Intergroups

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Intergroups (dt.: Interfraktionelle Arbeitsgruppen) sind informelle Arbeitsgruppen im Europäischen Parlament. Sie werden von Abgeordneten fraktions- und parteiübergreifend zu einer bestimmten Thematik gebildet - sind jedoch keine Organe des Parlaments und können auch nicht in dessen Namen sprechen.
An den Treffen von Intergroups nehmen neben den Abgeordneten Vertreter von Unternehmen, Organisationen und Verbänden teil - zum informellen Austausch.
Es ist zu unterscheiden zwischen offiziellen, beim EU-Parlament registrierten Intergroups und inoffiziellen, nicht-registrierten Intergroups.

Veranstaltungen und Aktivitäten der Gruppen werden im Falle von nicht-registrierten Intergroups häufig vollständig, bei registrierten teilweise von den beteiligten Lobbyakteuren finanziert. Kritiker betrachten daher Intergroups oftmals als Vehikel um Lobbyinteressen ins EU-Parlament zu tragen.

Kurzdarstellung und Geschichte

Die Möglichkeiten und Bedingungen zur Bildung von Intergroups sind von der Konferenz der Präsidenten am 16. Dezember 1999 geschaffen worden (und wurden zuletzt am 14. Februar 2008 geändert). Dabei wurde festgelegt, unter welchen Bedingungen Intergroups zu Beginn jeder Wahlperiode gebildet werden können, welchen Zweck diese verfolgen und wie sie in ihren Tätigkeiten ausgestaltet sind.[1] An der Konferenz nehmen neben dem jeweiligen Präsidenten bzw. der jeweiligen Präsidentin des Europäischen Parlaments sämtliche Fraktionsvorsitzende des Parlaments, sowie der Generalsekretär des Rates der Europäischen Union und diverse andere Repräsentanten der EU teil.[2]

Die Zahl der Intergroups variiert in jeder Legislaturperiode. Derzeit gibt das Europäische Parlament die Zahl der Intergroups auf einer veröffentlichten Liste mit 27 an (Stand: April 2014).[3]

Beispiele Registrierte Intergroups:
Climate change, biodiversity and sustainable development
New media
Sky and Space
Trade Union
Water

Quelle: [3]

Allerdings erfasst die Liste nur registrierte Intergroups. Die lobbykritische Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory geht von mindestens 15 nicht registrierten Intergroups in Brüssel aus, schätzt jedoch, dass die tatsächliche Zahl solcher Intergroups noch höher liegt.[4] Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass sich nicht jede Arbeitsgruppe, in der Abgeordnete verschiedener Fraktionen mit Wirtschaftsvertetern und -lobbyisten informell zusammensitzen, auch offiziell als Intergroup beim Europäischen Parlament registrieren muss. Die diesbezüglichen Regelungen sind nur unzureichend konkretisiert und bieten ausreichend Schlupflöcher. Aus diesem Grund existiert momentan eine faktisch unüberschaubare Zahl an Intergroups.[5]

Beispiele Nicht registrierte Intergroups: dt.
European Parliamentary Financial Services Forum EPFSF Finanzdienstleistungen
European Internet Foundation EIF
European Energy Forum EEF Europäisches Energieforum
European Parliament Ceramics Forum
Forum for the Automobile and Society FAS Forum Automobil und Gesellschaft
Forum in the European Parliament for Construction FOCOPE
Kangaroo Group
Knowledge 4 Information Forum of the European Parliament Wissen für Innovation
Rail Forum Europe
Transatlantic Policy Network TPN

Intergroups, welche nicht beim Europäischen Parlament registriert sind, unterliegen nicht den Vorgaben des EU-Parlaments und sind deshalb nicht verpflichtet, ihre finanziellen Interessen offenzulegen. Auf den Websites inoffizieller Intergroups werden nur in den seltensten Fällen Angaben über Finanzierung und Ausgaben der Gruppenaktivitäten gemacht.

Dadurch ist keine Transparenz gewährleistet und mögliche finanzielle Vorteilnahmen durch politische Entscheidungsträger über solche Gruppen bzw. sonstige materielle Beeinflussungen kann kaum effektiv kontrolliert werden.

Organisationsstruktur und Arbeitsweise

Um eine offizielle, beim EU-Parlament registrierte Intergroup zu bilden, bedarf es der Unterschriften von Parlamentarier/-innen aus mindestens drei verschiedenen Fraktionen des Parlaments. Dabei ist die Anzahl der jeweiligen Fraktionsabgeordneten, welche zur Gründung einer Intergroup nötig sind, abhängig von einem festgelegten Zusammensetzungsschlüssel, der die Größe der Parlamentsfraktionen berücksichtigt. Es gibt keine verbindliche oder einheitliche Organisationsstruktur für offizielle Intergroups. Sie müssen jedoch über eineN VorsitzendeN verfügen und ihre finanziellen Zuwendungen öffentlich machen. Intergoups tagen in der Regel während der Sitzungsperioden des Europäischen Parlaments, dürfen jedoch, da sie keine offiziellen Organe des Parlaments sind, keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen oder den Eindruck erwecken, sie würden im Namen des Europäischen Parlaments sprechen.[3]

Finanzen

Intergroups finanzieren sich häufig durch eine Mischung aus Geldmitteln, die sich aus EU-Förderprogrammen, Stiftungen oder Mittelzuflüssen durch Spenden und Organisationen zusammensetzen.[6] Offizielle Intergroups erhalten auch Unterstützung durch das Europäische Parlament, indem es den verschiedenen Intergroups Konferenzräume zur Verfügung stellt oder die Fraktionen Übersetzer bereitstellen. Inoffizielle Intergroups erhalten keine derartige Unterstützung. Wobei es in den vergangenen Jahren mit der Kangaroo-Group eine nicht-registrierte Intergroup geschafft hatte, ihr Büro eine Zeit lang im Europäischen Parlament unterzubringen (siehe Beispiele).

Die Finanzierung der einzelnen Intergroups ist zum Teil sehr undurchsichtig. Zwar muss jede Intergroup eine regelmäßig zu aktualisierende Erklärung über finanzielle Interessen beim Präsidenten des Europäischen Parlaments einreichen, welche sodann veröffentlicht wird - doch erstens ist unklar, ob diese vollständig sind. Zweitens, und hier liegt das größere Problem, finden sich die inoffiziellen Gruppen in dieser Liste über Zahl und Namen aktueller Intergroups nicht wieder.[3]

Einflussnahme und Lobbystrategien

Ein typischer Weg der Einflussnahme von Unternehmen und Verbänden auf politische Akteure erfolgt über Veranstaltungen, welche im Rahmen der Intergroups organisiert werden - sogenannte Arbeitsfrühstücke, Mittagessen inklusive Expertenvorträgen, Abendessen samt Themendebatten, Cocktailabende, Exkursionen oder Weiterbildungsseminare für Mitarbeiter der EU-Abgeordneten. Die Kosten dieser Veranstaltungen tragen die Unternehmen und Verbände.[4]

Weitere Zuwendungen, die auf eine gewisse Abhängigkeit der Gruppen von ihren Spendern hindeuten, sind zum Beispiel Räumlichkeiten und Sekretariate, die von Verbänden und anderen Lobbyakteuren zur Verfügung gestellt werden.

Im Folgenden werden einige Beispiele solcher Zuwendungen sowohl bei registrierten als auch bei unregistrierten Intergroups aufgeführt.

Beispiele

  • Die Kangaroo-Group ist eine inoffizielle Intergroup, zu deren Mitgliedern ca. 50 Großkonzerne gehören, u.a. Goldman Sachs, Philip Morris, Deutsche Bank, Volvo, Deutsche Telekom, ebay und BP. Bis zum Januar 2012 hatte die Kangaroo-Group ihr offizielles Büro in Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments in Brüssel. Erst durch Druck von Seiten des lobbykritischen Netzwerks Corporate Europe Oberservatory bezog die nicht-registrierte Intergroup ein neues Büro in unmittelbarer Nähe des Parlaments.[9] [10] Präsident der Kangaroo Group ist seit Juni 2013 der deutsche Europaabgeordnete Michael Gahler. Sein Vorgänger war der österreichische Europaabgeordnete Othmar Karas, vier Jahre Präsident der Kagaroo-Group und gleichzeitig seit 2012 Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Neben Michael Gahler und Othmar Karas sind noch 20 weitere Europaabgeordnete Mitglieder der Kangaroo Group.[11]

Diese Beispiele machen deutlich, warum viele kritische NGOs Intergroups als Vehikel sehen, die Unternehmensinteressen ins Europäische Parlament bringen.

Seitenwechsler

Verbindungen

Fallstudien und Kritik

  • Die inoffizielle Intergroup Transatlantic Policy Network bezahlt sowohl amerikanischen als auch europäischen Politikern die Reisekosten für Besuche intern organisierter Konferenzen sowie andere Ausflüge. Allein für US-Politiker wurden im Zuge dessen, zwischen 2004 und 2012, Kosten in Höhe von 241,775 $ übernommen - für 47 derartige Ereignisse (Stand: April 2014).[15] Da es im Rahmen des Lobbyregisters des Europäischen Parlaments keine Verpflichtung für inoffizielle Intergroups gibt, derlei Zahlen offenzulegen, sind die Ausgaben für EU-Abgeordnete nicht im Detail bekannt.
  • Im Jahr 2011 schrieb der britische EU-Abgeordnete Martin Callanan eine offizielle parlamentarische Stellungnahme als Reaktion auf den Antrag der Europäischen Kommission hingehend der Energieeffizienzstandards von Automobilen, in welcher er geringere Auflagen für die Industrie empfahl. Seine Empfehlungen entsprachen exakt denen des Verbandes Europäischer Automobilhersteller, von dem viele Mitgliedsunternehmen Vertreter in der Intergroup Forum for the Automobile and Society (dt. Forum Automobil und Gesellschaft) sitzen haben. Auch Callanan ist Mitglied dieser Intergroup.[4]
  • Der englische Abgeordnete des Europäischen Parlaments Giles Chichester ist Präsident der Intergroup European Energy Forum (EEF) (dt. Europäisches Energieforum), welche von zahlreichen Energie- und Ölkonzernen finanziert wird. In dieser Position ließ sich Chichester, zusammen mit anderen in der Intergroup aktiven EU-Abgeordneten, auf eine Exkursion in die Barentssee durch den norwegischen Ölkonzern Statoil einladen - diese wurde von Statoil finanziert. Statoil bezweckte mit dieser Fahrt, den Abgeordneten die Sicherheit und Unbedenklichkeit von Ölbohrinseln in empfindlichen Ökosystemen zu demonstrieren. Weiterhin ließ sich Chichester durch den Atomenergiekonzern Areva eine Reise nach Valencia, inklusive des Besuchs einer Etappe des America's Cup, bezahlen. Bemerkenswert ist, dass Chichester stets politische Positionen vertritt, welche im Interesse jener großen Energiekonzerne sind, welche das EEF dominieren.[5]
  • 2005 haben Abgeordnete des Europäischen Parlaments, welche auch Mitglieder der Intergroup European Parliamentary Financial Services Forum waren, Änderungsanträge eingebracht um die damals in Vorbereitung befindliche Dritte Geldwäsche-Richtlinie zu verwässern. Die eingebrachten Änderungsvorschläge waren beinahe identisch mit den von einer Handelsbankengruppe in Umlauf gebrachten Entwürfen. Jene Handelsbankengruppe stellte viele Mitglieder in der genannten Intergroup.[4]
  • Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok war dafür verantwortlich, dass 2004, in einem Entwurf des Europäischen Parlaments, hinsichtlich der zu erreichenden Ziele auf einem damals anstehenden EU-USA-Gipfel, die Hauptforderungen der Intergroup Transatlantic Policy Network eins zu eins eingegangen sind. Vordergründig ging es darum bis 2015 einen freien und weitestgehend unregulierten Markt zwischen der USA und der EU zu schaffen. Brok war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Intergroup.[16]
  • Der britische EU-Parlamentarier Malcom Habour, welcher Vorsitzender der Intergroup Forum for the Automobile and Society (dt. Forum Automobil und Gesellschaft) ist, hat sich seit dem Jahr 2004 18 Autos und den Besuch diverser Autorennsportereignisse sowie anderer Events von der Automobilindustrie bezahlen lassen. Habour selbst ist als ein energischer Verfechter automobilkonzernfreundlicher Positionen im Europäischen Parlament bekannt.[5]

Weitere Kritikpunkte:

  • Obwohl Intergroups keine Organe des Parlaments sind und aus diesem Grund nicht in dessen Namen sprechen können und dürfen, werden derlei Regeln insbesondere durch inoffizielle Intergroups vorsätzlich unterwandert. Beispielsweise geschieht dies, indem nicht-registrierte und keinerlei Kontrolle durch das EU-Parlament unterliegende Intergroups in ihren Namen die Worte European Parliament führen - wodurch der Eindruck einer offiziellen Einrichtung der Europäischen Union geweckt wird, dies jedoch in keiner Weise zutrifft.

Beispiele dafür sind u.a. folgende nicht-registrierte Intergroups:

  • Nichtregierungsorganisationen, andere zivilgesellschaftliche Interessengruppen sowie Gewerkschaften sind ganz überwiegend aus den Intergroups ausgeschlossen und dürfen nur in den seltensten Fällen an einzelnen Veranstaltungen teilnehmen. Dies trifft insbesondere auf die inoffiziellen und oft rein durch Mitgliedskonzerne und -verbände finanzierten Intergroups zu. Beispielsweise ist dies gängige Praxis im European Energy Forum (EEF) und dem Rail Forum Europe.[4]


Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. Regelung über die Bildung interfraktioneller Arbeitsgruppen, europarl.europa.eu, abgerufen am 09.04.2014
  2. KONFERENZ DER PRÄSIDENTEN - PROTOKOLL der Sitzung vom 11. November 1999, europarl.europa.eu, abgerufen am 09.04.2014
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Webseite Europäisches Parlament - Interfraktionellen Arbeitsgruppen abgerufen am 04.12.2012
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Lobbying under Radar, corporateeurope.org vom 24.05.2011, abgerufen am 09.04.2014
  5. 5,0 5,1 5,2 Conflicts of Interests in the EU, corporateeurope.org vom 25.06.2008, abgerufen am 09.04.2014
  6. Intergroups im Europäischen Parlament, europa-digital.de vom 30.01.2006, abgerufen am 02.08.2012
  7. Erklärung der finanziellen Interessen, europarl.europa.eu vom 30.05.2012, abgerufen am 08.08.2012
  8. Introduction Homepage von FOCOPE, abgerufen am 16.08.2012
  9. Kangaroo Group's base in Parliament challenged, corporateeurope.org, Artikel vom 21.11.2011, abgerufen am 09.04.2014
  10. NEW ADDRESS of the Kangaroo Group Secretariat, Kangaroo Group's Homepage, abgerufen am 09.04.2014
  11. The Board of the Kangaroo Group, Kangaroo Group, abgerufen am 09.04.2014
  12. Facebook ernennt Datenschutzbeauftragte, Zeit Online vom 14.09.2011, abgerufen am 08.08.2012
  13. Burson-Marsteller Website Senior Consultants/profile, abgerufen am 16.08.2012
  14. Knowledge4Innovation, Strauss & Partners Homepage, abgerufen am 16.08.2012
  15. Transatlantic Policy Network - Sponsor of Congressional Travel, http://www.legistorm.com, abgerufen am 17.08.2012
  16. EU-US free trade talks ahead?, Artikel auf corporateeurope.org von 2004, abgerufen am 16.08.2012

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