Verband der Chemischen Industrie

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Verband der chemischen Industrie e.V. (VCI)
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Rechtsform eingetragener Verein
Tätigkeitsbereich Interessenvertretung der Chemieindustrie
Gründungsdatum 1877
Hauptsitz Frankfurt a.M.
Lobbybüro Neustädtische Kirchstraße 8, 10117 Berlin
Lobbybüro EU Rue Marie de Bourgogne 58 1000 Bruxelles
Webadresse www.vci.de

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) ist ein Interessenverband von 1.600 deutschen Chemieunternehmen und deutschen Tochterunternehmen ausländischer Konzerne. Innerhalb des Verbandes vereinigen sich mehr als 90 Prozent der deutschen Chemieunternehmen.[1]

Lobbystrategien und Einfluss

Lobbytätigkeit

Der VCI nutzt das Netz seiner Mitglieder, um über lokale Unternehmen dezentral auf die Bundestagsabgeordneten in den jeweiligen Wahlkreisen Einfluss zu nehmen.

Auf der anderen Seite bedeutet Verbandsarbeit auch, die Interessen der Mitglieder zu bündeln und in Berlin möglichst mit einer Stimme zu sprechen. Diese Koordinierung ist eine Herausforderung für die Verbände generell, auch für den VCI. Denn zumindest die großen Mitgliedsunternehmen, wie BASF oder Bayer, haben eigene Lobbybüros in Berlin, über die sie ihre speziellen Unternehmensinteressen vertreten.

Der VCI organisiert etwa acht Mal im Jahr Politische Ausschüsse und Chemiekreise mit Lobbyist/innen der Mitgliedsunternehmen, um Informationen auszutauschen und die Arbeit zu koordinieren. Zu den Treffen werden je nach Bedarf auch Vertreter/innen von Bundesregierung und Gewerkschaften, etwa der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), eingeladen. Zusätzlich veranstaltet der VCI einmal im Jahr einen Parlamentarischen Abend.

Ein weiteres wichtiges Einflussinstrument des VCI ist die strategische Netzwerkbildung und Personalpolitik, die besonders unter dem langjährigen VCI-Geschäftsführer Hermann-Wolfgang Lehning gepflegt wurde. Lehning war Präsident des Wirtschaftspolitischen Clubs Deutschland (2003–2007), in dem sich Repräsentant/innen aus Politik und Wirtschaft regelmäßig austauschen, sowie Mitgründer des Lobbyzirkels Adlerkreis. Ziel der strategischen Personalpolitik ist es, aufstrebende Leute mit politischen Ambitionen anzuheuern, bevor sie in die Politik wechseln

Parteispenden

Der VCI gehört zu den größten Parteispendern in Deutschland. Seit dem Jahr 2000 spendete der Verband insgesamt 6.087.581,89 Euro an CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne. Die Spenden verteilen sich von 2010 bis 2019 wie folgt:

CDU CSU SPD FDP Grüne Summe
2010 26.000 0 14.000 20.000 0 60.000
2011 110.000 0 60.000 72.000 20.000 262.000
2012 44.000 0 34.000 24.500 12.500 115.000
2013 167.000 15.000 85.000 74.500 14.000 355.500
2014 98.000 12.000 55.000 37.000 18.000 220.000
2015 40.000 0 35.000 40.000 13.000 128.000
2016 73.000 0 49.500 42.000 22.500 187.000
2017 250.000 0 141.000 139.000 29.000 559.000
2018 40.000 15.000 35.000 25.000 16.000 131.000
2019 108.200 12.000 55.000 37.000 20.000 232.200
Summe 956.200 54.000 563.500 511.000 165.000 2.249.700

Hinzu kamen Spenden des bayerischen Regionalverbands Verband der Bayerischen Chemischen Industrie sowie des Chemie-Arbeitgeberverbands Verein der Bayerischen Chemischen Industrie an die CSU in Höhe von bisher 1.704.454,2 Euro.

Die Spenden für die folgenden Jahre sind über die Parteispenden-Datenbank recherchierbar.

Befürwortung eines Lobbyregisters

Im April 2018 erklärten der VCI und Transparency International auf der Bundespressekonferenz, sich gemeinsam für ein Lobbyregister einzusetzen.[2]

Fallbeispiele und Kritik

2023 - 2025: PFAS - unlautere Argumentation der Chemieverbände

Die umstrittenen PFAS (per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen) auch Ewigkeitschemikalien genannt, sind wichtig für große Chemiefirmen, aber auch für Hersteller von Pfannen, Outdoor-Kleidung oder Medizingeräten. Die Chemikalien sind während des Gebrauchs nicht besorgniserregend, sondern der Produktionsprozess und die Entsorgung sind das Problem. Die Stoffgruppe umfasst 10 000 Stoffe, von denen ca. 1 000 in Deutschland im Einsatz sind. Martin Scheringer, ETH Zürich [3]
Wenn die Chemikalien einmal in der Umwelt sind, bleiben sie dort, weil sie auf natürlichem Weg nicht abgebaut werden können. Über das Trinkwasser und die Nahrung gelangen sie in den menschlichen Körper. Einigen PFAS wurde nachgewiesen, dass sie Krebs verursachen können sowie Leberschäden und Hormonstörungen und, dass sie das Immunsystem schädigen können. Im Landkreis Altötting in Bayern beispielsweise durften Blutspenden von Anwohnern nicht mehr für Blutkonserven genutzt werde, da ein Stoff aus der PFAS-Gruppe in hoher Konzentration im Blutplasma nachgewiesen wurde. [4] [5]
Am 7. Feb. 2023 legte die Europäische Chemikalien Agentur ECHA nach Vorarbeit von fünf EU-Ländern - Dänemark, Deutschland, Niederlande, Norwegen und Schweden - einen ersten Vorschlag für ein umfassendes PFAS-Verbot vor.[6] Mehrere tausend Schreiben der Lobbyverbände mit rd. 70 000 Seiten gingen daraufhin bei ECHA ein. Besonders umkämpft sind die sogenannten Fluorpolymere. Das sind Kunststoffe, die Antihaft-Eigenschaften haben und wenig Reibung erzeugen. Die Vertreter der Industrie bezeichnen diese Stoffgruppe als sogenannte "Polymers of Low Concern", also wenig besorgniserregend, das heißt nicht gesundheitsgefährdend. Dabei bezieht man sich auf ein Protokoll einer Expertengruppe der OECD von 1993. Die OECD erklärt auf Anfrage der Tagesschau, sie habe "keine Bewertung von Fluorpolymeren durchgeführt". Auf der Website der Organisation heißt es zudem: "Es besteht keine Einigkeit darüber, dass Fluorpolymere wenig besorgniserregend sind". zitiert nach Tagesschau [7]
Industrievertreter plädieren häufig dafür, PFAS nach einem "risikobasierten" Ansatz zu regulieren. Dabei wird jede Substanz einzeln geprüft und nur dann verboten, wenn bewiesen ist, dass sie schädliche Wirkungen zeigt. Diese Vorgehensweise hat bislang dazu geführt, dass oftmals die regulierten PFAS durch andere, sehr ähnliche noch unregulierte PFAS ersetzt wurden. Wirtschaftsminister Habeck (Die Grünen) erklärt im August 2023, man dürfe "die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt." Aus dem Kanzleramt hieß es mit Bezug auf PFAS, dass es "pauschale, undifferenzierte Verbote ganzer Stoffklassen" ablehne. Im Januar 2025 teilte das Wirtschaftsministerium mit, dass es die Fluorpolymere von der Beschränkung ausnehmen will. Auch das Ministerium verweist auf das falsche Argument, nämlich dass sie "als polymers of low concern betrachtet werden", also als nicht besorgniserregende Stoffe.[7]
Diese Vorgänge kritisieret LobbyControl: Immer wieder hat die Industrie bei geplanten Beschränkungen ihrer Stoffe mit falschen Behauptungen und gekauften Studien gearbeitet. Drohungen ihres Niedergangs haben sich weder nach der EU-Chemikalien-Verordnung, noch der Regulierung von Asbest, BPA und vielen weiteren Chemikalien bewahrheitet. Die Politik muss endlich mit Abstand an die Argumente von Industrielobbys herangehen, die im Sinne ihres kurzfristigen Interesses argumentieren und Schäden für Mensch und Umwelt nicht tragen müssen.

2022: VCI gegen das Lieferkettengesetz

Der VCI hatte sich gegen ein weitreichendes europäische Lieferkettengesetzes eingesetzt. Lieferkettengesetze sollen Unternehmen dazu verpflichten, ihren Sorgfaltspflichten in der globalen Produktion nachzukommen. Dazu gehört insbesondere die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards. Der VCI hatte den Kommissionsentwurf als "weltfremd" bezeichnet und gefordert die Reichweite des geplanten Gesetzesentwurfs zu begrenzen und insbesondere die zivilrechtliche Haftung aus dem Gesetz zu streichen.[8] Derartige Forderungen kritisierten zivilgesellschaftliche Akteure als „irreführend“.[9] Ein Lieferkettengesetz ohne Haftung sei „wirkungslos“.[10]So konstatierte Johanna Kusch von der Initiative Lieferkettengesetz, dass Unternehmen mit ihrer Argumentation den Eindruck erweckten „dass man [sie] für Vorgänge verantwortlich machen will, auf die sie keinerlei Einfluss haben“ dies sei nach Auffassung der Initiative falsch: „Sie sollen lediglich ihre eigenen Sorgfaltspflichten einhalten – und das ist zweifelsfrei möglich.“

2012: VCI bei Klimawandel-Leugnern

Der Geschäftsführer des VCI, Utz Tillmann nahm an der sog. "Fünften Internationalen Klima- und Energiekonferenz" (30.11–1.12.2012 in München) der Organisation Europäisches Institut für Klima und Energie (Eike) teil.[11][12] Tillmann hielt eine Rede über „die Auswirkungen des deutschen Energiekonzeptes auf die Chemieindustrie“.[13] Eike ist eine deutsche Lobbygruppe gegen Klimapolitik.[14]

1999-2007 Der VCI und die REACH-Verordnung

Ein weiteres Beispiel für die Lobbyaktivität des VCI ist die erfolgreiche Abschwächung der REACH-Verordnung, einem anfangs ambitionierten Vorschlag der EU-Kommission zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien in der EU. Der von der Kommission im Jahr 1999 vorgelegte Vorschlag sollte Regeln schaffen, um die Auswirkungen von Chemikalien auf Umwelt und Gesundheit zu prüfen und zu bewerten. Besonders gefährliche Chemikalien sollten verpflichtend durch unbedenklichere Alternativen ersetzt werden. [15] Die Vorschläge der EU-Kommission stießen auf Kritik der Chemielobby, vor allem vertreten durch BASF und dem VCI. Eigens finanzierte Studien prognostizierten erhebliche Wettbewerbsnachteile und hohe Arbeitsplatzverluste. EU-Kommission und die Öffentlichkeit zweifelten die Studienergebnisse jedoch an. Darüber hinaus stand der VCI während der Verhandlungen in regem Austausch mit dem Europaabgeordneten Hartmut Nassauer (CDU), der im Binnenmarkt-Ausschuss für REACH zuständig war.

Zusätzlich wurde die Bush-Regierung und die US-amerikanische Unternehmen über die Vorhaben der EU-Kommission informiert, die ihrerseits eine Gegenkampagne starteten und vor den Auswirkungen für die US-Industrie warnten. [16] Für den VCI kann diese Lobbyarbeit als Erfolg verbucht werden: in einem gemeinsamen Positionspapier mit der Bundesregierung und der Chemiegewerkschaft IG BCE spiegelte sich weitgehend die weiche, US-amerikanische Position wider. Im Jahresbericht 2005 verkündete der VCI einen weiteren Erfolg: Nassauer habe die VCI-Vorschläge weitgehend übernommen und als praktikable Alternative zum Kommissionsentwurf vorgestellt. [17] Die abgespeckte REACH-Verordnung wurde schließlich im Jahr 2006 verabschiedet und trat 2007 in Kraft. Die schrittweise Umsetzung soll bis 2020 erfolgen.

Mittlerweile gibt auch der VCI zu, dass sich durch die Verordnung schon heute positive Effekte für den Schutz von Mensch und Umwelt erkennen lassen. Weiterhin kritisch positioniert sich der Verband zum hohen Verwaltungsaufwand und warnt vor Kostensteigerungen sowie Innovations- und Wettbewerbsnachteilen gegenüber internationalen Bewerbern. Eine genaue Bewertung der Folgen könne aber erst 2018 nach der Implementation der nächsten Registrierungsphase abgegeben werden. [18]

Lobbyisten in Ministerien

Organisationsstruktur, Personal und Verbindungen

Der Vorstand[19]

Stand: März 2018

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. VCI-Website: Mitglieder, vci.de, abgerufen am 02.03.2018
  2. Bahnbrechender Durchbruch? Die CDU spricht sich für ein Lobbyregister aus, lobbycontrol.de vom 23.11.2018, abgerufen am 21.06.2019
  3. -pfas--koennen-im-koerper-schaden-anrichtenwww.srf.ch/audio vom 13.11.2024, abgerufen am 16.01.2025
  4. kein-blutplasma-von-spendern-aus-altoettingwww.br.de vom 05.01.2018, abgerufen am 16.01.2025
  5. altoetting-pfoa-deponiewww.sueddeutsche.de vom 09.11.2022, abgerufen am 16.01.2025
  6. five-european-states-call-for-evidence-on-broad-pfas-restrictionwww.echa.europa.eu, abgerufen am 17.01.2025
  7. 7,0 7,1 pfas-chemikalien-lobbytagesschau.de vom 14.01.2025, abgerufen am 16.01.2025
  8. VCI & BAVC | Europäisches Lieferkettengesetz: Kommission schießt übers Ziel hinaus etzwerk-ebd.de vom 23.03.2022, abgerufen am 08.12.2022
  9. Faktencheck: Initiative Lieferkettengesetz widerlegt irreführende Behauptungen von Wirtschaftsverbänden zur Unternehmenshaftung – Lieferkettengesetz ohne Haftung wirkungslos lieferkettengesetz.de vom 02.09.2020, abgerufen am 07.11.2022
  10. Faktencheck: Initiative Lieferkettengesetz widerlegt irreführende Behauptungen von Wirtschaftsverbänden zur Unternehmenshaftung – Lieferkettengesetz ohne Haftung wirkungslos lieferkettengesetz.de vom 02.09.2020, abgerufen am 07.11.2022
  11. 5. Internationale Klima & Energiekonferenz (IKEK) München - Programm, eike-klima-energie.eu, abgerufen am 29.02.2016
  12. 5. IKEK München - Kurzbericht, eike-klima-energie.eu vom 06.12.2012, abgerufen am 29.92.2016
  13. Präsentation der Rede, eike-klima-energie.eu, abgerufen am 29.02.2016
  14. Chemieindustrie hofiert Klimaleugner taz vom 30.11.2012, abgerufen am 01.12.2012
  15. Umsetzung REACH Website Umweltbundesamt, aufgerufen am 29.03.2016
  16. The EU's New Impact on American Environmental Regulation Boston Law School, aufgerufen am 07.04.2016
  17. EU Rundschreiben: Umweltaktionsprogramm Website Deutscher Naturschutzring, aufgerufen am 29.03.2016
  18. Umsetzung REACH Website VCI, aufgerufen am 29.03.2016
  19. Vorstand und Präsidium vci.de, abgerufen am 02.03.2018

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