Intergroups

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Intergroups (Interfraktionelle Arbeitsgruppen) sind informelle Arbeitsgruppen im EU-Parlament. Sie werden von Abgeordneten fraktions- und parteiübergreifend zu einem bestimmten Thema gebildet. Sie sind jedoch keine Organe des Parlaments. An den Treffen von Intergroups nehmen neben den Abgeordneten Vertreter von Unternehmen, Organisationen und (Wirtschafts-)Verbänden teil. Es gibt offiziellen, beim EU-Parlament registrierten Intergroups und inoffiziellen, nicht-registrierten Intergroups.

Nicht-registrierten Intergroups werden häufig vollständig von den beteiligten Lobbyakteuren finanziert; registrierte Intergroups teilweise. Kritiker betrachten daher Intergroups oftmals als Vehikel, um Lobbyinteressen ins EU-Parlament zu tragen. Viele Industriezweige betreiben heute ihre eigene Intergroup.

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Kurzdarstellung und Geschichte

Die Bedingungen zur Bildung von Intergroups sind von der Konferenz der Präsidenten am 16. Dezember 1999 geschaffen worden (und wurden zuletzt am 19. September 2019 aktualisiert).[1] Festgelegt wurde, unter welchen Bedingungen Intergroups zu Beginn jeder Wahlperiode gebildet werden können, welchen Zweck diese verfolgen und wie sie in ihren Tätigkeiten ausgestaltet sind.[2]. Auch gibt die Geschäftsordnung vor, dass sich die offiziellen interfraktionellen Gruppen "uneingeschränkt transparent" verhalten und alljährlich jede Unterstützung in Form von Geld- oder Sachleistungen angeben müssen. Die Quästoren führen darüber ein öffentliches Register auf der Webseite des Parlaments.

Die Zahl der Intergroups variiert in jeder Legislaturperiode. Aktuell sind 27 offizielle Intergroups registriert. (Stand: April 2024).[3] Beispiele für registrierte Intergroups sind: Sky and Space, Artificial Intelligence and Digital oder Wine, Spirits and Foodstuffs

Die Webseite des Parlaments enthält neben der "Erklärung der finanziellen Interessen" auch die Liste mit den Mitgliedern der jeweiligen Intergroup. Allerdings erfasst die Liste nur registrierte Intergroups. Die lobbykritische Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory geht von mindestens 15 nicht registrierten Intergroups in Brüssel aus, schätzt jedoch, dass die tatsächliche Zahl solcher Intergroups noch höher liegt.[4]

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass sich nicht jede Arbeitsgruppe, in der Abgeordnete verschiedener Fraktionen mit Wirtschaftsvertetern und -lobbyisten informell zusammensitzen, auch offiziell als Intergroup beim Europäischen Parlament registrieren muss. Die diesbezüglichen Regelungen sind nur unzureichend konkretisiert und bieten ausreichend Schlupflöcher. Aus diesem Grund existiert momentan eine unüberschaubare Zahl an Intergroups.

Beispiele nicht registrierter Intergroups: Mitglieder aus der Wirtschaft (u.a.) Mitglieder aus der Politik (u.a.)
European Internet Forum (EIF) Amazon, Apple, Google, facebook, Telefonica, Nokia, Walt Disney[5] Angelika Niebler, Andreas Schwab, Axel Voss, Rainer Wieland[6]
European Energy Forum (EEF) eon, bp, ExxonMobil, [[Uniper][7] Daniel Caspary, Pilar del Castillo Vera[8]
European Parliamentary Financial Services Forum (EPFSF) JP Morgan, Deutsche Bank AG, Deutsche Börse Group, Commerzbank AG, Deloitte[9] Markus Ferber, Stefan Berger, Andreas Schwab, Beatrix von Storch (ehemalig) [10]
Forum for Mobility and Society (FMS) BMW Group, Toyota, Michelin, Goodyear Dunlop[11] Bernd Lange, Dominique Riquet, Adina-Ioana Valean[12]
Kangaroo Group Tobacco Europe, Philip Morris International, ExxonMobil, MBDA, Unilever, Airbus[13] Markus Ferber, Andreas Schwab, Rainer Wieland[13]
Knowledge4Innovation (K4I) A.SPIRE, CEFIC, ECPA, Nokia, Novitech[14] Christian Ehler, Marietje Schaake, Adina-Ioana Valean, Michael Theurer[15]
Rail Forum Europe Deutsche Bahn AG, Deutsche Post DHL, Thales Transportation, VDB[16] Jens Gieseke, Dominique Riquet, Martina Werner[17]
Transatlantic Policy Network (TPN) Allianz, Amazon, BASF, Coca-Cola, Deutsche Bank, Google, HSBC, Meta[18] Markus Ferber, Daniel Caspary, Axel Voss, Christian Ehler, Andreas Schwab, Michael Gahler [19]

Intergroups, welche nicht beim Europäischen Parlament registriert sind, unterliegen nicht den Vorgaben des EU-Parlaments und sind deshalb nicht verpflichtet, ihre finanziellen Interessen offenzulegen. Auf den Websites inoffizieller Intergroups werden nur nach Belieben Angaben über Finanzierung und Ausgaben der Gruppenaktivitäten gemacht.

Dadurch ist keine Transparenz gewährleistet und mögliche finanzielle Vorteilnahme durch politische Entscheidungsträger über solche Gruppen bzw. sonstige materielle Beeinflussungen kann kaum effektiv kontrolliert werden.

Organisationsstruktur und Arbeitsweise

Um eine offizielle, beim EU-Parlament registrierte Intergroup zu bilden, bedarf es der Unterschriften von Parlamentarier/-innen aus mindestens drei verschiedenen Fraktionen des Parlaments. Dabei ist die Anzahl der jeweiligen Fraktionsabgeordneten, welche zur Gründung einer Intergroup nötig sind, abhängig von einem festgelegten Zusammensetzungsschlüssel, der die Größe der Parlamentsfraktionen berücksichtigt. Es gibt keine verbindliche oder einheitliche Organisationsstruktur für offizielle Intergroups. Sie müssen jedoch über eineN VorsitzendeN verfügen und ihre finanziellen Zuwendungen öffentlich machen. Intergoups tagen in der Regel während der Sitzungsperioden des Europäischen Parlaments, dürfen jedoch, da sie keine offiziellen Organe des Parlaments sind, keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen oder den Eindruck erwecken, sie würden im Namen des Europäischen Parlaments sprechen.[2]

Finanzen

Intergroups finanzieren sich häufig durch eine Mischung aus Geldmitteln, die sich aus EU-Förderprogrammen, Stiftungen oder Mittelzuflüssen durch Spenden und Organisationen zusammensetzen.[20] Offizielle Intergroups erhalten auch Unterstützung durch das Europäische Parlament, indem es den verschiedenen Intergroups Konferenzräume zur Verfügung stellt oder die Fraktionen Übersetzer bereitstellen. Inoffizielle Intergroups erhalten keine derartige Unterstützung. Wobei es in den vergangenen Jahren mit der Kangaroo Group eine nicht-registrierte Intergroup geschafft hatte, ihr Büro eine Zeit lang im Europäischen Parlament unterzubringen (siehe Beispiele).

Die Finanzierung der einzelnen Intergroups ist zum Teil sehr undurchsichtig. Zwar muss jede Intergroup eine regelmäßig zu aktualisierende Erklärung über finanzielle Interessen beim Präsidenten des Europäischen Parlaments einreichen, welche sodann veröffentlicht wird - doch erstens ist unklar, ob diese vollständig sind. Zweitens, und hier liegt das größere Problem, finden sich die inoffiziellen Gruppen in dieser Liste über Zahl und Namen aktueller Intergroups nicht wieder.[1]

Einflussnahme und Lobbystrategien

Ein typischer Weg der Einflussnahme von Unternehmen und Verbänden auf politische Akteure erfolgt über Veranstaltungen, welche im Rahmen der Intergroups organisiert werden - sogenannte Arbeitsfrühstücke, Mittagessen inklusive Expertenvorträgen, Abendessen samt Themendebatten, Cocktailabende, Exkursionen oder Weiterbildungsseminare für Mitarbeiter der EU-Abgeordneten. Die Kosten dieser Veranstaltungen tragen die Unternehmen und Verbände.[4]

Weitere Zuwendungen, die auf eine gewisse Abhängigkeit der Gruppen von ihren Spendern hindeuten, sind zum Beispiel Räumlichkeiten und Sekretariate, die von Verbänden und anderen Lobbyakteuren zur Verfügung gestellt werden.

Im Folgenden werden einige Beispiele solcher Zuwendungen sowohl bei registrierten als auch bei unregistrierten Intergroups aufgeführt.

Beispiele

Diese Beispiele machen deutlich, warum viele kritische NGOs Intergroups als Vehikel sehen, die Unternehmensinteressen ins Europäische Parlament bringen.

Seitenwechsler

Verbindungen

Fallstudien und Kritik

  • Die inoffizielle Intergroup Transatlantic Policy Network bezahlt sowohl amerikanischen als auch europäischen Politikern die Reisekosten für Besuche intern organisierter Konferenzen sowie andere Ausflüge. Allein für US-Politiker wurden im Zuge dessen, zwischen 2000 und 2015, Kosten in Höhe von 243,129 $ übernommen - für 48 derartige Ereignisse.[27] Da es im Rahmen des Lobbyregisters des Europäischen Parlaments keine Verpflichtung für inoffizielle Intergroups gibt, derlei Zahlen offenzulegen, sind die Ausgaben für EU-Abgeordnete nicht im Detail bekannt.
  • Im Jahr 2011 schrieb der britische EU-Abgeordnete Martin Callanan eine offizielle parlamentarische Stellungnahme als Reaktion auf den Antrag der Europäischen Kommission hingehend der Energieeffizienzstandards von Automobilen, in welcher er geringere Auflagen für die Industrie empfahl. Seine Empfehlungen entsprachen exakt denen des Verbandes Europäischer Automobilhersteller, von dem viele Mitgliedsunternehmen Vertreter in der Intergroup Forum for the Automobile and Society (dt. Forum Automobil und Gesellschaft) sitzen haben. Auch Callanan ist Mitglied dieser Intergroup.[4]
  • Der englische Abgeordnete des Europäischen Parlaments Giles Chichester ist Präsident der Intergroup European Energy Forum (EEF) (dt. Europäisches Energieforum), welche von zahlreichen Energie- und Ölkonzernen finanziert wird. In dieser Position ließ sich Chichester, zusammen mit anderen in der Intergroup aktiven EU-Abgeordneten, auf eine Exkursion in die Barentssee durch den norwegischen Ölkonzern Statoil einladen - diese wurde von Statoil finanziert. Statoil bezweckte mit dieser Fahrt, den Abgeordneten die Sicherheit und Unbedenklichkeit von Ölbohrinseln in empfindlichen Ökosystemen zu demonstrieren. Weiterhin ließ sich Chichester durch den Atomenergiekonzern Areva eine Reise nach Valencia inklusive des Besuchs einer Etappe des America's Cup bezahlen. Bemerkenswert ist, dass Chichester stets politische Positionen vertritt, welche im Interesse jener großen Energiekonzerne sind, welche das EEF dominieren.[28]
  • 2005 haben Abgeordnete des Europäischen Parlaments, welche auch Mitglieder der Intergroup European Parliamentary Financial Services Forum waren, Änderungsanträge eingebracht um die damals in Vorbereitung befindliche Dritte Geldwäsche-Richtlinie zu verwässern. Die eingebrachten Änderungsvorschläge waren beinahe identisch mit den von einer Handelsbankengruppe in Umlauf gebrachten Entwürfen. Jene Handelsbankengruppe stellte viele Mitglieder in der genannten Intergroup.[4]
  • Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok war dafür verantwortlich, dass 2004 in einen Entwurf des Europäischen Parlaments hinsichtlich der zu erreichenden Ziele auf einem damals anstehenden EU-USA-Gipfel, die Hauptforderungen der Intergroup Transatlantic Policy Network eins zu eins eingegangen sind. Vordergründig ging es darum bis 2015 einen freien und weitestgehend unregulierten Markt zwischen der USA und der EU zu schaffen. Brok war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Intergroup.[29]
  • Der britische EU-Parlamentarier Malcom Habour, welcher Vorsitzender der Intergroup Forum for the Automobile and Society (dt. Forum Automobil und Gesellschaft) ist, hat sich seit dem Jahr 2004 18 Autos und den Besuch diverser Autorennsportereignisse sowie anderer Events von der Automobilindustrie bezahlen lassen. Habour selbst ist als ein energischer Verfechter automobilkonzernfreundlicher Positionen im Europäischen Parlament bekannt.[28]

Weitere Kritikpunkte

Obwohl Intergroups keine Organe des EU-Parlaments sind und aus diesem Grund nicht in dessen Namen sprechen können und dürfen, werden derlei Regeln insbesondere durch inoffizielle Intergroups vorsätzlich unterwandert. Beispielsweise geschieht dies, indem nicht-registrierte Intergroups in ihren Namen die Worte European Parliament führen - wodurch der Eindruck einer offiziellen Einrichtung geweckt wird. Beispiele dafür sind u.a. folgende nicht-registrierte Intergroups:

Nichtregierungsorganisationen, andere zivilgesellschaftliche Interessengruppen sowie Gewerkschaften sind ganz überwiegend aus den Intergroups ausgeschlossen und dürfen nur in den seltensten Fällen an einzelnen Veranstaltungen teilnehmen. Dies trifft insbesondere auf die inoffiziellen Intergroups zu. Beispielsweise ist dies gängige Praxis im European Energy Forum (EEF) und dem Rail Forum Europe.[4]

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Rules governing the establishment of Intergroups, Webseite des Europäischen Parlaments, abgerufen am 30.04.2024
  2. 2,0 2,1 Regelung für die Bildung interfraktioneller Arbeitsgruppen, Webseite Europäisches Parlament, abgerufen am 30.04.2024
  3. List of Intergroups, Webseite des Europaparlaments, abgerufen am 30.04.2024
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Lobbying under the radar, corporateeurope.org vom 24.05.2011, abgerufen am 13.06.2016
  5. Business Members, eifonline.org, abgerufen am 16.06.2016
  6. Political Members, eifonline.org, abgerufen am 16.06.2016
  7. Associate Members, europeanenergyforum.eu, abgerufen am 16.06.2016
  8. Active Members, europeanenergyforum.eu, abgerufen am 16.06.2016
  9. Financial Indusrty Members, epfsf.org, abgerufen am 16.06.2016
  10. Steering Committee epfsf.org, abgerufen am 16.06.2016
  11. About Us, debatingmobility.eu, abgerufen am 16.06.2016
  12. Home, debatingmobility.eu, abgerufen am 16.06.2016
  13. 13,0 13,1 Members, kangaroogroup.de, abgerufen am 16.06.2016
  14. Members, knowledge4innovation.eu, abgerufen am 16.06.2016
  15. Political Members, knowledge4innovation.eu, abgerufen am 16.06.2016
  16. Associate Members, rail-forum.eu, abgerufen am 16.06.2016
  17. Full Members, rail-forum.eu, abgerufen am 16.06.2016
  18. Business Members, tpnonline.org, abgerufen am 16.06.2016
  19. EU Parliamentary Group, tpnonline.org, abgerufen am 16.06.2016
  20. Intergroups im Europäischen Parlament, europa-digital.de vom 30.01.2006, abgerufen am 02.08.2012, nicht mehr abrufbar
  21. Declaration of Financial Interests, Sky and Space, Webseite Europäisches Parlament vom 01.09.2015, abgerufen am 13.06.2016
  22. Kangaroo Group's base in Parliament challenged, corporateeurope.org vom 21.11.2011, abgerufen am 13.06.2016
  23. The Board of the Kangaroo Group, Kangaroo Group, abgerufen am 13.06.2016
  24. Facebook ernennt Datenschutzbeauftragte, Zeit Online vom 14.09.2011, abgerufen am 13.06.2016
  25. Senior Consultants Profile Webseite von Burson-Marsteller, archiviert am 12.05.2016, abgerufen am 14.06.2016
  26. Clientse, Webseite von Strauss & Partners, abgerufen am 13.06.2016
  27. Transatlantic Policy Network - Sponsor of Congressional Travel, legistorm.com, abgerufen am 13.06.2016
  28. 28,0 28,1 Conflicts of Interests in the EU, corporateeurope.org vom 25.06.2008, abgerufen am 13.06.2016
  29. EU-US free trade talks ahead?, corporateeurope.org von Juni 2004, abgerufen am 13.06.2016

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