Anwaltskanzleien

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Version vom 14. Dezember 2022, 13:21 Uhr von MartinJ (Diskussion | Beiträge) (Die Kategorien wurden geändert.)
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Anwaltskanzleien gelten als recht junge Akteure in der deutschen Lobbylandschaft. Doch spätestens mit der Gründung einer eigenen „Public Affairs“-Abteilung bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Jahr 2005 werden Anwaltskanzleien in Deutschland vermehrt als Lobbyisten wahrgenommen. Neben Freshfields vermarkten auch einige andere Kanzleien ihre Lobbydienste recht offensiv: dazu zählen internationale Großkanzleien wie WilmerHale[1], aber auch kleinere Kanzleien wie Raue[2] und Alber & Geiger[3]. Im Marktsegment des Auftragslobbyismus stehen solche Anwaltskanzleien in direkter Konkurrenz zu Lobby- und PR-Agenturen.

Lobbystrategie und Einfluss

Lobbyisten im Gewand von Anwälten können problematisch sein. So führen Anwälte gerne ihre gesetzliche Schweigepflicht an, um nähere Auskünfte über ihre Tätigkeiten zurückzuweisen. Das ist dann fragwürdig, wenn sie damit verschleiern, in wessen Auftrag sie Lobbyarbeit leisten. Die Bundesrechtsanwaltskammer beruft sich ebenfalls auf die Schweigepflicht, um Transparenzpflichten für Anwälte durch ein verbindliches Lobbyregister abzuwehren. Anwälte können außerdem in Interessenkonflikte durch ihre Auftraggeber geraten – so etwa, wenn ein Anwältin von einem Ministerium einen Auftrag zum Thema Energiewirtschaft erhält, sie zugleich aber Unternehmen aus ebendieser Branche berät.

Fallbeispiele und Kritik

Anwaltskanzleien in Brüssel boykottieren Lobbyregister

Auch in Brüssel betreiben zahlreiche Anwaltskanzleien Lobbyarbeit, glänzen aber durch Abwesenheit im EU-Transparenzregister. LobbyControl hat für eine Studie neun große, international agierende Anwaltskanzleien recherchiert, die sich trotz Lobbyarbeit nicht ins (freiwillige) Lobbyregister eingetragen haben.[4]

Anwaltskanzleien haben das juristische Know-How, um ihre Kunden über Probleme neuer politischer Vorhaben aufzuklären, können diese mit EU-Beamten diskutieren und die passenden Änderungsanträge für das EU-Parlament schreiben. Unter anderem werben sie damit, für ihre Kunden EU-Regulierungen „zu navigieren und zu gestalten“ oder damit, wie sie die EU-Chemierichtlinie REACH zugunsten eines Industriekonzerns verändert haben. Mehrere der Kanzleien, wie Sidley Austin oder White & Case, machen in Brüssel Druck für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, vermutlich auch weil sie als Kanzleien bei Konzernklagen im Rahmen von Investitionsschutzabkommen viel Geld verdienen.

Das Fehlen der wichtiger Lobby-Kanzleien im EU-Transparenzregister zeigt, dass der freiwillige Ansatz gescheitert ist. Die EU-Kommission muss hier nachbessern.

Outsourcing von Gesetzen

Besonders umstritten ist die Rolle von Anwaltskanzleien beim sogenannten Gesetzesoutsourcing. Anstatt die Gesetzesentwürfe im eigenen Haus schreiben zu lassen, geben Bundes- oder Landesregierungen, teilweise auch Parlamente, diese bei externen Berater/innen und besonders Anwaltskanzleien in Auftrag und bezahlen diese dafür. Allein im Jahr 2009 waren Externe an 16 Gesetzen beteiligt, darunter große Wirtschaftskanzleien wie Freshfields, Linklaters, White &Case oder Hengeler Müller.

Problematisch sind insbesondere mögliche Interessenkonflikte der Externen und deren fehlende Neutralität, z.B. wenn die Kanzleien zugleich auch für Unternehmen aus der betroffenen Branche arbeiten. Die Erarbeitung von Gesetzen ist eine zentrale hoheitliche Aufgabe, die nicht von interessengeleiteten Unternehmen ausgeführt werden sollte. Diese sollte allein demokratisch legitimierten Institutionen vorbehalten bleiben.

Einbindung ehemaliger Richter und Hochschullehrer als "Of Councels"

Viele Rechtsanwaltskanzleien werben mit nichtanwaltlichen Beratern (Hochschulprofessoren, Beamten oder ehem. Richtern), um den Eindruck zu erwecken, ihre Mandatsarbeit würde durch besonderen Sachverstand unterstützt.[5] Im August 2020 entschied der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH), dass es sich hier um eine nach § 59a Bundesrechungsanwaltsordnung (BRA) unzulässige gemeinsame Berufsausübung mit Nichtanwälten handle. Of Councels bleiben aber zulässig als Gutachter und Zuarbeiter.[6]

Wichtige Kanzleien

Beiten Burkhardt, Baker Botts, Bird & Bird, Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, Clifford Chance, Covington & Burling, DLA Piper, Field Fisher Waterhouse, Freshfields Bruckhaus Deringer, Gibson, Dunn & Crutcher, Hengeler Mueller, Hogan Lovells, K&L Gates, Keller and Heckman, Linklaters, Mayer Brown, Redeker Sellner Dahs, Sidley Austin, Taylor Wessing, Van Bael & Bellis, White & Case, WilmerHale

Weitere Informationen

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Einzelnachweise

  1. Legal Strategy und Public Policy, wilmerhale.de, abgerufen am 02.06.2016
  2. Öffentliches Recht, raue.com, abgerufen am 02.06.2016
  3. Lobbying, albergeiger.com, abgerufen am 02.06.2016
  4. Anwaltskanzleien in Brüssel boykottieren Lobbyregister, LobbyControl vom 31.05.2016, abgerufen am 03.06.2016
  5. Das Ende der Of Counsel in Anwaltskanzleien?, lto.de vom 28.08.2020, abgerufen am 19.10.2021
  6. Erste BGH-Entscheidung zum Of-Councel, anwaltsblatt.anwaltsverein.de vom 03.09.2020, abgerufen am 20.10.2021

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