Andreas Scheuer
Andreas Scheuer (*26. September 1974 in Passau) (CSU), ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2016 CSU-Bezirksvorsitzender in Niederbayern und in der 19. Legislaturperiode als Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Teil der Bundesregierung. Zuvor war er Generalsekretär der CSU und von 2009 bis 2013 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik.
Inhaltsverzeichnis
Karriere
Politische Laufbahn
- seit 03/2018 Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
- 02/2016 Bezirksvorsitzender der CSU-Niederbayern
- 12/2013-03/2018 Generalsekretär der CSU
- 10/2009-12/2013 Parlamentarischer Sekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik
- 2003-2007 Bezirksvorsitzender der JU-Niederbayern
- 2003 CSU-Kreisvorstand Passau-Stadt
- 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages (In der 19. Legislaturperiode war er er als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales und im Ausschuss Wirtschaft und Energie)
- 1997-2003 Kreisvorsitzender der Jungen Union Passau-Stadt
- 1994 Mitglied der CSU und der Jungen Union (JU)
Nebentätigkeiten und Mitgliedschaften
- 2017-2021 Vortragstätigkeiten, u.a. bei der Private Mills Germany e.V., beim Genossenschaftsverband e.V. und der Geldanlagenhaus GmbH & Co
- Mitglied des Passauer Stadtrates
- Vorsitzender der Herzpartie e.V. in Passau
- ehem. Beiratsmitglied der Klinik Prof. Schedel GmbH in Thyrnau/Kellberg
- ehem. Mitglied des Fernsehrates beim ZDF Mainz
- ehem. Vorsitzender der Deutsch-Tschechisch und -Slowakischen Gesellschaft e.V. (DTSG) in Berlin
Quelle: [3] (Stand der Angaben: 09/2021)
Position im Dieselskandal
Kaufprämien statt Bußgelder für die Autoindustrie
Im September 2015 wurde durch die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) bekannt, dass der Automobilkonzern Volkswagen die Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert hatte. Wie sich später herausstellte, hatten auch andere Hersteller wie Audi oder Daimler an den Abgaswerten geschraubt. Dies führte zu einer flächendeckenden Manipulation, bei der die Autos auf dem Prüfstand zwar „sauber“ waren, auf der Straße aber vielfach mehr Abgase in die Lust bliesen. Bis Mitte 2020 beliefen sich die Strafzahlungen für Volkswagen auf rund 32 Millarden Euro, größtenteils für Strafen in den USA. In Deutschland hingegen versuchte man den Skandal seitens der Bundesregierung und der zuständigen Ministerien und Ämter als ein „Vorkommnis“ abzuwinken. Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) nahm am Abgas-Untersuchungsausschuss teil und sprach in einem Artikel der Zeit von einem „systematischen Wegschauen“ und einem „politischen Skandal“. Durch den Druck der Autoindustrie habe sich ein System etabliert, was Regeln und Grenzwerte faktisch außer Kraft setzen könne. [4]
Rund 430.000 Dieselbesitzer:innen hatten sich im Rahmen der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes (VZBZ) im September 2019 ins Klageregister eingetragen. Diese richteten sich vornehmlich gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Seinem Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) wurde im Dieselskandal gar „persönliche Beihilfe zum Betrug“ vorgeworfen. Denn sowohl das Ministerium als auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), welches Ersterem unterliegt, hätten in „vorwerfbarer Weise die Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber Automobilherstellern, beispielsweise Volkswagen, Audi oder Daimler, unzureichend ausgeübt“, heißt es von den Anwälten der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer.[5] Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatten die Geschädigten genaue Informationen über das Vorgehen der Manipulation einklagen müssen. So wehrten sich das Bundesverkehrsministerium und beispielsweise Volkswagen gegen die Herausgabe von Akten, mit der Begründung, dass es „nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ haben könne und es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen handele (siehe Abschnitt 2.2). [6]
Das KBA verhängte zudem keine Bußgelder für den nachweislichen Einsatz der illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren. Aufgrund der fehlenden Sanktionen für die Autohersteller leitete die EU-Kommission im Jahr 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2018 errechnete, hätte der Staat im Zusammenhang mit dem Dieselskandal Bußgelder in Höhe von 20 Milliarden Euro gegen die Autoindustrie verhängen müssen.[7] Bundesverkehrsminister Scheuer sprach sich gegen „Strafen“ für die Autokonzerne aus, diese seien der Ansicht des Ministers folgend, nicht das richtige Konzept. [8] Stattdessen setzte er sich mehrfahr für Kaufprämien von Autos ein (siehe auch Abschnitt 3.3 und 4.1). Je nach Hersteller sollten die Betroffenen einen Betrag zwischen 4.000 bis 8.000 Euro für ein neues Auto erhalten, wenn sie ihre alten Fahrzeuge beim Händler abgeben. Auf Anweisung des Verkehrsministeriums erhielten geschädigte Dieselfahrer:innen dann einen Brief vom KBA. Darin enthalten waren alle wichtigen Informationen zu den „attraktiven Tauschangeboten“ sowie die Telefonnummern von Volkswagen, BMW und Mercedes. Aus der Sicht von Scheuer sei dies ein „kundenfreundlicher Service“ des Bundesverkehrsministeriums gewesen.
Aufgrund von rechtswidrigen Absprachen bei der Abgasreinigung verhängte die EU-Kommission im Juli 2021 eine Strafe in Höhe von 875 Mio. Euro gegen die Konzerne Volkswagen und BMW.[9]
Im Zuge des Dieselskandals sprach sich Scheuer gegen „Strafen“ für beteiligte Autokonzerne aus. Diese seien seiner Ansicht nach nicht das richtige Konzept. Hingegen setzte er sich mehrfach für Kaufprämien ein. Je nach Autohersteller sollten betroffene Dieselfahrer*innen einen Betrag zwischen 4.000 bis 8.000 € für ein neues Fahrzeug erhalten. Auf Anweisung des BMVI erhielten sie einen Brief vom Kraftfahrtbundesamt (KBA), in welchem alle Informationen zu den „attraktiven Tauschangeboten“ sowie die Telefonnummern von Volkswagen AG, BMW und Mercedes enthalten waren. Scheuer bezeichnete dies als einen „kundenfreundlichen Service“ seines Ministeriums. [10]
Rechtsstreit über die Aufklärung im Dieselskandal
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland hatte vom BMVI sämtliche Auskünfte zum Dieselskandal eingefordert. [11] Unternehmen wie Volkswagen AG hätten sich jedoch mit dem Anspruch „auf Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ dagegen gewehrt, sodass das Ministerium die Freigabe von Akten verweigerte. [12] Weil sich die Kosten für das gerichtliche Verfahren seitens des Ministeriums bereits auf mindestens 300.000€ beliefen und der Aufarbeitungsaufwand der größtenteils unbrauchbar herausgegebenen Unterlagen zu hoch wäre, zog Transparency Deutschland im Juni 2021 die Klage zurück. Hartmut Bäumer, Vorsitzender der Organisation, kritisierte Scheuer dafür, „hunderttausende Euros an Anwaltskosten verschleudert“ zu haben, „um berechtigte Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf Auskunft zu unterlaufen.“ [13]
Treffen mit der Autoindustrie
Im Juni 2021 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass sich Andreas Scheuer seit seinem Amtseintritt 80 Mal mit Vertreter*innen der Autoindustrie und kein einziges Mal mit Umweltschutzorganisationen getroffen hatte. [14] Schon zuvor hatte sein Ministerium auf eine Frage der Bundestagsfraktion (Bündnis 90/Die Grünen) mitgeteillt, dass er im Zeitraum des Jahres 2018 an keinem Treffen mit Umweltschutzorganisationen teilnahm, aber 15 Mal Gespräche mit Vertreter*innen der Automobilindustrie geführt hatte. Die eingereichten Schreiben von Umweltschutzorganisationen habe Scheuer aber „zur Kenntnis genommen“, heißt es in der Antwort seines Staatssekretärs. [15] Auch im darauffolgenden Jahr war die Terminaufteilung ähnlich. So hatte Scheuer im Jahr 2019 elf Lobbytermine mit Vertreter*innen von Autokonzernen und keinen mit Umweltorganisationen wahrgenommen. [16] [17]
Insgesamt kamen in seiner Amtszeit, zwischen März 2018 und Juni 2021, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund (Nabu), Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der WWF zusammen auf nur ein einziges Treffen. Dieses fand im Rahmen eines Parlamentarischen Abends des Gremiums NPM statt, an welchem ebenfalls Vertreter*innen der Automobilindustrie und vom VDA teilnahmen. [18] Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrspolitik beim BUND bedauerte dies. Trotz mehrfacher Bitten und dem Interesse einzelner Autohersteller an Klimaschutz und einer Transformation der Autoindustrie, habe Scheuer nicht darauf reagiert. Der Abgeordnete Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Scheuer als „Minister der Autolobby“. [19]
Die untenstehende Tabelle führt die Kontakte im Einzelnen auf.
Kontakte von Scheuer mit der Automobilindustrie (März 2018 - Juni 2021)
Unternehmen/Verband | Anzahl der Kontakte |
Daimler | 31 |
BMW | 29 |
Verband der Automobilindustrie (VDA) | 26 |
Volkswagen AG | 21 |
Audi | 11 |
MAN | 8 |
Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) | 2 |
Porsche | 2 |
Traton | 1 |
Summe | 131 |
Quelle: [20]
Anmerkungen: (1) Anzahl der Kontakte: Das Verkehrsministerium listet auf Anfrage insgesamt 80 Kontakte, die im Zeitraum zwischen März 2018 und Juni 2021 stattgefunden haben. Oftmals haben mehrere Unternehmen/Verbände an einem Termin teilgenommen, sodass die in der Tabelle aufgeführten Unternehmen/Verbände in der Summe 131 Mal vertreten waren. Wenn pro Kontakt mehrere Vertreter*innen desselben Unternehmens/Verbandes teilgenommen haben, wurde dies nur einmal gezählt. (2) Art der Kontakte: In der Tabelle ist jegliche Form der Kontaktaufnahme gezählt, hierunter zählen Videokonferenzen, Telefonkonferenzen, Telefonate, Treffen, Empfänge, Sitzungen und Reden, sowie auch die Treffen im Rahmen der Konzertierten Aktion Mobilität (KAM) und im Rahmen des Gremiums Nationale Plattform der Mobilität (NPM). (3) Das Verkehrsministerium verweist darauf, dass die Angaben der Kontakte möglicherweise nicht vollständig sind.
Gremium Nationale Plattform der Mobilität
Das Bundesverkehrsministerium hatte unter Scheuer das Expertengremium Nationale Plattform Mobilität (NPM) auf den Weg gebracht, dessen Ziel es sei, die Bundesregierung bei der Verkehrswende zu beraten und Konzepte für eine klimafreundliche Mobilität zu entwickeln. Hierbei würde das Ministerium eine „ausgewogene Mitgliederzusammensetzung“ voraussetzen. Nach den Recherchen vom Report Mainz stellte sich jedoch heraus, dass die Mehrheit der über 200 Mitglieder eine direkte oder indirekte Verbindung zur Industrie haben. Beispielsweise sind dort der VDA, der Bundesverband der Deutschen Industrie, sowie hochrangige Manager von Automobilkonzernen, Zulieferer der Autobranche und Vertreter der Mineralölindustrie, wie zum Beispiel der Wasserstoffverband H2 Mobility vertreten. Fünf der sieben Mitglieder des Lenkungskreises und der Arbeitsgruppenleitung des NPM zeichnen sich demnach durch langjährige Verbindungen zur Autoindustrie aus. Die Arbeitsgruppe „Klima und Verkehr“ wird von einem ehemaligen Manager des Autohersteller Daimler geleitet. [21]
Autogipfel und Kaufprämien für Verbrenner
Bei den Autogipfeln unter dem Titel Konzertierte Aktion Mobilität (KAM) trifft sich die Bundesregierung mit den Vorstandschef der Autokonzerne BMW, Daimler und Volkswagen, sowie mit Vertreter*innen vom VDA und IG Metall. Neben Scheuer nehmen an dem Austausch weitere Mitglieder der Regierung teil. Sowohl bei den Autogipfeln als auch bei den in Folge des Dieselskandals stattfindenden Dieselgipfeln forderte die Autoindustrie bereits mehrfach eine Abwrack- bzw. Kaufprämie. Diese Forderung sollte beispielsweise auch für das Konjunkturpaket der Bundesregierung verhandelt werden. Der Gipfel wurde jedoch auf September 2020 vertagt und die Forderung nach einer Kaufprämie wurde vorerst nicht im Konjunkturpaket aufgenommen. [22] Kurz vor dem Gipfeltreffen im September nahm Scheuer die Forderung nach eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren erneut auf. [23] Ein Tabu für für die Förderung von Verbrennerautos dürfe es nicht geben, so Scheuer. [24] Allerdings fand sich keine politische Mehrheit für Scheuers Forderung nach einer Verbrenner-Kaufprämie. [25] Stattdessen einigte man sich auf Prämien für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Derweil machte Scheuer insbesondere auf die konjunkturelle Lage der Autoindustrie aufmerksam und schloss eine staatliche Förderung von Autos mit Verbrennermotoren auch nach dem Gipfel nicht aus. [26]
Umweltorganisationen wie der BUND kritisieren die Förderung von Hybridmodellen als eine „Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür“, da nicht nachweislich geprüft würde, ob die Autos mit elektrischem Antrieb gefahren werden. [27] Zwar betonte Scheuer, dass das Ladekabel „nicht nur eine symbolische Beigabe für das eigene Gewissen“ sein sollte, jedoch konnte sich das Gremium der NPM vorerst nicht auf eine Frage der Staffelung der Prämie einigen. [28] Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte „die blinde Förderung durch Scheuer“. Trotz geringer Klimawirkung habe der Staat Plug-In-Hybride mit mehr als 400 Millionen € gefördert. [29]
Verkehrswende und Elektromobilität
Bilanz zur Verkehrspolitik von Andreas Scheuer
Darüber hinaus hatte sich Scheuer gegen eine höhere Dieselsteuer und eine Erhöhung der CO2-Steuer sowie gegen die Einführung von einem Tempolimit ausgeprochen. [30]Er zögerte beim Ausstieg des Verbrennermotors und kritisierte den ADAC, als dieser von seiner Position gegen ein Tempolimit abwich.[31] Erst im März 2021 folgte Scheuer dem Vorstoß anderer Politiker:innen für ein Ende des Verbrennermotors. Das Ziel müsse das Auslaufen des fossilen Verbrenners bis 2035 sein. An Scheuers Idee „saubere Kraftstoffe für Verbrenner zu entwickeln“ äußerte beispielsweise Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan Kritik. Ein batteriebetriebenes E-Auto würde mit der gleichen Strommenge mindestens fünfmal so weit fahren wie ein Verbrenner mit strombasiertem synthetischem Kraftstoff.[32] Zudem teilte Scheuer die Position der Autoindustrie, die sich gegen strengere Vorgaben für Grenzwerte aussprach. Ende 2021 will die EU-Kommission neue Vorschläge für Schadstoff-Grenzwerte in einer Euro-7-Norm vorlegen. Das Verkehrsministerium würde sich diesbezüglich ablehnend positionieren. Man müsse sich auf bestehende Abgasvorschriften konzentrieren und keine Diskussionen über noch strengere Auflagen führen.[33]
Im Jahr 2019 setzte Scheuer zwölf Millionen Euro, die für den Bau von neuen Radwegen vorgesehen waren, stattdessen für den Bau neuer Bundesstraßen und für den Kauf dazugehöriger Fahrzeuge ein.[34] Ein Jahr später hatte sich Scheuer selbst zum „Fahrradminister“ ernannt. Fortan setzte er sich für den Infrastrukturausbau von Radwegen sowie für neue Verkehrsregeln ein, die das Radfahren attraktiver gestalten sollten. Im April 2021 gab er bekannt, dass das Verkehrsministerium so viel Geld wie nie zuvor hierfür bereitstellen würde. [35] So wurden bis Ende 2020 vom Bund bereits 20 Radschnellwege in den Ländern und Kommunen finanziert. Insgesamt belaufen sich die Mittel der Bundesregierung für den Bau von Radschnellwegen von 2020 bis 2023 auf rund 1,5 Milliarden Euro. [36] Dieser hohe Bedarf geht aber möglicherweise auf die Tatsache zurück, dass das seit 2009 von der (CSU) besetzte Verkehrsministerium hauptsächlich in den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen investierte. Aus diesem Grund habe das Ministerium für den Zeitraum von 2009 bis Mitte 2020 etwa 1650 Enteignungsverfahren privater Grundstücke zu verantworten.[37]
Generell gibt es auch Kritik an der Mittelvergabe vom Verkehrsministerium, welche einzelnen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden. So fließt etwa ein Viertel des Milliardenbudgets für neue Autobahnen und Bundesstraßen nach Bayern.[38] Vor allem für Scheuers Wahlkreis in Passau würden überproportional hohe Mittel aufgewendet. [39] Weitere Vorwürfe an den Investitionsvorhaben des Verkehrsministeriums betreffen unter anderem das Mobilitätszentrum, welches in München mit Bundesmitteln in Höhe von 500 Mio. € finanziert und eröffnet werden soll. Bei dem geplanten Deutschen Zentrum für Mobilität der Zukunft geht es vor allem um das Autonome Fahren, ein konkretes Konzept hierfür habe Scheuer bislang aber nicht vorgelegt.[40]
Insgesamt fällt die Verkehrspolitik von Andreas Scheuer im Faktencheck von Greenpeace weniger gut aus. Die Umweltorganisation bilanziert, dass Scheuer zu den „31 schlimmsten Klimabremsern der Großen Koalition“ zählt. [41]
Pkw Maut
Hintergrund
Seit 2013 ist die Forderung nach einer Pkw-Maut ein Thema im Wahlkampf der CSU. Im März 2018 übernahm Bundesverkehrsminister Scheuer das Maut-Projekt. Nach Streitigkeiten mit der EU-Kommission, einer Änderung des Infrastrukturgesetzes und mehreren Klagen, laufen unterdessen bereits erste europaweite Vergabeverfahren, die Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) ausgeschrieben hatte. Im Sommer 2018 bewilligt der Bundestag 37,2 Millionen Euro Haushaltsmittel sowie eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von zwei Milliarden Euro für den Abschluss der Verträge. Derweil finden mehrere informelle Treffen zwischen Verkehrsminister Scheuer und potentiellen Auftraggebern statt. Im Dezember 2018 erteilt der CSU-Minister den Milliardenauftrag. Kapsch TrafficCom und CTS Eventim erhalten den Zuschlag für die Erhebung der Maut. Ein halbes Jahr später urteilt der EuGH, dass die Mautreform gegen das Diskriminierungsverbot und damit gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs verstößt. Am Ende kostete das Projekt knappe 80 Millionen Euro an Steuergeldern. Zusätzlich drohen vereinbarte Schadensersatzzahlungen in Höhe von 560 Millionen Euro. Ein Untersuchungsausschuss prüfte, ob das Bundesverkehrsministerium (BMVI) beim Vergabeverfahren Rechtsverstöße begangen hatte und ob Scheuer das Parlament um die Kosten der Maut belogen hatte. [42]
Untersuchungsausschuss
Kontakte zu Augustus Intelligence
Im Juni 2020 wurde bekannt, dass der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor (CDU) für das US-amerikanische Unternehmen Augustus Intelligence lobbyiert hatte, indem er den Kontakt zum Bundeswirtschaftsministerium herstellte. Nach den Recherchen vom Handelsblatt wollte Augustus ursprünglich Scheuer für dessen Ziele einsetzen, da er als Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur ein attraktiver Ansprechpartner für das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen gewesen. [43] Wie aus einer Antwort der Bundesregierung hervorgeht, hatte sich Scheuer mehrfach mit den Firmengründern, Wolfgang Haupt und Pascal Weinberger, getroffen. Im Februar 2018 hatten sie sich erstmals auf einer Veranstaltung in einem größeren Personenkreis getroffen und seitdem einen „losen Austausch“ über Themen der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz geführt. So hatte am 9. Juli 2018 ein Kennenlerngespräch im BMVI mit Haupt und Weinberger stattgefunden. Die beiden waren zudem zu einem Expertengespräch im BMVI eingeladen, an dem unter anderem auch Vertreter von BMW, Bosch, Deutsche Bahn Deutsche Telekom AG teilnahmen. [44] [45] Vor diesem Treffen im Septembber 2018 hatte sich Augustus Intelligence, laut Informationen von t-online, einen Einfluss auf die Tagesordnung versprochen. Das gehe aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Ministerium und dem Unternehmen hervor. So wurde zum Beispiel die Frage nach einer staatlichen Förderung von Start-Ups für den Aufbau einer Infrastruktur ins Gespräch gebracht. Das BMVI entgegnete hierauf, dass Augustus Intelligence kein Teil einer finanziellen Unterstützung oder Förderung sei und es um einen „reinen Gedankenaustausch“ ging. Ein weiteres Gespräch zwischen Weinberger, Haupt und Scheuer sei im Januar 2019 im Rahmen des Weltwirtschaftsforums zufällig zustandegekommen. [46]
Scheuer war zudem Teil einer WhatsApp-Gruppe, in welcher er sich mit Weinberger und Haupt austauschte. Worüber genau, ist allerdings unklar. Fragen nach dem Grund der Chatgruppe, ihrer Dauer und der Anzahl der Nachrichten beantwortete das BMVI nicht. [47] [48] Auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) wollten FragDenStaatund Abgeordnetenwatch auf eine Herausgabe der Nachrichten drängen und mit einem Eilantrag eine Löschung der Nachrichten verhindern. Das BMVI gab jedoch darauf ihn bekannt, dass diese „nicht mehr“ auf dem Mobiltelefon vorhanden seien. Es beauftragte zudem das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG mit der Erstellung eines Gutachtens, welches der Öffentlichkeit bislang vorenthalten wird. Laut einem internen Vermerk habe das Ministerium möglichst lange geplant, nicht mitzuteilen, ob die Nachrichten vorlägen. [49] [50]
Zitate
„Ich möchte keine Bußgelder für die Vergangenheit haben, sondern möchte, dass die deutsche Automobilindustrie diese 12,5 Milliarden Euro in die Zukunft investiert. [...] Unsere Konzepte sind nicht Strafen und Verbote.“
„Immer wieder Hardware-Updates zu fordern, löst bei den Verbrauchern Panik aus.“
„Es geht mir um das Wohl der Menschen.“
„Wir stehen für maximale Transparenz und Klarheit. Alle Fragen in Zusammenhang mit der Pkw-Maut werden umfassend und fristgerecht beantwortet.“
„Ich bin nicht der Buddy der Bosse, sondern der Kumpel der Fließbandarbeiter.“
- ↑ Deutscher Bundestag. Biografie: Andreas Scheuer bundestag.de, abgerufen am 22.09.2021
- ↑ Andreas Scheuer MDB Lebenslauf andreas-scheuer.de, abgerufen am 22.09.2021
- ↑ Abgeordnetenwatch: Andreas Scheuer abgeordnetenwatch.de, abgerufen am 22.09.2021
- ↑ "Der Dieselskandal ist für mich organisiertes Staatsversagen zeit.de, vom 17.09.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ VW-Kläger schreiben Drohbrief an Scheuer spiegel.de, vom 19.08.2019, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Leere Seiten von Minister Scheuer sueddeutsche.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Pressemitteilung: Deutsche Umwelthilfe fordert mindestens 20 Milliarden Euro Bußgelder gegen betrügerische Autohersteller wegen illegaler Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw duh.de, vom 18.07.2018, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Andreas Scheuer und die Autoindustrie daserste.ndr.de, vom 31.05.2018, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ 875 Millionen Euro Strafe für BMW und VW wegen Kartellbildung br.de, vom 08.07.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Andreas Scheuer und die Autoindustrie daserste.ndr.de, vom 31.05.2018, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Brief von Transparency International an Bundesminister Scheuer transparency.de, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Leere Seiten von Minister Scheuer sueddeutsche.de, vom 19.08.2021, abgerufen a 23.09.2021
- ↑ Dieselskandal: Andreas Scheuer und die Mär von der maximalen Transparenz transparency.de, vom 19.08.2021, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ 80:1 für die Autoindustrie sueddeutsche.de, vom 28.06.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Schriftliche Fragen. BT-Drucksache 19/8434, S. 114-115 dserver.bundestag.de, vom 15.03.2019, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Schriftliche Fragen. BT-Drucksache 19/16761, S. 60-61 dserver.bundestag.de, vom 24.01.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Zeit für die Autolobby - aber nicht für Umweltorganisationen sueddeutsche.de, vom 28.01.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ 80:1 für die Autoindustrie sueddeutsche.de, vom 28.06.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuer: 80 Treffen mit Autoindustrie - nur eins mit Umweltverbänden wiwo.de, vom 28.06.2021, abgerufen am 22.09.2021
- ↑ Deutscher Bundestag: Schriftliche Fragen. BT-Drucksache 19/31171. S. 86-94. dserver.bundestag.de, vom 25.06.2020, abgerufen am 22.09.2021
- ↑ Möglicher Lobby-Einfluss auf Beratergremium der Bundesregierung swr.de, vom 20.04.2021, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Corona-Hilfen: Keine Vorfahrt für die Autolobby! lobbycontrol.de, vom 27.04.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ "Es stehen viele moderne Fahrzeuge auf Halde. Die müssen vom Hof" faz.net, vom 08.09.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ CSU fährt vor Autogipfel auf Verbrenner-Kaufprämien ab tagesspiegel.de, vom 08.09.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ Mit dem Turbo gegen die Wand spiegel.de, vom 09.09.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ Scheuer flirtet wieder mit Verbrenner-Prämie n-tv.de, vom 16.09.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ Konjunkturprogramme: Rolle rückwärts abgewendet, aber kein Aufbruch in eine zukunftsfähige Wirtschaft bund.net, vom 04.06.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ Scheuer will Förderung und Steuer-Vorteile für Hybrid-Pkw ändern reuters.com, vom 09.10.2020, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ [https://rp-online.de/wirtschaft/finanzen/staat-foerdert-plug-in-hybride-mit-400-millionen-euro-trotz-geringer-klima-wirkung_aid-56309425 rp-online.de, vom 18.02.2021, abgerufen am 24.09.2021
- ↑ Scheuer lehnt Tempolimit und höhere Dieselsteuer strikt ab welt.de, vom 19.01.2019, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuer und der ADAC: "Er wird aus Fehlern nicht klug" sueddeutsche.de, vom 26.01.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuer will Ende des fossilen Verbrenners bis 2035 welt.de, vom 14.03.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuer will Ende fossiler Verbrenner tagesschau.de, vom 14.03.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ 12 Millionen für Radwege - nutzt Scheuer für neue Straßen tagesspiegel.de, vom 09.03.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Plötzlich Fahrrad-Minister: Andreas Scheuer (CSU) verspricht Rekordmittel fr.de, vom 27.04.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Die Bilanz des Verkehrsministers Andreas Scheuer tagesspiegel.de, vom 01.09.2021, abgerufen am 02.09.2021
- ↑ "Scheuer ist ein Enteignungsminister" tagesspiegel.de, vom 12.08.2020, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Verkehrsinvestitionen: Vorfahrt für Bayern beim Straßenbau? abendblatt.de, vom 19.02.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ "Passau first" bei Scheuer? Grüne erheben schwere Vorwürfe - Ministerium dementiert entschieden merkur.de, vom 19.06.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuers Prestigeprojekt: Zentrum der offenen Fragen sueddeutsche.de, vom 23.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ haben verhindert. Die 31 schlimmsten Klimabremser der Großen Koalition greenpeace.de, vom 11.08.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Scheuers Pkw-Maut-Affäre: Die Chronik des Scheiterns tagesschau.de, vom 01.10.2020
- ↑ Scheuer tauschte sich über WhatsApp-Gruppe mit Augustus-Intelligence-Gründern aus handelsblatt.com, vom 25.07.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Antwort der Bundesregierung. BT-Drucksache 19/21263 dserver.bundestag.de, vom 24.07.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Schriftliche Fragen. BT-Drucksache 19/21248, S. 63-64 dserver.bundestag.de, vom 24.07.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Amthors Werk und Scheuers Beitrag t-online.de, vom 25.08.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Scheuer tauschte sich über WhatsApp-Gruppe mit Augustus-Intelligence-Gründern aus handelsblatt.com, vom 25.07.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Scheuer tauschte sich mit Start-up-Gründern in Whats-App-Gruppe aus tagesspiegel.de, vom 25.07.2020, abgerufen am 23.09.2021
- ↑ Verkehrsminister Scheuer löscht Nachrichten, damit wir sie nicht erhalten fragdenstaat.de, vom 05.05.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Verkehrsminister Scheuer löschte offenbar Handy-Nachrichten abgeordnetenwatch.de, vom 20.07.2021, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Andreas Scheuer und die Autoindustrie daserste.ndr.de, vom 31.05.2018, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ Zitate des Tages jungewelt.de, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ [ebd.]
- ↑ Bundesverkehrsminister Scheuer beantwortet fristgerecht und umfassend mehr als 60 Fragen zur Pkw-Maut bmvi.de, vom 10.07.2019, abgerufen am 30.08.2021
- ↑ "Ich will nicht der Buddy der Auto-Bosse sein!" bild.de, vom 17.03.2018, abgerufen am 30.08.2021