Bundesinstitut für Risikobewertung

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Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
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Hauptsitz Berlin
Gründung 2002
Tätigkeitsbereich Risikoerkennung und -bewertung
Mitarbeiter 768
Etat 67,8 Mio. €
Webadresse http://www.bfr.bund.de

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung, welches dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) direkt unterstellt ist. Das BfR erarbeitet Gutachten zur Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie zur Sicherheit von Chemikalien und Produkten.
In die Kritik geraten ist das BfR wegen teils gravierender Interessenkonflikte von Mitgliedern der beratenden Expertenkommissionen. Als besonders problematisch gelten die engen Kontakte einiger Kommissionsmitglieder zum ILSI, einer Lobbyorganisation der Lebensmittelindustrie.


Kurzdarstellung und Geschichte

Das BfR wurde im November 2002 eingerichtet, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu stärken. Zu den zentralen Aufgaben des Instituts zählen die Bewertung bestehender und das Aufspüren neuer gesundheitlicher Risiken sowie die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Risikobegrenzung. Die Ergebnisse der Arbeit des BfR dienen als Basis für die wissenschaftliche Beratung beteiligter Ministerien und Behörden, beispielsweise des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Unabhängigkeit des BfR von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen wird von offizieller Seite ausdrücklich hervorgehoben. Auch der wissenschaftliche und forschungsgestützte Arbeitsansatz des Instituts wird explizit betont.[1]

Organisationsstruktur und Personal

In 9 Abteilungen arbeiten rund 750 MitarbeiterInnen.

Präsidium

Präsident Andreas Hensel
Vizepräsident Reiner Wittkowski

(Stand: Mai 2015) Quelle: [2]


Wissenschaftlicher Beirat des BfR

Der Wissenschaftliche Beirat des BfR setzt sich aus 15 WissenschaftlerInnen verschiedener Universitäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen zusammen. Er hat vorrangig die Aufgabe, das BfR bei seiner Schwerpunktsetzung in der Forschung zu beraten. Zudem berät er das BfR bei der Besetzung der BfR-Kommissionen.[3]

Ehemaliges Mitglied des Beirats: Gerhard Eisenbrand


BfR-Kommissionen

BfR-Kommissionen
Bedarfsgegenstände
Bewertung von Vergiftungen
Biologische Gefahren
Ernährung, diätetische Produkte, neuartige Lebensmittel und Allergien
Expositionsabschätzung und -standardisierung
Futtermittel und Tierernährung
Genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel Inge Broer (Vorsitzende)
Hygiene
Kontaminanten und andere gesundheitlich unerwünschte Stoffe in der Lebensmittelkette
Kosmetische Mittel
Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe und Verarbeitungshilfsstoffe
Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände
Pharmakologisch wirksame Stoffe und Tierarzneimittel
Risikoforschung und Risikowahrnehmung
Wein- und Fruchtsaftanalysen

Quelle: [4]


Das BfR ist der nationale Partner der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Finanzen

Das Budget des BfR beträgt 67,8 Mio. € (Stand 2013). Davon waren 3,08 Mio. € selbst eingeworbene Drittmittel.[5]


Einflussnahme und Verflechtungen

Ein genauerer Blick auf die Mitglieder der BfR-Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel legt nahe, dass ihre Einschätzungen kritisch hinterfragt werden müssen, da bei mindestens 9 von 13 Mitgliedern der Verdacht der Voreingenommenheit und übermäßigen Industrienähe begründet ist. Die beim BfR angestellte Geschäftsführerin der Kommission Marianna Schauzu beispielsweise, ist eine bekannte Befürworterin der Agro-Gentechnik. Auch im unmittelbaren Umfeld der Expertenkommission, bei den Bundesforschungsinstituten des BMELV, die auch an der Auswahl der Experten für die BfR-Kommission beteiligt sind, finden sich Personen mit sehr engen Kontakten zur Industrie.

Besonders problematisch ist, dass die meisten der 9 ExpertInnen mit Interessenkonflikten ihre Industrieverbindungen nicht wie vom BfR gefordert öffentlich gemacht haben. Das BfR verlangt offiziell von den Kommissionsmitgliedern eine schriftliche Erklärung, in der eventuelle Interessenkonflikte aufgeführt werden müssen.[6] Recherchen von Testbiotech zeigen aber, dass in diesen Erklärungen viele Interessenkonflikte verschwiegen werden. Dadurch ergibt sich insgesamt das Bild einer organisierten und zumindest teilweise verdeckten Einflussnahme der Industrie in zentralen Einrichtungen des Bundes, die im Bereich der Agrogentechnik mit der Risikoabschätzung und der Forschungsförderung befasst sind.


BfR-ExpertInnen mit Interessenkonflikten

  • Inge Broer ist seit 2011 Vorsitzende der Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel. Sie ist Professorin für Agrobiotechnologie an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Außerdem fungiert sie als Gesellschaftsvorsitzende der biovativ GmbH und als Gesellschafterin der BioOK GmbH. Beide Firmen bieten Dienstleistungen für Konzerne wie Monsanto an. Frau Broer ist auch Vorsitzende des Verein zur Förderung Innovativer und Nachhaltiger Agrobiotechnologie (FINAB), Mitglied im Informationskreis Gentechnik des Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP)und bis 2011 Mitglied im Kuratorium der Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS).
    Frau Broer führt selbst seit mehreren Jahren Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen an mehreren Standorten durch, oft in Mehrfachfunktion über die Universität Rostock, FINAB, BioOK und biovativ. Sie ist Mitautorin einer umstrittenen Broschüre der DFG, in der einseitig die Vorteile der Agrogentechnik hervorgehoben werden. In ihrer Erklärung zu eventuellen Interessenkonflikten auf der Homepage des BfR werden von Frau Broer aber keinerlei Angaben gemacht.[7] In ihrer Funktion beim BfR hat sie unter anderem an der Anmeldung von Patenten der Firma Bayer auf mehrere herbizidtolerante gentechnisch veränderte Pflanzen mitgewirkt.
  • Gerhard Eisenbrand war bis 2011 Vorsitzender der BfR-Kommission "Genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel" und war Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des BfR, der die Mitglieder der verschiedenen Kommissionen des BfR ernennt. Zudem ist er Vorsitzender der Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Zugleich ist Eisenbrand Präsident und Mitglied des Vorstands von ILSI Europe, dem europäischen Arm des International Life Science Institute (ILSI). Darüber hinaus gehört Eisenbrand dem Beirat des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) an, dem wohl einflussreichsten Lobbyverband der Lebensmittelindustrie in Deutschland. Auch mit den Gremien der Kaffeeindustrie (ISIC Scientific Committee, Institute for Scientific Information on Coffee) und dem Food Safety Review Committee der Firma Kellog's arbeitet er zusammen. Zudem hat Eisenbrand sich mehrfach an Veröffentlichungen des Institut Danone Ernährung für Gesundheit beteiligt.
  • Alfonso Lampen ist Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit des BfR, in dessen Augabenbereich die Arbeit der Kommission für genetisch veränderte Lebens-und Futtermittel fällt. Auch er pflegt enge Beziehungen zum ILSI. Unter anderem gehört er der Expertengruppe "From Thresholds to Action Levels" an und leitet die Beratergruppe "Advisory Group on 3-MCPD Esters in Food Product". Er ist zugleich Mitglied einer EFSA-Expertengruppe und der DFG. Seine Kontakte zum ILSI hat Lampen in seiner Interessenerklärung bei der EFSA verschwiegen.

Quelle: [8]

Fallstudien und Kritik

2012: Insektizid Chlorpyrifos zugelassen wegen Studien der Pestizid-Industrie

Das Insektizid Chlorpyrifos, das gegen Ameisen eingesetzt wird, ist in den USA seit 2001 für den Haus- und Gartenbedarf verboten. Der Grund: Chlorphyrifos sei gesundheitsgefährdend. Bei uns ist es zugelassen, frei verkäuflich und eines der meist verkauften Insektizide.
Zuständig für die Begutachtung des umstrittenen Ameisenmittels ist das BfR. Das BfR verweist auf Studien, die angeblich die Ungefährlichkeit des Ameisengiftes nachweisen. Report MÜNCHEN fand heraus, dass solche Studien von der Pflanzenschutz-Industrie meist selbst in Auftrag gegeben und in der Regel auch bezahlt werden. Es sind sogenannte “Graue Studien”. Diese sind nicht veröffentlicht worden und können von unabhängigen Forschern oft gar nicht überprüft werden. Report MÜNCHEN stellt fest, dass einige der ExpertInnen der zuständigen Kommission für Pflanzenschutzmittel direkt aus der Pestizid-Industrie kommen – 2 sind von Bayer, einer von BASF und einer arbeitet für Syngenta. Im Laufe der Report MÜNCHEN - Recherchen hat das BfR bekannt gegeben, dass es jetzt eine erneute Überprüfung der Ameisenmittel mit Chlorpyrifos fordert.
Quelle: [9]

2011: Können DNA-Bestandteile von gentechnisch veränderten Pflanzen in tierisches Gewebe übergehen?

Die Frage ob DNA-Bestandteile von gentechnisch veränderten Pflanzen in tierisches Gewebe übergehen können, ist eines der Themen mit dem sich die Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel des BfR bisher am gründlichsten befasst hat. Da die Einschätzung dieser Frage unmittelbare Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht von mit Gentechnik hergestellten tierischen Produkten hat, ist diese Thema für den Verbraucher von besonderer Relevanz. Bereits 2004 befassten sich drei Experten der Kommission mit diesem Thema und kamen zu dem Ergebniss das "kein Übergang von gentechnisch veränderten Komponenten" nachweisbar ist. Anders lautende Studien, so stellten die Autoren damals fest, lägen nicht vor. Diese Stellungnahme war eine direkte Reaktion auf einen Bericht von Greenpeace aus dem selben Jahr, der sich auf eine Studie der Universität München bezog, welche DNA-Abschnitte aus genetisch veränderten Futterpflanzen in tierischen Gewebe festgestellt hatte.
Trotz zahlreicher in den Folgejahren veröffentlichter Studien, die eine Kontamination von tierischem Gewebe mit DNA-Abschnitten aus gentechnisch veränderten Futterpflanzen nachwiesen, blieben die BfR Experten bei ihrer Einschätzung. Eine Publikation italienischer Wissenschaftler (Tudisco et al., 2010), in der aufgezeigt wurde, dass relevante Genbausteine über den Verdauungstrakt ihren Weg ins Blut, ins Gewebe und in die Milch von Tieren gefunden hatten, nahm die BfR-Kommission schließlich zum Anlass sich erneut mit dieser Thematik zu befassen. Nach "kritischer Prüfung" kam die Kommission zu der Einschätzung, "dass sich aus der Studie keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich eines Transfers rekombinanter DNA aus gentechnisch veränderten Pflanzen auf höhere Tiere und dessen potentielle Auswirkungen ableiten lassen." Lediglich mit einem Satz räumen die Experten des BfR in ihrer fünfseitigen Stellungnahme ein, dass sich die Sachlage gegenüber dem Kenntnisstand von 2004 tatsächlich verändert hat: "Neu an der Studie von Tudisco et al. (2010) ist der Nachweis rekombinanter Genfragmente aus gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial in der Milch und in den Geweben der damit gesäugten Nachkommen."[10]
Was das für die Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen bedeutet, kann derzeit schwer abgeschätzt werden. Trotzdem gelangte die Expertenkommission zur der Auffassung, dass keine weiteren Untersuchungen nötig seien.

Weiterführende Informationen

  • In der Studie "Schlecht beraten: Gentechnik-Lobbyisten dominieren Expertengremium" von 2012 der Organisation TestBiotech werden fragwürdige Nebentätigkeiten vieler BfR Mitarbeiter, vor allem von Mitgliedern der Kommission für genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel, analysiert und konkrete Fallbeispiele benannt, in denen Interessenkonflikte direkte Auswirkungen auf die Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen hatten.

Quelle der Studie: [8]


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. BfR - Gesetzlicher Auftrag, abgerufen am 24.05.2012
  2. Präsidium Webseite BfR, abgrufen am 27.05.2015
  3. Wissenschaftlicher Beirat Webseite BfR, abgerufen am 27.05.2015
  4. BfR - Kommissionen abgerufen am 13.06.2012
  5. Zahlen und Fakten Webseite BfR, abgerufen am 27.05.2015
  6. BfR - Kommissionen BfR-Webseite, siehe Abschnitt "Unabhängigkeit und Transparenz", abgerufen am 24.5.2012
  7. Annahme der Berufung in die BfR-Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel und Erklärung zu eventuellen Interessenkonflikten, BfR-Webseite, abgerufen am 24.5.2012
  8. 8,0 8,1 Schlecht beraten: Gentechnik-Lobbyisten dominieren Expertengremium Testbiotech von 2012
  9. Wie unabhängig sind Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung? report MÜNCHEN vom 07.08.2012, abgerufen am 12.06.2013
  10. Gentransfer aus Futterpflanzen auf höhere Tiere, abgerufen am 24.05.2012

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