DIGITALEUROPE
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DIGITALEUROPE | |
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Rechtsform | internationaler gemeinnütziger Verein nach belgischem Recht |
Tätigkeitsbereich | Elektronik, Software und Telekommunikation |
Gründungsdatum | 1999 als EICTA, 2009 Umbenennung in DIGITALEUROPE |
Hauptsitz | 14 rue de la Science, 1040 Brüssel |
Lobbybüro | |
Lobbybüro EU | |
Webadresse | digitaleurope.org |
DIGITALEUROPE (DE) ist der wichtigste Lobbyverband der globalen IT-Branche auf EU-Ebene. Neben 65 der größten Unternehmen der Elektro-, Software- und Telekommunikationsbranche einschließlich den Branchengößen Google, Apple, Amazon und Microsoft vertritt DE auch 40 nationale Handelsverbände wie den deutschen Digitalverband BITKOM.[1]
Erklärtes Ziel von DIGITALEUROPE ist es, „[in der EU] ein Geschäfts- und Regulierungsumfeld zu schaffen, das digitale Industriezweige unterstützt, um Innovation und damit verbundene ökonomische Vorteile wie die Schaffung von Jobs zu fördern“.[2] Thematisch fokussiert sich DE vor allem auf Lobbyarbeit zu EU-Gesetzgebungen in den Bereichen Handel, Regulierung und Digitale Wirtschaft.[3] Brisante Fallbeispiele für die intensive Lobbyarbeit von DE sind dabei die Gesetzesinitiativen zur Schaffung eines einheitlichen EU-Datenbinnenmarkts und den damit verknüpften EU-Datenschutzgesetzgebungen DS-GVO und ePrivacy wie auch die Handelsabkommen TTIP, TISA und JEFTA.
Inhaltsverzeichnis
Lobbystrategien und Einfluss
DIGITALEUROPE gilt als eine der aktivsten Lobbyverbände auf EU-Ebene. Er beschäftigt 13 LobbyistInnen, die für das Europaparlament akkreditiert sind. Allein seit der Einführung der neuen Transparenzregeln der EU-Kommission seit Ende 2014 absolvierte DE 127 gemeldete Treffen mit Vertretern der EU-Kommission, die meisten davon mit Günther Oettinger (2017-2017 Kommissar für Digitale Gesellschaft und Wirtschaft) und Andrus Ansip (Vizepräsident Kommission, Kommissar digitaler Binnenmarkt) oder deren Mitarbeiter. [4] Damit zählt DE zu den Top 5 der aktivsten Lobbyverbände in Brüssel. Allein 18 der Treffen fanden auf Kommissar-Ebene statt, darunter 8 Treffen mit dem Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt Andrus Ansip und 7 Treffen mit dem EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft Günther Oettinger (bis Ende 2016). Auch mit Oettingers Nachfolgerin Mariya Gabriel haben sich Vertreter von DE im Jahr 2017 schon getroffen.[5]
Neben klassischer Lobbyarbeit wie Gesetzesvorschlägen und Expertenstellungnahmen versucht DIGITALEUROPE sich dabei unter anderem über eigens installierte Beratergremien als notwendige Expertenanlaufstelle für digitale Themen zu positionieren.
Digital Advisory Council (DAC)
DIGITALEUROPE unterstützt die EU-Kommission in ihrem Vorhaben, einen europäischen Binnenmarkt für Daten zu schaffen. Die Digitalmärkte aller 27 Mitgliedsstaaten sollen demzufolge mit dem Ziel eines schnelleren Datenaustauschs und der Schaffung neuer Arbeitsplätze zusammengeführt werden.[6] Als Teil dieser Unterstützungsbemühungen rief DE, 2 Monate nachdem die EU-Kommission im Jahr 2015 ihren Plan für einen digitalen Binnenmarkt präsentiert hatte, den Digital Advisory Council (DAC) ins Leben. Dieser setzt sich aus insgesamt 30 Vorstandsvorsitzenden führender globaler und europäischer IT-Unternehmen, welche zum großen Teil auch Mitglieder bei DE sind, zusammen.[7] VertreterInnen der Zivilgesellschaft wie Datenschutzorganisationen sucht man im DAC jedoch vergeblich. An der ersten Sitzung dieses Gremiums im Februar 2016 beispielsweise nahmen neben den CEOs von Google, Microsoft, SAP und Nokia auch Digitalkommissar Oettinger sowie die EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Vera Jourová, teil.[8] Eines der Hauptziele des DAC ist es „hochrangigen Vertretern der EU-Institutionen jenes Feedback über die großen Entwicklungen in der Digitalbranche zu geben, das diese in technischen Diskussionen über einzelne Gesetzesvorschlägen nicht bekommen“.[9] Die regen Bemühungen dahingehend können daran erkannt werden, dass seit Ende 2014 33 Treffen zum Thema EU-Datenbinnenmarkt und weitere 37 Treffen zum Thema Digitale Wirtschaft zwischen DE und Vertretern der Europäischen Kommission stattfanden.[4]
Fallstudien und Kritik
EU-Datenschutzgrundverordnung
Im Zuge der Verhandlungen zur neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) kam es zu massiven Lobbybemühungen seitens DIGITALEUROPE und anderen Lobbygruppen. Diese Verordnung sieht unter anderem ein sogenanntes „Recht auf Vergessen“ vor, das Firmen dazu verpflichtet, auf Anfrage ihrer Kunden jegliche personenbezogenen Daten unwiederbringlich zu löschen. DE befürchtete dadurch Einschränkungen und wirtschaftliche Einbußen für Unternehmen ihres Verbandes, welche zu einem guten Teil mit Geschäftsmodellen operieren, die direkt oder indirekt auf der kommerziellen Weiternutzung von Daten ihrer Kunden beruhen. Die Lobbybemühungen von DE und anderen Verbänden wurden dabei vom zuständigen Berichterstatter des EU-Parlaments Jan Philipp Albrecht als so massiv empfunden wie er es bisher „noch nie erlebt“ hätte.[10] Andere involvierte EU-Parlamentarier bezeichneten die Kampagnen als „Lobbying in noch nie gekanntem Ausmaß“[10] und „einen der größten Lobbykriege aller Zeiten“.[11] Auch die damals zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding beschrieb das Lobbying als „absolut heftig und beispiellos“.[12] Das Ziel von DE war dabei entsprechende Änderungen in den Gesetzesvorschlägen. Solche Änderungen wurden auch tatsächlich mit Erfolg erreicht, wie Untersuchungen der Open-Data Gruppe LobbyPlag zeigen, nach denen der fertige Gesetzesentwurf zahlreiche Abschnitte umfasste, die teils wortwörtlich aus den Arbeitspapieren der Lobbyisten von DE oder ihren Mitgliedern übernommen wurden.[13] Beispielweise entsprechen Artikel 79 2a und 2b des abschließenden Gesetzesvorschlag nahezu 1:1 dem Wording des Änderungsvorschlags von DE.[14] Dabei setzte DE Änderungen durch, die das „Ergreifen von Maßnahmen um sich an die Gesetze zu halten“ und die „sofortige Beendigung des Rechtsverstoß“ als Milderungsgründe für die Strafhöhe bei Verstößen gegen die Datenschutzverordnung vorsehen.[14] Diese Änderung ist insofern bedenklich, als dass diese zwei Maßnahmen in den meisten Fällen automatisch nach dem Aufdecken eines Verstoßes gegen das Gesetz eintreten, was dazu führt, dass Höchststrafen seltener ausgesprochen werden können. Im Falle der DS-GVO kam auch die allgemeine Ressourcenungleichheit zwischen Unternehmensvertretern und zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Tragen, wobei MEPs teilweise überhäuft wurden mit Material von Unternehmen, die Menge an Stellungnahmen von anderen Stakeholdern wie Daten- und Verbraucherschutzorganisationen sich jedoch in Grenzen hielt.[10] Außerdem berichtete mindestens ein Abgeordneter von dem Effekt, dass die schiere Menge an Papieren, die gelesen werden musste, zum Verlust des Überblicks darüber führte, welche Formulierungen welchen Interessensgruppen zuzuordnen waren.[15] Daran kann man erkennen wie Ungleichgewichte beim Zugang zu Entscheidungsträgern und in der finanziellen Ausstattung zu effektiven Änderung von Gesetzen im Sinne der Industrie führen können. Unter dem Deckmantel der unbestreitbaren Legitimität der Stakeholder in der Thematik wird somit versucht, Gesetzestexte zu verwässern und die freie politische Willensbildung durch Entscheidungsträger erschwert.
EU-ePrivacy-Verordnung
Die ePrivacy-Verordnung ist eine Spezifizierung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung DS-GVO. Hierbei geht es vor allem um datenschutzfreundlichere Software. Sie soll die geltende E-Privacy-Richtlinie (2002/58/EG)[16] und die ergänzende Cookie-Richtlinie (2009/136/EG) [17] ablösen – und gemeinsam mit der DSGVO die europäische Datensicherheit dem neuen Stand der Technik und sich neu entwickelnden Plattformen angleichen. Während Telekommunikations-Unternehmen bereits den aktuellen ePrivacy-Regulierungen unterliegen, gilt dies nicht für neuere Kommunikationsplattformen – wie Facebook, Google, Whatsapp oder Skype. Aber auch Presseverleger und die Werbeindustrie selbst sind an der Abschwächung der ePrivacy-Verordnung interessiert. [18]
Denn: In der ePrivacy-Verordnung geht es vor allem darum, die Daten in der Online-Kommunikation zu schützen. Unternehmen, die die Daten ihrer NutzerInnen dazu verwenden, um zielgerichtete Werbung zu verkaufen, befürchten daher eine Beeinträchtigung ihres Geschäftsmodells. DatenschützerInnen und NetzaktivistInnen dagegen sehen durch die Tätigkeiten der Unternehmen das Recht auf Privatheit und den Schutz der eigenen Daten gefährdet.
Ähnlich wie bei den Verhandlungen zur DS-GVO startete DIGITALEUROPE gemeinsam mit anderen Verbänden auch anlässlich der Verhandlungen zur ePrivacy-Verordnung 2017 eine Lobbykampagne. Bis zur Veröffentlichung des Vorschlags zur ePrivacy-Verordnung durch die Europäische Kommission gab es neben dem Konsultationsprozess mehrere Lobbytreffen von EU-Offiziellen mit großen Kommunikationsfirmen, dazu gehörte neben der Deutschen Telekom, Facebook und Google auch DE. [19]
In einem ersten Statement im Juli 2016 forderte DE gemeinsam mit 11 anderen Branchenverbänden veröffentlichte die Kommission dazu auf, das Vorhaben einer ePrivacy-Verordnung gänzlich fallen zu lassen. Mit dem Argument, alle ePrivacy-Verordnungen würden sich mit der Datenschutzgrundverordnung überschneiden, plädierten sie im Gegenteil für eine Abschaffung derselben. [20]
Im Dezember 2016 erschien auf politico eine geleakter Entwurf des Vorschlags der EU-Kommission. [21] Während Netzaktivisten im Allgemeinen positiv reagierten, waren die Lobbyorganisationen entrüstet.
Am 19. Dezember 2016 traf sich eine informelle Koalition der Lobbyverbände mit dem Kommissar Ansip, darunter auch DIGITALEUROPE. Zwar war das offizielle Gesprächsthema die Datenschutzgrundverordnung, KritikerInnen gehen allerdings davon aus, dass die Lobbyverbände so kurz nach den veröffentlichten Leaks eher die ePrivacy-Verordnung thematisierten.
Am 22. Dezember 2016 veröffentlichte DIGITALEUROPE ein Statement, indem sie den Entwurf kritisierten: Er „risks undermining the balance of the digital ecosystem, is disproportionate and is likely to be ineffective.“ (deutsch: riskiert es, die Balance des digitalen Ökosystems zu untergraben, ist unverhältnismäßig und wahrscheinlich uneffektiv) [22] Das Statement umfasste 11 Kernkritikpunkte, unter anderem auch zur Vorgabe, Datenschutz in der Werkseinstellung zu verankern (privacy by default) und zu den Cookie-Richtlinien. Es wurde von 11 großen Lobbyverbänden unterschrieben, unter anderem AmCham EU, EACA und IAB Europe.
Im Januar 2017 veröffentlichte die EU-Kommission den finalen Vorschlag – mit einigen Punkten, die seit dem geleakten Entwurf geändert wurden [23]. KritikerInnen bemängelten vor allem die fehlende Verankerung der Datensicherheit in der Werkseinstellung (privacy by default) und die fehlende Möglichkeit von Sammelklagen. Dieser Entwurf war Grundlage für einen Entwurf des LIBE-Ausschusses des Europäischen Parlaments. (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres), der am 20. Juni 2017 vorlag.
Im Europäischen Rat ist die Lage – dank fehlenden Transparenzvorgaben – sehr undurchsichtig. Am 10. Juli wurde ein eigenes Treffen mit Industrievertretern anberaumt, um über Überschneidungen der ePrivacy-Verordnung mit der DSGVO und der Cookie-Richtlinie zu diskutieren, Der Rat teilte mit, dass dazu keine Mitschriften vorliegen. [24]. Im Juni 2017 fand in Valetta die Digital Assembly 2017 statt. Organisiert hatten diese Konferenz zum Digital Single Market die Kommission und die Maltesische Ratspräsidentschaft. Bei der Veranstaltung, bei der ePrivacy zu den Kernthemen gehörte, sprachen nationale und europäische Offizielle und mit den Themen befasste Abgeordnete – unter anderem Berichterstatter Michal Boni. Während zivilgesellschaftliche Akteure nur sehr gering vertreten waren, war die Privatwirtschaft breit aufgestellt: DE alleine schickte sechs Vertreter, Google sieben, Microsoft vier, Vodafone fünf und Apple drei. Im Sommer 2017 teilten nationale Delegationen ihre Positionen zum Vorschlag mit. Mitgliedsstaaten wie Griechenland, Polen und Lettland Vorschläge machten Vorschläge, die strengeren Datenschutz implizierten. Im August veröffentlichte die deutsche Regierung ihre sehr industriefreundliche Position. Am 08. September legte der Europäische Rat den Mitgliedsstaaten einen Entwurf vor.[25] Die Verhandlungen unter den Mitgliedsstaaten zu einer einheitlichen Stellungnahme sind noch nicht abgeschlossen.
Am 29.09.17 verfasste die Industry Coalition for Data Protection, dessen Mitglied DIGITALEUROPE ist, ein Statement an die Abgeordneten, das eindringlich davor warnt, für den Vorschlag zu stimmen. Darin monierten sie, dass die Verordnung es angeblich verfehle, „wichtige [regulatorische] Flexibilität zu gewährleisten, damit Innovation bei digitalen Dienstleistungen und Produkten sich weiterentwickeln kann“.[26]
Am 05.10.17 veröffentlichte der Europäische Datenschutzbeauftragte ein Statement zu der ePrivacy-Verordnung. [27]
Ab Oktober 2017 begann DE damit, Videos auf Social Media Plattformen wie Youtube oder Twitter zu verbreiten, um Abgeordnete aufzufordern, gegen die ePrivacy-Verordnung zu stimmen, weil sie innovationshemmend sei. [28] Im Allgemeinen ähnelte die ePrivacy-Kampagne von DE und anderen Verbänden jener zur DS-GVO. Jan-Philipp Albrecht, Schattenberichterstatter zu ePrivacy, berichtete unter anderem von extrem unangemessenen Lobbying, welches Politikern vorwarf, das Ende von Apps und sogar des ganzen Internets und die Abschaffung von Medien herbeizuführen.[29] Neu an dieser Art von Kampagne war vor allem die Verbreitung von falschen Behauptungen, die die Verordnung in schlechtes Licht rücken sollte.[30]
Am 19. Oktober 2017 erfolgte die Abstimmung im Ausschuss des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss). Mit 31 zu 24 Stimmen wurde der Bericht der Berichterstatterin Marju Lauristin zu ePrivacy angenommen. Der Vorstoß wurde von KritikerInnen positiv bewertet, er beinhaltet u.a. auch privacy-by-default-Einstellungen. Nach dem Votum im Ausschuss erfolgte am 26.10.2017 die Abstimmung im Plenum. Diese fiel zugunsten des Vorschlags des LIBE -Ausschusses aus. Dieser kann das Europäische Parlament nun in den sogenannten Trilog-Verhandlungen, den Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, EU-Kommission und dem Rat der europäischen Union, vertreten. Um diese zu starten, fehlt allerdings noch eine finale Position des Ministerrates.
Eigentlich sollten diese Verhandlungen spätestens 2019 beginnen, nachdem gegen Ende 2018 eine gemeinsame Postition des Ministerrates feststehen sollte. Der Prozess um die Trilog-Verhandlungen verzögerte sich allerdings massiv, weil zum einen die EU-Mitgliedsstaaten das Thema nicht priorisierten, zum anderen, weil die seit Juli 2018 amtierende österreichische Ratspräsidentschaft eine Einigung über eine gemeinsame Position der Mitgliedsstaaten nicht vor den Europawahlen 2019 forciert. Dazu kommt, dass Österreich bereits Vorschläge vorlegte, die das Gesetz an entscheidenden Stellen aufweichen sollte. [31] Ob Lobbying gegenüber den Mitgliedsstaaten und der Ratspräsidentschaft stattgefunden hat, ist aufgrund mangelnder Transparenzbestimmungen auf EU-Ebene nicht direkt einsehbar. Im Dezember 2018 stellte sich allerdings nach einer Anfrage im österreichischen Parlament an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Norber Hofer heraus, dass es zahlreiche Lobby-Treffen zwischen Mitarbeitern der österreichischen Ständigen Vertretung in Brüssel und Lobbyorganisationen der Digitalbranche, unter anderem auch DIGITALEUROPE, gegeben hatte. Zusätzlich gab es auch Treffen in Wien im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Insgesamt gab es 19 Treffen mit Lobbyisten von Firmen und Verbänden und nur ein Treffen mit der Datenschutz-NGO European Digital Rights Initiative (EDRi). [32] Nach Auswertungen von netzpolitik.org haben besonders die großen US-Branchenvertreter leichten Zugang – weil sie sich durch mehrere Organisationen und Branchenverbände vertreten lassen. Netzpolitik.org führt beispielhaft Micorsoft an, das in sieben Organisationen vertreten ist, die sich alle mit Vertretern der österreichischen Regierung trafen. [33]
Am 31.05.18 veröffentlichten zahlreiche Lobbyverbände, darunter Businesseurope und DIGITALEUROPE einen gemeinsamen Brief an die Mitgliedsstaaten, indem sie diese nochmals dazu aufforderten, die Gespräche über ePrivacy-Regulierungen nicht „zu übereilt“ (freie Übersetzung) fortzusetzen und die Trialog-Verhandlungen nicht zu starten, bis ein robusterer Ansatz vorliege [34]. Am 28.11.18 erfolgte ein weiterer Appell an die Mitgliedsstaaten zahlreicher Lobbyverbände, einschließlich DIGITALEUROPE, die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament zu ePrivacy-Regulierungen nicht übereilt zu führen. [35]
EU-Freihandelsabkommen
DIGITALEUROPE ist schon seit längerem ein genereller Verfechter von vertiefter regulatorischer Kooperation zwischen den USA und der EU in Handelsfragen.[36] Wie aus entsprechenden Positionspapieren zu entnehmen ist, fordert DE dabei die Aufnahme eines eigenständigen Kapitel zum Abbau von Regulierungen in der Informations- und Kommunikationsindustrie in EU-Freihandelsabkommen.[37] So ein Kapitel findet sich beispielsweise im EU-USA-Abkommen (TTIP) als auch im EU-Japan-Abkommen (JEFTA) wieder.[38] Das Ziel dabei ist die Schaffung gemeinsamer Standards und der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse in der Digitalbranche.
TTIP
Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen setzte sich DIGITALEUROPE für die Inklusion eines eigenen Kapitels zur Digitalbranche in dem Abkommen ein.[39] DEs Vorschläge zur Umsetzung dieser Zielvorgaben decken sich hierbei zum großen Teil mit den dementsprechenden Bestimmungen im Transpazifischen Partnerschaftsabkommen (TPP).[40] Die Übernahme dieser Vorlagen ist insofern problematisch, da TPP zwar Bestimmungen zu Datenschutz und Informationsfreiheit enthält, aber die Ausgestaltung der Regeln vielfach Unternehmensinteressen in die Hände spielt.[41] Beispielsweise erlauben die im TPP festgeschriebenen Urheberrechtsregeln ein Verbot des Umgehens von sogenannten Digitale-Rechte-Management (DRM) Technologien. Dieses Verbot basiert auf einer Klausel im US-Recht nach der es es illegal ist, technische Hürden die urheberrechtlich geschützte Inhalte vor Weiterverbreitung schützen, zu umgehen, auch wenn dies nur zu Zwecken der Entwicklung von Open-Source-Software genutzt wird.[41] Wie schon bei der DS-GVO kam auch beim TTIP wieder die allgemeine Unausgewogenheit beim Zugang zu Entscheidungsträgern zwischen Unternehmensvertretern und zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Tragen wie Auswertungen der Nichtregierungsorganisation Coporate Europe Observatory zeigen.[42] DE engagierte sich auch im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit für den erfolgreichen Abschluss der TTIP-Verhandlungen. Dabei war DE auch Teil der Twitter-Kampagne „Alliance4TTIP“ wo auch der europäische Dachverband der Arbeitgeber – Businesseurope – sowie weitere große Industrieverbände Mitglied waren.[43]
TISA
Beim Dienstleistungsabkommen TISA versucht DIGITALEUROPE Einfluss auf die Bestimmungen zum Handel und grenzüberschreitenden Speichern von Daten zu nehmen. DE setzt sich bei vor allem gegen nationale Lokalisierungsbestimmungen und für den freien Fluss von Daten ein.[44] Diese Lokalisierungsbestimmungen sind DE ein Dorn im Auge, da diese Dienstleister verpflichten, Daten und Informationen ihrer Kunden lokal zu speichern und damit unkontrollierten grenzüberschreitenden Datenfluss einschränken. DE führt dabei eine entsprechende Studie an, die belegen soll, dass Lokalisierung zu höheren Kosten für Firmen im Digitalsektor und damit zu Ineffizienzen bzw. entsprechenden Wachstumseinbußen führt.[45] Außerdem fordert DE die Abschaffung von Zöllen auf digitale Produkte als auch den Rückbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen in der Kommunikations- und Informationsindustrie.[40] Ähnlich wie bei TTIP decken sich DEs Vorschläge zur Umsetzung dieser Zielvorgaben hierbei zum großen Teil mit den dementsprechenden Bestimmungen im TPP. DE lobbyiert dabei recht unverblümt bei der EU-Kommission für die direkte Übernahme der entsprechenden TPP-Bestimmungen ins TISA-Abkommen wie aus Email-Verläufen zwischen DE und dem Kabinett der zuständigen Handelskommissarin Malmström hervorgeht.[46] Im Allgemeinen empfindet DE – gemeinsam mit anderen globalen Industrieverbänden - digitalen Protektionismus als „eine der größten Bedrohungen für den Handel im 21. Jahrhundert“.[47]
Bedeutender Lobbyakteur in der EU-Handelspolitik
Allgemein sucht DIGITALEUROPE bei Handelsfragen sehr intensiv den Kontakt zu Handelskommissarin Malmström und ihrem Kabinett. Allein 13 Treffen von Vertretern von DE mit Kabinettsmitglieder von Malmström fanden zwischen 2014-2017 statt. DE ist damit auf Kabinettsebene der aktivste Lobbyverband zu Handelsfragen.[48] Wie mithilfe eines IFG-Antrags von Lobbycontrol veröffentlichte interne Email-Korrespondenz belegt, kann sich DE dabei sicher sein, noch am selben Tag nach Anfrage für ein baldiges Treffen mit Kabinettsmitgliedern die Bestätigung für einen Termin innerhalb von fünf Tagen zu erhalten.[49] Das gibt Einblick, wie exklusiv der Zugang von DE zu Entscheidungsträgern auf höchster EU-Ebene ist.
Organisationsstruktur und Personal
Die Mitglieder von DIGITALEUROPE umfassen 65 der größten und bekanntesten Unternehmen der Elektro-, Software- und Telekommunikationsbranche. Darunter fallen, um nur einige zu nennen, Google, Apple, Facebook und Microsoft, Huawei, Airbus und Amazon.[50] Dazu vertritt DE auch 40 nationale Handelsverbände wie den deutschen Digitalverband BITKOM.[51]
Außerdem unterhält DIGITALEUROPE fünf weitere Arbeitsgruppen, die sich mit den Themenfeldern Verbraucherpolitik, Digitalwirtschaft und Handelspolitik sowie Technologiefragen und dem Nachhaltigkeitsmanagement befassen.[3] Diese Arbeitsgruppen erarbeiten gemeinsame Positionen und üben erheblichen Einfluss auf die Politikgestaltung der EU aus. Insgesamt verfügt DE auf europäischer Ebene über 14 registrierte Lobbyisten, von denen 13 für den Zugang zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments akkreditiert sind.[52]
Präsident von DIGITALEUROPE ist Markus Borchert, gleichzeitig CEO von Nokia Shanghai und Präsident von Nokia Greater China, sowie ehemaliger leitender Vize-Präsident der europäischen Niederlassung von Nokia. Gemeinsam mit Vize-Präsident Julian David trägt Borchert im Aufsichtsrat von DE die organisatorische Verantwortung für den IT-Verband.[53] Generaldirektorin von DE ist seit März 2017 Cecilia Bonefeld-Dahl.[54] Sie löste John Higgins ab, der jahrelang das öffentliche Gesicht des digitalen Sektors in Europa darstellte und regelmäßig als prominenter Redner auf Konferenzen und Zusammenkünften von Vertretern der IT-Branche auftrat.[55]
Verbindungen
DIGITALEUROPE ist Mitglied bei folgenden Dachverbänden und Initiativen:
- The Business and Industry Advisory Committee (BIAC)[56]
- European Services Forum (ESF)[57]
- Joint Initiative on Standardisation[58]
- European Internet Forum (EIF)[59]
Außerdem unterhält DIGITALEUROPE Verbindungen zu den folgenden Dachverbänden:[60]
- European Automobile Manufacturers Association (ACEA)
- Alliance on Internet of Things Innovation
- European Committe for Standardization (CEN)
- European Committe for Electrotechnical Standardization (CENELEC)
- European Innovation Partnership (EIP) on Raw Materials
- European Policy Centre (EPC)
- European Telecommunications Standards Institute (ETSI)
Finanzen
DIGITALEUROPE finanziert sich aus den Mitgliedsbeiträgen seiner Mitglieder. Dem EU-Transparenzregister zufolge gab DE im Jahr 2018 rund 1,05 Mio. Euro für Lobbyaktivitäten aus und erhielt über die öffentliche Auftragsvergabe 24.280 Euro aus EU-Mitteln.[52] Zum Vergleich: Der größte Lobbyverband in Brüssel, Businesseurope, verfügte im Jahr 2018 über ein Lobbybudget von 4 Mio. Euro während die finanziellen Mittel der Volkswagen AG für EU-Lobbying 2,7 Mio. Euro betrugen.[61][62]
Einzelnachweise
- ↑ Members, digitaleurope.org, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ About Us, digitaleurope.org, freie Übersetzung, abgerufen am 22.11.2018
- ↑ 3,0 3,1 Policies, digitaleurope.org, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ 4,0 4,1 Lobby meetings with EU Commission, integritywatch.eu, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ Meetings of Cabinet members of Commissioner Mariya Gabriel with organisations and self-employed individuals , ec.europa.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Prioritäten der EU-Kommission, ec.europa.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Digital Advisory Council Members, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Facebook DIGITALEUROPE, facebook.com, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Our Work: Digital Advisory Council, digitaleurope.org, freie Übersetzung, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ 10,0 10,1 10,2 Internetkonzerne schreiben bei Datenschutzregeln mit, sueddeutsche.de vom 11.02.2013, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ US lobbyists discovered to be rewriting EU data legislation, mintpressnews.com vom 18.03.2013, freie Übersetzung, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ EU privacy regulations subject to unprecedented lobbying, telegraph.co.uk vom 08.02.2012, freie Übersetzung, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Lobbyplag, lobbyplag.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ 14,0 14,1 IMCO pub, europe-v-facebook.org, Seite 5, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Lobbyists' demands were 'copied into law by MEPs', independent.co.uk vom 13.02.2013, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften abgerufen am 28.11.18
- ↑ Amtsblatt der Europäischen Union abgerufen am 28.11.18
- ↑ [1], European Parliament, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Big Data is watching you corporateeuropeobservatory am 17.10.17, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Joint Industry Statement Euroipsa am 05.07.16, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Eprivacy leaked draft: the ‚good‘, the ‚bad‘ and the ‚missing‘ International Association of Privacy Professionals am 13. 12.16, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Big Data is watching you corporateeuropeobservatory am 17. Oktober 2018, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Regulation on Privacy and Electronic Communications European Comission am 10.01.17, abgerufen am 28.11.18
- ↑ [2] asktheeu.org, abgerufen am 28.11.18
- ↑ [3] Council of the European Union am 08.09.17, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Open Letter to members of the European Parliament, developersalliance.org vom 26.09.2017, freie Übersetzung, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ [4] European Data Protection Supervisor am 05.10.17, abgerufen am 28.11.18
- ↑ The impact of the European ePrivacy regulation DigitalEurope Youtube am 20.10.17, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Inside the ePrivacy Regulation's furious lobbying war, iapp.org vom 31.10.2017, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ ePrivacy-Mythen unter der Lupe: „Eine der schlimmsten Lobby-Kampagnen, die wir je erlebt haben“, netzpolitik.org vom 11.12.2017, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Wie Europa den Schutz gegen Tracking im Netz aufs Abstellgleis manövriert netzpolitik.org am 15.10.18, abgerufen am 28.11.18
- ↑ Antwort zur Parlamentarischen Anfrage an Norbert Hofer parlament.gv.at am 11.12.2018, abgerufen am 18.12.18
- ↑ Österreich verzögert EU-Datenschutz-Reform nach zahlreichen Lobbytreffen netzpolitik.org am 17.12.18, abgerufen am 18.12.18
- ↑ Joint industry letter on the future of the ePrivacy Regulation, digitaleurope.org am 31.05.18, abgerufen am 29.11.18
- ↑ Joint Industry letter in the ePrivacy Regulation digitaleurope.org am 28.11.18, abgerufen am 29.11.18
- ↑ DIGITALEUROPE Position on the EU-US Regulatory Cooperation, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ DIGITALEUROPE contribution to the European Parliament's Working Document on A Digital Trade Strategy for the European Union, digitaleruope.org, Seite 4, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ EU-Japan trade agreement not compatible with EU data protection, edri.org vom 10.01.2018, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ DIGITALEUROPE advocates for an ICT chapter in TTIP, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ 40,0 40,1 DIGITALEUROPE assessment of the Trans-Pacific Partnership (TPP) Provisions: Our recommendations for the Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) and the Trade in Services Agreement (TISA), digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ 41,0 41,1 How the TPP Will Affect You and Your Digital Rights, eff.org vom 08.12.2015, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ European Commission preparing for EU-US trade talks: 119 meetings with industry lobbyists, corporateobservatory.org vom 04.09.2013, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Twitter-Account @Alliance4TTIP, twittter.com, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Letter to Commissioner Malmström on 13th October 2016, asktheeu.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Letter to Commissioner Malmström on 21st November 2014, asktheeu.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ E-Mail von DIGITALEUROPE an EU-Kommissarin Malmström vom 14.01.2016, asktheeu.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Global industries urges trade ministers to advance a digital trade agenda in TISA negotitations, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Meetings of Cabinet members of Commissioner Cecilia Malmström with organisations and self-employed individuals, ec.europa.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ E-Mail Verlauf von DIGITALEUROPE mit Kabinett Malmström vom 15.07.2016, asktheeu.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Corporate Members, digitaleurope.org, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ National Trade Associations Members, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ 52,0 52,1 Transparenzregister-Eintrag von DIGITALEUROPE, ec.europa.eu, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ Executive Board, digitaleurope.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Cecilia Bonefeld-Dahl as Director General, digitaleurope.org, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ John Higgins Biography, ec.europa.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ BIAC Members, biac.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ ESF Members, esf.be, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Joint Initiative on Standardisation, ec.europa.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ EIF Members, eifonline.org, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Lobbyfacts-Eintrag DIGITALEUROPE, lobbyfacts.eu, abgerufen am 23.01.2018
- ↑ Lobbyfacts-Eintrag Business Europe, lobbyfacts.eu, abgerufen am 15.03.2019
- ↑ Lobbyfacts-Eintrag VW, lobbyfacts.eu, abgerufen am 15.03.2019