie soziale Auswirkungen. Hier zeigt sich eine Dominanz von wirtschaftlichen Kriterien in der Bewertung.
Auch grundsätzlich stehen Folgenabschätzungen in der Kritik, da es oftmals einfacher ist, die direkten wirtschaftlichen Folgen eines Gesetzes abzuschätzen, als lamgfristige für Umwelt und Gesellschaft. Daran anschließend berichtet Lia Polotzek, Leiterin Politische Planung beim BUND: „Wir beobachten schon lange, dass der Ausschuss für Regulierungskontrolle eine sehr starke Schlagseite dahin hat, neue Regulierungen unternehmensfreundlich auszugestalten“.
Problematische Grundlage: „Better Regulation Agenda“
Zentral in der Kritik gegenüber der better regulation agenda ist die Abwägung von Gesetzen als Chancen oder Belastungen. Laut dem Brüsseler Lobby-Watchdog Corporate Europe Observatory (CEO) steht die better regulation agenda (dt. Bessere Rechtsetzung) für: "clevere PR für ein generell wirtschaftsfreundliches Verfahren, das Regulierung in ‚Belastungen‘ umdeutet und danach strebt, einige dieser ‚Belastungen‘ zu beseitigen und sicherzustellen, dass neue Regeln so ausfallen, dass sie möglichst keine Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben, da sie sonst Unternehmensprofite schmälern könnten."
Auch Brigitte Pircher, Autorin der 2023 veröffentlichten Studie schreibt, dass der eindimensionale Blick der better regulation agenda auf Regulierungen als Hindernis und Kostenfaktor, für die Gesetzgebung hinderlich ist. Vielmehr müsse es um eine klügere Gesetzgebung gehen, die besseren Schutz biete, bessere Durchsetzungsstrukturen und besserer governance.
Die Studie zeigt auch auf, dass in der better regulation agenda vor allem Maßnahmen verfestigt sind, die eine Deregulierung der europäischen Gesetzgebung bezwecken.
Hier ist das in der better regulation agenda verankerte ‚one in one out‘-Prinzip zu nennen, nachdem ein bestehendes, äquivalentes Gesetz durch das neue Gesetz ersetzt wird. Ein Mehr an Regulierungen sei jedoch nach Brigitte Pircher zentral um die zunehmenden Krisen politisch zu meistern.
In Texten aus Unternehmenslobbykreisen werde die better regulation agenda nach Auffassung von Corporate Europe Observatory (CEO) immer wieder als "Grund und als Werkzeug" aufgeführt, um geplante Regulierungen abzuschwächen. ‘Stakeholder’ und ‘Konsultationen’ nehmen laut CEO in den Prozessen der better regulation agenda eine große Rolle ein. Dies würde letztlich jedoch Wirtschaftsinteressen zugutekommen, da sie über die finanziellen und technischen Ressourcen verfügten, um solche Verfahren zu dominieren.
Geschichte
Die Entstehungsgeschichte des Regulatory Scrunity Boards (RSB) gründet in einer größeren Entwicklung der Liberalisierungspolitik der Europäischen Union und den dazugehörigen Deregulierungsbestrebungen.
In den 1980er und 1990er Jahren war vor allem die Tabaklobby ein prominenter Befürworter der Schaffung sogenannter Folgenabschätzungsberichte von Gesetzen. Dieser Befürwortung lag v.a. der Gedanke zugrunde, dass die finanziellen Kosten, die durch eine neue Regulierung für Unternehmen entstehen, einfacher zu messen sind, als die möglichen Effekte der Nicht-Regulierung für Mensch und Umwelt. 1990 wurde dieses Konzept der Kosten-Nutzen- Rechnung vom industriefinanzierten Think Tank European Policy Centre (EPC) weiter gefördert und fand so über den 1997 beschlossenen Vertrag von Amsterdam Einzug in die Europäische Rechtspraxis.
2011 wurde diese Praxis auf das Drängen des European Round Table of Industrialists einen Schritt weiter in Richtung Institutionalisierung geschoben. Eine 2007 bis 2014 tätige Abrietsgruppe für ‚Bessere Regulierungen‘ bestand aus 15 Mitglieder, deren Großteil direkt aus der Industrie kam oder enge Verbindungen dorthin pflegte. Auch durch diese Bestrebungen wurde das Narrativ der better regulation agenda in der EU Stück für Stück verstetigt.
Das RSB folgte auf das 2006 gegründete Impact Assessment Board (dt. Gremium für Folgeabschätzungen), welches ausschließlich mit Kommisionszugehörigen besetzt war. Im RSB wurden die Aufgaben um die Überprüfung von Evaluierungen und Fitness checks erweitert.
Weiterführende Informationen
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Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Regulatory Scrunity Board ec.europa.eu, abgerufen am 20.05.2023
- ↑ Corporate sustainability due diligence ec.europa.eu abgerufen am 20.05.2023
- ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.9
- ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.17
- ↑ Referenzfehler: Es ist ein ungültiger
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-Tag vorhanden: Für die Referenz namensStudie
wurde kein Text angegeben. - ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, S.20
- ↑ 7,0 7,1 7,2 The Regulatory Scrunity Board: How it works commission.europa.eu abgerufen am 20.05.2023
- ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.30 u. S.32
- ↑ Mitglieder des RSB commission.europa.eu abgerufen am 22.05.2023
- ↑ 10,0 10,1 The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023
- ↑ 11,0 11,1 The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.36
- ↑ 12,0 12,1 The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.35
- ↑ EPs Wolters, Hautala, Aubry and Durand: “The Regulatory Scrutiny Boardstill has questions to answer on Due Diligence delay" responsiblebusinessconduct.eu vom 21.01.2022, abgerufen am 03.11.2022
- ↑ Inside Job corporateeurope.org am 08.06.2023, zugegriffen am 06.06.2023
- ↑ Deutsche Wirtschaftslobby gegen wirksames Eu-Lieferkettengesetz globalpolicy.org, zugegriffen am 06.06.2023
- ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.38
- ↑ The EU's Commission Regulatory Scrunity Board Dr. Brigitte Pircher, 2023, S.23