Infrastrukturgesellschaft Verkehr

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Die Bundesregierung plant in Abstimmung mit den Bundesländern die Gründung einer privatrechtlichen Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (InfrGG).

Konzeption und Stand des Vorhabens

Artikel 13 des „Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften“ (Stand: 13.12.2016) sieht ein Gesetz zur Errichtung einer „Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen“ (InfrGG) vor, der die Planung, der Bau, der Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen übertragen wird.[1]. Die Gesellschaft privaten Rechts, die im unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen soll, wird zunächst in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Nach der erfolgten Gründung der GmbH weist der Bund der Gesellschaft die Finanzmittel für die Erbringung der Aufgaben zu, die notwendig sind, um den Betriebsbeginn der Gesellschaft zum 1. Januar 2021 sicherzustellen. Vier Jahre nach Betriebsbeginn der Gesellschaft wird der Bund die Rechtsform der Gesellschaft evaluieren und überprüfen.

Der Zuständigkeitsbereich des Fernstraßen-Bundesamtes wird auf Straßen in bundeseigener Verwaltung begrenzt.[2] Die Projektmanagementgesellschaft Deges, die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft und Toll Collect sollen in der neuen Autobahngesellschaft aufgehen oder einbezogen werden.[3]

Streitpunkt Privatisierung

Die Bundesregierung hat sich erst am 23. Dezember 2016 in Gesprächen auf Ministerebene darauf geeinigt, die umstrittene Privatisierung der Infrastrukturgesellschaft per Gesetz zu unterbinden.[4] In § 1 Abs. 2 InfrGG heißt es jetzt: „Die Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes“. Die Privatisierung war vor allem von der Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen in Deutschland („Fratzscher Kommission“) und Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) favorisiert worden. Zu den Gegnern einer Privatisierung gehörten Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) und Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) sowie eine Mehrheit der Bundesländer. Auch Politiker der Grünen und der Linken hatten sich gegen eine Privatisierung ausgesprochen. Im Referentenentwurf vom 14. November 2016 hatte es noch - in eckige Klammern gesetzt - geheißen: „Die Mehrheit der Anteile an dieser Gesellschaft verbleibt beim Bund“ mit dem Hinweis: „str.“, also strittig.[5]

Nach einem Bericht von Spiegel online bezweifelt der Bundesrechnungshof aus den folgenden Gründen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf eine Privatisierung wirklich ausschließt:[6]

  • Rechtsform: Die Autobahn-Gesellschaft wird zwar zunächst als GmbH gegründet und nicht als AG. Allerdings soll der Bund nach vier Jahren die Rechtsform evaluieren. Das Bundesverkehrsministerium könnte dann ohne Beteiligung des Parlamentes entscheiden, die GmbH in eine AG umzuwandeln. Die Gründung einer sogenannten Anstalt des öffentlichen Rechts sei dann ausgeschlossen.
  • Kreditaufnahme: Der Bundesrechnungshof warnt, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Kreditfähigkeit der neuen Gesellschaft nicht einschränkt. Theoretisch könnte sie sich dann so hoch verschulden, wie Investoren bereit sind, ihr Geld zu leihen.
  • Privatisierung von Teilaufgaben: Auch staatliche Unternehmen können sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen - also etwa privaten Unternehmen. In der Gesetzesbegründung heißt es zwar, diese sogenannte funktionale Privatisierung werde nicht angestrebt. Der Bundesrechnungshof weist allerdings darauf hin, dies bedeute auch, dass sie nicht ausgeschlossen sei. Über die Privatisierung von Teilaufgaben könnte das staatliche Monopol auf Private übergehen.

Auch ein Kurzgutachten im Auftrag baden-württembergischen Verkehsministeriums kommt zu dem Schluss, dass eine sukzessive Privatisierung des Autobahnverkehrs nur durch ein klares Verbot im Grundgesetz verhindert werden könne.[7] Auch wollen die Gutachter ausschließen, dass die staatliche Gesellschaft Bau und Betrieb von Autobahn-Teilnetzen - über Public Private Partnerships - an Privatinverstoren vergeben kann. Diese seien eindeutig unwirtschaftlich und müssten verfassungsrechtlich ausgeschlossen werden.

Mitwirkung der Finanzwirtschaft bei der Konzeptgestaltung

Die Versicherungskonzerne Allianz und ERGO hatten sich schon früh für Investitionen in deutsche Autobahnen ausgesprochen und erhofften sich dabei eine hohe Rendite.[8] Markus Faulhaber, Chef der Allianz Lebensversicherung, erklärte zu den Renditevorstellungen: "Wenn wir Eigenkapital einsetzen, erwarten wir schon etwa sieben Prozent, bei riskanteren Investments auch mehr“.[9] Die Deutsche Bank warb damit, dass sie im Bereich Public Private Partnership (PPP) bereits Erfahrung in anderen europäischen Ländern gesammelt habe.[10]

Das Konzept einer Privatisierung der deutschen Autobahnen über eine Public Private Partnership (PPP), die Banken und Versicherungen Kaptitalanlagen zu garantierten Renditen erlauben würde, ist von der Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen in Deutschland („Fratzscher Kommission“) entwickelt worden.[11] [12] Zu den Mitgliedern der Kommission wurden neben Repräsentanten mehrerer Wirtschaftsverbände die folgenden hochrangigen aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter von Deutsche Bank, Allianz und ERGO ernannt, die ihr Interesse an renditeträchtigen Kapitalanlagemöglichkeiten besonders deutlich geäußert hatten:

Quelle für die Verbindungen der genannten Mitglieder der Kommission: Webseiten der genannten Organisationen (Stand: November 2016)

Die Kommission kam zum Ergebnis, dass die geplante Infrastrukturgesellschaft zumindest mehrheitlich in öffentlicher Hand sein und über eine eigene Kreditaufnahmekapazität ohne staatliche Garantie verfügen soll (Bericht der Kommission, S. 6 f.). Auf dieser Grundlage beruht der Referentenentwurf zur Infrastrukturgesellschaft. Die in der Kommission vertretenen Gewerkschaften (IG Metall, ver.di, IG BCE, IG Bau und DGB) vertraten in ihrer abweichenden Position die Auffassung, dass die Gesellschaft vollständig im Besitz des Bundes bleiben müsse. Privates Kapital könne sich als Fremdkapital über den Erwerb von Anleihen und Wertpapieren an der Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen beteiligen (Bericht der Kommission, S. 15).

Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums (Stand: 19.10.2016) sah die Option vor, bis zu 49,9 % der Gesellschaft an private Investoren zu veräußern.[13] Nach Auffassung von „Spiegel online“ käme das der Banken- und Versicherungsbranche entgegen, die händeringend langfristige Anlageformen suchten. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) konnte sich mit diesem Vorschlag nicht durchsetzen. Aufgrund des politischen Widerstands gegen eine gesetzlich abgesicherte Privatisierung ist in den Entwurf des Gesetzes zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft dann außerdem die Bestimmung aufgenommen worden, dass die Gesellschaft im unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen soll. Der Eigentümer kann jedoch einem Dritten (zum Beispiel der künftigen Autobahn-AG bzw. Autobahn-GmbH) die Nutzungsrechte übertragen und die Anteile an der betreffenden Gesellschaft an Private verkaufen.[14] So könnten die rein rechtlich im Eigentum des Bundes verbleibenden Autobahnen faktisch privatisiert werden. Ob die Garantie des Eigentums des Bundes ausreicht, um eine Privatisierung auch faktisch zu verhindern, ist insbesondere deshalb fraglich, weil in den Entwurf gleichzeitig ein Passus aufgenommen wurde, nach dem der Bund die Rechtsform der Gesellschaft evaluieren und überprüfen wird. Damit wäre die baldige Umwandlung in eine Aktiengesellschaft möglich.[15]

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist auch der Empfehlung der „Fratzscher Kommission“ nachgekommen, Möglichkeiten zu prüfen, wie mehr privates Kapital für öffentliche Infrastruktur insbesondere im kommunalen Bereich mobilisiert werden könnte. Hierzu wurde der Auftrag für ein Gutachten an PricewaterhouseCoopers vergeben, das in seinem Schlussbericht empfiehlt, mehrere ähnliche kommunale Investitonsprojekte zu bündeln und über eine Infrastrukturgesellschaft umzusetzen.[16]

Kritiker

Attac Deutschland, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), Naturfreunde Deutschland, Verband der Straßenwärter (VdStra), Wassertisch Berlin, Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) und Ver.di zur haben sich zur Plattform gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft zusammengeschlossen, die unter www.keine-fernstrassengesellschaft.de über ihre Aktivitäten informiert.

Weiterführende Informationen

Rechtliches Kurzgutachten zur geplanten Änderung des Art. 90 GG erstellt im Auftrag des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg


Einzelnachweise

  1. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften, InfrGG, §§ 1,2] bundesfinanzministerium.de, abgerufen am 18.01.2017
  2. Beschluss „Infrastrukturgesellschaft Verkehr/Bundesautobahngesellschaft“ vom 8. Dezember 2016, bundesregierung.de, Pressemitteilungen, abgerufen am 19.01.2017
  3. Warum uns jetzt das Jahrzehnt des Staus erwartet, 29.11.2015, welt.de, abgerufen am 19.01.2017
  4. Letzte Ausfahrt Bundesbesitz, 24.11.2016, sueddeutsche.de, abgerufen am 19.01.2017
  5. Die Maut, ein Leckerli für Investoren, 18.11.2016, suedeutsche.de, abgerufen am 18.01.2017
  6. Autobahnen Rechnungshof warnt vor Privatisierung durch die Hintertür, 18.01.2017, spiegel.de, abgerufen am 18.01.2017
  7. Länder stemmen sich gegen Autobahn-Privatiserung, spiegel.de vom 16.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  8. Allianz und Ergo wollen in Infrastrukturprojekte wie Autobahnen inverstieren, versicherungsbote.de vom 06.10. 2014, abgerufen am 23.11.2016
  9. Allianz will die Sieben-Prozent-Autobahn, spiegel.de vom 06.10.2014
  10. Ich kaufe mir eine Autobahn, zeit.de vom 21.11.2014, abgerufen am 23.11.2016
  11. Bericht der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, übergeben am 21.04.2015, bmwi.de, abgerufen am 23.11.2016
  12. Gabriel und die Autobahn, panorama 16.11.2016, daserste.ndr.de, abgerufen am 23.11.2016
  13. Bundesregierung will Autobahnen privatisieren, 12.11.2016, spiegel.de, abgerufen am 19.01.2017
  14. Die Maut, ein Leckerli für Investoren, sueddeutsche.de vom 18.11.2016, abgerufen am 19.11.2016
  15. Letzte Ausfahrt Bundesbesitz, 24.11.2016, sueddeutsche.de, abgerufen am 19.01.2017
  16. BMWi: Gutachten zeigt neue Möglichkeiten für private Finanzierung öffentlicher Investitionen - Beitrag zu Diskussionsprozess, bayrvr.de vom 09.11.2016, abgerufen am 23.11.2016

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