Parteispenden
Parteispenden sind neben staatlichen Mitteln, Mitgliedsbeiträgen, Sponsoring und Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit eine bedeutende Finanzierungsquelle deutscher Parteien (siehe Parteienfinanzierung). Durch hohe Parteispenden können einzelne Lobbygruppen oder reiche Privatpersonen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen. Deshalb sind klare Regelungen für Parteispenden wichtig für eine Demokratie. Dazu gehören insbesondere Offenlegungspflichten und die Begrenzung der zulässigen Spendenhöhe. Laut den Rechenschaftsberichten für 2022 liegt der Anteil von Parteispenden an der Gesamtfinanzierung der Bundestagsparteien zwischen 5,77 und 15,65 Prozent (ohne BSW und SSW).[1]
Wer an welche Partei spendet, finden Sie in der Parteispenden-Datenbank |
---|
Inhaltsverzeichnis
- 1 Regulierung von Parteispenden
- 2 Herkunft von Parteispenden
- 3 Empfänger von Parteispenden
- 4 Steuerliche Absetzbarkeit
- 5 Wahlkampffinanzierung
- 6 Kritik
- 7 Regulierung von Parteispenden im internationalen Vergleich
- 8 Neuere Beispiele für problematische Parteispenden
- 9 Forderungen von LobbyControl zur Parteienfinanzierung
- 10 Weitere Informationen
- 11 Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus
- 12 Einzelnachweise
Regulierung von Parteispenden
Parteispenden sind im Parteiengesetz ausdrücklich vorgesehen. Sowohl natürliche als auch juristischen Personen (wie Unternehmen und Wirtschaftsverbände) dürfen spenden. Während die staatliche Finanzierung gesetzlich begrenzt ist, gibt es für Parteispenden in Deutschland keinerlei Obergrenze. In anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich sind Unternehmensspenden verboten und Spenden von Privatpersonen nur bis maximal 7.500 Euro pro Jahr erlaubt.
Allerdings gibt es auch in Deutschland eine Reihe von Einschränkungen und Pflichten rund um die Annahme von Parteispenden, die mit der Änderung des Parteiengesetzes vom März 2024 leicht verschärft wurden: So sind etwa Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, von Parlamentsfraktionen, von den parteinahen Stiftungen und von gemeinnützigen Einrichtungen an Parteien verboten. Darüber hinaus dürfen die Parteien keine Spenden von Berufsverbänden und von Unternehmen annehmen, die zu über 25% im Eigentum der öffentlichen Hand sind (wie zum Beispiel die Deutsche Bahn). Auch Spenden aus dem Ausland sind mit Ausnahmen unzulässig: nicht-EU-Ausländer dürfen nur bis maximal 1000 Euro spenden. Für EU-Ausländer und Firmen mit Hauptsitz in der EU gelten die gleichen Regeln wie für Deutsche. Deutsche Staatsbürger dürfen aus ihrem Auslandsvermögen (etwa einer im Ausland ansässigen Firma) spenden, dürfen diese Spende aber nicht über einen Dritten an die Partei leiten.
Verboten sind zudem anonyme Spenden oberhalb von 500 Euro. Ebenfalls verboten sind sogenannte Einfluss-Spenden: Parteien dürfen keine Spenden annehmen, die „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden.“[2] Spenden von Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten haben oder zu erhalten hoffen, sind hingegen erlaubt.
Für die Parteienfinanzierung gilt der Grundsatz, dass eine Partei von keiner Finanzierungsquelle zu stark abhängig sein darf. Deshalb gibt es für die Staatliche Parteienfinazierung relative Obergrenzen, die die staatliche Finanzierung im Verhältnis zu anderen Einnahmequellen einer Partei begrenzen. Nimmt eine Partei jedoch besonders viele Spenden ein, kann das dazu führen, dass auch die staatliche Unterstützung im Verhältnis steigt. Deshalb profitieren Parteien manchmal doppelt von hohen Spenden. Für Spenden bis 3.300 Euro erhalten Parteien pro gespendetem Euro noch 0,45 Cent Unterstützung vom Staat.[3]
Offenlegung von Parteispenden
Einzelspenden über 35.000 Euro müssen von der Empfänger-Partei unverzüglich dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden, der sie „zeitnah“ als Bundestagsdrucksache veröffentlichen muss.[4] Diese Offenlegungspflicht wurden erst im Jahr 2002 durch eine Reform des Parteiengesetzes eingeführt. Die Grenze für die Offenlegungspflicht wurde 2024 von 50.000 auf 35.000 herabgesetzt. Zudem müssen Spenden, die sich innerhalb eines Jahres auf über 10.000 Euro summieren, mit Nennung des Namens und der Adresse des Spenders im Rechenschaftsbericht der empfangenden Partei aufgeführt werden. Die Rechenschaftsberichte erscheinen erst mit großer Verzögerung. Findet etwa ein Wahlkampf im Sommer eines Jahres statt, werden die Wahlkampfspenden über 10.000 Euro (aber unter 35.000 Euro) erst knapp zwei Jahre später veröffentlicht.[5]
In den Rechenschaftsberichten wird nicht vermerkt, ob die Spender einzelne Landes-, Kreis- oder Ortsverbände bedacht haben. Auch ist nicht aufgeschlüsselt, wie viele Spenden einzelne Kreis- und Ortsverbände insgesamt erhalten haben. Nur der Bundesverband einer Partei erhält eine Aufstellung aller Zuwendungen mit Namen und Anschrift, die an alle Parteigliederungen geleistet wurden. Die Landesverbände sind verpflichtet, die Teilberichte der ihnen nachgeordneten Gebietsverbände aufzubewahren.
Herkunft von Parteispenden
In Deutschland dürfen nicht nur natürliche Personen an Parteien spenden, sondern auch juristische Personen wie Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Aufgrund der sehr hohen Offenlegungsschwellen lässt sich nur die Herkunft der Spenden über 10.000 Euro nachvollziehen.
Bei den Verbänden tun sich die regionalen Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Verband der Chemischen Industrie besonders als Großspender hervor. Die Metall- und Elektro-Arbeitgeber sind dabei die größten Parteispender in Deutschland überhaupt. Sie spendeten seit dem Jahr 2000 insgesamt 26.680.447,61 Euro an CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne.
Zu den Unternehmen, die regelmäßig hohe Summen an Parteien überweisen gehören u.a. DVAG, Allianz, BMW und Daimler. Zu den spendenfreudigsten natürlichen Personen gehört die BMW-Eignerfamilie Quandt/Klatten. Allein Susanne Klatten spendete seit 2002 fast 2 Mio € an die CDU und FDP. Im Bundestagswahlkampf 2021 spendeten u. a. der Tech-Unternehmer Steven Schuurman 1.250.000€, sowie der Software-Entwickler Moritz Schmidt 1.000.300€ an Bündnis 90/Die Grünen, sowie die Unternehmer Georg Kofler und Christoph Kahl 750.000€ an die FDP bzw. 531.290€ an die CDU.
Zahlungen der größten Geldgeber an die Parteien seit 2000 [6]:
Geldgeber | CDU | CSU | FDP | SPD | Grüne | Gesamt |
---|---|---|---|---|---|---|
Gesamtmetall-Verbände | 6.085.686,45 | 11.445.533,91 | 4.643.419,03 | 2.252.724,65 | 2.025.083,57 | 26.680.447,61 |
DVAG-Firmengeflecht | 6.180.189,7 | 163.951 | 2.669.621,95 | 568.501 | 376.001 | 9.958.264,65 |
BMW (2000-2014) und Fam. Quandt/Klatten | 5.025.345,54 | 1.899.269,23 | 2.198.786,42 | 1.347.213,55 | 495.460,78 | 10.966.075,52 |
Daimler | 2.665.741,39 | 774.058,36 | 910.199,41 | 2.588.472,88 | 504.999,94 | 7.443.471,98 |
VCI und Bayerische Chemie-Verbände | 2.854.515,92 | 2.177.607,4 | 1.429.798,32 | 1.261.114,45 | 278.000 | 8.001.036,09 |
Allianz | 1.193.959,5 | 1.031.701,5 | 897.491,8 | 1.168.395 | 931.136 | 5.222.683,8 |
Deutsche Bank (2000-2009) | 2.835.494,7 | 195.564,5 | 1.327.846,7 | 380.000 | 70.451,6 | 4.809.357,5 |
Bei allen Parteien leisten außerdem Mandatsträger im Bundestag und in den Landtagen größere finanzielle Zuwendungen an die Parteien. Diese werden in den Rechenschaftsberichten im Sammelposten "Mandatsträgerbeiträge" gesondert von den Spenden anderer Personen ausgewiesen. [7]
Empfänger von Parteispenden
Die im Bundestag vertretenen Parteien sind in sehr unterschiedlichem Ausmaß spendenfinanziert. Bei allen schwankt zudem der Anteil der Parteispenden am Gesamtbudget: In Wahljahren ist dieser Anteil bei allen Parteien besonders hoch und kann mehr als das Doppelte des sonst Üblichen betragen.
Laut der Rechenschaftsberichte für das Bundestagswahljahr 2021 ist die FDP am stärksten spendenfinanziert: Spenden machen insgesamt 38,8% ihrer Einnahmen aus, 12,83% ihrer Einnahmen sind Spenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Dahinter folgen die AfD (26,64% bzw. 0,71%), die CDU (16,65% und 9,24%), CSU (19,05% und 8,56%), die Grünen (16,62% und 1,66%), die SPD (10,02% und 2,03%) und die LINKE (9,41% und 0,01%).
Großspenden von jeweils mehr als 10.000 Euro erhielten die Parteien in den Jahren 2018 bis 2022 wie folgt (die Spenden von natürlichen Personen enthalten dabei auch Mandatsträgerbeiträge):
CDU | CSU | FDP | SPD | Grüne | Linke | AfD | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Großspenden von natürlichen Personen | 25.183.167,98 | 4.903.187,18 | 11.129.897,96 | 31.161.973,45 | 35.047.330,01 | 16.470.255,58 | 6.372.097,84 |
Großspenden von Unternehmen + Verbänden | 11.139.210,19 | 6.050.994,94 | 7.127.801,7 | 3.235.235,49 | 1.955.463 | 0 | 90.000 |
Großspenden gesamt | 36.322.378,17 | 10.954.182,12 | 18.257.699,66 | 34.397.208,94 | 37.002.793,01 | 16.470.255,58 | 6.462.097,84 |
Die Spenden werden sowohl von der Bundespartei als auch von Landesverbänden oder weiter untergeordneten Parteigliederungen verbucht. Sie werden dort vom jeweils zuständigen Vorstandsmitglied verwaltet. Das Parteiengesetz sieht vor, dass jedes Parteimitglied Spenden annehmen darf und diese an einen für Finanzen zuständigen Vorstand weiterleiten muss.
Abgeordnetenspenden
Geldspenden entgegenzunehmen, welche bei dem oder der Abgeordneten verbleiben sollen, ist für Mandatsträger:innen des Bundestages seit dem Jahr 2022 nicht mehr zulässig. Laut Gesetzgeber bergen direkte Geldspenden an Bundestagsabgeordnete grundsätzlich die Gefahr der Abhängigkeit des oder der Abgeordneten von den Interessen des Gebers bzw. der Geberin.[8]
Steuerliche Absetzbarkeit
Parteispenden von natürlichen Personen sind bis zu 3.300 Euro (Single) bzw. 6.600 Euro (Ehepaar) steuerlich absetzbar. Juristische Personen können seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1992 ihre Parteispenden nicht mehr von der Steuer absetzen. Wirtschaftsverbände, die im Körperschaftsteuerrecht als Berufsverbände gelten, müssen zudem 50 Prozent Körperschaftsteuer auf Parteispenden zahlen. Unternehmen und Wirtschaftsverbände, darunter etwa BMW, Volkswagen und der Tabakkonzern Philip Morris, sind vermutlich auch aus diesem Grund zunehmend dazu übergegangen, finanzielle Zuwendungen an Parteien in Form von Sponsorzahlungen statt in Form von Spenden zu leisten: Sponsorzahlungen sind von Unternehmen als Betriebsausgaben absetzbar. Das neue Parteiengesetz von 2024 verpflichtet Parteien jedoch ab dem 1. Januar 2025 Sponsoringeinnahmen gesondert im Rechenschaftsbericht zu führen. Zudem müssen Sponsoren welche mehr als 750€ als Einzelzuwendung oder mehr als 6.000€ im Jahr an den selben Gebietsverband einer Partei erbringen namentlich im Rechenschaftsbericht aufgeführt werden.[9]
Wahlkampffinanzierung
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland kaum gesonderte Regelungen für Spenden, die im Zusammenhang mit Wahlen bzw. Wahlkämpfen stehen. Zum Vergleich: In Großbritannien beispielsweise werden normalerweise Spenden quartalsweise veröffentlicht. Während des Wahlkampfs erfolgt die Veröffentlichung jedoch wöchentlich.
Mit den Neuerungen des Parteiengesetzes von 2024 gibt es jedoch auch in Deutschland besondere Regeln, wenn Dritte Wahlkampf für eine Partei machen. Möchten Dritte Wahlwerbung für eine Partei machen, haben sie dies der Partei zu melden, inklusive Wert, Inhalt, Finanzierung und Umfang der geplanten Werbung. Die Partei hat so die Möglichkeit die Wahlwerbung zu untersagen. Akzeptiert sie die Werbung jedoch, wird diese als Spende gewertet und muss entsprechend den Regeln für Parteispenden im Rechenschaftsbericht offengelegt werden.[9]
In vielen Ländern existieren zudem Obergrenzen für die zulässigen Wahlkampfausgaben. Auch dies ist in Deutschland nicht der Fall.
Kritik
Die deutsche Parteienfinanzierung steht auch nach den großen Parteispendenskandalen der 1990er Jahre und der anschließenden Reform des Parteiengesetzes von 2002 in der Kritik. Laut der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) fällt Deutschland hinter den europäischen Standards zurück. Diese fordert bereits seit 2009 Änderungen des Parteienfinanzierungssystems.[10] 2011 wurde sogar ein Mahnverfahren eingeleitet.[11]
- Offenlegungspflicht: Laut GRECO-Bericht war die Grenze von 50.000€, ab der eine unverzügliche Veröffentlichungspflicht bestand, „übertrieben hoch“ und nicht geeignet, um „ein ausreichendes Maß an Transparenz der Parteienfinanzierung auf kommunaler Ebene zu erreichen, wo sich Politik und Wirtschaft näher sind und Handlungen mit Summen unter den erwähnten 50.000 Euro beeinflusst werden können.“ Dieses Problem ist auch mit der geringfügigen Herabsetzung der sofortigen Offenlegungspflicht auf 35.000€ nicht gelöst. Die meisten anderen europäischen Länder haben viel niedrigere Grenzwerte für die Offenlegung von Spenden festgelegt.
- Wahlkampffinanzierung: Die langen Verzögerungen bei der Veröffentlichung von Parteispenden führe laut GRECO-Bericht dazu, „dass die breite Öffentlichkeit keine wirkliche Möglichkeit hat, irgendeine Form von sozialer Kontrolle auszuüben.“ Die Staatengruppe ist daher der Auffassung, „dass die derzeitigen Regelungen eindeutig nicht geeignet sind, einen zufriedenstellenden Grad an Transparenz der Wahlkampffinanzierung entsprechend der Empfehlung aus dem Jahr 2003 zu gewährleisten." GRECO empfiehlt daher, „ein Verfahren für die Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten für den Wahlkampf auf Bundesebene einzuführen, das die Informationen kurz nach den Wahlkämpfen verfügbar macht.“
- Umgehung von Spendenregulierungen durch Sponsoring: Das Parteisponsoring ist im Parteienesetz nur unscharf von Parteispenden abgegrenzt. So schreibt das Gesetz vor, dass die Zuwendungen an die Parteien im Rahmen des Sponsorings nicht außer Verhältnis zu den erhaltenen Gegenleistungen stehen darf. Diese Formulierung ist unklar, was weitreichende Konsequenzen hat. Ist der gezahlte Betrag unverhältnismäßig hoch beziehungsweise die Gegenleistung zu gering, würde es sich um eine Parteispende handeln. Für Parteispenden gibt es eine Reihe gesetzlicher Annahmeverbote, die für das Parteiensponsoring nicht gelten – beispielsweise für weitergeleitete Spenden. Es besteht also trotz der im Jahr 2024 beschlossenen Transparenzpflichten für Parteisponsoring das Risiko, dass Annahmeverbote für Parteispenden durch Sponsoring umgangen werden.
- Stückelung von Parteispenden: Spender können durch Stückelung von Großspenden in kleinere Beträge leicht die Offenlegungspflichten unterlaufen. Dazu gehört zum einen die Praxis, innerhalb eines Jahres mehrere Beträge unter der Grenze von 35.000 zu überweisen oder Großspenden so auf Familienmitglieder oder Tochterfirmen aufzuteilen, dass ebenfalls jede einzelne Spende unter 35.000 Euro liegt. Dies verhindert die sofortige Offenlegung der Großspende. Auch die Veröffentlichung in den Rechenschaftsberichten kann auf ähnliche Weise umgangen werden (siehe unten). [12] [13]
- Mangelnde Kontrolle: Zuständig für die Kontrolle des Parteiengesetzes ist die Bundestagsverwaltung. Doch ihr fehlen sowohl Befugnisse als auch Mittel, um wirklich konsequent gegen Verstöße vorzugehen und zu ermitteln. Für die Überprüfung der Angaben in den Rechenschaftsberichten sind im Referat für Parteienfinanzierung im Bundestag zweieinhalb Stellen für Volljuristen vorgesehen. Diese sind der Bundestagspräsidentin unterstellt, die ebenfalls einer Partei angehört. Das Fehlen einer ausreichend unabhängigen Kontrollinstanz wurde schon mehrmals, zuletzt 2019 durch den Europarat angemahnt.[10]
Regulierung von Parteispenden im internationalen Vergleich
Verglichen mit anderen Ländern der EU sind Parteispenden in Deutschland sehr schwach reguliert. Neben Deutschland gibt es nur sieben weitere EU Länder in denen keine Obergrenze für Parteispenden gilt. In 19 von 27 EU Ländern sind Parteispenden jedoch gesetzlich begrenzt. In 12 EU Staaten sind zudem Spenden von juristischen Personen, z.B. Firmen oder Verbänden, verboten.[14]
In Deutschland fließen zudem deutlich mehr Parteispenden als überall sonst in Europa. Eine internationale Recherchekooperation die Parteispenden in 22 EU-Ländern verglich, kam zu dem Schluss, dass die deutschen Parteien im Untersuchungszeitraum 2019-2022 mehr als zehnmal so viele Zuwendungen von Privatpersonen, Mandatsträger:innen und Unternehmen erhielten, als in jedem der anderen untersuchten Länder. Allein an die Parteien im Bundestag flossen in diesem Zeitraum 633 Millionen Euro. 67,5% der 937 Millionen Euro Spenden in allen 22 Ländern flossen an die sechs Parteien im Deutschen Bundestag. An die Parteien in den nächstplatzierten Ländern, Frankreich und Niederlande, gingen im gleichen Zeitraum jeweils nur knapp 50 Millionen Euro. Sponsoringeinnahmen von deutschen Parteien sind dabei nicht mitgerechnet.[15]
Neuere Beispiele für problematische Parteispenden
Mögliche Einflussspende durch Christoph Gröner
Der Immobilienunternehmer Christoph Gröner spendete 2020 insgesamt 820.000€ an die Berliner CDU, davon 320.000 als Privatperson und 500.000€ über sein Unternehmen Gröner Family Office gmbH.[16] In Interviews behauptete Gröner, diese Spenden an drei Bedingungen geknüpft zu haben, unter anderem eine Reform des Berliner Mietendeckels.[17] Der Landesvorsitzende der Berliner CDU Kai Wegner bestätigte in Interviews, dass Gröner seine Spende an Bedingungen geknüpft hat, nannte jedoch lediglich die Bekämpfung der Obdachlosigkeit.[18] Sollte Gröner seine Spende tatsächlich an eine Bedingung geknüpft haben, würde es sich um eine illegale sogenannte Einflussspende handeln. Ein von Lobbycontrol in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bestätigt diese Einschätzung.[19] Die Bundestagsverwaltung stellte die Untersuchung im Juli 2023 jedoch ein.[20] Stand September 2024 läuft gegen die Einstellung der Untersuchung durch die Bundestagsverwaltung eine Klage durch die Kleinpartei Die Partei.[21]
Immobilienspende an die Berliner SPD
Wie die taz im Januar 2023 berichtet, erhielt der Berliner Landesverband der SPD noch vor der Wahl im September 2021 eine Spende von der Primus Immobilien AG. Die Spende in Höhe von 9.999 € lag nur knapp unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 10.000€. In einem Schreiben habe sich die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey bedankt und zudem das Angebot an die Immobilienfirma gemacht, dass diese sie bei Fragen oder Anregungen „gerne direkt ansprechen“ könne. [22]
Jens Spahns "Spendendinner" im Oktober 2020
Im Februar 2021 wurde bekannt, dass Jens Spahn am 20. Oktober 2020 an einem als privat deklarierten Abendessen mit etwa einem Dutzend Gästen in Leipzig teilgenommen hat.[23] Im Nachgang des Treffens gingen bei Spahns CDU-Kreisverband Borken mehrere Spenden in Höhe von 9.999 € ein.[24][25] Damit blieben diese Parteispenden knapp unter der geltenden Schwelle von 10.000 €, ab der die CDU sie hätte anzeigen müssen.
Der Fall Regensburg
Aus dem Umfeld von drei Regensburger Immobilienunternehmen flossen dem SPD-Ortsverein des Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs während des Wahlkampfs 2014 über eine halbe Million Euro und der örtlichen CSU rund 90.000 Euro zu.[26] Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass Mitarbeiter der Unternehmen privat spendeten und anschließend das Geld von ihrem Arbeitgeber als Gehaltszuschlag zurückerhielten. Durch dieses mutmaßliche Strohleute-System wurde verhindert, dass der Geldfluss öffentlich bekannt wurde. Fälle wie dieser sind möglich, weil die Transparenzschwellen für Parteispenden viel zu hoch sind. Erst ab 10.000 Euro werden sie – mit rund anderthalb Jahren Verzögerung – in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht. Alle Spenden unterhalb dieser Größenordnung bleiben für die Öffentlichkeit anonym. Dies ermöglicht es, selbst riesige Beträge zu stückeln und von verschiedenen Strohleuten überweisen zu lassen – unbemerkt von der Öffentlichkeit. LobbyControl fordert deshalb, Parteispenden schon ab 2000 Euro namentlich zu veröffentlichen.
Heckler und Koch
Im November 2011 berichtete die FAZ über Ermittlungen gegen den Waffenhersteller Heckler und Koch mit Sitz in Oberndorf im Landkreis Rottweil, Wahlkreis des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft dem Unternehmen vor, Spenden an verschiedene Parteien so gestückelt zu haben, dass sie nicht unter die Meldepflicht des Parteiengesetzes fielen. Ziel der Spenden sei es gewesen, einen illegalen Waffenexport nach Mexiko genehmigt zu bekommen. Der CDU-Kreisverband Rottweil räumte ein, in den letzten 10 Jahren acht Spenden der Firma erhalten zu haben, die unter den Veröffentlichungsgrenzen lagen und sich auf insgesamt 70.000 Euro beliefen.[27] 2018 wurde im Prozess gegen zwei Geschäftsführer von Heckler & Koch wegen illegaler Waffenexporte bekannt, dass sich der frühere Heckler & Koch-Geschäftsführer drei Wochen nach einer Parteispende von 10.000 Euro an den CDU-Kreisverband Rottweil schriftlich an Volker Kauder wandte und bat, dieser möge sich für die Exportgenehmigung nach Mexiko einsetzen.[28] Auch die beiden FDP-Abgeordneten Elke Hoff und Ernst Burgbacher erhielten Spenden.[29] Der Fall erinnert an die Direktspenden der Rüstungsindustrie an den Hamburger SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs für seinen Bundestagswahlkampf 2005. Auch in diesem Fall lagen die Beträge stets im vierstelligen Bereich, summierten sich aber insgesamt auf 60.000 Euro.[30] Nach der Wahl wurde Kahrs Berichterstatter für den Rüstungsetat im Haushaltsausschuss. [31] In der Folge wurde der Projektansatz für den Schützenpanzer Puma, hergestellt u.a. von den spendenden Rüstungsfirmen, von zwei auf drei Milliarden Euro erhöht.[32]
Gauselmann
Deutschlands führender Spielhallen-Konzern, die Gauselmann AG, spendete seit 1990 mehr als eine Million Euro verdeckt an Union, SPD, FDP und Grüne. Die Spenden kamen vom Unternehmenschef Paul Gauselmann und den Führungskräften des Unternehmens und beliefen sich auf 2.000 bis 6.000 Euro. Dadurch lagen sie unter der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro und mussten in den Rechenschaftsberichten der Parteien nicht angegeben werden. Ziel der Spenden war es, in der Politik für „Verständnis“ der Belange der Spielautomatenbranche zu schaffen. In einem internen Aktenvermerk heißt es:„[… …] um nach der Wahl die SpielV(erordnung) auf den Weg zu bringen, benötigen wir Verständnis in den unterschiedlichen Parteien. Hilfreich dabei ist, wenn wir Politikern helfen, ihren Wahlkampf zu begleichen.“ [16]Nach der Bundestagswahl 2005 wurde die Spielverordnung in Gauselmanns Sinn geändert.[33]
BMW-Anteilseigner Johanna Quandt, Stefan Quandt und Susanne Klatten
Die BMW-Anteilseigner Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten spendeten der CDU kurz nach der Bundestagswahl am 9. Oktober 2013 je 230.000 Euro, der FDP je 70.000 Euro. Die Spenden waren den Parteien schon lange vor der Wahl angekündigt worden und wurden herausgezögert, um eine öffentliche Debatte darüber während des Wahlkampfs zu vermeiden. Die Spenden erfolgten in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Neuregelung der europäischen Abgasnorm. Die Bundesregierung hatte im Juni 2013 die Verabschiedung der Neuregelung vertagt. Am 14. Oktober, d.h. einen Tag nach Bekanntwerden der Quandt-Spenden, verschob die Bundesregierung bei einem Treffen der europäischen Umweltminister in Luxemburg erneut eine Einigung auf strengere Abgasnormen für Autos in Europa. Ziel der Bundesregierung war es, die Einführung neuer Richtlinien über einen längeren Zeitraum zu strecken, was vor allem im Interesse von Oberklasse-Herstellern wie Daimler und BMW war. Nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion vom 30. August 2013 hatte Susanne Klatten am 6. Dezember 2011 und am 26. November 2012 an Gesprächsrunden von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) teilgenommen. Zudem traf sich der damalige Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) mindestens sieben Mal in der Wahlperiode mit Vertretern der Automobilindustrie. Unmittelbar nach der Wahl wurde Klaeden Cheflobbyist von Daimler.
Forderungen von LobbyControl zur Parteienfinanzierung
Für eine transparentere, verfassungskonforme Parteienfinanzierung fordert LobbyControl, dass
- für Spenden und Sponsoring eine Obergrenze von 50.000 Euro pro Spender:in bzw. Sponsor:in und Jahr gilt.
- die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden weiter gesenkt werden: Spenden ab 10.000 Euro sollen sofort nach Spendeneingang offengelegt werden (bisher: ab 35.000 Euro). Bei Spenden ab 2.000 Euro sollen Spender:innen namentlich in den Rechenschaftsberichten der Parteien genannt werden. Bisher liegt diese Veröffentlichungsgrenze bei 10.000 Euro, so bleiben bis zu 75 Prozent der Spenden juristischer Personen anonym.
- die Einhaltung der Regeln durch eine unabhängige und mit ausreichenden Ressourcen sowie Befugnissen ausgestattete Institution kontrolliert und wirksam sanktioniert wird.
Weitere wünschenswerte Verbesserungen:
- In den Rechenschaftsberichten der Parteien sollte aufgeführt werden, wenn Spenden an eine Untergliederung der Partei gingen, so dass die gezielte Förderung einzelner Abgeordneter und deren Wahlbezirke durch einzelne Firmen oder Verbände erkennbar wird.
- Die Spendendaten sollten nicht nur als pdf-Dateien veröffentlicht werden, sondern in einer öffentlich zugänglichen Datenbank, die durchsuchbar ist und Bürger:innen Auswertungen ermöglicht (z.B. Gesamtspenden eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum). Da die Bundestagsverwaltung im Gegensatz zu den vergleichbaren Aufsichtsbehörden in anderen Ländern immer noch nicht tätig wurde, hat LobbyControl eine solche Parteispenden-Datenbank erstellt und in die Lobbypedia integriert.
- Die Regeln für die Parteienfinanzierung sollten potentielle Umgehungsstrategien von vornherein aufgreifen und möglichst weitgehend erfassen. Es muss z.B. Regeln zum Spendensammeln durch Lobbyist:innen, Unternehmen oder Vereine geben (in den USA „Bundeling“ genannt). Auch Aspekte wie das geschäftliche Engagement der Parteien oder Kredite an Parteien müssen dabei bedacht werden.
Weitere Informationen
- Parteispenden-Datenbank mit allen veröffentlichten Spenden seit dem Jahr 2000
- Allgemeiner Artikel zur Parteienfinanzierung
- Artikel zu Parteisponsoring
- Artikel zu Parteispenden aus dem Finanzsektor
- parteispenden.at: Informationen über Parteispenden in Österreich
- Spenden-Datenbank der britischen Aufsichtsbehörde Electoral Commission
- Spenden-Datenbank der US-Aufsichtsbehörde Federal Electoral Commission
- democracyforsale.net: Datenbank über Parteispenden in Australien
Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

Einzelnachweise
- ↑ Deutscher Bundestag: Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien 2022abgerufen am 30.10.2024
- ↑ Parteiengesetz §25(2)7, abgerufen am 25.4.2012
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung: Die Finanzierung der Parteien in Deutschland abgerufen am 30.10.2024
- ↑ Deutscher Bundestag: Parteispenden über 50.000 Euro, abgerufen am 06.09.2017
- ↑ Deutscher Bundestag: Fundstellen der Rechenschaftsberichte, abgerufen am 06.09.2017
- ↑ Update: Aufgrund eines technischen Fehlers waren in der Tabelle bis zum 17.9.2018 bei den Spenden der Metallindustrie falsche Werte angegeben.
- ↑ Rechenschaftsberichte der Parteien
- ↑ Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages - Textsammlung bundestag.de, Stand September 2022, zuletzt abgerufen 06.02.2025
- ↑ 9,0 9,1 Bundesgesetzblatt Elftes Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes recht.bund.de, 4.03.2024, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ 10,0 10,1 Third Evaluation Round - Second Addendum to the Second Compliance Report on Germany 04.06.2019, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ LobbyControl: Europarat ermahnt Deutschland
- ↑ Stückeln, bündeln, tarnen, Abgeordnetenwatch, 22.Juni 2011, zuletzt abgerufen am 1.8.2016
- ↑ Gestückelte Parteispenden - Unternehmen und Verbände hebeln Transparenzregeln aus Abgeordnetenwatch, 15. März 2016, zuletzt abgerufen 1.8.2016
- ↑ Financing of political structures in EU Member State europaparl.europa.eu, Juni 2021, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Parteispenden: Deutschland ist das intransparenteste Land in Europa lobbycontrol.de, 29.05.2024, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ 820.000 Euro an die Berliner CDU: Die Partei verklagt Bundestagsverwaltung wegen Gröner-Spende tagesspiegel.de, 04.06.2024, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Immobilienmillionär Christoph Gröner - Vom Versagen der Politik und dem Wunsch zu bauen deutschlandfunkkultur.de, 08.05.2021, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Kai Wegner (CDU) - Jung & Naiv: Folge 526 youtube.de, 10.08.2021, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ [https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Gutachten-Schoenberger-Einflussspende-Groener-CDU.pdf Rechtsgutachtenüber die Auslegung von § 25 Absatz 2 Nr. 7 Parteiengesetz im Hinblick auf die Parteispende von Christoph Gröner und der Gröner Family Office GmbH an die CDU im Jahr 2020] lobbycontrol.de, 21.08.2023, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Gröner-Großspenden an CDU: Prüfung eingestellt – Transparency fordert unabhängige Stelle zur Aufsicht über die Parteienfinanzierung transparency.de, 27.07.2023, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Die PARTEI verklagt Bundesrepublik wegen CDU-Parteispenden zeit.de, 04.06.2024, abgerufen am 06.02.2025
- ↑ Debatte um Giffey und DW Enteignen: Das Gewissen der Regierenden taz.de, vom 17.01.2023, abgerufen am 05.02.2023
- ↑ Spendendinner des Gesundheitsministers: Spahns Schweigekartell, die tageszeitung vom 5. April 2021, zuletzt aufgerufen am 6.4.2021
- ↑ Jens Spahn will Namen der Spender nicht nennen, DER TAGESSPIEGEL, abgerufen am 25.03.2021
- ↑ Harsche Kritik an Jens Spahn SPIEGEL vom 28.02.2021, abgerufen am 25.03.2021
- ↑ LobbyControl: Parteispendensumpf: SPD-Oberbürgermeister verhaftet, 18.01.2017
- ↑ Bestechungsverdacht bei Waffenhersteller, FAZ 16.11.2011
- ↑ Report Mainz: Wurden politisch Verantwortliche für den Mexiko-Deal geschmiert? Sendung vom 22.5.2018
- ↑ Drei Spenden und ein Brief, Süddeutsche Zeitung vom 22.5.2018
- ↑ Das System Johannes Kahrs, FAZ 19.04.2009
- ↑ LobbyControl: Vorwürfe gegen Heckler und Koch
- ↑ Ulrike Winkelmann: Sag mir, wo die Lobbys sind, taz vom 17.12.2008
- ↑ LobbyControl: Verschleierte Parteispenden vom Glücksspielkonzern, abgerufen am 25.4.2012
- ↑ Parteienfinanzierung: CDU erhält Riesenspende von Großaktionären, Spiegel online vom 15. 10. 2013, Webseite Spiegel, abgerufen am 15. 10. 2013
- ↑ Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden wechselt zu Daimler, FAZ.net, 28. 5. 2013. Webseite FAZ, abgerufen am 15. 10. 2013