Seitenwechsel und Karenzzeiten (Überblick)

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Karenzzeiten und Seitenwechsel sind zwei zusammenhängende Phänomene der Lobbyregulierung; unter Seitenwechseln versteht man den Wechsel ehemaliger Politiker:innen oder Spitzenbeamt:innen in Jobs in die Privatwirtschaft, Karenzzeiten versuchen diese temporär zu unterbinden.


Seitenwechsel

Die Problematik von Seitenwechseln entsteht dadurch, dass ehemalige Politker:innen und Beamt:innen bei ihrem Wechsel in die Privatwirtschaft know-how und persönliche Netzwerke aus ihrer Zeit als Staatsbedienstete mitnehmen. Das macht ihre Anwerbung für Organisationen, die versuchen Einfluss auf die Politik zu nehmen, besonders attraktiv. Somit entsteht ein Wettbewerb zwischen diesen Organisationen um die ehemaligen Politiker:innen, bei dem finanzstarke Akteure deutlich bevorteilt sind. In der Folge wechseln Politiker:innen wesentlich häufiger zu finanzstarken Akteuren aus der Privatwirtschaft und seltener zu zivilgesellschaftlichen Organisationen oder kleineren Unternehmen. Dies verstärkt bereits bestehende Ungleichheiten im Einfluss dieser Akteure auf die Politik. Weiterhin schüren Seitenwechsel das Misstrauen der Bevölkerung in die Politik, da so der Eindruck entsteht, dass Politiker:innen Entscheidungen bereits während ihrer Amtszeit im Interesse ihres zukünftigen Arbeitgebers treffen. Dies ist besonders bei zeitnahen Wechseln zu Organisationen, deren Anliegen während der Amtszeit des:der Seitenwechsler:in von dieser:diesem bearbeitet wurden, der Fall. Auf diesen zwei Wegen können Seitenwechsel der Demokratie großen Schaden zufügen.

Eine Übersicht zu Seitenwechseln in Deutschland und der EU finden sich hier und hier.


Karenzzeit

Karenzzeiten zielen darauf, die Problematik von Seitenwechseln zu entschärfen, in dem sie ehemalige Politiker:innen und Beamt:innen dazu verpflichten bestimmte Tätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum nach Ausscheiden aus dem Amt nicht, oder nur unter bestimmten Auflagen, auszuüben. Auf diese Weise verringern Karenzzeiten die Wahrscheinlichkeit, dass Politiker:innen noch während ihrer Amtszeit im Sinne ihres zukünftigen Arbeitgebers handeln, indem sie zukünftige Tätigkeiten in weite Ferne rücken lassen. Darüber hinaus sorgen sie dafür, dass Insiderwissen und persönliche Netzwerke an Wert verlieren - je länger das politische Amt oder die Beamtentätigkeit her ist, desto weniger persönliche Kontakte arbeiten noch dort und desto weniger sind Insiderinformationen wert. Die Verschärfung der oben beschriebenen Ungleichheiten wird somit gemindert.

Bei der Ausgestaltung von Regelungen zur Karenzzeit gibt es diverse Möglichkeiten, die die Wirkweise von Karenzzeiten beeinflussen. Zum einen ist hier die bloße Länge der Karenzzeit zu nennen, die beeinflusst wie stark die zuvor beschriebenen Effekte wirken. Darüber hinaus gibt es Varianzen dabei, wie der Entscheidungsprozess über die Untersagung von oder Auflagen zu Tätigkeiten ausgestaltet ist. Hier ist insbesondere die (Nicht-)Existenz eines von der amtierenden Regierung gesonderten Gremiums und die Befugnisse und der Grad der Unabhängigkeit diese Gremiums zu nennen. Weiterhin unterscheiden sich Karenzzeitregelungen in den vorgesehen Sanktionen für Vergehen gegen diese Regelungen. Sie reichen von der gänzlichen Abwesenheit von Sanktionsmöglichkeiten über Bußgelder bis hin zu Haftstrafen.


Forderungen von LobbyControl

  • Konkrete Richtlinien zu Tätigkeiten die reguliert werden sollen (insb. im Hinblick auf Lobbytätigkeiten), um den Ermessensspielraum der Entscheider:innen möglichst klein zu halten und so eine möglichst stringente Umsetzung zu gewährleisten
  • Ein grundsätzliches Verbot von Lobbytätigkeiten innerhalb der Karenzzeit
  • Möglichkeit zur Sanktionierung, da öffentlicher Druck auf ehemalige Politiker:innen nicht genügt, da sie sich nicht mehr in Wahlen stellen
  • Eine Länge von Karenzzeiten von bis zu drei Jahren, da bis dahin persönliche Kontakte zu genüge abgekühlt und Insiderinformationen wertlos genug geworden sind
  • Ein unabhängiges Gremium zur Beurteilung von Fällen, in denen Karenzzeitregelungen möglicherweise Anwendung finden
  • Eine gesetzliche Verankerung von Karenzzeiten (nicht in beispielsweise Geschäftsordnungen), um eine umfassende Umsetzung sicherzustellen


Karenzzeitregelungen in verschiedenen Ländern

Hier finden sich die Links zu Karenzzeitregelungen in verschiedenen Ländern und internationalen Organisationen:

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