Bertelsmann Stiftung
Bertelsmann Stiftung | |
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Rechtsform | Stiftung des privaten Rechts |
Tätigkeitsbereich | Bildungswesen, Gesundheitswesen, Demographische Entwicklung, Arbeits- und Sozialpolitik |
Gründungsdatum | 1977 |
Hauptsitz | Carl-Bertelsmann-Str. 256, 33311 Gütersloh |
Lobbybüro | Unter den Linden 1, Berlin |
Lobbybüro EU | Résidence Palace, Rue de la Loi 155, B-1040 Brüssel |
Webadresse | bertelsmann-stiftung.de |
Die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung ist eine einflussreiche Denkfabrik, die in ihrer Anfangszeit die Privatisierung von staatlichen Bereichen und die Förderung des Wettbewerbs auf allen Ebenen propagiert hat. Ihr satzungsgemäßer Zweck ist die Förderung der Wissenschaft und Forschung, der Religion, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Jugend- und Altenhilfe, der Kunst und Kultur, der Volks- und Berufsausbildung, des Wohlfahrtswesens, der internationalen Gesinnung, des demokratischen Staatswesens, des Verbraucherschutzes und des bürgerschaftlichen Engagements. Mit ihren Projekten, Studien und Veranstaltungen will sie Debatten anregen und Impulse für gesellschaftliche Veränderungen geben. Gemeinnützige Arbeit und nachhaltige Wirkung seien die Grundlagen ihres Handelns.[1]
Die Stiftung ist Haupteigentümerin der Bertelsmann SE. Zwar sind die Stiftung und die Bertelsmann SE zwei formal getrennte Einheiten, faktisch sind sie jedoch über Aktienbesitz und zentrale Personen miteinander verflochten und werden beide von der Unternehmerfamilie Mohn kontrolliert. Mitglieder des Kuratoriums sind die Gesellschafter der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH, deren Aufgaben die Wahrung der Kontinuität der Unternehmensführung der Bertelsmann SE sowie die Wahrnehmung der Aktionärsinteressen der gemeinnützigen Bertelsmann Stiftung und der Familie Mohn sind.[2]
Inhaltsverzeichnis
- 1 Lobbystrategien und Einfluss
- 2 Aktivitäten: Programme, Projekte und Veranstaltungen
- 3 Schwester- und Tochterorganisationen
- 4 Verbindungen und Netzwerke
- 5 Fallbeispiele und Kritik
- 6 Organisationsstruktur und Personal
- 7 Finanzen
- 8 Geschichte
- 9 Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
- 10 Einzelnachweise
Lobbystrategien und Einfluss
Die Stiftung möchte die Gesellschaft nach den Ideen Reinhard Mohns (†2009) gestalten bzw. umgestalten. Die Grundannahme Reinhard Mohns war, dass wirtschaftliche Effizienz und Gemeinschaftssinn nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern beides zugleich stattfinden kann. Er ging davon aus, dass der Aufstieg von Bertelsmann zu einem weltweiten Medienkonzern diesem Prinzip zu verdanken sei. Praktisch möchte er dieses Prinzip in die Gesellschaft, in Staat und Politik, tragen. Es äußert sich in der Vorgabe des Leitbildes der Bertelsmann Stiftung: der Förderung von Wettbewerb und bürgerschaftlicher Betätigung. Die Stiftung fördert dabei nur selbst definierte Projekte. Sie vergibt keine Stipendien und unterstützt auch keine Projekte Dritter, die sich an die Stiftung wenden. Seit ihrem Bestehen hat die Bertelsmann Stiftung rund 1,2 Mrd. Euro für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt.[3] Sie arbeitet in den Themenbereichen Bildung, Schule und Universitäten; Gesundheitspolitik; Demographische Entwicklung; Arbeits- und Sozialpolitik; Außen- und Sicherheitspolitik. Unter anderem durch Studien und stiftungsnahe Organisationen nimmt sie Einfluss auf den öffentlichen Diskurs.
Instrumente
Über verschiedenste Mittel versucht die Bertelsmann Stiftung Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. Reinhard Mohn war überzeugt, dass man den Erfolg und die Effizienz jeder Organisation objektiv messen kann. So werden im Auftrag der Stiftung regelmäßig Rankings erstellt, bei der Institutionen im Sinne der von der Studie vertretenen Positionen bewertet werden. Bekannt sind zum Beispiel der "Bertelsmann Transformation Index",[4] der zweijährlich die Transformation von Staaten hin zu Demokratie und Marktwirtschaft messen soll; das „Projektbüro Benchmarking“, welches 1999 die dänische, niederländische und britische Arbeitsmarktpolitik als „Benchmark“ bezeichnete und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe forderte[5] oder das CHE Hochschulranking.
Durch verschiedene Projekte wirkt die Stiftung regelmäßig öffentlichkeitswirksam auf Debatten ein. Dies gelingt zum Beispiel durch die zahlreichen Studien, die durch die Stiftung oder von ihr beauftragten Instituten veröffentlicht werden und immer wieder Teil der Medienberichterstattung sind. Darüber hinaus werden auch eigene Kampagnen direkt initiiert, wie etwa "Du bist Deutschland"[6] 2005 oder "Unternehmen für die Region" 2007.
Des Weiteren wird der direkte Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern gesucht, etwa auf Seminaren wie dem International Bertelsmann Forum oder der jährlich stattfindenden Bertelsmann Party. In einem Papier der Stiftung heißt es: "Sie [die Bertelsmann Stiftung] soll aber darüber hinaus ihre Fähigkeit ausbauen, politische Entscheidungsträger direkt zu beraten"[7]
Aktivitäten: Programme, Projekte und Veranstaltungen
Programme
Es gibt die folgenden Programme:
- Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft. Hierzu gehört das Projekt „Bertelsmann Transformationsindex (BIT)“. Seit 2004 analysiert und bewertet der BIT der Bertelsmann Stiftung regelmäßig die Qualität von Demokratie, Marktwirtschaft und Regierungsführung in 137 Entwicklungs- und Transformationsländern. Grundlage für die Bewertung sind über 5.000 Seiten an detaillierten Länderberichten, die in Zusammenarbeit mit mehr als 280 Experten führender Universitäten und Think Tanks in über 120 Ländern erstellt werden.[8]
- Bildung und Next Generation
- Demokratie und Zusammenhalt
- Europas Zukunft
- Digitalisierung und Gemeinwohl
- Gesundheit
- Zentrum für Nachhaltige Kommunen
Projekte
Die Projekte sind hier abrufbar.
Veranstaltungen
Die Veranstaltungen sind hier abrufbar
Schwester- und Tochterorganisationen
Schwester- und Tochterorganisationen sind:
- Bertelsmann Foundation North America. Sie dient als Brücke zwischen Europa und Amerika, indem sie Best-Practice-Beispiele aus der Außen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks aufzeigt.
- CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Das CHE versteht sich als international ausgerichteter Think Tank mit Schwerpunkt auf dem deutschen und europäischen Hochschulwesen. Ein Projekt ist das CHE Hochschulranking zu Studium, Lehre, Ausstattung und Forschung. Gesellschafter des CHE sind die Bertelsmann Stiftung und die Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
- Founders Foundation. Sie bildet die nächste Generation erfolgreicher Gründer:innen aus.
- Fundación Bertelsmann. Sie zielt darauf ab, die Berufschancen für Jugendliche zu verbessern und die duale Ausbildung zu fördern.
- Liz Mohn Center. Das LMC möchte durch Veranstaltungen und begleitende Studien die Qualität von Führung in Politik, Wirtschaft und Kultur fördern.
- Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung
- PHINEO. PHINEO unterstützt gemeinnützige Organisationen, Unternehmen und Philantrop:innen dabei, ihre Ziele besser zu erreichen.
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Reinhard- Mohn-Institut für Unternehmensführung
- Reinhard Mohn Stiftung. Sie will die Bildungschancen von Kindern in Ostwestfalen-Lippe verbessern.
- Zentrum für digitale Bildung und Schule im Kreis Gütersloh
Verbindungen und Netzwerke
Mitgliedschaften
Die Bertelsmann Stiftung ist Mitglied der folgenden Organisationen (Auszug):
- Bundesinitiative Impact Investing
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
- Bundesverband Deutscher Stiftungen
- Bundesverband Managed Care
- Centre for European Policy Studies (CEPS)
- Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
- Philantrophy Europe Association
- European Policy Centre
- Friends of Europe
- Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland
- Strategischer Dialog des Auswärtigen Amtes mit privaten Stiftungen
- European Foundation Centre
- European Internet Forum
- European League for Economic Cooperation
Persönliche Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Bertelsmann
Name | Partei | Funktion |
Jürgen Stark | ehem. Direktoriumsmitglied der EZB, 2012-2020 Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung, Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), Kuratoriumsmitglied der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung | |
Tim Arnold | CDU | ehem. Leiter der Hauptstadtvertretung des Landes NRW, zuvor Bertelsmann-Manager; seit 2011 Lobbyist für die ProSiebenSat.1 Group, danach Berater bei Oliver Wyman |
Philipp Rösler | FDP | ehem. Gesundheitsminister (2009-2011), ehem. Vizekanzler, Wirtschaftsminister und Bundesvorsitzender der FDP (2011-2013), ehem. Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung World Economic Forum (2014-2017), Chef der Hainan Cihang Charity Foundation (seit 2017), 2018-2022 Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung, CEO und Gründer der Consessor AG |
Franziska Brantner | Bündnis 90/Die Grünen | seit 2021 Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Mitglied des Bundestages, zuvor Mitglied des EU-Parlaments, davor Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung |
Elmar Brok | CDU | bis 2019 Mitglied des EU-Parlaments, ehem. Berater des Bertelsmann-Konzerns, galt in Brüssel als Mr. Bertelsmann |
Caio Koch-Weser | Berater der Deutschen Bank, ehem. hochrangiger Finanzbeamter, ehem. Mitglied im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung | |
Thomas Fischer | zwischen 2000-2014 für Bertelsmann Stiftung tätig, ehem. Leiter des Bertelsmann-Büros in Brüssel, seit 2014 beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten und Gesellschaftspolitik tätig.[9] |
Verknüpfung mit den Öffentlich-Rechtlichen Sendern
Name | Funktion | |
Klaus-Peter Siegloch | ehem. stellv. Chefredakteur des ZDF und Moderator des "heute-journals" | ehem. Mitglied im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung, ehem. Präsident des Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) (2011-2016) |
Dieter Stolte | ehem. ZDF-Intendant |
ehem. Mitglied im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung, Mitglied der Jury des Carl-Bertelsmann-Preises. |
Fallbeispiele und Kritik
Bertelsmann befürwortet EU-USA-Freihandelsabkommen
Die Bertelsmann Stiftung startete 2014 die "TTIP Roadshow",[11] eine Werbetour für das Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA in den USA. In mehreren US-amerikanischen Städten wurden dabei Veranstaltungen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft organisiert, die vor Ort die Meinungen über das Freihandelsabkommen positiv beeinflussen sollten.[12] Finanziert und beauftragt wurde die Tour von der EU-Kommission.
2013 beauftragte die Stiftung das ifo Institut zur Erstellung einer Studie über die Folgen eines möglichen transatlantische Freihandelsabkommen. Die Studie kommt im Teil 1 zu dem Ergebnis, dass die USA und die EU - durch eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und mögliche neue Arbeitsplätze - davon profitieren würden. Dem gegenüber stünden reale Einkommens- und Beschäftigungsverluste im Rest der Welt. Vor allem würden "Handelshemmnisse" wie Qualitätsstandards, Verpackungs- und Bezeichnungsvorschriften, Herkunftsangaben sowie technische oder rechtliche Anforderungen an importierte Produkte mit dem Freihandelsabkommen abgeschafft werden.[13]
Jens Berger von Nachdenkseiten bewertet Teil 1 der Studie wie folgt:"Was im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung da von Hans-Werner Sinns ifo-Institut zusammengeschrieben wurde, hat mit der 'sehr guten bis exzellenten Leistungen in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung', die dem ifo-Institut von der Leibniz-Gesellschaft attestiert werden, nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen fortgeschrittenen Fall von Scharlatanerie, dessen Aussagekraft gegen Null geht."[14]
Teil 2 der Studie kommt zu dem Ergebnis, dass alle Bundesländer, Branchen und Einkommensgruppen vom TTIP profitieren und dass 160.000 neue Arbeitsplätze entstehen würden. Der MDR zitiert in einem Bericht den Deutschen Lehrerverband, der den Vorwurf erhebt, dass auch die Bildungsstudien der Stiftung tendenziös seien.[15]
Bei anderen internationalen Wirtschaftsverhandlungen, wie denen zum Dienstleistungsabkommen TISA, hat die Stiftung sogar direkten Zugang. Die ehemalige EU-Komissarin Viviane Reding ist im Europäischen Parlament als Berichterstatterin für TISA zuständig. Seit Ende 2014 ist sie Mitglied im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung
TTIP und TISA betreffen wichtige Geschäftsbereiche des Bertelsmann-Konzerns, sowohl in den USA als auch in der EU. Als möglicher Nutznießer der Abkommen verletzt die Stiftung ihren eigenen Grundsatz, nicht zu Handlungs- und Geschäftsfeldern des Konzerns zu arbeiten. LobbyControl forderte Bertelsmann daher auf, Werbung für das Freihandelskommen einzustellen.[16]
Deregulierung für das Privatfernsehen
In den neunziger Jahren hatte sich die Stiftung verstärkt dafür eingesetzt, dass Aufsichtsbehörden über das Privatfernsehen abgeschafft werden. Das Kartellamt sei ausreichend, um Wettbewerb zu gewährleisten. Zugleich entwickelte sich die RTL-Gruppe zum Gewinngaranten der Bertelsmann AG.[17] Mittel der Bertelsmann Stiftung war in diesem Fall die Studie "Kommunikationsordnung 2000", die im Januar 1997 vorgestellt wurde. Die Studie empfiehlt: Die sektorspezifischen Eingriffe sollen durch allgemeine Wettbewerbs- und Selbstkontrolle in den Bereichen Telekommunikation und Medien abgelöst werden, die Nutzer ihre wachsende Entscheidungsfreiheit in kompetenter Eigenverantwortung wahrnehmen.[18]
Ausbau der Dritten Säule der EU
Die Bertelsmann-Stiftung hat sich auch für den Ausbau der Dritten Säule der EU, der polizeilich-justiziellen Zusammenarbeit, eingesetzt. In einem Auftragsgutachten von Jörg Monar vom Sussex European Institute (SEI) für die Bertelsmann-Stiftung schlägt dieser den Aufbau von Europol zu einem europäischen FBI vor. Desweiteren befürwortet er den Ausbau des europäischen Geheimdienstes SitCen, welche bis jetzt nur eine Analysten-Gruppe des Rates ohne selbständigen Status und Infrastruktur sei, zu einem europäischen Geheimdienst.[19] In einem Artikel on des von der Bertelsmann-Stiftung herausgegebenen Magazins Spotlight Europe wird der Ausbau von Europol und Eurojust mit dem Blick auf den Mernschenhandel befürwortet.[20] So wird dort auch die im Stockholmer Programm beschlossene engere Zusammenarbeit der EU mit Drittstaaten als Nützlich für die Bekämpfung des Menschenhandels angesehen. Das Stockholm-Programm stieß nach seiner Verabschiedung auf massiven Protest von Bürgerrechtlern.[21]
Kritik an Bertelsmanns Status der Gemeinnützigkeit
Die Bertelsmann Stiftung gilt offiziell als "gemeinnützig" und genießt dadurch Steuervergünstigungen. Die Juristen Lindner, Krämer, Priehn stellen in einer Expertise 2009[22] die Gemeinnützigkeit der Bertelsmann Stiftung in Frage. Sie fragen, ob der Tatbestand der Gemeinnützigkeit iSv. §§ 52 ff. Abgabenordnung (AO) erfüllt ist:
- Die Bertelsmann Satzung lässt entgegen der Rechtsprechung des BFH nicht erkennen, dass die Stiftung ausschließlich selbstlose steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.
- Die Satzung enthält eine Art "Änderungsvorbehalt". Der Stiftungszweck ist de facto nach dem Stifterwillen beliebig änder- und erweiterbar. Das steht im Widerspruch zu §§ 52, 60 AO.
- Zwischen der Bertelsmann Stiftung und der Bertelsmann AG sowie deren Tochterunternehmen bestehen vielfältige personelle Verflechtungen. Diese Gemengelage widerspricht dem Ausschließlichkeitsgebot § 56 AO, demnach eine Stiftung nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgen darf.
- Insbesondere die Dienstleistungen der Politikberatung zugunsten der Bertelsmann AG und deren Tochtergesellschaften sind in der Stiftungssatzung nicht einmal im Ansatz erwähnt. Es ist sichtbar, dass deren angestrebte Ziele gerade nicht "selbstlos" iSv. § 55 AO sind und darum nicht der Allgemeinheit dienen, sondern dem Stifter, seiner Familie und dem Konzern durch die Steuerersparnis für privatnützliche politische Aktivitäten zugute kommen.
Das Ergebnis der Expertise ist, dass es sich um eine sog. politische Stiftung handelt, die nicht gemeinnützig ist. Die Förderung politischer Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien, Marktuntersuchungen für die zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Unternehmungen und dergleichen) ist kein gemeinnütziger Zweck.
Lobbyisten in Ministerien
Die Bertelsmann-Stiftung hatte eine ihrer leitenden Mitarbeiterinnen im Gesundheitsministerium, wo diese u.a. durch die Erstellung von Redeentwürfen für die Ministerin inhaltlich tätig werden konnte:
Zeitraum | 26.02.2007 - 15.08.2007[23], danach 50 variable Arbeitstage[24] vom 01.09.2007 – 31.08.2008[25] |
Mitarbeiter | Sophia Schlette[24], Projekt- und Teamleiterin "Gesundheitspolitik" bei Projekten zu integrierter Vollversorgung und Prävention, Teilnehmerin des Personaltauschprogramms "Seitenwechsel"[25], Kenntnisse und Kontakte bezügl. US-Gesundheitssystem[23] |
Bearbeitete Themen | Hospitation und Beratung im Bereich Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik und Gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesundheitswesens; Vorbereitung und Durchführung von Konferenzen und einer USA-Reise der Ministerin, dabei Erstellung von Redeentwürfen[23] |
Das Innenministerium konkretisierte im Mai 2008 die Tätigkeiten der Mitarbeiterin wie folgt:
- Mitwirkung an Vorbereitung und Durchführung einer internationalen Konferenz des BMG zum Thema AIDS in Bremen im März 2007;
- Beteiligung an der Vorbereitung des sog. informellen Gesundheitsministerrats in Aachen im April 2007;
- Mitarbeit an Vorbereitung und Durchführung von Reisen der Bundesministerin Ulla Schmidt; in Abstimmung mit den Fachreferaten Entwicklung von Bausteinen für Redeentwürfe;
- Mitwirkung an Vorbereitung einer Reise der Bundesministerin nach Kalifornien im Juli 2007, (nicht 2006 wie bei Adamek/Otto angegeben), und anschließende Begleitung der Delegation.[23] Laut Adamek/Otto diente eine Reise zur Information über ein privates, amerikanisches Gesundheitsversorgungs-Modell („Kaiser Permanente“)[24]
- Vorbereitung und Durchführung von Fachveranstaltungen im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft[26]
Organisationsstruktur und Personal
Die Stiftung beschäftigt rund 350 Mitarbeiter. Davon sind 185 im konkreten Projektmanagement tätig.[27]
Vorstand
Mitglieder des hier abrufbaren Vorstands sind:.
- Ralph Heck (Vorsitzender), ehem. Partner und Senior Director bei McKinsey, Stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrats von Klöckner & Co. SE und Mitglied des Beirats der Würth-Gruppe.
- Brigitte Mohn (Stellv. Vorsitzende)
- Daniela Schwarzer (Stellv. Vorsitzende), ehem. Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Mitglied der von der französischen und deutschen Regierung ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe zur Reform der EU, Mitglied des Aufsichtsrats von BNP Paribas und Covivio, Mitglied im Beirat des European Council on Foreign Relations (ECFR) und des Jacques Delors Instituts.
Kuratorium
Das Kuratorium ist ein Beratungs- und Kontrollorgan, ähnlich einem Aufsichtsrat. Die personelle Verflechtung des Kuratoriums mit dem Aufsichtsrat, dem Stifter Reinhard Mohn und seinen Nachfolgern als auch seiner Frau Liz Mohn ist in § 13 der Satzung der Bertelsmann Stiftung festgeschrieben. Mitglieder des Kuratoriums sind die Gesellschafter der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH, deren Aufgaben die Wahrung der Kontinuität der Unternehmensführung der Bertelsmann SE & Co. KGaA sowie die Wahrnehmung der Aktionärsinteressen der gemeinnützigen Bertelsmann Stiftung und der Familie Mohn sind.
Name | Verbindung |
Werner J. Bauer (Vorsitzender) |
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Liz Mohn (stellv. Vorsitzende) |
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Wolf Bauer |
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Carsten Coesfeld |
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Thomas Coesfeld |
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Saori Dubourg |
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Arancha Gonsález Laya |
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Christoph Mohn |
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Carolina Müller-Möhl |
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Andreas Pinkwart |
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Bodo Uebber |
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(Stand: August 2023)[29]
Ehemalige Mitglieder des Kuratoriums:
- Philipp Rösler, CEO und Gründer der Consessor AG, ehem. Bundesvorsitzender der FDP, ehem. Gesundheitsminister
- Klaus-Peter Siegloch, ehem. ZDF-Journalist, seit Juni 2011 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
- Caio Koch-Weser, Berater der Deutschen Bank, ehem. hochrangiger Finanzbeamter
- Guido Westerwelle (†2016), Bundesaußenminister a.D, ehem. FDP-Politiker
- Wulf H. Bernotat (†2017), Bernotat & Cie., ehem. Gesellschafter und Vorstandsvorsitzender E.ON AG, Unterzeichner des "Energiepolitischen Appells" zur Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke
Finanzen
Die Bertelsmann Stiftung finanziert ihre Projektarbeit im Wesentlichen aus den Erträgen der mittelbaren Beteiligung an der Bertelsmann SE.[30] Im Geschäftsjahr 2022 hat sie aus dieser Beteiligung 157,0 Mio. Euro erhalten. Darüber hinaus flossen weitere Mittel aus Kooperationen, der Verwaltung ihres Vermögens sowie sonstige Erträge in Höhe von 1,6 Mio. Euro zu. Insgesamt standen damit im Geschäftsjahr 2022 für die Projektarbeit 158,7 Mio. Euro zur Verfügung. Die jährliche Dividenden-Zahlung an die Stiftung ist steuerfrei.[5]
Geschichte
Der Unternehmenspatriarch des Bertelsmann Konzerns Reinhard Mohn gründete 1977 die Bertelsmann Stiftung. Er übereignete im Jahr 1993 die Mehrheit des Aktienkapitals der Bertelsmann AG an die Stiftung. Dadurch sparte Mohn seiner Frau Liz Mohn und seinen Kindern Christoph und Brigitte gut zwei Milliarden Euro Erbschafts- oder Schenkungssteuer.[5] Ein weiterer Vorteil dieses Konstruktes ist, dass der Konzern nicht an Dritte verkauft werden kann, sondern - vermittelt durch die Bertelsmann Stiftung und weitere rechtliche Konstruktionen - in Händen der Familie Mohn bleibt.
Mithilfe der Stiftung sollen die Ideen Reinhard Mohns' in die deutsche Gesellschaft getragen werden. Die Bertelsmann Stiftung tritt für mehr Wettbewerb und mehr Effizienz innerhalb des staatlichen Bereichs, wie dem Hochschulwesen oder dem Gesundheitsbereich, ein. Zugleich setzt sich die Stiftung für mehr privates bürgerschaftliches Engagement ein.
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
Einzelnachweise
- ↑ Die Bertelsmann Stiftung 2022, in: Jahresbericht 2022
- ↑ Aktionäre, bertelsmann.de, abgerufen am 12.08.2023
- ↑ Jahresbericht Bertelsmann Stiftung abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Webseite des BTI
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Macht ohne Mandat Der Tagesspiegel vom 25.09.2006, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Ab heute bist Du Deutschland LobbyControl vom 26.09.2005, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Reformbilanz: 25 Jahre Bertelsmann Stiftung. Gütersloh März 2002, S. 26.
- ↑ Trend zu autoritärem Regieren hält an - Demokratie weltweit unter Druck, bti-project.org, abgerufen am 12.08.2023
- ↑ Fischer ist Abteilungsleiter beim DGB Webseite politik&kommunikation, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Elmar Brok(CDU): EU-Parlaments-Lobbyist bei Bertelsmann www.uebergebuehr.de, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Bertelsmann Foundation Receives EU Grant for "TTIP Roadshow", http://www.bfna.org, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ TIP Town Halls in Alabama: Free Trade in the Land of Dixie, http://www.bfna.org, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, abgerufen am 27.08.2015]
- ↑ Freihandelsstudie – Scharlatanerie im pseudowissenschaftlichen Gewand nachdenkseiten vom 18. Juni 2013, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Eigeninteresse oder Wissenschaft?, MDR info, 4. Oktober 2014, zuletzt angerufen am 17.05.2017
- ↑ Aktion: TTIP-Werbung der Bertelsmann-Stiftung stoppen,LobbyControl, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Mit Liz und Tücke Der Spiegel vom 16.08.2010, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Bertelsmann Stiftung: Studie zur Kommunikationsordnung 2010 golem.de vom 31.10.2000, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ Braucht die Europäische Union ein ‚European Bureau of Investigation’ (EBI) und eine‚European Intelligence Agency’ (EIA)?" Prof. Dr. Dr. Jörg Monar, Sussex European Institute (SEI), University of Sussex, 19.05.2005 (pdf-Datei)
- ↑ Europas Kampf gegen den Menschenhandel Spotlight Europe, 09/2010
- ↑ Widerstand gegen das „Stockholm-Programm” Aufruf des des Bündnisses europäischer Bürgerrechtsgruppen ecln.org von 2009
- ↑ Eine Expertise unabhängiger Juristen Neue Rheinische Zeitung - Online-Flyer Nr. 183 vom 04.02.2009, abgerufen am 17.05.2017
- ↑ 23,0 23,1 23,2 23,3 Antwort der Bundesregierung (pdf) auf schriftliche Fragen von Gesine Lötzsch (Grüne) zum Einsatz externer Mitarbeiter vom 23.05.2008, S. 20
- ↑ 24,0 24,1 24,2 Adamek, Sascha/ Otto,Kim (2008): Der gekaufte Staat. Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch, S. 118- 121.
- ↑ 25,0 25,1 Bundesministerium des Innern: Erster Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung (pdf), Berichtszeitraum 01. Januar 2008 – 31. August 2008, Stand 29.09.2008, letzter Zugriff 17.05.2017
- ↑ Schriftliche Stellungnahme der Bertelsmann Stiftung auf Anfrage von LobbyControl
- ↑ Webseite Bertelsmann Stiftung - Unsere Experten Webseite Bertelsmann-Stiftung abgerufen am 26.02.2016
- ↑ Uni Siegen, uni-siegen.de, abgerufen am 11.08.2023
- ↑ Organisation Webseite Bertelsmann-Stiftung, abgerufen am 11.08.2023
- ↑ Jahresbericht 2022 der Bertelsmann Stiftung