Deutscher Zigarettenverband
Deutscher Zigarettenverband e.V. | |
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Rechtsform | eingetragener Verein |
Tätigkeitsbereich | Interessenvertretung der Zigarettenindustrie |
Gründungsdatum | 2008 |
Hauptsitz | Berlin |
Lobbybüro | |
Lobbybüro EU | |
Webadresse | zigarettenverband.de |
Der Deutsche Zigarettenverband (DZV) ist der Interessenverband der Zigarettenhersteller in Deutschland. Zusammen haben die fünf Mitglieder einen Marktanteil von 60 Prozent.[1] Der Verband macht einerseits Stimmung gegen unliebsame Gesetze. Zugleich versucht er, das Ansehen der Zigarettenindustrie zu steigern. Seit der Gründung des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) wird der DZV oftmals durch diesen vertreten. Die beiden Verbände haben die gleiche Geschäftsstelle, einen ähnlichen Vorstand und den gleichen Geschäftsführer. Ihre Interessen können als deckungsgleich eingeschätzt werden.
Inhaltsverzeichnis
Lobbystrategien und Einfluss
Die Tabakkonzerne versuchen verstärkt, durch karitative Projekte ihre "soziale Unternehmensverantwortung" unter Beweis zu stellen. So vergibt zum Beispiel die Firma Reemstma seit 2007 den Liberty Award, einen Preis für Auslandandskorrespondent/innen, die sich besonders um die Freiheit bemüht haben.[2] Diese und andere Fördermaßnahmen werden in großformatigen Anzeigen in Parteizeitungen präsentiert - obwohl Tabakwerbung seit Anfang 2007 in bundesdeutschen Printmedien verboten ist. Die Parteien ignorieren dieses Verbot jedoch mit der Begründung, bei den Inseraten wie dem Liberty Award handele es sich schließlich nicht um Produktwerbung - wie etwa bei der Reemtsma-Reklame für Gauloises ("Liberté toujours") -, sondern um Imagewerbung für das Unternehmen.[3] Solche indirekten Formen der Parteienfinanzierung sind gängige Praxis der Tabakunternehmen
Seitenwechsel
Jan Mücke: Aktueller Geschäftsführer ist Jan Mücke, ein Seitenwechsler. Die Öffentlichkeit erfuhr erst mit zwei Monaten Verspätung vom Seitenwechsel des Geschäftsführers und Sprechers Mücke – nämlich kurz nach der Landtagswahl in Mückes Heimat Sachsen am 31. August. Der ehemalige FDP-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium trat seinen neuen Job beim DZV bereits am 1. Juli 2014 an - diese Information wurde jedoch aus strategischen Gründen zurück gehalten[4]. Mücke war seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags und bis zu seiner Ernennung als Staatssekretär der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und deren Sprecher für Infrastruktur und Luftfahrt. Der DZV will von den politischen Kontakten Mückes profitieren[5].
Marianne Tritz: Bereits in der Vergangenheit hatte der DZV politisches Personal angeworben. 2008 sorgte der neugegründete Verband mit der Präsentation von Marianne Tritz als Geschäftsführerin für Aufsehen.[6] Die ehemalige Umweltaktivistin und Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsabgeordnete war direkt vor ihrem Wechsel zum DZV Vorstandsreferentin des Grünen-Fraktionsvorsitzenden und Tabakgegners Fritz Kuhn - und geriet deswegen in die Kritik. Die Geschäftsführung der Grünen legte ihr nahe, nicht mehr öffentlich mit grünen Inhalten zu werben.[7] Tritz wurde 2012 als Geschäftsführerin entlassen. Als Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit gab der DZV Vorstand die Fokussierung der Verbandsarbeit auf die Überarbeitung der Europäischen Tabakproduktrichtlinie an.[8] Inzwischen ist Tritz Geschäftsführerin des Gesamtsverbands Dämmstoffindustrie (GDI).
Grassroots-Lobbying
Entscheiden Sie selbst: Als Reaktion auf die Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union rief der Zigarettenverband 2010 gemeinsam mit anderen Lobbyorganisationen die Beschäftigten der Branche dazu auf, eine Online-Konsultation der EU dazu zu nutzen, ihren Unmut über die geplante Richtlinie kundzutun. Die von der Tabakindustrie ins Leben gerufene Initiative Entscheiden Sie selbst verkaufte die Rekordbeteiligung von 85.000 Eingaben als Beleg für einen europaweiten Bürgerprotest.[9] Dabei stammten allein 30.000 oft wortgleiche Schreiben von Tabakhändlern aus Italien.[10]
Bayern sagt Nein: 2010 wurde in Bayern per Volksentscheid abgestimmt, ob das damalige Rauchverbot in der Gastronomie erheblich verschärft werden sollte. Das Aktionsbündnis Bayern sagt Nein versuchte, die Öffentlichkeit gegen eine weitere Regulierung zu mobilisieren. Neben anderen Verbänden der Tabakindustrie beteiligte sich auch der DZV am Bündnis und unterstützte es mit 150.000 Euro.[11]
Ein Bericht des Corporate European Observatory enthüllte 2014 weitere Strategien der Tabaklobby. Hier ist die Rede von intensiver, teils aggressiver Lobbyarbeit – von zahlreichen Anrufen, Emails, Einladungen auf Drinks über ungefragten Zustellungen von kostenlosen E-Zigaretten bis zu unangemeldeten Besuchen in den Büros der Abgeordneten. Der Bericht ist hier einsehbar. [12]
Lobbying gegen Außenwerbeverbot für Zigaretten
Im April 2016 wurde ein Gesetzesentwurf von Bundesernährungsminister Christian Schmidt, der ein Außenwerbeverbot für Zigaretten ab 2020 vorsieht, vom Bundeskabinett abgesegnet. Das Gesetz war im März 2017 jedoch noch immer nicht verabschiedet, da die CDU/CSU-Bundestagsfraktion um den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder den Entwurf nicht auf die Tagesordnung nahm - auch ein Verdienst der Tabaklobby. Während das Vorhaben zunächst abgeschwächt wurde und die Frist für ein Werbeverbot von 2018 auf 2020 verlängert wurde, verhandelten Philip Morris und der DZV in zahlreichen Treffen mit der Bundesregierung über die Tabakwerbung. In der 18. Legislaturperiode trafen sich die Lobbyisten mindestens 32-mal mit Vertretern der Koalition. Im April 2017 konnte das Gesetz doch noch verabschiedet werden, nur wenige Wochen später hätte der Entwurf in der Legislaturperiode nicht mehr zur Abstimmung kommen können.[13] [14]
Kurzdarstellung und Geschichte
Im Namen seiner fünf Mitglieder tritt der Verband im Bewusstsein der "Verantwortung für die Interessen der Zigarettenindustrie in Deutschland ein."[15] Der DZV bekämpft derzeit vor allem die neue Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union, die abschreckende Bilder auf den Verpackungen, ein Verbot von Mentholzigaretten, Verringerung des Zigarettenschmuggels durch Rückverfolgungssysteme und andere Maßnahmen zur Tabakkontrolle vorsieht.
Vorgängerorganisation
Die Vorgängerorganisation des DZV war der Verband für Cigarettenindustrie (VdC). Auch dieser machte intensive Lobbyarbeit für Tabak- und Zigarettenindustrie. Der VdC galt über viele Jahrzehnte hinweg als einer der einflussreichsten Branchenvertreter Deutschlands, geriet aber in die Kritik, als bekannt wurde, dass jahrelang vermeintlich neutrale Experten für lobbyfreundliche Studien bezahlt wurden. So zogen Wissenschaftler, die vom VdC mit Forschungsgeldern und anderen Vergünstigungen bedacht wurden, gegenüber der Politik die Gesundheitsgefahren des Rauchens in Zweifel.[16] 2007 stieg Philipp Morris aus dem Verband aus - der umsatzstarke Konzern verfolgte andere Positionen als die anderen Mitglieder. Die verbliebenen Konzerne lösten den VdC auf - wohl auch, um Kosten zu sparen.[17] Dann erfolgte die Gründung des noch heute bestehenden Verbands DZV. Dieser gelobte mehr Tansparenz und Verantwortungsbewusstsein.[18]
Neustrukturierung
Am 2. September 2019 wurde in Berlin der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) gegründet. Dieser hat den DZV seitdem weitestgehend als zentralen Interessenverband der Tabak-Lobby abgelöst.
Organisationsstruktur und Personal
Vorstand
Im Vorstand sitzt jeweils ein Vertreter der fünf Mitgliedsunternehmen Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH Deutschland, Japan Tobacco International in Deutschland, British American Tobacco Germany GmbH, Heintz van Landewyck GmbH und Joh. Wilh. von Eicken GmbH[19].
Verbindungen
Neben dem DZV gibt es weitere Zusammenschlüsse der Tabakindustrie[20]:
- Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE)
- Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR)
- Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)
- Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenhersteller (BDTA)
- Bundesverband des Tabakwareneinzelhandels (BTWE)
- Bundesverband der Deutschen Industrie
- Bundesverband deutscher Tabakpflanzer e.V. (BdT)
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ Website DZV, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Reemtsma Liberty Award, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Tabakunternehmen: Zwischen Werbeverbot und Meinungsfreiheit, Legal Tribute Online, 18.November 2010, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Peter Heimann: Ex-FDP-Staatssekretär Jan Mücke ist jetzt Tabak-Lobbyist, Sächsische Zeitung, 3. September 2014, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Pressemitteilung DZV: Jan Mücke ist neuer Geschäftsführer des DZV DZV, 2. September 2014, abgerufen am 20.06.2017]
- ↑ Die Grüne und die Tabaklobby, taz, 11. März 2008, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ PR für Zigaretten: Grüne Tabak-Lobbyistin bekommt Millionen, Die Welt, 15. März 2008, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Pressmitteilung, DZV, 30. Oktober 2012, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Pressemitteilung vom 19.12.2012, Entscheiden Sie Selbst, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ European Comission: Public consultation on the possible revision of the Tobacco Products Directive 2001/37/EC page 6, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Viel Geld für viel Rauch, Deutschlandfunk vom 01.07.2010, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Tobacco lobbyists all fired up ahead of key-vote, CEO-Bericht vom 8. Juli 2014, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Schöner qualmen auf deutschen Litfaßsäulen Spiegel Online vom 07. März 2017, abgerufen am 20.06.2017
- ↑ Kabinett beschließt Verbot von Tabakwerbung Spiegel Online vom 20. April 2016, abgerufen am 20.06.2017
- ↑ Website DZV, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Die Grüne und die Tabaklobby, taz, 11. März 2008, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ PR für Zigaretten: Grüne Tabak-Lobbyistin bekommt Millionen, Die Welt, 15. März 2008, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Tabaklobby formiert sich neu - Grüne an der Spitze, Hamburger Morgenpost, 14. März 2015, abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Deutscher Zigarettenverband Vorstand abgerufen am 15.05.2017
- ↑ Partner, zigarettenverband.de