Lobbyismus an schulen

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Lobbyismus an Schulen bezeichnet die Aktivitäten außerschulischer Akteure an Schulen, deren Ziel indirekt die Politik bzw. das politische Klima ist. Lobbyismus an Schulen gehört zum Bereich der erweiterten Lobbyarbeit (eng. deep lobbying). LobbyControl hat zu dem Thema eine Broschüre veröffentlicht.

Überblick LobbyABC: Lobbyismus von A–Z

Ziele von Lobbyismus an Schulen

Lobbyismus an Schulen verfolgt im Wesentlichen drei Ziele. Diese vermischen sich jedoch in der Praxis, so dass mit einer Aktivität meist nicht nur ein einzelnes Ziel verfolgt wird.

  • Verbesserung des Images: Besonders Unternehmen sind häufig an Schulen aktiv, um sich ein besseres Image zu verschaffen. Das Kalkül dabei ist klar: Mit einem positiven Image lässt sich die Politik einfacher für die eigenen Belange einspannen. Schülerinnen und Schüler, die häufig im Zentrum der Aktivitäten stehen, sind dann nur Mittel zum Zweck. Diese Imageförderung wird gerne als Sponsoring versteckt.
  • Beeinflussung der Inhalte: Besonders bei Unterrichtsmaterialien privater Anbieter ist nicht selten eine manipulative Einseitigkeit zu beobachten. So soll die inhaltliche Orientierung des Unterrichts in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.
  • Kontaktpflege: Bildungsaktivitäten können auch für Kontaktpflege genutzt werden. Gemeinsame Veranstaltungen sind eine gute Möglichkeit, um Kontakte zu regionalen Entscheidungsträgern aufzubauen oder zu pflegen.
  • Werbung und Sponsoring: Schülerinnen und Schüler sind für Unternehmen eine lukrative Käuferschicht, die in Schulen mit geringem „Streuverlust“ gezielt angesprochen werden kann. Zwar ist in den meisten Bundesländern Werbung an Schulen verboten. Die entsprechenden Gesetze lassen jedoch viel Spielraum.
  • Nachwuchs rekrutieren: Die Rekrutierung zukünftiger MitarbeiterInnen und die Einflussnahme auf deren Ausbildung ist offiziell einer der wichtigsten Gründe für Unternehmen und Wirtschaftsverbände, um an Schulen aktiv zu werden. Diese Begründung eignet sich gut als Türöffner, mit dem auch inhaltliche Beeinflussung in die Schulen gebracht werden kann.

Unterschied zwischen Lobbyarbeit und Werbung

In der öffentlichen Diskussion um Meinungsmache an Schulen wird zwischen Lobbyismus und Werbung häufig kaum differenziert. Um beides erkennen zu können ist eine genaue Unterscheidung jedoch nötig. Der Entscheidende Unterschied liegt in der Zielgruppe: Während bei Werbung Schülerinnen und Schüler als Konsumenten angesprochen werden, ist beim Lobbyismus letztendlich die Politik das Ziel der Aktivitäten.

Lobbyismus an Schulen

Aktivitäten außerschulischer Akteure an Schulen können dann als Lobbyismus bezeichnet werden, wenn politische Ansichten vermittelt werden sollen und indirekt die Politik bzw. das politische Klima Ziel der Aktivitäten ist. Dabei kann es sowohl um eine inhaltliche Einflussnahme als auch um die Verbesserung des eigenen Images gehen. Außerdem kann über Schulaktivitäten versucht werden, Lobby-Kontakte zu Entscheidungsträgern aufzubauen.[1]

Meinungsmache an Schulen kann in diesen Fällen als Teil einer erweiterten Lobbyarbeit gesehen werden. Im Englischen wird diese langfristige Beeinflussung von Einstellungen, Stimmungen oder Diskursen in der Gesellschaft auch als deep lobbying bezeichnet.

Werbung an Schulen

Werbung an Schulen lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen werden Produkte und Marken beworben, die Kinder als Zielgruppe haben. Zum anderen soll durch Werbung eine Markenbindung erreicht werden. D.h. Kinder und Jugendliche sollen schon früh als zukünftige Kunden angesprochen und beeinflusst werden.

Spezialisierte Agenturen für Kinder- und Jugendmarketing wie cobra youth communications beschreiben dies so: „Je früher ein Konsument an eine Marke oder ein Produkt herangeführt wird, umso geringer ist die Wechselbereitschaft auf andere Marken zu einem späteren Zeitpunkt. Wer also frühzeitig in spezielle Kommunikationsmaßnahmen für Kinder investiert, profitiert später von besonders loyalen Kunden.“[2]

Werbung ist an Schulen in den meisten Bundesländern verboten. Die entsprechenden Gesetze lassen jedoch viel Spielraum zu. In NRW heißt es beispielsweise im Schulgesetz: „Werbung, die nicht schulischen Zwecken dient, [ist] in der Schule grundsätzlich unzulässig.“ Sponsoring ist erlaubt, wenn „die Werbewirkung deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt.“ Die Entscheidung, ob Werbung schulischen Zwecken dient und ob sie dabei deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt, bleibt dabei der Schulleitung überlassen.

Gefahren für Kinder und Jugendliche

Lobbyismus an Schulen ist aus mehreren Gründen problematisch:

  • Ungleichheit der Akteure: Leisten können sich diese Formen der Einflussnahme nur besonders finanzstarke Akteure. Wer nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, dessen Botschaft droht unterzugehen.
  • Intransparenz und Manipulation: Durch Intransparenz und manipulative Methoden ist Lobbyismus an Schulen schwer zu erkennen. Die Gefahr ist daher groß, dass in diesen Fällen die Lerninhalte einseitig werden.
  • Instrumentalisierung: Wenn Schulen als Werbeplattformen fungieren, ist das nicht mit Bildungszielen wie eigenständiger Meinungsbildung, Kontroversität und Kritikfähigkeit vereinbar.
  • Abhängigkeit von einzelnen Anbietern: Einflussnahme kann auch in einer Abhängigkeit von einzelnen Anbietern resultieren
  • Privatisierung von Schulaufgaben: Unternehmen bringen sich immer mehr in das Schulsystem ein. Es droht eine verstärkte Privatisierung von staatlichen Aufgaben in der Schule. Dadurch werden zum einen Teile der Bildung der demokratischen Kontrolle entzogen.

Wie und wo Einfluss genommen wird

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Unterrichtsinhalte an Schulen zu beeinflussen. Dafür werden kostenlose Lehrmaterialien erstellt, dauerhafte Kooperationen mit Schulen eingegangen oder Schulwettbewerbe veranstaltet. Der Weg in die Schulen wird oft professionell organisiert. Spezialisierte Agenturen bieten dies als Dienstleistung an. Die Hoffnung der Lobbyisten: Die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen wirkt ein Leben lang.

Bildungskommunikation vs. Bildungsförderung

Was nach außen als Bildungsförderung kommuniziert wird, heißt intern oft Bildungskommunikation. Spezialisierte PR-Agenturen bieten Bildungskommunikation als Dienstleistung an und bezeichnen diese als „wichtigen Bestandteil der Gesamtmarketingstrategie.“ Wichtigstes Instrument der Bildungskommunikation ist das Sponsoring. Aufgrund knapper Budgets fällt es den Schulen schwer, solche Angebote abzulehnen. Auf den ersten Blick sieht dieses Bildungssponsoring nach einer Win-win-Situation aus. Die Gefahr ist jedoch groß, dass sich Schulen hierbei für die Interessen von Unternehmen einspannen lassen. Der Mehrwert für die Schulen ist zudem meist gering.

Einseitiger Lehr- und Lernmaterialien bereitstellen

Die meist kostenlosen Lehr- und Lernmaterialien sind schnell herzustellen und leicht zu verbreiten. Die Anzahl dieser Materialien ist mittlerweile nicht mehr zu überblicken. LehrerInnen reden in diesem Zuammenhang davon, „überschüttet“[3] zu werden. Da viele Schulbücher veraltet sind, eignen sich die Materialien gut, die politische Botschaft mit aktuellen Themen zu verknüpfen und so in die Schule zu tragen.

Beispielsweise im Unterrichtsmaterial des Vereins information.medien.agrar zu den Themen Landwirtschaft und Tierhaltung. Deren Poster Das Geflügel – Woher kommen Chicken Nuggets, Putenschnitzel und Co? wurde mit dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft herausgegeben.[4] Darin wird die Haltung der Tiere sehr positiv dargestellt. So ist von „frischer Einstreu“, „gesundem Futter“ und „Tierwohl“ die Rede. Gesellschaftlich kontroverse Positionen werden hingegen ausgegrenzt. Kritik an Massentierhaltung gibt es hier ebenso wenig wie die Möglichkeit, sich kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen.

Nach einer Studie der Universität Augsburg sind kostenlose Materialien für Unternehmen „eine häufige Alternative zu anderen Marketingstrategien und Werbemöglichkeiten“.[5] Von den untersuchten 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen waren nur vier nicht an der Produktion von Schulmaterialien beteiligt.[5]

ExpertInnen an die Schulen entsenden

Experten können den Unterricht durch ihr Fachwissen bereichern. Sind diese Experten jedoch auch Interessenvertreter von Unternehmen, besteht die Gefahr, dass sich beide Rollen vermischen und Einfluss genommen wird.

Beispielsweise bei My Finance Coach, ein Projekt der Unternehmen Allianz, McKinsey und Grey, die 2010 gegründet wurde. Sie bietet Unterrichtsmaterialien und Lehrerfortbildungen an und schickt auf Wunsch Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen als sogenannte „Finance Coachs“ in die Klasse. In den ersten fünf Jahren hat My finance Coach nach eigenen Angaben 750.000 Schülerinnen und Schüler erreicht.[6]

Die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) kritisierte, dass die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen die Rolle der LehrerInnen übernehmen, obwohl die Neutralität der ExpertInnen zu bezweifeln sei.[7] Der Soziologe Reinhold Hedtke sieht die Gefahr, dass diese Praxis den Unternehmen die Möglichkeit bietet, „ein positives Bild ihres Unternehmens sowie seiner Vertreter [...] in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler zu verankern.“[8]

Attraktive Wettbewerbe und Workshops organisieren

Auch Schulwettbewerbe und Spiele werden für Meinungsmache an Schulen genutzt. Der unterhaltsame Ansatz soll die Inhalte für Kinder und Jugendliche attraktiv machen und ein positives Image erzeugen. Ein weiterer Vorteil liegt in der großen Reichweite solcher Projekte: Häufig wird das soziale Umfeld mit einbezogen.

So auch im Schulwettbewerb „Packs an“, den der Energiekonzern RWE 2010 zum Thema Energieeffizienz veranstaltete.[9] Eines der Ziele war es, „dass Schüler Maßnahmen entwickeln, um Menschen in ihrem Umfeld zum Energiesparen zu sensibilisieren.“[9] Eine Öffentlichkeitswirkung sollte „durch Ansprache Dritter“ erzeugt werden.[9] In diesem Fall: Lehrer, Eltern, Freunde und Verwandte der Schüler.

RWE konnte sich so als fortschrittlich darstellen und erreichen, dass das Unternehmen mit Stromsparen und damit auch mit Klimaschutz in Verbindung gebracht wird. Auf politischer Ebene versucht RWE jedoch durch seine Lobbyarbeit häufig, Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern.[10]

Akteure

Schafft es eine Marke oder eine politische Botschaft ins Klassenzimmer, sind ihr dort 45 Minuten Aufmerksamkeit sicher. Außerdem erscheint eine Botschaft besonders glaubwürdig, wenn sie durch eine Lehr­kraft vermittelt wird. Von dieser besonderen Aufmerksamkeit wollen viele profitieren. Die Liste der außerschulischen Akteure, die an Schulen aktiv sind, ist lang: Unternehmen, Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen, Gewerkschaften, Denkfabriken oder spezialisierte Agenturen für Bildungskommunikation.

Die treibende Kraft bei der Einflussnahme auf Schülerinnen und Schüler sind jedoch Unternehmen. Denn diese verfügen über die ausreichenden finanziellen Mittel. Ressourcenun­terschiede spielen eine zentrale Rolle in der Frage, wer wie zu Wort kommt. Von einem ausgewogenen Spielfeld kann daher nicht die Rede sein. Ein Wettrennen um die meisten, besten und aktuellsten Unterrichtsmaterialien sollte ohnehin keine Lösung sein. Vielmehr muss es Grenzen und Gegengewichte zur Meinungsmache an Schulen geben.

Beispiele für unterschiedliche Akteure
Ein Beispiel für die Schulaktivitäten von Unternehmen ist der Energiekonzern RWE. Im Herbst 2015 haben Recherchen von LobbyControl gezeigt, wie das Unternehmen Schülerinnen und Schüler für seine Ziele instrumentalisiert: Unter dem Deckmantel der Bildungsförderung will der Konzern seinen Ruf verbessern und Proteste gegen Braunkohle beschwichtigen.[11] Um dies zu erreichen setzt RWE auf unterschiedliche Aktivitäten.[12] Der Konzern verschenkt Brotdosen an Erstklässler, finanziert Sportfeste und Schul-Wettbewerbe und veröffentlicht fragwürdiges Unterrichtsmaterial. Außerdem kooperiert er mit Schulen im rheinischen Braunkohle-Revier in NRW. RWE wies die Kritik zurück: Die Bildungsinhalte seien ideologiefrei.

Der Verband der Investmentbranche BVI (Bundesverband Investment und Asset Management) veröffentlicht seit mehreren Jahren das Unterrichtsmaterial "Hoch im Kurs".[13] Darin werden Schülerinnen und Schüler aufgefordert möglichst früh in private Altersvorsorge zu investieren. Dass der BVI das Material finanziert hat, wird aus dem Impressum nicht deutlich. Dort steht lediglich: "Herausgeber: Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V.“

Der Verein information.medien.agrar e.V. ist für die Bildungskommunikation der deutschen Bauernverbände zuständig. In den Angeboten des i.m.a. wird die Haltung der Tiere sehr positiv dargestellt.[14] Gesellschaftlich kontroverse Diskussionen werden ausgegrenzt: Kritik an Massentierhaltung gibt es ebenso wenig, wie die Möglichkeit, sich kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die bestehenden Regeln ausreichen und es keinen politischen Handlungsbedarf gebe. So auch in dem Heft „Das Schwein – Woher kommt unser Schnitzel?“[15]

Die Nichtregierungsorganisation urgewald beschäftigt sich mit den Themen Umweltschutz und Menschenrechte. Seit Frühjahr 2016 veröffentlicht sie Unterrichtsmaterial, in dem Alternativbanken wie die EthikBank besonders positiv dargestellt werden.[16] Gleichzeit erhält urgewald seit 2014 Spenden von der EthikBank und empfiehlt einen Wechsel zu den Alternativbanken GLS, EthikBank oder Triodos. Urgewald hält diesen Zusammenhang für unproblematisch: „Die Spenden der Ethikbank hatten und haben keinen Einfluss auf inhaltliche Entscheidungen von urgewald.“[17]

Fallbeispiel ExxonMobil

Der Mineralölkonzern ExxonMobil spendete dem Gymnasium Sulingen seit dem Start ihrer Schulkooperation im Juli 2007 jährlich 10.000 Euro. Dafür öffnet die Schule dem Konzern die Schultür.[18] In seiner Studie "Erdöl- und Erdgasgewinnung als Thema für die gymnasiale Oberstufe" dokumentiert der Wirtschaftsverband Energie - und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) den Erfolg des Pilotprojektes „Schulkoooperation Erdöl/Erdgas“ u.a. auch die Zusammenarbeit des Gymnasiums Sulingen mit ExxonMobil seit 2007.[19] Die Ziele der Kooperation ware:

  • Verbesserung der Akzeptanz vor Ort durch die Unterstützung örtlicher Schulen
  • Verbesserung der Reputation der Branche
  • Versachlichung der Darstellungen über die Erdöl- und Erdgasproduktion in Schulen
  • Stärkung des Interesses Jugendlicher an einem Arbeitsplatz in der E&P-Industrie
  • Stärkung des Interesses Jugendlicher an technischen und naturwissenschaftlichen Themen und Studiengängen

In der Auswertung zieht der WEG ein positives Fazit: Nach eigenen Angaben bewerten „57 Prozent [der befragten Schülerinnen und Schüler] [...] das Partnerunternehmen mit 'sehr gut' und 'gut'. Für 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler hat sich die Bewertung des Partnerunternehmens verbessert.“[19]

Zum Ende des Schuljahres 2015 beendete die niedersächsische Landesregierung das umstrittenes Kooperationsprojekt. Begründet wurde die Entscheidung mit einem Verstoß gegen die Antikorruptionsrichtlinie des Landes.[20]

Transparenz-Kodex der Deutsche Vereinigung für Politische Bildung

Die Deutsche Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) hat im Juli 2014 einen Transparenz-Kodex für Unterrichtsmaterialien vorgestellt. Er soll erleichtern, Lobbyeinflüsse in Schulen zu erkennen. In einer Pressemitteilung erklärt die Vereinigung, warum ein solcher Kodex notwendig ist: „Viele Anbieter versuchen zu verschleiern, wer genau das Material beauftragt, produziert und finanziert hat. Deshalb ist es für Lehrende und Lernende häufig nicht oder nur schwer ersichtlich, welche Lobby hinter einem Material steht. Manche Anbieter verstecken sich hinter Vereinen mit wohlklingenden Namen. Diese Intransparenz erschwert es Lehrenden und Lernenden, sich kritisch mit den Absichten der Finanziers und Autoren auseinanderzusetzen.“[21]

Die vier Regeln des Transparenz-Kodex

  • In Schule und Unterricht verwendete Materialien Dritter müssen im Impressum nicht nur die Herausgeber angeben, sondern auch die Finanzierungsquellen sowie die Organisationen, die Herstellung und Vertrieb unterstützen.
  • Sofern dies aus Platzgründen als nicht praktikabel erscheint, muss das Material einen direkten Link zu einer Webseite mit diesen Informationen enthalten.
  • Wird eine Organisation wie z.B. ein Verein, eine Stiftung oder ein Institut als Förderer oder Finanzierer angegeben, sind auch deren Geldgeber explizit, vollständig und leicht auffindbar zu nennen.
  • Die Autorinnen und Autoren des Materials sind ebenso zu nennen wie ggf. ihre Zugehörigkeit zu einer Organisation.[22]

Forderungen und Handlungsempfehlungen von LobbyControl

Zu lange hat die Politik das Problem der zunehmenden Einflussnahme an Schulen ignoriert. Dabei ist die Aufsicht des Staates über das Schulwesen sogar im Grundgesetz verankert.[23] Aufgabe der Politik muss es daher sein, einen kritischen Umgang mit externen Materialien und Angeboten zu fördern und das Thema gezielt in der Schule und im Schulumfeld zu behandeln. Aber auch SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen müssen sich mit der Einflussnahme an Schulen beschäftigen. Lobbyismus im Klassenzimmer wirksam einzubämmen, kann nur gelingen, wenn sich alle Betroffenen beteiligen.

LobbyControl setzt sich für folgende politische Forderungen ein:

  • Einrichtung einer Monitoringstelle für Unterrichtsmaterial: Sie soll den kritischen Umgang mit Angeboten außerschulischer Akteure fördern und LehrerInnen mit externem Rat unterstützen. Also keine formale Zulassungsstelle, sondern ein Korrektiv.
  • Finanztransparenz für Unterrichtsmaterialien: LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen müssen auf den ersten Blick erkennen können, von wem das Material stammt und wessen Interessen darin vertreten werden.
  • Kooperationen kritisch prüfen: Kooperationen können zu Abhängigkeiten und Distanzlosigkeit führen. Sie sollten daher kritisch überprüft und klaren Regeln unterworfen werden.
  • Schulsponsoring überflüssig machen: Die Zunahme von Schulsponsoring führt zu einer vermehrten Abhängigkeit von Unternehmen. Dieser Trend verschärft aber die Ungleichheit zwischen Schulen. Ziel muss es sein, dass jede Schule auch ohne Sponsoring eine erstklassige Ausstattung hat. Ein Verbot von Sponsoring sollte am Ende dieser Investitionen in Bildung stehen.
  • Werbung umfassend verbieten: Die Landesgesetze lassen sehr unterschiedliche Spielräume für Werbung an Schulen zu. So ist in Berlin geregelt, dass die Entscheidung über “die Werbung an der Schule sowie Art und Umfang des Sponsoring“1 von der Schulkonferenz getroffen wird. Werbung hat in Schulen nichts verloren und sollte in allen Bundesländern umfassend verboten werden.
  • Finanzierung des Bildungssystems verbessern: Ein zentrales Einfallstor von Lobbyisten ist die Unterfinanzierung des Bildungssystems in Deutschland. LobbyControl fordert eine ausreichende Finanzierung der Schulen, um eine Abhängigkeit von finanzkräftigen Unternehmen zu vermeiden.
  • Lehrerausbildung verbessern & Fortbildung fördern: Zukünftige Lehrer müssen bereits in der Ausbildung für die Gefahren der Einflussnahme sensibilisiert werden.
  • Digitalisierung als gesellschaftliche Aufgabe begreifen: Gerade der Bereich Digitalisierung in der Bildung wird zunehmend als Einfallstor für Unternehmensinteressen genutzt. Hier gilt es eine gesellschaftliche Debatte zu führen mit dem Ziel, Standards für eine Bildung in Zeiten der Digitalisierung festzulegen. Dazu gehören auch Fragen des Datenschutzes und der Abhängigkeit von einzelnen Herstellern. Wenn diese Debatte ausbleibt, überlässt die Gesellschaft es den IT-Konzernen darauf Antworten zu geben. Lehrerinnen und Lehrer brauchen Weiterbildungsangebote, um mit den technischen Herausforderungen Schritt zu halten. Gleichzeitig gilt aber auch: Sie brauchen Zeit, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Die Betreuung, Beschaffung und Pflege der technischen Ausstattung der Schulen darf nicht auf den Schultern der Lehrerinnen und Lehrer lasten. Schulen brauchen dabei professionelle Unterstützung.

Checkliste: Lobbyismus im Schulalltag erkennen und verhindern

  1. Wer steckt hinter dem Angebot?
  2. Wer finanziert das Angebot? Wenn nicht sichtbar, nachfragen!
  3. Welche Interessen und Ziele verfolgt der Anbieter bzw. die Finanziers?
  4. Spiegeln sich die Interessen und Ziele des Anbieters im Inhalt des Angebots wider?
  5. Gibt es andere Angebote die ich auch in Anspruch nehmen könnte?
  6. Welche Abhängigkeiten gehe ich mit dem Angebot ein? Werde ich oder die Schule bei zukünftigen Entscheidungen beeinflusst?
  7. Im Zweifelsfall KollegInnen oder andere Eltern um Einschätzung bitten und die Nutzung mit der Schulleitung klären.
  8. Als SchülerInnen und Eltern bei fragwürdigen Angeboten LehrerInnen oder Schulleitung ansprechen.
  9. Manipulative Angebote nutzen, um Lobbyismus an Schulen zu thematisieren.
  10. Besonders auffällige Materialien an LobbyControl schicken.

Weitere Informationen

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Günter Vollmer, Unternehmen machen Schule. Mit Lernpartnerschaften zu wirtschaftsorientierten Bildungsregionen, Bonn 2005, S. 89
  2. Unser Profil - Kindermarketing und Kinderkommunikation, cobrayouth.de, abgerufen am 15.02.2016
  3. Schulsponsoring. Lernziel Konsum Josef Kraus, Schulleiter in Bayern und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, zitiert nach Zeit Online vom 27.03.2008. Aufgerufen am 15.02.2016
  4. Poster Das Geflügel, ima-agrar.de, abgerufen am 16.02.2016
  5. 5,0 5,1 Bildungsmedien Online Abstract zum Projekt der Universität Augsburg, Forschungsprojekt mit dem Verband Bildungsmedien in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Schulpädagogik, Projektträger ist der Verband Bildungsmedien e.V. Aufgerufen am 12.03.2014
  6. Fünf Jahre My Finance Coach, myfinancecoach.org vom 01.10.2015, abgerufen am 16.02.2016
  7. Materialkkompass der vzbv Bewertung von My Finance Coach. Abgerufen am 12.03.2014
  8. L.Möller, R.Hedtke: Wem gehört die ökonomische Bildung? Bielefeld 2011. Aufgerufen am 12.03.2014
  9. 9,0 9,1 9,2 Schulwettbewerb "Packs an" Aufgerufen am 16.02.2016
  10. Worst Lobby Award Website LobbyControl, Aufgerufen am 13.03.2014
  11. Schulverweis für RWE – Lobbyismus an Schulen stoppen, lobbycontrol.de vom 02.11.2015, abgerufen am 28.06.2016
  12. Energie im Unterricht: Angebote für Lehrer & Eltern, 3male.de, abgerufen am 03.07.2017
  13. Startseite, hoch-im-kurs.de, abgerufen am 28.06.2016
  14. Schöngefärbte Tierhaltung im Unterricht, lobbycontrol.de vom 08.05.2014, abgerufen am 28.06.2016
  15. Das Schwein – Woher kommt unser Schnitzel?, Webseite des i.m.a., abgerufen am 03.07.2016
  16. Unterrichtsmaterial Banken, abgerufen am 28.06.2016
  17. Anfrage an Urgewald, urgewald.org, abgerufen am 08.09.2016
  18. Erste Stunde: Lobbykunde, zeit.de vom 29.11.2013, abgerufen am 16.02.2016
  19. 19,0 19,1 Dokumentation Schulkooperation Erdöl/Erdgas Wirtschaftsverband Energie- und Erdgasgewinnung e.V, Aufgerufen am 16.02.2016
  20. ExxonMobil fliegt von der Schule, lobbycontrol.de vom 07.05-2015, abgerufen am 16.02.2016
  21. Pressemeldung des DVPB vom 10. Juli 2014 Aufgerufen am 16.02.2016.
  22. DVPB-Transparenz-Kodex für Unterrichtsmaterialien im Wortlaut, zuletzt aufgerufen am 16.2.2016
  23. GG der BRD Artikel 7, Absatz 1. Aufgerufen am 12.03.2014.

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