Deutsche Bahn

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Deutsche Bahn AG
Branche Verkehr und Transport
Hauptsitz Berlin
Lobbybüro Deutschland Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
Lobbybüro EU Avenue des Arts 40, 1040 Brüssel
Webadresse www.deutschebahn.com

Die Deutsche Bahn ist ein privatwirtschaftlich organisiertes Verkehrsunternehmen, das allerdings bis heute zu 100% in Staatsbesitz ist. Nach kontroversen Debatten beschloss die Bundesregierung 2008 eine Teilprivatisierung der Bahn. Der geplante Börsengang wurde aber wegen der Finanzkrise verschoben. 2009 enthüllte LobbyControl, dass die Bahn in der Auseinandersetzung um die Privatisierung verdeckte PR- und Lobbykampagnen eingesetzt hatte.

Am 2. Januar 2014 wurde bekannt, dass der ehemaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln soll und dort als Cheflobbyist die politischen Kontakte pflegen soll.[1] Der ehemalige Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte für die Lobbyarbeit ein ganzes Netzwerk ehemaliger Politiker aufgebaut (siehe unten). Rüdiger Grube wollte die Beraterverträge mit ehemaligen Politikern auflösen. Aber 2010 holte Grube den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Georg Brunnhuber als Sonderbeauftragten zur Bahn und machte ihn ab 1. Januar 2011 zum Cheflobbyisten. Mit Pofalla setzt die Bahn nun weiter auf die Insiderkontakte ehemaliger Politiker. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD von November 2013 wurde zu Seitenwechsel von Politikern festgehalten: man wolle “um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden [...] für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte eine angemessene Regelung” anstreben.[2] Für Pofalla kommt die Regelung zu spät - dabei ist sie lange überfällig (siehe dazu auch das Portal Seitenwechsel).

Kurzdarstellung und Geschichte

Durch die Bahnreform wurde die staatliche Bundesbahn im Jahr 1993 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren Anteile zu 100 % vom Bund gehalten werden. Es handelt sich seitdem um ein privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen. Weiterhin wurde die Reichsbahn der DDR durch die Zusammenführung ihres Vermögens mit dem Vermögen der Bundesbahn zum Bundeseisenbahnvermögen eingegliedert. Seit ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist die Politik der Deutschen Bahn unternehmerisch ausgerichtet und von der staatlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge befreit. Staatlich bezuschusst werden allenfalls Unterhalt und Ausbau der Infrastruktur. Heute ist die Deutsche Bahn AG ein weltweit tätiges Mobilitäts- und Logistikunternehmen, zu dessen Kerngeschäft der Personenverkehr (mit Zügen und Bussen), der Transport und die Logistik (Gütertransport auf der Schiene und Straße) sowie die Infrastruktur gehören. In Deutschland betreibt der Konzern das längste Schienennetz Europas.

Im Jahr 2007 forderte der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn eine umfassende Privatisierung der Bahn einschließlich des Schienennetzes , während sich ein Bündnis aus Attac, Umweltverbänden, Gewerkschaften und Initiativen mit der Bezeichnung Bahn für alle dagegen wehrte.[3] Die Bahn ließ während dieser Auseinandersetzung eine verdeckte Pro-Privatisierungs-Propaganda durch die Denkfabrik berlinpolis e.V. durchführen und baute ein umfangreiches Netz ehemaliger Politiker als Bahnlobbyisten auf. Der für Herbst 2008 geplante Börsengang wurde allerdings wegen der Finanzkrise und der schlechten wirtschaftliche Lage gestoppt.

Struktur, Geschäftsfelder und Finanzen

(Quellen: Website der Deutsche Bahn AG und Geschäftsbericht 2010)

Konzernzentrale ist die Deutsche Bahn AG mit einem Grundkapital von 2,15 Mrd. Euro. Der Konzernumsatz betrug im Jahr 2010 ca. 34 Mrd. Euro, wovon ca. 62 % auf Deutschland entfielen. Die Deutsche Bahn ist in 130 Ländern tätig. Weltweit arbeiten 293 Tsd. Menschen für den DB Konzern, davon in 192 Tsd. in Deutschland. Die Deutsche Bahn bezeichnet sich als die Nr. 1 im Busverkehr in Deutschland und die Nr. 2 im Schienenpersonenverkehr in Europa. Die Tochtergesellschaft DB Schenker Rail ist die führende europäische Güterbahn. Das Schienennetz der Deutschen Bahn ist mit rund 33.600 km das längste in Europa.

Die wichtigsten Geschäftsfelder sind:

  • DB Bahn Fernverkehr (nationale und grenzüberschreitende Fernverkehrsleistungen auf der Schiene)
  • DB Bahn Regio (Bus- und Schienenaktivitäten im Regionalverkehr in Deutschland sowie im grenzüberschreitenden Regionalverkehr))
  • DB Arriva (Regionalverkehrsaktivitäten außerhalb Deutschlands)
  • DB Schenker Logistics (Logistikleistungen für weltweite Warenströme im Landverkehr sowie in der Luft- und Seefahrt)
  • DB Schenker Rail (europaweite Aktivitäten im Schienengüterverkehr)
  • DB Netze Fahrweg (Schieneninfrastruktur)
  • DB Netze Personenbahnhöfe (Betrieb der Bahnhöfe sowie Entwicklung/Vermarktung der Bahnhofsflächen)
  • DB Netze Energie (Energiemanagement für Bahnstrom und Treibstoffe)
  • DB Dienstleistungen (Fahrzeuginstandhaltung, DB Systel, Facility Management u.ä.m.)
  • Sonstige Beteiligungen (DB ProjektBau GmbH - Projektmanagement, Planung und Bauüberwachung)

Nachdem sich im Laufe der Privatisierungsdiskussion der damalige Koalitionsausschuss im November 2006 grundsätzlich auf eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn (ohne Netze und Bahnhöfe) geeinigt hatte, wurde im Jahr 2008 der Teilkonzern DB Mobility Logistics AG als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG gegründet. In diesem sind die Mobilitäts- und Logistikaktivitäten des Konzerns, die privatisiert werden sollen, gebündelt. Die von der Privatisierung ausgenommenen Geschäftsfelder DB Netze Fahrweg, DB Netze Personenbahnhöfe und DB Netze Energie führt die Deutsche Bahn AG direkt. Die Deutsche Bahn AG und die DB Mobility Logistik AG haben im Konzern beide die Funktion einer konzernleitenden Management-Holding.

Die Bereiche/Geschäftsfelder der Deutschen Bahn erzielten im Jahr 2010 die folgenden Umsätze:

Bereich Personenverkehr (DB Bahn Fernverkehr, DB Bahn Regio, DB Arriva) 13,6 Mrd. Euro
Bereich Transport und Logistik (DB Schenker Logistics, DB Schenker Rail) 18,9 Mrd. Euro
Geschäftsfeld DB Dienstleistungen 1,2 Mrd. Euro
Bereich Infrastruktur (DB Netze Fahrweg, DB Netze Energie, DB Netze Personenbahnhöfe) 8,1 Mrd.
Geschäftsfeld Netze Fahrweg 4,6 Mrd. Euro
Geschäftsfeld Netze Personenbahnhöfe ca. 1 Mrd. Euro
Geschäftsfeld Netze Energie 2,5 Mrd. Euro.

Nach Art. 87e Abs.4 Grundgesetz gewährleistet die Bundesrepublik Deutschland (Bund), „dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes [...] Rechnung getragen wird“. Der Bund kommt diesem Infrastrukturauftrag nach, indem er Investitionsmittel zur Verfügung stellt. Die gesetzlichen Grundlagen sind das Deutsche Bahn Gründungsgesetz und das Bundesschienenwegeausbaugesetz. Die Schienenwege werden im Wesentlichen vom Bund finanziert, der dafür jährlich ungefähr 3,5 Mrd. Euro zur Verfügung stellt.[4] Die zusätzlichen Investitionen bis 2016 sollen nun aber rein aus Mitteln der Bahn fließen.

Akteure (Vorstand, Aufsichtsrat, BahnBeirat, Netzwerke)

Vorstand

Vorstand
Rüdiger Grube Vorsitzender des Vorstands
  • Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Mitglied des Präsidiums
  • Daimler AG, ehem. Mitglied des Vorstands
  • EADS, ehem. Mitglied des Verwaltungsrats
  • Unterzeichner des "Energiepolitischen Appells", einer Lobbyinitiative der 4 großen deutschen Stromkonzerne zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke
Richard Lutz Vorstand Finanzen und Controlling
Volker Kefer Vorstand Infrastruktur und Dienstleistungen
Ulrich Weber Vorstand Personal
Gerd Becht Vorstand Compliance, Datenschutz, Recht und Konzernsicherheit
Heike Hanagarth Vorständin Technik

(Stand: Januar 2014) Quelle: [5]


Aufsichtsrat

10 Mitglieder werden von der Hauptversammlung der Aktionäre gewählt. 10 Mitglieder werden von den Arbeitnehmern gewählt.

Aufsichtsrat
Utz-Hellmuth Felcht

(Vorsitzender des Aufsichtsrats)

Alexander Kirchner

(Stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrates)

Rainer Sontowski
Christoph Dänzer-Vanotti
Patrick Döring
  • FDP, ehem. MdB, ehem. Generalsekretär der FDP
Jürgen Großmann
  • RWE AG, ehem. Vorsitzender des Vorstandes
  • Atlantik-Brücke, Mitglied des Vorstands
  • JP Morgan Chase, Mitglied des International Council
  • Initiator des Energiepolitischer Appells, einer Lobbyinitiative der vier großen Stromkonzerne zur Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke, vom NABU mit dem Preis "Dinosaurier des Jahres 2010" ausgezeichnet
Thomas Steffen
Jürgen Krumnow
  • Deutsche Bank AG, ehem. Mitglied des Vorstandes
  • TUI, ehem. Vorsitzender des Aufsichtsrats
Knut Löschke
  • Unternehmensberater, ehem. Vorstandsvorsitzender und größter Einzelaktionär der PC-Ware GmbH
  • vertritt die Meinung, Klimaschwankungen würden nicht primär durch von Menschen produziertes CO2 ausgelöst. Maßnahmen zur CO2-Reduktion hält er für schädlich[7]
Michael Odenwald
Heinrich Weiss
Arbeitnehmervertreter: Jürgen Beuttler, Jörg Hensel, Klaus Dieter Hommel, Wolfgang Joosten, Jens Schwarz, Fred Nowka, Vitus Miller, Mario Reiß, Regina Rusch-Ziemba

(Stand: Juni 2014) Quelle: [8]

BahnBeirat

BahnBeirat
Gerd Aberle (Vorsitzender)
Thomas Ehrmann
  • Leiter des Instituts für Strategisches Management an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Volker Hauff
Hans Jochen Henke
Herbert Henzler
  • Credit Suisse Deutschland, Vorsitzender des Beirats
  • Unternehmensberatung McKinsey, ehem. Leiter für Deutschland bzw. Europa
Peter Hommelhoff
  • ehem. Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
  • Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, Partner
  • Universität Witten/Herdecke, Mitglied des Aufsichtsrats
Jürgen Hubbert
  • Daimler AG, ehem. Mitglied des Vorstands
Walter Leisler Kiep
  • CDU, ehem. Finanzminister Niedersachsens
  • ehem. Bundesschatzmeister der CDU
  • Atlantik-Brücke, Ehrenvorsitzender
  • 2004 wegen Falschaussage in der CDU-Spendenaffäre rechtskräftig verurteilt
Christian Kirchner
  • Professor für deutsches, europäisches und internationales Zivil- und Wirtschaftsrecht und Institutionenökonomik an der HU Berlin
  • Institut für Unternehmerische Freiheit (iuf), Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
Jörn Pachl
  • Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung der TU Braunschweig, Geschäftsführender Leiter
Werner Rothengatter
  • ehem. Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung an der Uni Karlsruhe
  • Bundesvereinigung Logistik (BVL), Stellv. Vorsitzender des Beirats
  • wirkte an der Machbarkeitsstudie und der Volkswirtschaftlichen Bewertung des Projekts Stuttgart 21 mit
Thomas Straubhaar
Jürgen Weber

(Stand: Juni 2013) Quelle: [9]

Privatisierungspläne

Von einem Börsengang der Deutschen Bahn AG war bereis seit dem Jahr 2000 die Rede, doch ist dieser mehrfach wieder abgesetzt oder verschoben worden. Nach der Veröffentlichung des vom Bundestag in Auftrag gegebenen Gutachtens der Unternehmensberatungsguppe Booz Allen Hamilton (auch "PRIMON-Gutachten = Privatisierung Mit und Ohne Netz" genannt) ist die Bundesregierung im Jahr 2006 beauftragt worden, ein Privatisierungsgesetz zu entwerfen, das es privaten Investoren ermöglicht, sich noch im Laufe der damaligen Legislaturperiode an der Deutschen Bahn AG zu beteiligen.[10] Nach langen politischen Auseinandersetzungen um die Frage, welche Teile des Bahnvermögens mit welcher Beteiligungshöhe privatisiert werden sollen, billigte das Bundeskabinett Ende April 2008 eine Teilprivatisierung, die vorsieht, dass 24,9 % der in der DB Mobility Logistics AG gebündelten Personen- und Güterverkehrssparte an private Investoren verkauft werden.[11] Das Netz wie auch die Bahnhöfe sollen weiter in alleinigem Bundesbesitz bleiben. Als Zeitpunkt für die Platzierung der Aktie strebte der Bund den 27. Oktober 2008 an. Während die SPD die 24,9 % als nicht zu überschreitende "rote Linie" ansah, wollte die CDU eine Privatisierung bis 49,9 % erreichen. Der geplante Börsengang wurde dann Anfang Oktober 2008 wegen der Finanzkrise verschoben.

Hartmut Mehdorn, der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, sah in dem Börsengang eine Möglichkeit, diese zum Global Player zu entwickeln. Die Geschäftspolitik wurde zur Unterstützung der Privatisierung so ausgestaltet, dass die Bahn potentiellen Investoren möglichst profitabel erschien. Neue Unternehmen wurden erworben und die Bilanz des Unternehmens durch Sparmaßnahmen geschönt, an deren Folgen die Bahn heute noch zu leiden hat. Die Interessen der Bahnkunden wurden überwiegend den Interessen der künftigen Anleger untergeordnet. Begründet wurde die Notwendigkeit der Privatisierung im Wesentlichen mit dem Kapitalbedarf der Bahn, der nur durch den Börsengang gedeckt werden könne. Kritiker wiesen darauf hin, dass die Bahn als Bundesunternehmen sich das benötigte Kapital problemlos auf dem Kapitalmarkt (etwa über Bahnanleihen) besorgen könnte.

Der neue Bahnchef Rüdiger Grube löste sich von der Fixierung auf den Shareholder Value und kündigte im Januar 2012 an, die Investitionen in Lokomotiven, Waggons und Schienenverkehr in den nächsten Jahren zu erhöhen und die Höhe der Managergehälter künftig auch von der Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter abhängig zu machen.[12]

Lobbyarbeit: Struktur und Strategien

Die Deutsche Bahn hatte unter Hartmut Mehdorn für die eigene Lobbyarbeit ein Netzwerk ehemaliger Politiker aufgebaut (siehe unten). Rüdiger Grube gab bei seinem Amtsantritt an er wolle die Beraterverträge mit ehemaligen Politikern auflösen, weil er dieses System Mehdorn nicht fortsetzen will. Allerdings holte er 2010 den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Georg Brunnhuber als Sonderbeauftragten zur Bahn und machte ihn ab 1. Januar 2011 zum Cheflobbyisten.[13] Im Januar 2014 wurde bekannt, dass der ehemaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln soll und dort als Cheflobbyist die politischen Kontakte pflegen soll.[14]

Netzwerke ehemaliger Politiker

Nach Recherchen des ZDF-Politikmagazins Frontal 21 von 2007 bestand das Netzwerk unter Mehdorn aus ehemaligen Verkehrsministern von Bund und Ländern, ehemaligen Beamten aus diesen Ministerien sowie Lokalpolitikern.[15] Dazu gehörten:

  • der Ex-Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD)
  • der ehemalige bayerische Wirtschafts- und Finanzminister Otto Wiesheu (CSU)
  • die früheren Landesverkehrsminister Franz-Josef Kniola (SPD, NRW), Hartmut Meyer (SPD, Brandenburg), Jürgen Heyer (SPD, Sachsen-Anhalt) sowie
  • der ehemalige bayerische Finanzminister Georg von Waldenfels (CSU).

Eine wichtige Rolle spielte zudem die Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet unter ihrem damaligen Chef Norbert Hansen. Transnet unterstützte als einzige Gewerkschaft im DGB den Privatisierungskurs. Im Mai 2008 wechselte Hansen als Arbeitsdirektor zur Deutschen Bahn. Der neue Bahn-Chef Rüdiger Grube hat inzwischen Otto Wiesheu und Norbert Hansen als Vorstände entlassen.

Quelle: Ulrich Müller/Heidi Klein: Jenseits des öffentlichen Interesses. Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung und gegen den GDL-Streik, aktualisierte Fassung vom 9. Juni 2009, S. 13 ff.

Januar 2014: Eine aktualisierte Übersicht ehemaliger Politiker im Dienste der Deutschen Bahn findet sich auf Spiegel Online.

Lobby-Budget

Laut dem freiwilligem Lobbyregister der EU gab die Deutsche Bahn 2012 nach eigenen Angaben 650.000 Euro für die Lobbyarbeit in Brüssel aus. [16]. Für Deutschland fehlen solche Zahlen, da es kein Lobbyregister gibt.

Fallbeispiele und Kritik

1996: Beeinflussung des Stuttgarter Bürgermeister-Wahlkampfes im Auftrag der Bahn

Die DB Projekt Stuttgart 21 GmbH engagierte 1996 die Lobby-Agentur Burson-Marsteller, um die OB-Kandidaten im Bürgermeister-Wahlkampf zu unterstützen, die Stuttgart 21 befürworteten.[17] Die Agentur sollte zudem für die Projekt GmbH die Meinungsführerschaft in der Debatte um Stuttgart 21 sichern. Es ging also um eine Einflussnahme auf die Wahlentscheidung zugunsten der Deutschen Bahn und deren Großprojekt Stuttgart 21.

Dabei habe die Projekt GmbH als 100-prozentige Tochter der Deutschen Bahn großen Wert darauf gelegt, “daß bei der Außendarstellung die Konzernmutter im Hintergrund bleibt.” So heißt es in einer stichpunktartigen Fallstudie, mit der Burson-Marsteller Ende der 90er Jahre auf ihrer Webseite für die eigene Arbeit warb. Die Fallstudie verschwand 2001 nach einem Relaunch der Webseite wieder – wir haben sie jetzt nochmal ausgegraben.[18] (hier zum Nachlesen als pdf)

Zielgruppe der PR-Kampagne waren sowohl „Top-Entscheider“ in Politik und Wirtschaft als auch die stimmberechtigten Bürger Stuttgarts. Für deren Ansprache wurden Flyer und Werbeanzeigen produziert sowie eine Telefon-Hotline eingerichtet.

Am 10. November 1996 gewann der Stuttgart 21-Befürworter Wolfgang Schuster knapp mit 43,1% der Stimmen vor Rezzo Schlauch mit 39,3% (Wahlbeteiligung 53,9%). Damit errang auch die Deutsche Bahn Sieg gegenüber der erstarkenden Protestbewegung gegen das Bahnhofsprojekt.

Weitere ausführlichere Informationen gibt es bei LobbyControl: "Stuttgart 21: wie die Bahn den Bürgermeister-Wahlkampf 1996 beeinflusste"

Verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn zugunsten der Privatisierung

Während der Auseinandersetzung um die Privatisierung arbeitete die Bahn daran, die privatisierungskritische Stimmung in der Öffentlichkeit zu drehen. Neben TV-Auftritten der Vorstände wurden zahlreiche Redaktionsbesuche bei Leitmedien sowie regionale Presse-Hintergrundgespräche organisiert. Auf kritische Artikel reagierte die Bahn mehrfach mit Anzeigenboykotten. Darüber hinaus ließ die Bahn verdeckte Pro-Privatisierungs-Propaganda durchführen. Mit der verdeckten PR-Arbeit wurde im Jahr 2007 die Lobby-Agentur "European Public Policy Advisers GmbH" (EPPA) beauftragt, die wiederum die Berlinpolis e.V. als Subunternehmer einschaltete. Das Auftragsvolumen der EPPA belief sich auf 1,3 Mio. Euro. Die Vertragsbeziehung mit der EPPA und ihren Subunternehmen wurden bereits 2007 wieder beendet. EPPA ist eine Lobbyagentur, die von Rüdiger May (zeitweiliger Gesellschafter der Berlinpolis GmbH, früherer CDU-Mitarbeiter und Philipp Morrris-Lobbyist) gegründet wurde.

Bei Berlinpolis handelt es sich um eine sogenannte Denkfabrik mit Sitz in Berlin, die im Jahr 2000 gegründet wurde und sich selbst als unabhängig bezeichnet. Neben eigenen Projekten kooperierte Berlinpolis auch mit Kampagnen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). 2007 stieg der Großteil der ehemaligen Gründer aus, übrig blieb ein kleiner Kreis um den Geschäftsführer Daniel Dettling. In der danach zusätzlich gegründeten Berlinpolis GmbH tauchten dann Josef Grendel und Rüdiger May als Gesellschafter auf. Josef Grendel war Kommunikationschef der Deutschen Lufthansa und gründete 1999 die Agentur für strategische Kommunikation "Grendel & Comp.", deren Website die Deutsche Bahn AG als Referenzkunden aufführt. Grendel kennt Hartmut Mehdorn von früheren Tätigkeiten bei Fokker. Rüdiger May war bis 1989 in der CDU-Zentrale tätig, danach arbeitete er als Lobbyist für den Tabakkonzern Philipp Morris. Ende 2008 stiegen Grendel und May bei der Berlinpolis GmbH wieder aus. BerlinPolis löste sich im Mai 2010 auf; der Berlinpolis-Chef Daniel Dettling gründete kurz danach am gleichen Sitz die Denfabrik Re:Public Institut für Zukunftspolitik.

Berlinpolis griff 2007 massiv in die Debatte um die Bahnprivatisierung und den Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ein. Als zentrale Plattform diente eine separate Webseite, die Berlinpolis unter der Bezeichnung www.zukunftmobil.de als angeblich neutrales Informationsportal einrichtete. Berlinpolis veröffentlichte mehrere Meinungsumfragen zur Bahn und zur Bahnprivatisierung, die bahnfreundlich angelegt waren. Daniel Dettling setzte sich auch in Meinungsartikeln und Kommentaren für die Bahnprivatisierung ein.[19] Berlinpolis war weiterhin an Online-Aktivitäten zugunsten der Privatisierung beteiligt. Außerdem wurde eine Konferenz mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Tiefensee sowie "40 Spitzenvertretern aus öffentlichen Institutionen und der Wirtschaft" organisiert[20], was nach eigenen Angaben im Unwissen von Tiefensee geschah. Während der Tarifauseinandersetzung der Bahn mit der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) organisierte Berlinpolis außerdem Umfragen, die darauf angelegt waren, ein günstiges Ergebnis für die Deutsche Bahn zu erhalten. Nach Angaben von Berlinpolis gehörte die Bahn nicht zu den Auftraggebern dieser Umfragen.

Nach Angaben der Bahn und der mit der Untersuchung der verdeckten PR beauftragten KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG (KPMG) war allein der inzwischen entlassene Generalbevollmächtigte Ralf Klein-Bölling für die Vergabe und Abwicklung des Auftrags verantwortlich. Den Untersuchungsbericht der KPMG hat die Bahn nicht offengelegt. Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat im Juli 2009 die Durchführung und Steuerung von Maßnahmen der verdeckten PR in den unterschiedlichen Medien gerügt.[21] Zudem seien offenbar Überlegungen zur verdeckten politischen Kommunikation angestellt worden.

Quelle und weitere Informationen: Ulrich Müller/Heidi Klein: Jenseits des öffentlichen Interesses. Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung und gegen den GDL-Streik, aktualisierte Fassung vom 9. Juni 2009

Beschaffung und Auswertung von Daten über Mitarbeiter

Anfang 2009 geriet die Deutsche Bahn AG in die Schlagzeilen, weil sie mehrfach in großem Umfang die Daten der Beschäftigten und teils ihrer Angehörigen mit denen von Lieferanten abgeglichen hatte.[22] Außerdem hatte die Konzernsicherheit e-mails der Mitarbeiter routinemäßig auf ihre Empfänger und Inhalte überprüft sowie Festplatten und Netzlaufwerke auch mit privaten Dateien durchsucht. Über Detektive hatte sich der Konzern Kontoauszüge und Daten über Kontobewegungen sowie Steuerdaten verschafft. An der Bespitzelungsaktion war der Berliner Recherchedienst Network Deutschland GmbH beteiligt.

Vielen Kritikern des Börsengangs der Bahn ist im System Mehdorn gekündigt worden. Nach Recherchen von Günter Wallraff ist die Kündigung von Gegnern der Bahn-Privatisierung auch mit Material begründet worden, das die Verantwortlichen durch die Ausforschung von Computern der Betroffenen erlangt hatten.[23] In diesem Zusammenhang seien nach Angaben von Betroffenen auch Daten auf Mitarbeitercomputern manipuliert worden. Um die Datenaffäre aufzuklären, beauftragte der Aufsichtsrat im Februar 2009 die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) mit der Untersuchung und setzte die Rechtsanwälte Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum als Sonderermittler ein. Danach wurde Hartmut Mehdorn als Vorstandsvorsitzender durch Rüdiger Grube ersetzt. Auch die Vorstandsmitglieder Norbert Hansen, Otto Wiesheu, Margret Suckale und Norbert Bensel sowie der Leiter der Konzernrevision (Josef Bähr), der Sicherheitschef (Jens Puls) und der Antikorruptionsbeauftragte (Wolfgang Schaupensteiner) mussten ihre Posten räumen.[22]

Der neue Vorstandsvorsitzende Grube versprach den Neustart einer neuen Unternehmenskultur und richtete hierzu das neue Vorstandsressort Compliance, Datenschutz und Recht ein. Das im Oktober 2009 vom Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix verhängte Bußgeld wegen mehrerer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz in Höhe von 1,1 Millionen Euro wurde von der Deutschen Bahn akzeptiert.[24]

Weiterführende Informationen

  • Ulrich Müller/Heidi Klein: Jenseits des öffentlichen Interesses. Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung und gegen den GDL-Streik, aktualisierte Fassung vom 9. Juni 2009 (pdf)


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Pofalla wird Politik-Vorstand der Bahn, Welt Online vom 2.1.2014, zuletzt abgerufen am 2.1.2014
  2. Koalitionsvertrag: In Trippelschritten zu mehr Lobbykontrolle?, LobbyControl-Blog vom 26.11.2013, zuletzt abgerufen am 2.1.2014
  3. Ulrich Müller/Heidi Klein: Jenseits des öffentlichen Interesses die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung und gegen den GDL-Streik, aktualisierte Fassung Kurzstudie Lobbycontroloder vom 9. Juni 2009, Website Lobbycontrol, abgerufen am 20.1.2012
  4. Daniel Kuhr: Lacht der Lokführer, lacht der Chef Bahnvorstand soll ab sofort die Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern im eigenen Portemonnaie spüren, Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar 2012
  5. Der Vorstand der Deutschen Bahn AG Webseite DB, abgerufen am 07.01.2014
  6. Utz Hellmut Feucht: Ramsauer-Vertrauter wird Bahn-Aufsichtsratschef, Der Tagesspiegel vom 7. März 2010
  7. Bahnaufsichtsrat Prof. Knut Lösche spricht am 20.01. über seine Zweifel am Klimawandel der Friedrich von Hayek-Club Passau lädt am Freitag, 20.1 zu einem Vortrag mit Knut Löschke Website passaulive, abgerufen am 21.01.2012
  8. Mitglieder des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG Webseite DB, abgerufen am 19.06.2014
  9. BahnBeirat Webseite DB, abgerufen am 07.01.2014
  10. Geschäftsbericht 2006 der Deutsche Bahn AG, S. 7.
  11. Bundeskabinett Teile der Bahn werden privatisiert, Süddeutsche Zeitung vom 30. April 2008
  12. Daniela Kuhr: Lacht der Lokführer, lacht der Chef, Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar 2010
  13. Mehdorns Zirkel, Berliner Zeitung Online vom 20.08.2010, zuletzt abgerufen am 2.01.2014
  14. Pofalla wird Politik-Vorstand der Bahn, Welt Online vom 2.1.2014, zuletzt abgerufen am 2.1.2014
  15. Frontal 21 vom 25.9.2007: Mehdorns Lobbyisten-Netzwerk. Online ist nur noch die Pressemitteilung zu der Sendung aufzufinden.
  16. Eintrag ins EU-Lobbyregister, abgerufen am 2.1.2014. Für 2010 hatte die Bahn 613.000 Euro angegeben (gleiche Quelle am 23.4.2012).
  17. Stuttgart 21: wie die Bahn den Bürgermeister-Wahlkampf 1996 beeinflusste, lobbycontrol.de vom 26.09.2012, abgerufen a 26.09.2012
  18. Fallstudie: DB Projekt Stuttgart 21, burson-marsteller.de, abgerufen über archive.org am 26.09.2012
  19. Daniel Dettling: Geliebter, gehasster Staat, Tagesspiegel vom 28.05.2007, Website Tagesspiegel, abgerufen am 31.07.13
  20. mm1 Consulting & Management: Pressemitteilung vom 30.11.2007, Website mm1-consulting, abgerufen am 30.07.13
  21. LobbyControl: PR-Rat rügt EPPA GmbH und Deutsche Bahn, 7. Juli 2009
  22. 22,0 22,1 Susanne Amann: Neuer Bahn-Chef Grube beendet das System Mehdorn, Der Spiegel vom 13. Mai 2009, Website Spiegel, abgerufen am 2. 2. 2012
  23. Günter Wallraff: In Mehdorns Diensten Mitarbeiter der Bahn berichten, wie der Sicherheitsapperat ihres Konzerns sie ausspioniert und drangsaliert habe, Die ZEIT vom 13. Mai 2009, Website ZEIT, abgerufen am 2. 2. 2002
  24. Carsten Brönstrup: Deutsche Bahn Schnüffelei kostet 1,1 Millionen Euro, Der Tagesspiegel vom 24. Oktober 2009

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