Arne Schönbohm

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Arne Schönbohm (*28. Juli 1969 in Hamburg), Diplom-Betriebswirt (FH), Sohn des CDU-Politikers Jörg Schönbohm, war lange Zeit Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren angesiedelt ist. Er war 2016 vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) als Präsident vorgeschlagen worden. Schönbohm (Besoldungsgruppe: B 8) war kein politischer Beamter. Das BSI schützt die Bundesverwaltung vor Cyber-Angriffen und beobachtet die aktuelle Cyber-Sicherheitslage national und international, untersucht und bewertet bestehende Sicherheitsrisiken und schätzt vorausschauend die Auswirkungen neuer Entwicklungen ab.

Vor seiner Ernennung zum BSI-Präsidenten war Schönbohm als Präsident des Lobbyvereins Cyber-Sicherheitsrat Deutschland und Vorstand der BSS BuCET Shared Services AG Interessenvertreter der IT-Branche. Davor war er langjährig für den Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS in hohen Positionen tätig. So saß er von Mai 2003 bis April 2005 als Leiter der "Public Affairs und Homeland Security" in der Geschäftsleitung der EADS Telecom Deutschland GmbH.[1]

2022 wurde Schönbohm "mangelnder Abstand zum Cybersicherheitsrat Deutschland (CSRD)" vorgeworfen[2], den er 2012 mitgegründet und dessen Präsident er bis 2016 war.[3] In Folge dieser Kritik stellte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Oktober 2022 Schönbohm vom Amt des Präsidenten des BSI frei. Im Januar wurde er zum Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) ernannt.[4]

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Karriere

  • seit 01/2023 Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV), Präsident
  • 02/2016-2022 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Präsident
  • 09/2012-02/2016 Cyber-Sicherheitsrat Deutschland, Präsident
  • 12/2008-02/2016 BSS BuCET Shared Services AG, Vorstand
  • 04/2008-12/2008 Schönbohm Consulting, Gründer und Leiter
  • 09/1995–03/2008 EADS Deutschland sowie zugehörige Konzerngesellschaften, zuletzt Vice President Commercial and Defence Solutions bei EADS Secure Networks (ESN)
  • 1991–1995 Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre (FH) an der International School of Management (ISM) in Dortmund, London (UK) und Taipeh (Taiwan) und Abschluss als Diplom-Betriebswirt (FH)

Quellen: [5], [6], [7], [8]

Kritik an der Ernennung zum Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Arne Schönbohm hat sein neues Amt im Februar 2016 angetreten. Diese Entscheidung wurde vor allem von der Oppostion kritisiert, die in Schönbohm einen Lobbyisten sah, der nun im BSI das IT-Sicherheitsgesetz umsetzen soll, dessen beschlossene Maßnahmen er zuvor als unzureichend kritisierte und verhindern wollte. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag zu Überwachungstechnologien wies der Direktor des Digital Society Instituts, Sandro Gaycken, die Abgeordneten auf mögliche Interessenkonflikte hin.[9] Es sei sehr ungewöhnlich, einen Lobbyisten auf eine Position zu setzen, die hohe Neutralität gegenüber den Anbietern erfordere, denn das BSI sei nicht nur zuständig für den Schutz der Netze des Bundes, sondern prüfe und zertifiziere auch IT-Produkte und IT-Dienstleistungen. Auch die fachliche Kompetenz von Schönbohm wird bezweifelt: Der von Brancheninsidern als "Cyberclown" verspottete Schönbohm liefere keinerlei Indikation für technische Expertise - eigentlich eine Selbstverständlichkeit für alle bisherigen Präsidenten des BSI.[10]

Schönbohm war Vorstand der BSS BuCET Shared Services AG (BSS AG) und gleichzeitig Präsident des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., die unter der gleichen Adresse residieren. Beide Organisationen beschäftigen sich mit der Cyber-Sicherheit, beraten politische Entscheidungsträger und stellen Kontakte zwischen der Politik, der öffentlichen Verwaltung und Unternehmen her, die Cyber-Sicherheitsleistungen anbieten. Die Lobbyarbeit der BSS AG wurde auf der eigenen Webseite wie folgt beschrieben: "Durch unsere langjährigen Erfahrungen und unser exzellentes Netzwerk in Politik und Wirtschaft unterstützen wir Sie beim Aufbau und der Pflege von Kundenbeziehungen zur öffentlichen Verwaltung und zur Politik (EU, Bund, Länder, Kommunen)".[11] In einem Interview sprach sich Schönbohm 2011 für eine Privatisierung von polizeilichen Aufgaben aus.[12]

Vor seiner Ernennung zum Präsidenten des BSI war er Mitglied der folgenden Organisationen:

Quellen: [13][14]

Freistellung als BSI-Präsident aufgrund seiner Nähe zum dubiosen Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland

Am 18. Oktober 2022 wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium (BMI) Arne Schönbohm, seit Februar 2016 Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), mit sofortiger Wirkung freigestellt hat.[15] Ein Sprecher des Ministeriums erklärte dazu: "Hintergrund sind nicht zuletzt die in den Medien bekannten und breit diskutierten Vorwürfe, die das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt haben.“[16]Dem "Spiegel" erklärte Schönbohm am 17. Oktober 2022: „Da es keine Rückmeldung gab zu den Vorwürfen, habe ich am Montag selbst gebeten, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um den Sachverhalt zu klären."[17] Bisher wurde kein Disziplinarverfahren gegen Schönbohm eingeleitet. Schönbohm wird mangelnder Abstand zu dem von ihm 2012 als Präsidenten gegründeten Lobby-Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland vorgeworfen, dem seinerseits zweifelhafte Verbindungen zu Russland nachgesagt werden.[18] Laut BehördenSpiegel beabsichtige das BMI, weitere Vorwürfe vor dem Verwaltungsgericht vorzutragen, die sich auf die Amtsführung in zahlreichen Einzelfällen beziehen.[19] Dabei gehe es u.a. um Schönbohms Rolle im Haushaltsausschuss im Zusammenhang mit der Errichtung der BSI-Außenstelle, Unstimmigkeiten mit einer Abteilungsleiterin, die kündigte, und der Gleichstellungsbeauftragten. Auch habe er sich in einigen Fällen nicht kooperativ zur Aufsicht verhalten. Die Vorgänge um Schönbohm und den Cyber-Sicherheitstat waren durch einen Bericht von Jan Böhmermanns im ZDF Magazin Royale ausgelöst worden. Im Dezember 2022 wurde bekannt, dass Schönbohm zum Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) ernannt worden ist.[20] Seinen neuen Posten trat er am 2. Januar 2023 an. Die Besoldung des Präsidenten wurde von B 6 auf B 8 angehoben, der Gehaltsstufe Schönbohms. Laut Presseberichten (Bild-Zeitung, Tagesspiegel und Golem) verklagt Schönbohm das Bundesinnenministerium wegen Mobbing.[21] Vom ZDF fordere er wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung durch die unwahre Berichterstattung eine Entschädigung in Höhe von 100 Tsd. Euro.

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. hat die Infotecs Internet Security Software GmbH (Infotecs), die im März 2022 in Protelion GmbH umbenannt worden ist, im Juni 2020 als Mitglied aufgenommen. Infotecs soll Kontakte zu russischen Geheimdiensten haben. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen große und mittelständische Unternehmen, Betreiber kritischer Infrastrukturen, zahlreiche Bundesländer, Kommunen sowie Experten und politische Entscheider mit Bezug zum Thema Cybersicherheit.[22] Zu den Zielen gehört die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Politik, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft zur Verbesserung des IT-Schutzes[23] Zu den Mitgründern gehört neben Schönbohm auch der jetzige Präsident Hans-Wilhelm Dünn, der bis 2019 Vorstand der von Schönbohm 2008 gegründeten Lobbyorganisation BSS BuCET Shared Services war. Die Nähe des ehem. CDU-Kommunalpolitikers aus Potsdam zur russischen Regierung - wie das Engagement als Wahlbeobachter bei den russischen Präsidentenwahlen auf Einladung des Vorsitzenden der Duma - hat ZEIT Online dokumentiert.[24] Die Kontakte des Vereins unter ihrem Präsidenten Dünn nach Russland wurden schon 2019 problematisiert.[25] Dünn ist über einen längeren Zeitaum vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet worden.[26] Der Auftritt Schönbohms beim zehnten Jahrestag des schon lange umstrittenen Cyber-Sicherheitsrats ist vom Bundesinnenministerium erlaubt worden, obwohl dieses zuvor Kontakte zu dem Verein per Weisung untersagt hatte. Der Cyber-Sicherheitsrat teilte am 10. Oktober 2022 mit, die Protelion GmbH (frühere Bezeichnung: Infotecs) werde mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen.[27]

Das IT-Sicherheitsunternehmen Infotecs mit Sitz in Berlin ist ein Tochterunternehmen der russischen Cybersecurity-Firma O.A.O. Infotecs, gegründet von Andrey Chapchaev, einem ehemaligen Mitarbeiter des KGB[28], der wegen seiner Verdienste von Wladimir Putin mit dem "Verdienstorden für Das Vaterland“ ausgezeichnet worden ist. Die russische Infotecs-Muttergesellschaft soll geschäftliche Verbindungen zu russischen Geheimdiensten unterhalten.[29] Chapchaev war laut Eintrag im Handelsregister von 2005 bis 2016 auch Geschäftsführer der Firma Infotecs, die 2003 mit Oliver Cescotti als Geschäftsführer gegründet worden ist. Seit 2016 ist Josef Oswald Waclaw Geschäftsführer von Infotecs sowie deren Nachfolgegesellschaft Protelion GmbH. Trotz ihres zweifelhaften Hintergrunds war Infotecs jahrelang Mitglied im Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen und im Cybersicherheitsrat Deutschland.[30] 2017 nahm Infotecs zusammen mit einer Reihe anderer Unter­nehmen und Organisationen an einem Messestand des Digitalverbands Bitkom auf der Nürnberger IT‑Sicher­heits­messe IT-SA teil.[31] Ebenfalls Teil dieses Messestands war das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), den auch ihr damaliger Präsident Hans-Georg Maaßen besuchte.

Laut Eintrag im Handelsregister (HRB 19028 P) hatte die russische O.A.O. Infotecs neben ihrer Tochtergesellschaft Infotecs/Protelion eine Zweigniederlassung mit Sitz in Potsdam, Hebbelstr. 41, die im März 2022 aufgelöst worden ist.

Weitere frühere Aktivitäten: Vorstand der BuCET Shared Services AG

Von 2008 bis 2016 war Schönbohm Vorstand der 2008 gegründeten Lobbyorganisation BuCET Shared Services AG (BSSAG), die Unternehmen und Behörden in den Bereichen Digitalisierung, Cyber-Sicherheit und Datenschutz berät.[32]Zum Portfolio der BSS AG gehören darüber hinaus Beratungsleistungen für die Bereiche Public Affairs und Public Relations, um beispielsweise Gesetzesvorgaben wie das neue Cybersicherheitsgesetz umzusetzen sowie digitale Themen und Meldungen zu kommunizieren. Die BSSAG ist Mitglied beim Cyber-Sicherheitsrat Deutschland, der Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, dem European European Aviation Security Center und dem Förderkreis Deutsches Heer. Sein Nachfolger als Vorstand der BSSAG (bis März 2021) war Hans-Wilhelm Dünn, seit 2018 Präsident des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland (davor dessen Vizepräsident und Generalsekretär).

Zitate über Arne Schönbohm

"Wir erleben derzeit eine fundamentale Vertrauenskrise in die Integrität von IT-Strukturen", sagt der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz: "In diesen Zeiten an die Spitze des BSI einen Lobbyisten aus der Privatwirtschaft zu setzen, ist nicht nur eine Taktlosigkeit, es zeugt von massiver Ahnungslosigkeit des Innenministers."[33]

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Einzelnachweise

  1. Traut sich de Maiziere diese umstrittene Personalie?, welt.de vom 15.02.2016, abgerufen am 15.02.2016
  2. Arne Schönbohm und andere: Wenn Chefs von Sicherheitsbehörden ins Zwielicht geratenrnd.de vom 20.10.2022, abgerufen am 01.09.2023
  3. Pressemitteilung: Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. mit neuem Präsidium – Philipp v. Saldern und Werner Weidenfeld übernehmen Leitung cybersicherheitsrat.de vom 17.02.2016, abgerufen am 01.09.2023
  4. Neuer Posten für Deutschlands Ex-Cyberabwehrchef, sueddeutsche.de vom 27.12. 2002, abgerufen am 28.12.2022
  5. Vita, deutschlands-sicherheit.de, archviert bei web.archvive.org, abgerufen am 23.10.2022
  6. Profil bei XING, abgerufen am 29.05.2019
  7. Schönbohm Consulting - Curriculum Vitae abgerufen am 02.12.2016
  8. Der Präsident des BSI, bis.bund.de, abgerufen am 29.05.2019
  9. Vom Lobbyisten zum Cyber-Abwehrchef. tagesschau.de vom 18.12.2015, abgerufen am 07.01.2016
  10. Neuer BSI-Präsident vorgeschlagen: Kompetenz kein Einstellungskriterium, Netzpolitik.Org vom 14.12.2015, abgerufen am 27.12.2015
  11. Leistungen Public Affairs, Webseite BSS AG, abgerufen am 25.12.2015
  12. „Überwachungs-Software sichert Wohlstand“, cicero.de vom 17.10.2011, abgerufen am 11.01.2016
  13. Arne Schönbohm bei Xing, xing.com, abgerufen am 07.01.2015
  14. „Cyberclown“: Weitere Kritik am designierten BSI-Präsidenten Arne Schönbohm, Netzpolitik.org vom 15.02.2016, abgerufen am 28.05.2019
  15. Innenministerium stellt BSI-Präsident Arne Schönbohm frei, spiegel.de vom 18.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  16. Cybersicherheit: BSI-Chef Schönbohm abberufen, br.de vom 18.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  17. Innenministerium stellt BSI-Präsident Arne Schönbohm frei, spiegel.de vom 18.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  18. Umstrittene Spitzenbeamte,rnd.de vom 20.10.2022, abgerufen am 21.10.2022
  19. BSI steht vor längerer Hängepartie, behoerden-spiegel.de vom 19.10.2022, abgerufen am 22.10.2022
  20. Neuer Posten für Deutschlands Ex-Cyberabwehrchef, sueddeutsche.de vom 27.12. 2002, abgerufen am 28.12.2022
  21. Schönbohm verklagt Innenministerium, netzpolitik.org vom 01.09.2023, abgerufen am 02.01.2023
  22. Über uns, cybersicherheitsrat.de, abgerufen am 20.10.2022
  23. Über uns, cybersicherheitsrat.de, abgerufen am 20.10.2022
  24. Arne Schönbohm, zeit.de vom 10.10.2022
  25. Brisante Kontakte nach Russland, tagesschau.de vom 06.06.2019, abgerufen am 22.10.2022
  26. BSI steht vor längerer Hängepartie, behoerden-spiegel.de vom 19.10.2022, abgerufen am 22.10.2022
  27. Verein weist Vorwürfe russischer Einflussnahme zurück, cybersicherheitsrat.de vom 10.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  28. Sind Schönbohms Tage gezählt, rbb-online.de vm 13.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  29. Infotecs, forensicnews.net vom 10.01.2022, abgerufen am 21.10.22
  30. Wird BSI-Präsident Schönbohm zum Bauernopfer?, wiwo.de vom 10.10.2022, abgerufen am 21.10.2022
  31. Verbindungen zu russischen Geheimdiensten, rnd.e vom 10.10.2022, abgerufen am 20.10.2022
  32. Unternehmen, bssag.com, abgerufen am 19.10.2022
  33. Umstrittene Personalie: Designierter BSI-Präsident galt im Innenministerium als anstößig, spiegel.de vom 23.12.2015, abgerufen am 07.01.2016

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