Bundesverband Lebensrecht

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Der Bundesverband Lebensrecht e.V. (BVL) ist die Dachorganisation von 15 selbsternannten „Lebensschutz“-Gruppen. Der Verband tritt öffentlich als Gegner von Abtreibungen, Sterbehilfe, Stammzellforschung, Leihmutterschaft und künstlicher Befruchtung wie der In-Vitro-Fertilisation auf und setzt sich für eine „enge Entscheidungsregelung bei der Organspende“ ein. Zudem organisiert er jährlich den „Marsch für das Leben“, eine der größten Pro-Life-Demonstrationen in Deutschland.

Seit Dezember 2024 ist er im Deutschen Lobbyregister gelistet. Wegen verspäteter Eintragung läuft gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren der Bundestagsverwaltung.[1]

Im Februar 2025 wurde bekannt, dass der Mitgliedsverein „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA e.V.) des BVL im Kontext eines Gesetzesvorschlags zur Neuregelung des Paragraphen 218 StGB, welcher Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, im Vorfeld aktiv Lobbyarbeit betrieben haben soll. Trotz womöglich mehrfacher Einflussnahme auf Bundestagsabgeordnete hat sich der Verein jedoch nicht ins Lobbyregister eingetragen.[1]

Der Verband verfügt über internationale Kontakte in die christlich fundamentalistische Szene und zu Autoritären der „MAGA“-Bewegung in den USA. Die ehemalige Verbandsvorsitzende und aktuelle Vereinsvorsitzende von ALfA Cornelia Kaminski (Landesvorstand CDU Hessen) reiste im Februar 2025 zu einem Treffen von amerikanischen Abtreibungsgegner:innen in Florida. Dort unterschrieb sie auch einen Dankesbrief an Donald Trump.[2]

Kurzdarstellung und Geschichte

Der Bundesverband Lebensrecht e.V. wurde 2001 in Berlin gegründet. Er geht laut Vereinswebsite auf den 1988 gegründeten „Kölner-Kontakt-Kreis“ zurück. 1991 erfolgte eine Umbenennung in „Kontakt-Stelle Lebensrecht“ und 1994 in „Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht“.[3]

In seiner Satzung gibt der Verein an, „für den Schutz der Würde und des Lebensrechts ungeborener und geborener Menschen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod eintreten“ zu wollen. Die Basis der Zusammenarbeit der Mitglieder sollen „die Menschenrechte und die elementaren Grundrechte der Verfassung, in denen das christliche Menschenbild seinen Ausdruck“ finde, bilden.[4]

In diesem Zusammenhang tritt der BVL als Gegner von Abtreibungen, Sterbehilfe, Stammzellforschung, Leihmutterschaft und künstlicher Befruchtung auf und setzt sich für eine „enge Entscheidungsregelung bei der Organspende“ ein. Er betreibt Lobbyarbeit, publiziert und organisiert Konferenzen und Seminare und veranstaltet einmal im Jahr den „Marsch für das Leben“ (siehe unten).[5][6]

Der Verband ist zudem Mitglied der europäischen Bürgerinitative One of Us („Einer von uns“), die die Finanzierung der Europäischen Union von Stammzellforschung, bei der Embryonen verwendet werden, abschaffen will.[7]

Organisationsstruktur, Personal und Verbindungen

Mitglieder

  • Ärztevereinigung St. Lukas e.V.
  • Ärzte für das Leben e.V.
  • Aktion Lebensrecht für Alle e. V. (ALfA)
  • Christdemokraten für das Leben e.V. (CDL)
  • Durchblick e.V.
  • Europäische Ärzteaktion in den deutschsprachigen Ländern e.V.
  • Institut für Ethik & Werte
  • Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. (JVL)
  • Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren e.V. (KALEB)
  • Lebensrecht Sachsen e.V.
  • Pro Conscientia e.V.
  • Stiftung Ja zum Leben
  • sundaysforlife e.V.
  • Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen e.V. (TCLG)
  • Weißes Kreuz e.V.

Neben den oben genannten Mitgliedern führt der Verband ca. 40 „ideelle Unterstützer“ des Marschs für das Leben auf seiner Website auf.

Vorstand

  • Alexandra Linder - Vorsitzende
  • Paul Cullen – Stellvertretender Vorsitzender
  • Elisa Ahrens
  • Susanne Wenzel (CDU, Bundesvorsitzende Christdemokraten für das Leben e.V.)
  • Georg Dietlein
  • Andreas Düren
  • Albrecht Weißbach

Quelle: [8]

Internationale Verbindungen zu christlichen Fundamentalist:innen und Autoritären

Im Februar 2025 traf sich Cornelia Kaminski (Vereinsvorsitzende von AlfA, ehemalige Vorsitzende des BVL und Landesvorständin der CDU Hessen) mit amerikanischen Abtreibungsgegner:innen in Florida.[2] Zusammen mit 30 weiteren Teilnehmenden unterzeichnete sie einen Dankesbrief der Priests for Life an Donald Trump, der zuvor 23 Abtreibungsgegner:innen, die Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche blockiert hatten, begnadigt hatte.[9]

Ebenfalls im Februar 2025 nahm Kaminski an einer Konferenz der „Alliance for Responsible Citizenship“ in London teil, bei der 4.000 „Antifeministen, christliche Fundamentalisten und Demokratiefeinde“ aufeinandertreffen.[10] Die prominentesten Teilnehmer:innen waren der Sprecher des US-Repräsentantenhauses Mike Johnson, Tory-Vorsitzende Kemi Badenoch, Peter Thiel und Vivke Ramaswamy. Aus Deutschland nahmen neben Kaminski unter anderem die ehemaligen AfD-Vorständinnen Frauke Petry und Joana Cotar, sowie der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Thorsten Alsleben (als Sprecher) teil.[10][11]

Lobbystrategien und Einfluss

„Marsch für das Leben“ seit 2002

Seit 2002 organisiert der BVL den „Marsch für das Leben“, ursprünglich unter dem Namen „1000 Kreuze für das Leben“. Bei der Demonstration werden 1000 Kreuze mitgeführt, die symbolisch für die Anzahl der täglich durchgeführten Abtreibungen in Deutschland stehe sollen. Diese Zahl ist jedoch falsch. Im Jahr 2023 gab es laut Schätzungen des Statistischem Bundesamt 106.000 Schwangerschaftsabbrüche (ca. 290 pro Tag).[12]

Seit 2008 findet die Demonstration jährlich in Berlin statt, seit 2023 wird zeitgleich eine Demonstration in Köln abgehalten. Ähnliche Proteste unter gleichem Namen fanden in der Vergangenheit auch in anderen deutschen Städten und weltweit statt. Der BVL bezeichnet seinen „Marsch für das Leben“ in Berlin als „größte Pro-Life-Demonstration in Deutschland“. In Berlin gab es im Jahr 2024 laut Polizei 2.000 Teilnehmende, der BVL sprach von über 4.000.[13] Seit 2008 werden von linken Gruppen Gegendemonstrationen veranstaltet.

In seiner „Berliner Erklärung zum Schutz des menschlichen Lebens“ (Stand 2017) ruft der Verband dazu auf, „gemeinsam für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie einzutreten.“[14][15] Kritiker:innen bemängeln die Rhetorik des Vereins, in der das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über das Austragen ihres Kindes mit der Vernichtungsideologie der Nationalsozialist:innen im Dritten Reich gleichsetzt (siehe Gisela Notz) und der Holocaust relativiert wird. [16]

Zu den Demonstrierenden zählen Abtreibungsgegner:innen, christliche Fundamentalist:innen und auch konservative und rechte Politiker:innen. In der Vergangenheit nahmen unter anderem folgende Abgeordnete an den Protesten teil:

Auch der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende (2005 – 2018) Volker Kauder soll mehrmals Grußworte geschickt haben.[18]

Fallbeispiele und Kritik

Verdacht auf nicht-rechtmäßige Eintragung ins Lobbyregister

  • Verspäteter Eintrag ins Lobbyregister durch den BVL im Dezember 2024

Obwohl der Verband für Lebensrecht in seiner Satzung angibt, seinen Zweck „insbesondere durch Lobbyarbeit“ zu verwirklichen, trug er sich erst Mitte Dezember 2024 in das verpflichtende deutsche Lobbyregister ein.[1] Laut tagesschau hat die Bundestagsverwaltung den Verband im Oktober 2024 diesbezüglich kontaktiert haben. Aktuell läuft ein Ordnungswidrigkeitenverfahren.[1] Die im Lobbyregister gemachten Angaben sind Lobbycontrol zufolge unplausibel: So gab der Verband an, im Jahr 2023 kein Geld für Interessenvertretung aufgewendet zu haben und keine Lobbyist:innen zu beschäftigen.[6]

Laut NDR und BR hat der Verein bereits 2019, 2020 und 2024 versucht, Einfluss auf Abgeordnete zu nehmen.[1] Dabei ging es unter anderem um ein im Juli 2024 verabschiedetes Gesetz zu sogenannten „Gehsteigbelästigungen“. Dieses verbietet „Mahnwachen“ und Proteste in unmittelbarer Nähe von Beratungsstellen für Schwangerschaftssabbrüche, sowie vor Kliniken und Arztpraxen, die diese durchführen.[1][19]

  • Mögliche pflichtwidrige Nicht-Eintragung von Mitgliedsverein ALfa e.V.

Im Februar 2025 wurde durch Recherchen von NDR und BR bekannt, dass der Verein „Aktion Lebensrecht für Alle“ (AlfA e.V.), der Mitglied im Bundesverband Lebensrecht ist, offenbar mehrmals versucht hatte, Einfluss auf Abgeordnete zu nehmen, ohne sich im Lobbyregister einzutragen.[1]

Im Kontext zu Debatten über eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab November 2024 hat ALfA laut NDR und BR Briefe, Postkarten und die Vereinszeitschrift „Lebensforum“ an Bundestagsabgeordnete geschickt. Darin forderte der Verein, den umstrittenen Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, zu erhalten. Dabei sollten laut Tagesschau gezielt FDP-Abgeordnete angeschrieben werden, „um die rot-grüne ideologiegetriebene und lebensfeindliche Politik nicht weiter zu unterstützen“. Auch die ALfA-Bundesvorsitzende und ehemalige Vorsitzende des BVL Cornelia Kaminski soll Abgeordnete in einem Brief im Januar 2025 dazu aufgefordert haben, gegen eine Neuregelung zu stimmen.[1]

Seit 2021 sind Interessenvertreter:innen verpflichtet, sich im Lobbyregister einzutragen, wenn die Interessenvertretung gegenüber Parlament oder Regierung „regelmäßig betrieben wird“ oder „auf Dauer angelegt ist“.[20]

Finanzen

Der Verband gibt im Lobbyregister für das Jahr 2023 ein Gesamtbudget von 255.000€ an. 2023 erhielt er 10.000 bis 20.000 Euro über Mitgliederbeiträge. 220.000 bis 230.000 Euro entfielen auf Schenkungen, davon mindestens 90.000 Euro auf das Unternehmen Stabilitas GmbH.[6]

Weiterführende Informationen

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

https://www.lobbycontrol.de/newsletter-lobbypedia/https://bsky.app/profile/lobbycontrol.bsky.socialhttps://www.facebook.com/lobbycontrolhttps://www.instagram.com/lobbycontrolVernetzen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Paragraf 218 Abtreibungsgegner lobbyieren offenbar am Gesetz vorbei , tagesschau.de, 10.02.2025, abgerufen am 10.04.2025
  2. 2,0 2,1 Religiöse Rechte in Deutschland suchen Schulterschluss mit Trump, correctiv.org, 28.02.2025, abgerufen am 10.04.2025
  3. Bundesverband Lebensrecht, bundesverband-lebensrecht.de, abgerufen am 10.04.2025
  4. Satzung, bundesverband-lebensrecht.de, abgerufen am 10.04.2025
  5. Abschlusserklärung zum Kongress Leben.Würde vom 21.–23.10.2022, bundesverband-lebensrecht.de, abgerufen am 10.04.2025
  6. 6,0 6,1 6,2 Lobbyregistereintrag Bundesverband Lebensrecht, lobbyregister.bundestag.de, 17.12.2024, abgerufen am 10.04.2025
  7. Eine Million Unterschriften für Embryonenschutz in der EU, abendblatt.de, 13.09.2013, abgerufen am 10.04.2025
  8. Über uns - Bundesverband Lebensrecht, bundesverband-lebensrecht.de, abgerufen am 10.04.2025
  9. "Pro-life leaders thank Trump Administration for actions to protect babies", priestsforlife.org, 13.02.2025, abgerufen am 10.04.2025
  10. 10,0 10,1 Wo sich Antifeministen, christliche Fundamentalisten und Demokratiefeinde treffen, blog.campact.de, 26.02.2025, abgerufen am 10.04.2025
  11. ARC 2025 Keynote Speakers, arcforum.com, abgerufen am 10.04.2025
  12. Pressemitteilung Nr. 164 vom 24. April 2024, destatis.de, 24.04.2024, abgerufen am 10.04.2025
  13. Marsch für das Leben , bundesverband-lebensrecht.de, abgerufen am 10.04.2025
  14. Berliner Erklärung zum Schutz des menschlichen Lebens, bundesverband-lebensrecht.de, 16.09.2017, abgerufen am 10.04.2025
  15. Nicht so friedlich wie gewollt, taz.de, 17.09.2022, abgerufen am 10.04.2025
  16. mehr dazu u.a. in: Die neue Radikalität der Abtreibungsgegner_innen im (inter-)nationalen Raum: ist die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen heute in Gefahr?, Familienplanungszentrum - BALANCE, 2012
  17. 17,0 17,1 Beatrix von Storch/Nicole Höchst: Der Marsch fürs Leben ist notwendiger denn je, afdbundestag.de, 20.09.2024, abgerufen am 10.04.2025
  18. 18,0 18,1 18,2 Auf dem Kreuzzug, taz.de, 21.09.2018, abgerufen am 10.04.2025
  19. Wenn Abtreibungsgegner protestieren, zdf.de, 05.07.2024, abgerufen am 10.04.2025
  20. § 2 Registrierungspflicht LobbyRG, gesetze-im-internet.de, abgerufen am 10.04.2025

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