Günter Verheugen
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Günter Verheugen (*28.04.1944 in Bad Kreuznach), SPD, seit 2010 multifunktionaler Lobbyist auf europäischer Ebene. Verheugen war von 1999 bis 2009 EU-Kommissar, zuletzt Kommissar für Unternehmen und Industrie. Seit 2010 ist Verheugen als Berater der Royal Bank of Scotland (RBS), des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und des türkischen Rohstoffbörsenverbandes (TOBB), sowie als Beirat der PR-Agentur Fleishman Hillard International Communications tätig. All diese Tätigkeiten nahm er innerhalb weniger Monate nach dem Ausscheiden aus seinem Amt als Kommissar auf. Zudem gründete er 2010 gemeinsam mit seiner ehemaligen Kabinettschefin Petra Erler sein eigenes Lobbyunternehmen, die European Experience Company (Webseite). Er ist auch Kuratoriumsmitglied im Deutsch-Aserbaidschanisches Forum.
Inhaltsverzeichnis
Karriere
- seit 04/2010 Senior Advisor und Vice Chairman der Royal Bank of Scotland im Bereich Global Banking und Market Europe, Middle East, Africa[1]
- seit 04/2010 Berater des BVR in europäischen Angelegenheiten[2]
- 04/2010 Gründung seines eigenen Lobbyunternehmens European Experience Company
- 2004–2010 EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Vizepräsident der EU-Kommission
- 1999–2004 EU-Kommissar für die Erweiterungsverhandlungen
- 1998–1999 Parlamentarischer Staatsminister des Auswärtigen Amts
- 1994–1997 stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD
- 1993–1995 SPD-Bundesgeschäftsführer
- 1987–1989 Chefredakteur der Parteizeitung "Vorwärts"
- 1983–1999 Mitglied des Deutschen Bundestags
- 1982 Wechsel zur SPD
- 1978–1982 Generalsekretär der FDP
- 1977–1978 Bundesgeschäftsführer der FDP
Wirken
Als EU-Kommissar
Verheugen zog während seiner Zeit als Kommissar für Unternehmen und Industrie (2004-2009) mehrfach heftige Kritik auf sich, vor allem von Umweltverbänden. Sowohl bei der Chemikalienrichtlinie REACH als auch bei der Richtlinie zu CO²-Emissionen für Neuwagen wurde ihm vorgeworfen, den Interessen der Industrie zu sehr nachgegeben zu haben.[3] Die Beratungskommission "Cars 21" zur umstrittenen CO2-Richtlinie für Neuwagen zum Beispiel hatte er - so der Vorwurf - hauptsächlich mit Vertretern der Autoindustrie besetzt und den Autolobbyisten damit ermöglicht, die Richtlinie als vermeintliche Experten zu ihren eigenen Gunsten entscheidend abzuschwächen.[4]
Extrem-Seitenwechsler nach dem Ausscheiden
Nach seinem Ausscheiden nahm Verheugen Beraterjobs bei der Royal Bank of Scotland, dem Bundesverband der deutschen Raiffeisenbanken und Volksbanken (BVR), der Lobbyagentur Fleishman Hillard International Communications und dem türkischen Rohstoffbörsenverband (TOBB) an. Dem Verhaltenskodex der Europäischen Kommission zufolge hätte er, bevor er diese Stellen antrat, die Kommission darüber informieren müssen, dies unterließ er allerdings geflissentlich, allein dies schon ein Verstoß gegen den Verhaltenskodex für Kommissare. Dennoch gab ihm die Europäische Kommission im Juli 2010 grünes Licht für seine Engagements, mit der Begründung, Verheugen sei nicht in Lobbytätigkeiten involviert.
Obwohl ihn die Kommission im April 2010 aufgefordert hatte, ihr nun all seine geplanten Aktivitäten nach Ausscheiden aus dem Amt mitzuteilen, verschwieg er, dass er soeben im Begriff war, sein eigenes Lobbyunternehmen European Experience Company zu gründen. Ironischerweise schickte er Antwortfaxe auf Nachfragen bezüglich seiner anderen Tätigkeiten regelmäßig von der European Experience Company aus, was in der Kommission aber nicht weiter auffiel. Erst als die Wirtschaftswoche Ende August aufdeckte, dass Verheugen eine eigene Lobbyagentur betreibt, stellte die Kommission nachfragen. Obwohl Günter Verheugen dies bisher bestreitet, ist es relativ eindeutig, dass die European Experience Company eine breite Palette an EU-Lobbying-Dienstleistungen anbietet - anders lässt sich die Homepage nicht deuten. Anders als der Ex-Kommissar mit seiner Aussage suggeriert, umfasst die Definition von Lobbying auch nach der Europäischen Transparenz-Initiative ETI viel mehr als das bloße Knüpfen von Kontakten - unter anderem auch die inhaltliche Vorbereitung von Lobbytätigkeiten, bspw. das Verfassen von Papieren. Auch Verheugens Argument, er habe die Tätigkeit nicht angeben müssen, weil er nicht für sie bezahlt wird, kann nicht verfangen, denn erstens spricht der Verhaltenskodex nicht nur von bezahlten Tätigkeiten, und zweitens profitiert er als Teilhaber von seinem Unternehmen. Er ist dem Onlineservice Bürgel Wirtschaftsinformationen zufolge gleichberechtigt mit seiner Geschäftspartnerin Petra Erler zu je 12.5000 Euro an dem Unternehmen beteiligt.
Am 2. Februar 2011 wurde bekannt, dass die EU-Kommission Verheugen die Tätigkeit für die European Experience Company erlaubt. Er darf sich allerdings für 26 Monate nicht an seine ehemalige Generaldirektion wenden und keine Aufträge von Nutznießern der Generaldirektion annehmen.[5]
Zitate
„Meine Tätigkeit wird sich auf die politische Beratung der Führungsgremien beschränken. Lobbyarbeit in jeglicher Form ist nicht vorgesehen%u201C“ - Verheugen zu seiner Tätigkeit beim BVR [6]
„Angesichts der anstehenden wichtigen Beratungen der EU-Kommission zur Bankenregulierung, im Zahlungsverkehr und im Wertpapiergeschäft möchten wir noch deutlicher den genossenschaftlichen Finanzverbund und sein erfolgreiches Geschäftsmodell in Brüssel zu Gehör bringen%u201C“ - BVR-Präsident Uwe Fröhlich über Verheugens Tätigkeit beim BVR.[7]
„Seine Erfahrungen in der europäischen Politik und seine nationalen und internationalen Kontakte sind für die RBS sehr wertvoll“ - RBS-Deutschland-Chefin Ingrid Hengster.[8]
„Im Übrigen steht das Leistungsangebot dieser Firma, die die Grundlage der Selbstständigkeit der Geschäftsführerin Petra Erler bildet, in vollkommener Übereinstimmung mit den Anforderungen des Verhaltenskodexes für ehemalige Mitarbeiter der Kommission. Jede Form von Lobbyismus gegenüber den Brüsseler Institutionen ist danach ausdrücklich ausgeschlossen“ - Verheugen über die European Experience Company.[9]
„Wir bieten Ihnen Sachverstand und reiche Erfahrung auf dem Gebiet der Europapolitik und in außenpolitischen Fragen, kreative Lösungen sowie die richtige Strategie für Ihren Erfolg im Umgang mit europäischen Institutionen“ - die Homepage der European Experience Company
Weiterführende Informationen
Einzelnachweise
- ↑ Verheugen berät weitere Bank, manager-magazin.de vom 28.04.2010, abgerufen am 05.07.2012
- ↑ Günter Verheugen berät ab sofort BVR, bvr.de vom 14.04.2010, abgerufen am 05.07.2012
- ↑ EU-Kommission beschließt CO2-Richtliniestern.de vom 12. Dezember 2008, abgerufen am 27. Oktober 2010
- ↑ Driving Climate Change - How the Car Industry is attempting the thwart CO2 emission legislation, 26. Mai 2008, abgerufen am 27. Oktober 2010
- ↑ Günter Verheugen bekommt „Kontaktverbot“, FAZ online vom 2.Februar 2011, abgerufen am 3.2.2011
- ↑ Günter Verheugen berät Raiffeisenbanken faz.net vom 14.4.2010, abgerufen am 27.Oktober 2010
- ↑ Günter Verheugen berät Raiffeisenbanken faz.net vom 14.4.2010, abgerufen am 27.Oktober 2010
- ↑ Verheugen berät weitere Bank, Manager-Magazin vom 28.April 2010, abgerufen am 27. Oktober 2010
- ↑ Günter Verheugen im Interview mit EurActiv.de Verheugen: "Der EU fehlt ein überzeugendes Projekt", euractiv.de vom 20.September 2010, abgerufen am 27. Oktober 2010