Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

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Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA)
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Rechtsform gGmbH
Tätigkeitsbereich Arbeitsmarktforschung
Gründungsdatum 1998
Hauptsitz Schaumburg-Lippe-Straße 5 - 9, Bonn
Lobbybüro
Lobbybüro EU
Webadresse www.iza.org

Das Institut zur Zukunft der Arbeit GmbH (IZA) betreibt als privates Wirtschaftsforschungsinstitut nationale und internationale Arbeitsmarktforschung sowie Politikberatung. Gegründet wurde das Institut 1998 auf Initiative der Deutschen Post.[1] Alleiniger Gesellschafter des Instituts ist die Deutsche Post-Stiftung, die im Gesellschaftsvertrag des IZA als eine "Stiftung der Deutschen Post AG" bezeichnet wird.

Präsident des IZA ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel. Seit März 2016 ist Hilmar Schneider Direktor des IZA. Sein Vorgänger ist der umstrittene Klaus F. Zimmermann, der als langjähriger Institutsleiter dessen Ausrichtung maßgeblich geprägt hat.

Kurzdarstellung und Geschichte

Das IZA versteht sich als internationales Forschungsinstitut und Ort der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Zahlreiche Ökonomen arbeiten virtuell oder vor Ort im Rahmen konkreter Forschungsvorhaben mit dem IZA zusammen. Darüber hinaus bindet sich das IZA aktiv in internationale Forschungsnetzwerke ein. Es stellt Forschungsergebnisse der Arbeitsökonomie bereit und liefert auf dieser Grundlage handlungsrelevante Erkenntnisse für Politik und Gesellschaft.

Das IZA vertritt wirtschaftsliberale Positionen und war über ihren langjährigen Direktor Zimmermann sowie ihre "Policy Fellows" mit Organisationen der Arbeitgeber und neoliberalen Denkfabriken vernetzt. Die "Policy Fellows" werden auf der IZA-Webseite seit mindestens 2017 nicht mehr erwähnt.

Das IZA erstellt u. a. Studien für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)[2] und die Bertelsmann Stiftung[3]

Organisationsstruktur und Personal

Alleiniger Gesellschafter des Instituts ist die Deutsche Post-Stiftung. Diese kann lt. Gesellschaftervertrag den Geschäftsführer des Instituts (= den Direktor) bestellen und abberufen. Die Stiftung kann die Gesellschaft in einer Frist von 6 Monaten zum Schluß des Geschäftsjahres kündigen.[4]

Präsident: Klaus Zumwinkel

Klaus Zumwinkel war Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG und ehem. Mitglied des Aufsichtsrats zahlreicher Großunternehmen (z. B. Deutsche Telekom, Allianz, Lufthansa, Arcandor). Nach Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung trat Zumwinkel im Februar 2008 als Postchef zurück. Im Januar 2009 wurde er zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Zumwinkel ließ sich Pensionsansprüche in Höhe von 20 Mio. € auszahlen und kassierte für seine zweimonatige Tätigkeit als Vorstandschef im Jahr 2008 über 700.000€[5]

(Stand: Januar 2018)

Geschäftsführung

  • Hilmar Schneider ist seit März 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung (Direktor) des IZA
  • Martin C. Clemens ist seit März 2016 Kaufmännischer Geschäftsführer des IZA und gleichzeitig Geschäftsführer des SUN Institute Environment Sustainabiltiy sowie Kaufmännischer Geschäftsführer des briq Institute on Behavior & Inequality, die - wie das IZA - von der Deutsche Post-Stiftung als alleiniger Gesellschafterin gegründet worden sind.[6] Clemens war bis zu seinem Wechsel zum IZA im Jahr 2006 in verschiedenen leitenden Funktionen des Personalmanagements der Deutschen Post DHL tätig.[7]

(Stand: Januar 2018)

Klaus F. Zimmermann war seit der Gründung des IZA bis Februar 2016 dessen Direktor

Wissenschaftlicher Beirat

  • Thomas von Mitschke-Collande (CSU-Mitglied), Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, Unternehmensberater, ehem. Senior Partner McKinsey
  • Jürgen Kluge, Unternehmensberater, Senior Advisor bei Bank of America Merrill Lynch, ehem. Vorstandsvorsitzender Franz Haniel & Cie[8]
  • Andrew J. Oswald, Professor an der University of Warwick
  • Christopher A. Pissarides, Professor an der London School of Economics, Wirtschaftsnobelpreis 2010
  • Frank-Jürgen Weise (CDU-Mitglied), ehemaliger Leiter der Bundesagentur für Arbeit sowie des Bundesamtes für Migration

(Stand: Januar 2018)

Policy Fellows

Das IZA verfügte über einen Kreis von "Policy Fellows" (dt. Politikkollegen), mit denen es in besonderer Weise kooperierte. Die Vernetzung mit einflussreichen Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Medien und Gesellschaft sollte nach eigenen Angaben dazu beitragen, das Beratungsangebot des Instituts entsprechend zu akzentuieren und seine Forschungsergebnisse noch gezielter in die Öffentlichkeit zu vermitteln. Zu dem Netzwerk gehörten zahlreiche Organisationen der Arbeitgeber und neoliberale Denkfabriken.

Finanzielle Abhängigkeit und Ausrichtung des Instituts

Das IZA ist eine Tochtergesellschaft der Deutsche Post-Stiftung. Diese ist alleinige Gesellschafterin des Instituts und kann lt. § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags die Geschäftsführer des Instituts bestellen und abberufen sowie die Gesellschaft in einer Frist von 6 Monaten zum Schluß des Geschäftsjahres kündigen (§§ 5 Abs. 2, 12 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag).[9] Die Deutsche Post-Stiftung ist laut Gesellschaftsvertrag des IZA (Präambel) ihrerseits eine "Stiftung der Deutsche Post AG". Das IZA bezeichnet sich selbst gleichwohl als unabhängiges Forschungsinstitut[10]. Gemeint ist wohl, dass der Post-Konzern der Tochtergesellschaft seiner Stiftung faktisch ein unabhängiges Agieren einräumt. Diese Annahme scheint jedoch nicht zuzutreffen. IZA-Präsident Klaus Zumwinkel war Vorstandsvorsitzender des Post-Konzerns und mischt sich laut internen Quellen auch ins Tagesgeschäft des IZA ein.[11] IZA-Geschäftsführer Martin C. Clemens war leitender Mitarbeiter in Konzernunternehmen der Post. Auch im Kuratorium der Deutsche Post-Stiftung sitzen Personen aus dem Umfeld der Deutsche Post DHL Group. Die weiteren Verflechtungen zwischen Post-Konzern, Deutsche Post-Stiftung und IZA sind unter Deutsche Post-Stiftung abrufbar. Neben den dort genannten Anhaltspunkten für eine Abhängigkeit des IZA vom Post-Konzern spielt auch die finanzielle Abhängigkeit vom Post-Konzern eine Rolle, der als einer der größten deutschen Arbeitgeber von der arbeitsmarktpolitischen Forschungs- und Beratungstätigkeit des Instituts selbst betroffen ist.

Das IZA finanziert sich zu etwa 80 % über die Deutsche Post-Stiftung.[12] Nach anfänglicher Auskunftsverweigerung über die Höhe der Zuwendung hat die Deutsche Post AG bestätigt, dass die Stiftung Im Rahmen einer bis 2022 laufenden Schenkungsvereinbarung ein Viertel Promille der Umsatzerlöse oder ein Drittel Promille des Personalaufwands des Post-Konzerns erhält.[13] Im Jahr 2015 betrug der Zufluss an die Stiftung ca. 14 Mio. Euro, deren einzige Aktivitäten bis 2014 in der Förderung und Finanzierung des IZA bestanden. Ein Wirtschaftsunternehmen wie der Post-Konzern wird ein Arbeitsmarktforschungsinstitut nur initiieren und in dieser Höhe dauerhaft subventionieren, wenn dessen Ausrichtung seiner Interessenlage als Arbeitgeber gerecht wird. Mit der Einstellung der Finanzierung, die für das IZA existenzgefährdend wäre, verfügt der Post-Konzern außerdem über ein finanzielles Drohpotential, mit dem er das IZA jederzeit "auf Kurs" bringen könnte. Die arbeitsmarktpolitischen Positionen des IZA entsprechen im Wesentlich denen der Arbeitgeber: Ablehnung des Mindestlohns, Ausweitung des Niedriglohnsektors und Heraufsetzung des Renteneintrittsalters.[14]

Unter ihrem damaligen Präsidenten Klaus F. Zimmermann beauftragte das Institut für die Studienreihe "IZA World of Labor" den Mindestlohn-Gegner David Neumark damit, politischen Entscheidungsträgern den Stand der Wissenschaft objektiv zu präsentieren. Die weitaus meisten der Aufsätze oder Bücher, die Neumark in der ZA-Broschüre mit dem Befund negativer Beschäftigungseffekte zitiert, stammen nach einem Bericht im Handelsblatt jedoch von ihm selbst, was kaum erkennbar sei.[18] Fragwürdig in Sachen neutrale Darstellung sei besonders, dass Neumark selbst das Urteil fälle, dass Studien, die negative Effekte finden, methodisch besser seien; wiederum ohne dass der Leser direkt sehen könnte, dass hier jemand Studien seiner wissenschaftlichen Kontrahenten abqualifiziert. Zimmermann verteidigte den Beitrag laut Handelsblatt kompromisslos: "Den Vorwurf, Herr Neumark sei parteiisch, muss ich zurückweisen".

Lobbystrategien und Einfluss

Das IZA gehört zu einem der führenden internationalen Wirtschaftsforschungsinstitute für Arbeitsmarktpolitik mit einem erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Arbeitsmärkte.

In der Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik kritisierte Werner Rügemer „eine neue Form des Lobbyismus“ und nannte in diesem Zusammenhang auch das IZA. Dessen Direktor Klaus F. Zimmermann verklagte daraufhin Werner Rügemer. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg verkündete am 6. 2. 2015 eine Entscheidung, nach der die Aussage, das IZA betreibe Lobbying unzulässig sei. Zulässig sei dagegen die Aussage (als freie Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung), das IZA bezeichne sich faktenwidrig als unabhängig und von freier Wissenschaft könne beim besten Willen nicht gesprochen werden.[15][16][17]

Fallstudien und Kritik

2014: IZA verklagt den Publizisten Werner Rügemer

Im Mai 2014 verklagte IZA-Chef Klaus F. Zimmermann den Publizisten Werner Rügemer sowie Peter Kleinert, Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ). Grund war ein Artikel über Lobbyismus, den Rügemer im August 2013 veröffentlichte. In dem Artikel wird das IZA als Beispiel dafür herangezogen, wie unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit Interessen vertreten werden. Das IZA klagte dagegen, dass es als 'nicht unabhängig' bezeichnet werde und keine 'freie Wissenschaft' betreibe.
Aus Sicht von LobbyControl ist die Gründung des IZA im Kontext eines erweiterten Lobbying, dem sog. deep lobbying, zu sehen. Dabei geht es darum, über die Einflussnahme auf Öffentlichkeit oder wissenschaftliche Diskurse indirekt bzw. längerfristig auf die Politik einzuwirken. Es ist recht klar, dass es eine Abhängigkeit des IZA von der Deutschen Post-Stiftung gibt, die in der Präambel des Gesellschaftsvertrags des IZA als eine "Stiftung der Deutschen Post AG, des größten Arbeitgebers in Deutschland" bezeichnet wird.[18] Die Stiftung stellt den Großteil der Finanzierung und sie ist laut Handelsregister-Unterlagen die alleinige Gesellschafterin des Instituts.[19], [20]

Weiterführende Informationen

Norbert Häring: Ein Sieg für Deutschlands Arbeitnehmer: Klaus Zimmermann verlässt das IZA, Newsblog Norbert Häring, 16. Dezember 2015


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. IZA (Hrsg.): 15 Jahre IZA: 15 Jahre Arbeitsmarktforschung und Politikberatung. 2013. S. 2 (pdf, 13 MB)
  2. z. B. Report No. 20: Bald erstmals weniger als 3 Mio. Arbeitslose in Deutschland, Bonn 2008 und Report No. 15: Die fiskalischen Kosten der SGB-Regelungen zum erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld für Ältere, Bonn 2007
  3. Report No. 30: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bonn 2010 und Report No. 25: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit, Bonn 2010
  4. Gesellschaftsvertrag "Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH" in der Fassung vom 15. Juli 2011, Amtsgericht Bonn, HRB 7745
  5. Hans Leyendecker: Klaus Zumwinkel 20 Millionen Euro Pension, Süddeutsche Zeitung vom 13. März 2009, Website SZ, abgerufen am 09.06.2012
  6. Über uns, sun-institute, abgerufen am 04.01.2018
  7. Profil, iza.org, abgerufen am 04.01.2018
  8. Kurzvita, juergen-kluge.com, abgerufen am 13.10.2017
  9. Gesellschaftsvertrag "Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH" in der Fassung vom 15. Juli 2011, Amtsgericht Bonn, HRB 7745
  10. Aufgaben und Ziele, iza.org, abgerufen am 03.01.2017
  11. Zumwinkel und seine Bonner Forscher, 16.02.2016, general-anzeiger-bonn, abgerufen am 07.07.2017
  12. Klaus F. Zimmermann - Biographisches, Webseite IZA, abgerufen am 20.02.2015
  13. Finanzierung, deutsche-post-stiftung.org, abgerufen am 05.01.2018
  14. IZA: Neoliberaler Think Tank unter Druck, heise.de vom 17.02.2015, abgerufen am 05.01.2018
  15. Thomas Barth: Neoliberaler Think Tank unter Druck Das Institut für Zukunft der Arbeit und Lobbyismus Vorwürfe, Telepolis vom 17. 02. 2015, abgerufen am 19. 02. 2015
  16. Urteil des Landgerichts Hamburg zum Rügemer-Prozess vom 19. Februar 2015, Homepage Klaus F Zimmermann, abgerufen am 20. 02. 2015
  17. Was darf Lobbying genannt werden? Ulrich Müller: Institut zur Zukunft der Arbeit verklagt Publizisten, 9. Mai 2014, Webseite Lobbycontrol, abgerufen am 20. 02. 2015
  18. Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 15 Juli 2011, Amtsgericht Bonn HRB 7745
  19. Was darf Lobbying genannt werden? LobbyControl vom 09.05.2014, abgerufen am 12.05.2014
  20. Unabhängigkeit vor Gericht taz vom 08.05.2014, abgerufen am 12.05.2014

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