Initiative Transparente Demokratie
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Die Initiative Transparente Demokratie wurde im Mai 2025 gegründet und polemisiert gegen eine vermeintliche Übermacht von „NGOs“ – insbesondere Umweltverbände und Initiativen gegen Rechtsextremismus.
Sie beklagt die vermeintlich intransparente Vergabe öffentlicher Gelder an NGOs und bedient damit Diffamierungskampagnen, die seit 2024 sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene vorangetrieben werden[1].
Eine zentrale Person hinter der Initiative ist Ludger Weß, der aus der Biotech-Branche stammt und schon viele Jahre vor der Gründung gegen NGOs polemisierte. Auch weitere Personen fallen durch ihre Nähe zur Chemie- und Lebensmittelindustrie auf. Zu den Gründungsmitgliedern zählen nach eigenen Angaben auf LinkedIn bzw. X auch der Leiter der Unternehmenskommunikation der Bayer AG sowie Thorsten Alsleben, Geschäftsführer der PR- und Lobbyorganisation INSM. Prominente Personen hinter der Initiative sind die ehemalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder sowie der frühere VW-Konzernchef Matthias Müller. Weitere Verbindungen bestehen zu libertären, rechtskonservativen und klimafaktenfeindlichen Think Tanks und Zeitschriften.
Die Finanzierung des Vereins in Gründung bleibt intransparent.
Inhaltsverzeichnis
Team
Vorstandsmitglieder hier abrufbar. Zu ihnen gehören:
- Dr. Anja Stürzl, Vorstandsvorsitzende, Fachanwältin für Steuerrecht
- Dr. Ludger Weß, Leiter Redaktion und Recherche, Mitinhaber der PR-Agentur akampion, FDP-Mitglied. Er berät u.a. die Biotechnologie-Branche und polemisiert regelmäßig gegen Umwelt-NGOs.
- Hasso Mansfeld, Leiter Kommunikation, Inhaber der Agentur Strategien und Inhalte, arbeitete als PR-Berater u.a. für Firmen aus der Chemie-, Tabak- und Glückspielbranche, Publizist, ehemaliger FDP-Politiker.
- Dr. Michael Hartmann, Leiter Grundsatzreferat, ehemaliger Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin
- Tanja Jahnke, Leiterin Community Management, Geschäftsführerin Burmeister Grundbesitz („Diskretion ist unser Erfolg“), Mitglied des Clubs Europäischer Unternehmerinnen, Senatsmitglied im europäischen Wirtschaftssenat.
Weitere Gründungsmitglieder und Unterzeichner der Satzung
- Christian Maertin, Leiter Corporate Communications bei Bayer, bezeichnet sich selbst als Gründungsmitglied der ITD
- Michael Miersch, Publizist und Dokumentarfilmer, Klimawandelskeptiker, polemisiert regelmäßig gegen sogenannten „Ökologismus“
- Dr. David Zaruk, betreibt unter dem Namen „The Risk Monger“ Lobbyarbeit auf europäischer Ebene zu Themen wie Chemikalienrecht (REACH) oder Vorsorgeprinzip, zuvor arbeitete er unter anderem für das Chemieunternehmen Solvay, den europäischen Chemieindustrie Lobbyverband European Chemical Industry Council sowie Burson Marsteller. Er ist regelmäßiger Kritiker von NGOs und Aktivist:innen, die sich gegen die Interessen der Chemie-Industrie aussprechen.
Weitere Unterstützer:innen:
- Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, FDP-Mitglied
- Reiner Holznagel, Präsident des Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.
- Prof. Franz Josef Lindner, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht
- Oliver Luksic, FDP-Politiker, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, zentrale Figur in der „Ökodiesel“-Lobbyaffäre unter Volker Wissing
- Matthias Müller, ehemaliger Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG und Porsche AG
- Prof. Key Pousttchi, Wirtschaftsinformatiker
- Kristina Schröder, ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Bundesfamilienministerin, Unternehmensberaterin und stellvertretende Leiterin des rechtskonsertativen Think Tanks D21
- Thorsten Alsleben, Geschäftsführer INSM, Gründungsmitglied der ITD
- Carl-Victor Wachs, Head of Communications, INSM, Mitglied der Initiative
Ludger Weß
Der Leiter der Redaktion und Recherche Ludger Weß fiel schon viele Jahre vor Gründung der ITD durch scharfe Polemisierung gegen Organisationen, die Gentechnik kritisieren, auf – so etwa über Artikel in Cicero, Salonkolumnisten oder Novo Argumente. Er trat auf Events der Biotech-Branche auf, über deren Lobbyforen wie zum Beispiel dem Forum Grüne Vernunft auch seine Positionen verbreitet werden. In einem Artikel auf der Webseite des klimafaktenleugnerischen „ScienceSkepticalBlog“ verglich Weß Klimapolitik mit der nationalsozialistischen „Eugenik“ – zur „herrschenden Klimadoktrin“ gehöre zudem „Andersdenkende zu diffamieren und mundtot zu machen“. Dazu passt, dass auch das Gründungsmitglied Michael Miersch bereits als Publizist mit wissenschaftsfeindlichen Positionen zum Thema Klima auffiel: Er verlor eine Klage gegen das Umweltbundesamt, dass ihn als "Klimawandelskeptiker" bezeichnet hatte.
2017 trat Weß bereits auf einer Konferenz mit dem Titel „NGOs, die fünfte Gewalt“ auf, die die Zeitschrift Novo Argumente in Kooperation mit dem libertären Think Tank Prometheus, dem Tabaklobbyverband DZV sowie der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) organisiert hatte. Gemeinsam mit Hasso Mansfeld, dem Leiter Kommunikation der ITD, hatte er bereits zuvor versucht, eine NGO mit ähnlichen Zielen wie die ITD zu gründen und dafür Gelder von Lobbyverbänden der Lebensmittelindustrie einzuwerben. Nach Aussage Mansfelds’ scheiterte der Versuch jedoch letztlich an einer Finanzierung durch entsprechende Verbände. Nach eigenen Aussagen hätten Mansfeld und Weß diese Idee "vor dem Hintergrund der bundesweiten Debatte um die mit Steuergeld finanzierten politischen Aktivitäten von NGOs im Vorfeld der der diesjährigen [2025] Bundestagswahl" nun wieder aufgegriffen. Diese Debatte wurde vor allem aus dem Umfeld von CDU, Springer und NIUS befeuert und diente mit Hilfe von irreführenden und teils falschen Informationen der Diffamierung von Umweltverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. Die auf der Webseite angegebene Adresse des Vereins deckt sich mit einer Firma von Ludger Weß.
Weitere Verbindungen zur Biotech- und Chemiebranche
Neben Weß und Mansfeld haben auch weitere Personen aus dem Umfeld der Initiative direkte Bezüge zur Biotech- und Chemiebranche. David Zaruk betrieb viele Jahre Lobbyarbeit gegen die europäische Chemikalienverordnung REACH und ist auch heute noch als Lobbyist für die Chemiebranche tätig. Christian Maertin arbeitete zur Zeit der Gründung als Kommunikationschef für die Bayer AG. Er ist auf der Webseite der Initiative nicht genannt, war aber nach Auskunft der ITD Gründungsmitglied und Unterzeichner der Satzung. Auch Maertin hatte schon zuvor die Rolle von NGOs in der Debatte um Glyphosat, einem Pestizid von Bayer, kritisiert. Ein weiteres Gründungsmitglied ist Thorsten Alsleben, der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft - er habe sich nach Auskunft der ITD bei der Gründung spontan entschieden, Mitglied zu werden. Carl-Victor Wachs, der „Head of Communication“ der INSM, bezeichnet sich selbst als Mitglied der Initiative.
Finanzierung und Transparenz
Die ITD gibt an, dass ihre Gründung von den Vorstandsmitgliedern selbst aus privaten Mitteln finanziert wurde und sie nicht von Unternehmen oder Verbänden beeinflusst sei. Darüber hinaus hat die Initiative keine Informationen zu ihrer eigenen Finanzierung veröffentlicht, Regeln zur Offenlegung der Finanzierung sind nach eigene Aussage in Arbeit (Stand 10.06.2025). Auf Nachfrage von LobbyControl teilte sie mit, dass sie sich zukünftig über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren werde, zudem kämen gegebenenfalls "private Stiftungsgelder und/oder staatliche Mittel" in Frage.
Intransparent bleibt auf der Webseite der Initiative die Information, dass eines der Gründungsmitglieder, Christian Maertin, als Leiter Corporate Communications für die Bayer AG arbeitet – einem Konzern, der immer wieder der Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgesetzt ist, insbesondere in den Geschäftsfeldern Pestizide. Das gleiche gilt für Thorsten Alsleben von der Lobby- und PR-Initiative INSM.
Inhalte und einseitige Ausrichtung
Die Initiative transparente Demokratie zeichnet das Bild einer vermeintlichen Übermacht und „Schattenagenda“ staatlich finanzierter NGOs. Die Finanzierung politischer Meinungsbildung durch staatliche Mittel stünde dem Prinzip einer "Willensbildung von unten nach oben" entgegen. Daraus leitet sie ihre Forderung nach Transparenz über transparente staatliche Finanzierung dieser Organisationen ab – ohne bereits bestehende Transparenzregeln zu erwähnen. Thorsten Alsleben, Geschäftsführer der INSM und Gründungsmitglied der Initiative, begründet sein Engagement mit dem angeblichen Interesse an der Transparenz von „NGOs vom rechten und linken Rand“. Mit einer Ausnahme ist der Angriff auf politisch progressive NGOs wie vor allem Umweltverbände oder Initiativen gegen Rechtsextremismus, die aus dem Programm „Demokratie leben“ finanziert werden, jedoch sehr deutlich. Damit schließt die Initiative an Kritik und Diffamierung zivilgesellschaftlicher Organisationen aus dem Umfeld von BILD, Welt, NIUS und CDU an. So befeuerte sie bereits kurz nach ihrer Gründung als Zitatgeber eine Falschmeldung u.a. von Axel Bojanowski in der WELT zu der angeblich intransparenten Finanzierung europäischer Umweltverbände[2].
Als Beispiel für vermeintlich intransparent finanzierte NGOs nennt die Initiative u.a. die Umweltverbände Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und Transport and Environment. Ein Artikel der Webseite bewirbt einen Antrag von der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, der die staatliche Finanzierung von NGOs als „Schattenagenda“ bezeichnet. Die Initiative fordert u.a. ein „Register“, in dem staatlich geförderte Projekt samt Zweckbindung öffentlich einsehbar sind. Unerwähnt bleibt allerdings, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen genau wie andere Organisationen, die Lobbyarbeit betreiben, in das deutsche Lobbyregister eintragen müssen und dort auch öffentliche Zuwendungen offenlegen müssen.
Ebenso unerwähnt bleibt, dass sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen freiwillig der Initiative Transparente Zivilgesellschaft angeschlossen haben. Zudem fehlt auf der Webseite die Information, dass nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen, sondern auch Wirtschaftsverbände öffentliche Gelder bekommen und zugleich Lobbyarbeit betreiben. Die Darstellung einer vermeintlichen "Schattenmacht" von „NGOs“ entbehrt jeglicher Faktengrundlage.[3] Diese einseitige Ausrichtung der Initiative vor allem auf Umweltschutzorganisationen spricht dafür, dass die Initiative das Ziel hat, vor allem bestimmte zivilgesellschaftliche Akteure zu diskreditieren und entspricht den Interessen der Unternehmen aus dem Umfeld des Personals der Initiative. == Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus ==

Einzelnachweise
- ↑ https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/warum-eine-starke-zivilgesellschaft-und-ihre-organisationen-so-wichtig-sind-119832/
- ↑ https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/tagesschau-eu-ngos/
- ↑ https://www.lobbycontrol.de/aus-der-lobbywelt/7-zu-81-uebermacht-der-wirtschaftslobby-120045/